Die ausstoßende Kraft des Gletschereises
[99] Die ausstoßende Kraft des Gletschereises. Unter den Bergbewohnern besteht die Meinung, daß die Gletscher nichts Fremdes in sich dulden und alles Unreine ausstoßen. In der That ist es wahr, daß Gegenstände, die in Gletscherspalten gefallen oder absichtlich hineingeworfen worden waren, nach einiger Zeit an einer tieferen Stelle des Gletschers zum Vorschein kamen. Ein derartiger Fall erregte vor Jahren großes Aussehen. Im Jahre 1820 wollte der russische Naturforscher Dr. Hamel mit zwei englischen Forschern und vielen Führern und Trägern den Montblanc besteigen. Als sich die Gesellschaft nicht mehr weit von dem Gipfel befand, gerieth der auf dein Eise lose liegende Schnee ins Gleiten, stürzte als Lawine in die Tiefe und drei von den Leuten wurden verschüttet. Nach 41 Jahren gab der Bossongletscher an seinem unteren Ende einige Reste der Opfer wieder. Man fand hier Theile der Kleider der Verunglückten und den grünen Gletscherschleier des Dr. Hamel, der von den noch lebenden Führern wiedererkannt wurde. Ein Jahr darauf wurde eine Hand nebst anderen Resten gefunden. Man glaubte früher wirklich daran, daß dem Eise eine ausstoßende Kraft beiwohne. Der Vorgang erklärt sich jedoch anders. – Im Jahre 1827 war auf der Mittelmoräne des Aargletschers eine Steinhütte erbaut worden; drei Jahre darauf fand man, daß dieselbe um 100 m thalabwärts gewandert war. 1832 wurden auch die Reste einer Leiter gefunden, die Sauffure im Jahre 1788 auf dem „Mer de Glace“ (Eismeer) des Montblanc zurückgelassen hatte, und aus dem Fundorte wurde berechnet, daß jene Reste jährlich 114 m thalwärts zurückgelegt hatten. Seit jener Zeit wissen wir, daß die Gletscher langsam aber stetig zu Thal fließen. Infolgedessen gelangen sie in wärmere Regionen und schmelzen ab, so daß die Gegenstände, die in die Gletscherspalten gefallen sind, nunmehr auf der Oberfläche des Gletschers erscheinen.