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Die alte Glocke in Koblake

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Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Die alte Glocke in Koblake
Untertitel:
aus: Die Volkssagen der Altmark
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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10. Die alte Glocke in Koblake.

Unweit Stendal ist eine wüste Feldmark, die Kobbellake genannt; vor Zeiten hat hier ein großes Kirchdorf gestanden, das denselben Namen geführt, das aber schon lange vor dem dreißigjährigen Kriege zu Grunde gegangen ist. Man sieht nur an dem Orte, wo früher die Kirche gestanden, einige wenige Mauerstücke aus der Erde hervorragen. Vor vielen Jahren war einem Hirten aus dem nahen Dorfe Großen-Möhringen, der dort in der Gegend das Vieh hütete, eine Sau entkommen. Er suchte sie überall, und fand sie endlich an jenen Mauerstücken, wo sie ein tiefes Loch in die Erde gewühlt, und darin Junge geworfen hatte. Als der Hirt diese nun aufnehmen wollte, so fand er, daß sie in einem großen, weiten Kessel lagen, und als er weiter nachsah, da entdeckte er, daß dieß eine schöne alte Kirchenglocke war. Der Fund wurde bald bekannt, und die Domgemeinde zu Stendal glaubte, weil sie die älteste Gemeinde in der Altmark sei, so müsse die Glocke keinem Anderen gehören als ihr. Sie schickte also einen großen Wagen hin, mit sechszehn Pferden bespannt, der sollte sie nach Stendal holen. Allein die Stendaler konnten sie nicht von der Stelle rücken, so viele Gewalt sie auch gebrauchten.

Das Dorf Großen-Möhringen hatte zu derselben Zeit auf seinem Kirchthurme keine Glocke. Ein Bauer aus dem Dorfe fuhr daher nach der alten Mauer, um zu sehen, ob er die Glocke nicht losmachen und bekommen könne. Er fuhr ganz allein hin, und hatte nur ein einziges Pferd vor dem Wagen. Doch konnte er sie ohne Mühe aus der Erde aufheben und auf seinen Wagen heben, und das Pferd jagte im Galopp damit zum Dorfe. Daselbst wurde sie mit vielen Feierlichkeiten auf den Kirchthurm gehangen, [14] wo sie denn ein gar wundersam schönes Geläute gab. Besonders ärgerte und neckte sie die Stendaler. Denn wenn es nun in Großen-Möhringen läutete, so klang das noch in der Stadt Stendal so hell, daß die Leute nicht anders glaubten, als es werde zum Dome geläutet, und sie eilten nun, in die Kirche zu kommen. Und doch ist Großen-Möhringen eine starke Meile von der Stadt entfernt. Die hochmüthigen Stendaler ließen daher auf dem Thurme zu Möhringen nach der Stadtseite hin die Schallöcher vermauern, wie das noch jetzt zu sehen ist. Allein das half ihnen nichts, und die Glocke betrog sie wie früher, bis sie zuletzt, weil das Dorf arm war und Geld nöthig hatte, Anno 1649 für 290 Thaler nach Magdeburg verkauft wurde. In Magdeburg soll sie noch sein.

Ueber die Altmark. I. 167.