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Die Wisbyfahrt des Hansischen Geschichtsvereins

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Textdaten
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Autor: Karl Braun-Wiesbaden
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Titel: Die Wisbyfahrt des Hansischen Geschichtsvereins
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 678–680
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Autorenschaft nach Das historische Festspiel in Rothenburg ob der Tauber
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Die Wisbyfahrt des Hansischen Geschichtsvereins.

Reisefertig und seetüchtig lag am 23. Juli dieses Jahres der schmucke dänische Dampfer „Heimdal“ in dem Hafen der alten Hansastadt Lübeck vor Anker. Er trug ein prächtiges Festkleid, einen vielfarbigen Flaggenschmuck; denn diesmal galt es nicht, eine prosaische Geschäftsreise zu machen; das Ziel seiner Fahrt bildete vielmehr die einstige Beherrscherin der Ostsee, die halbvergessene Hansastadt Wisby auf Gottland, und die Passagiere, auf die er wartete, waren Künstler, Gelehrte und Schriftsteller, geladene Gäste des Hansischen Geschichtsvereins.

Die von diesem Verein angeregte Idee, unter hanseatischer Flagge eine Fahrt über’s Meer zu den alten deutschen Culturstätten in der Ostsee zu unternehmen, wurde mit Recht von allen Seiten mit aufrichtiger Freude begrüßt. War doch die Aufmerksamkeit der deutschen Leserwelt erst vor nicht langer Zeit durch das vortreffliche, preisgekrönte Werk des Professor Schäfer „König Waldemar und die Hansastädte“ auf die großartigen Städteruinen im Norden gelenkt worden, welche ein beredtes Zeugniß von der Größe der Kämpfe ablegen, die einst der deutsche Kaufmann um die Herrschaft über die Ostsee zu bestehen hatte.

So geschah es auch, daß am 23. Juli mehr Reisegefährten in Lübeck erschienen waren, als man ursprünglich erwartet hatte; es herrschte bei der Einschiffung ein buntes, verworrenes Treiben in den Räumen des „Heimdal“, der die Schaar der Gäste kaum zu beherbergen vermochte. Aber bald legte sich die Aufregung; Jeder hatte sich ein Plätzchen erobert und sich behaglich eingerichtet. Das Comité der Fahrt ging dabei hülfebietend und energisch zugleich vor. Die zahlreichen eisenbeschlagenen Koffer, Kisten und Kasten verschwanden aus dem Gesichtskreis an Deck; es klärte sich die Unordnung; die Hauptsorge um die Ruhe der Nacht war beseitigt, und Jeder erquickte zunächst seinen ermüdeten Körper an der geschmackvoll servirten Tafel unter dem luftigen Sonnenzelt, während sich die Anker aus der Tiefe hoben und das schöne Schiff uns langsam an den traumhaft an uns vorüber gleitenden Uferanlagen die Trave hinuntertrug. Man [679] freute sich der schönen Rundschau; die Stimmung an der Tafel wurde eine gehobene; das anmuthige Bild des Flusses erheiterte die Gemüther und so dampften wir unter günstigen Vorzeichen für einen angenehmen Verlauf der Wisbyfahrt an der mecklenburgischen Küste entlang, Stralsund zu.

Heiter und durch nichts getrübt verging der erste Tag in See. Beim anbrechenden Morgen sahen wir in unmittelbarer Nähe vor uns die so überaus malerisch, schroff und steil dem Meere entsteigende Küste von Rügen, die unter der aufgehenden Sonne in wundervoller Beleuchtung strahlte. Wir nahmen directen Curs auf Stralsund und passirten um neuneinhalb Uhr das unverkennbare Spuren eines würdevollen Alters tragende Rammpfahlwerk seines Hafens.

Die alte Hansastadt trug ein Festkleid; Fahnen und Flaggen sah man allerwärts wehen, und die Straßen waren mit frischem Laub und Blumen bestreut. Von den ehrwürdig auf uns herniederschauenden Thürmen der St. Nicolai- und Marien-Kirche verkündete Geläute erhebende Freude und feierliche Feststimmung. Es war gerade der Wallensteins-Tag, welchen die Stralsunder jedes Jahr zu feiern pflegen, zum Andenken des am 24. Juli 1628 erfolgten Abmarsches der Wallenstein’schen Belagerungsarmee. Dem stolzen Friedländer, welcher unverrichteter Dinge abziehen mußte, blies damals der Stadttrompeter von dem Thurme des Rathhauses ein höhnisches Marschlied nach, und auch heute erklingen an genanntem Tage dieselben höhnenden Töne vom Thurme.[1]

Eine sternenhelle Nacht hatte uns hinüber nach dem felsigen Wikinger-Eilande, Bornholm, geführt, dessen hohe zerklüftete Ufer mit ihren phantastischen Formen die Monotonie der Meeresfläche unterbrachen und uns zuerst den Zauber der nordischen Natur erschlossen. Es war früh am Morgen, als wir uns dem Hafen des Hauptstädtchens Rönne näherten, wo bereits eine Reihe von siebenzehn Wagen, mit kleinen muthigen Pferden bespannt, unser zu einer Fahrt über die Insel Bornholm harrte. Männer von Rönne boten uns zu der Uebersiedelung auf die Wagen hülfreiche Hand. Was waren das für Gestalten, welche Nacken und Arme! In der That, die Nachkommen der alten Wikinger sind immer noch ihrer Vorfahren würdig, und man muß selbst in ihrem Lande gewesen sein, um ihre milden Augen, ihren sanften und doch wieder so urmännlichen, entschlossenen Gesichtsausdruck verstehen zu können. Unser Weg führte uns mitten durch das Städtchen. Ein wahres Bild des Friedens stellte Rönne dar mit seinen langen wohlgepflegten Straßen, seinen schmucklosen, von einfachem aber biederem Sinne ihrer Bewohner sprechenden Häusern, mit den hübschen Anpflanzungen schöner Linden und Ebereschen und mit seinen alten, ehrwürdigen Marktplätzen. Aber nicht immer hatte in diesen Straßen solche friedliche Stille geherrscht. Es gab auch Zeiten, wo Rönnes und ganz Bornholms Schicksal nur blutig entschieden werden konnte; die Geschichte des freundlichen Eilands erzählt herzerschütternde Gräuel.

An reichen Gemüsegärten und Obstbaumanlagen vorbei, wie mitten durch üppige Wiesen und wogende Kornfelder fuhren wir in westlicher Richtung unserem Ziele, dem Jons-Dorfe, zu. Wir erreichten es nach einer dreistündigen genußreichen Fahrt und wanderten zu Fuße nach der sogenannten Jons-Capelle, auf welcher der Sage nach ein Mönch Jon vor den heidnischen Bornholmern gepredigt haben soll. Sie bildet den Endpunkt eines mächtigen Amphitheaters von steilen Klippen, welche den nördlichen Theil von Bornholm begrenzen. Ein fast senkrechtes Treppengewinde führte uns an mächtigen uralten Sandstein- und Schieferfelsen hinab zu einem vorspringenden Felsen, der sogenannten „Kanzel“.

Bis zur schwindelnden Höhe erhoben sich um dieselbe herum die gewaltigen Felsmassen, von den schäumenden Wogen umbrandet, lothrecht aus dem Meere. Wilde Rosen und Kreuzdorngestrüpp wucherten in üppiger Fülle zwischen den tiefen Spalten des Jahrtausende alten Gesteins; ein Teppich reichen Epheugeranks bedeckte zum Theil seine schlüpfrigen Flächen, während über die Rinnen Wasser hinab in die Brandung tröpfelte, die zischend den gewaltigen Grundbau dieses Sinn und Gefühl befangenden Naturwerkes bespülte.

Ein höchst anmuthig freundliches Bild bot hier unsere Gesellschaft selbst dar, die sich behufs einer photographischen Aufnahme seitens eines fahrenden Künstlers in Reih’ und Glied aufstellte. Das nahm sich inmitten dieser grotesken Natur interessant, originell und heiter zugleich aus, und in frohester Stimmung traten wir den Rückweg nach unserem Schiffe an.

In früher Morgenstunde des folgenden Tages sahen wir im Oelander Sunde die Thürme von Calmar sich am Horizonte erheben, und nach Besichtigung der Stadt sowie des alten Schlosses, Calmar-Huus, steuerten wir nach der Küste von Oeland hinüber, an der uns der Hafen des durch seine Schloßruine berühmten Borgholm aufnahm. Man nennt dieses Schloß „das nordische Heidelberg“; heute bildet es aber nur einen gewaltigen Trümmerhaufen, auf welchem Gras, Sträucher und Bäume gar üppig wachsen.

Trüb und regnerisch brach der Morgen des 27. Juli an, aber trotzdem waren die Hansafahrer vollzählig auf dem Deck des „Heimdal“ erschienen; denn in mattem Frühlicht tauchte ein blauer Streifen Landes, die malerische Küste Gottlands, aus dem Meere empor. Dort lag Wisby, das Ziel unserer Reise. Das Emporblühen seiner Macht reicht in ferne Zeiten zurück, in denen – vielleicht schon gegen das Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung – die deutschen Kaufleute den Hansabund zur Abwehr fürstlicher Anmaßung und ritterlicher Raublust begründeten. Die günstige Lage des Hafens bot den in der Ostsee von stürmischem Wetter überraschten Schiffen einen sicheren und leicht erreichbaren Schutz, und so ward die Stadt bald zum Vororte des deutschen Handels mit den an der Ostsee gelegenen Ländern. Von Wisby aus wurde auch die erste deutsche Handelscolonie im fernen Osten, der „Hof der Deutschen zu Naugard“ (dem jetziger Weliki-Nowgorod) in’s Leben gerufen, und bis in das vierzehnte Jahrhundert stand das „Siegel der deutschen Kaufleute, auf Gottland weilend“, in hohem Ansehen. Später begann Lübeck mit der Stadt um die Handelshegemonie zu wetteifern, und feindliche Uebermacht stürzte sie schließlich von ihrer Höhe in die Tiefen des Verfalls, aus dem sie sich nie wieder erhob.

Es war wiederum ein historischer Gedenktag, an dem wir die einstige stolze Metropole der Ostsee erblickten. Am 27. Juli des Jahres 1361 hatte nämlich der Dänenkönig Waldemar (Atterdag) der Vierte die Stadt erstürmt und geplündert. Damals nahm Dänemark den Anlauf, eine Großmacht des europäischen Nordens zu werden. Waldemar der Vierte mit dem Beinamen Atterdag („den andern Tag“ heißt das in deutscher Uebersetzung) überzog Schweden, unter dessen Botmäßigkeit Gottland stand, mit Krieg, und sein erster Angriff richtete sich gegen das reiche Wisby, welches damals etwa zwölftausend Kaufleuten in seinen Festungsmauern sichern Schutz gewährte.

Als Waldemar auf Gottland gelandet war, versuchten die Männer von Wisby, welche Schweden schmählich im Stiche ließ, ihr Glück in offener Feldschlacht, wurden aber auf’s Haupt geschlagen und verloren auch die Stadt nach einer kurzen Gegenwehr. Da ließ der Dänenkönig einen Theil der Mauer schleifen und hielt durch diese Bresche als Sieger seinen Einzug. An jenem Tage erlosch Wisby’s Stern für immer, und auch die Bresche in der Stadtmauer blieb bis auf den heutigen Tag, gleichsam als ein symbolisches Zeichen, daß die Macht der Hansastadt gewaltsam gebrochen sei.

Die riesigen Ruinen dieser gegen acht Meter hohen Mauer und ihre theilweise noch hochemporragenden Thürme fielen uns zunächst in’s Auge, bis allmählich, als wir uns dem Hafen näherten, die Stadt selbst, hart am Strande der See, sichtbar wurde.

Zur Rechten und Linken von ihr zog sich die sehr düster und kahl aussehende Kalksteindecke der Küste hin, während im Süden das wunderlich geformte, etwa fünfzig Meter hohe Felscap Högklint den Blick begrenzte. Im wehenden Flaggenschmuck fuhren wir in den Hafen ein, von brausenden Hurrahs der seit einer Stunde unser harrenden, Kopf an Kopf am Hafen stehenden Bevölkerung Wisbys – leider unter strömendem Regen – begrüßt.

Der herzlichste Empfang wurde uns hier zu Theil. Die in dem kleinen, 7000 Einwohner zählenden heutigen Wisby erscheinende „Gotlands Allehanda“ widmete uns an bevorzugtester Stelle einen langen Begrüßungsartikel unter der Ueberschrift „Die Deutschen, welche Gottland besuchen!“ und die aus der am Ufer dichtgedrängten Menge heraustretenden Herren im Frack und weißer Binde, die Spitzen der Stadt, sprachen uns im Namen Wisbys Gruß und Willkommen aus und boten sich uns dann zur Führung an.

Die dicht an dem Hafen liegenden Straßen bieten dem Auge [680] des Beschauers wenig; die Häuser sind unansehnlich im modernen Stil gebaut, und erst zwischen den schmalen Gäßchen, die nach der Landseite hin sich erstrecken, stoßen wir auf die zahlreichen Trümmerhaufen und alterthümlichen Bauten, die ehrwürdigen Zeugen der einstmaligen Größe Wisbys. Als wir vor Allem die gewaltigen finsteren Ruinen der Kirchen betrachteten, da begriffen wir das Zutreffende der Worte, welche kurz vorher Professor Dr. Bergmann (Director des Wisbyer Gymnasiums) an uns gerichtet hatte: „Wisby ist ein Stück Mittelalter, in einer Ecke des Nordens zurückgelassen, obgleich von Feindeshand und vom Zahne der Zeit zerstört.“

Achtzehn prachtvolle Kirchen, welche im Laufe von drei Jahrhunderten erbaut wurden, schmückten einst die Stadt. Sie wurden fast alle von den Deutschen erbaut, nachdem schon seit Anfang des dreizehnten Jahrhunderts das gothische Element der Stadtbevölkerung zurückgedrängt worden war. Stundenlang wanderten wir in ihren noch herrlichen Ueberresten umher, in den Ruinen der St. Nicolaus-, Gertrud-, Clemens-, Olof-, Drotten-, Lars-, Katharina-, Hans-, Goran- und der Heiligen Geist-Kirche, welche eigenthümlicher Weise zwei Stockwerke für die Andächtigen besitzt.

Die meisten dieser Ruinen zeigen den Rundbogenstil, welcher oft mit dem Spitzbogen gemischt ist, und St. Katharinen allein trägt die Merkmale der gothischen Bauart. Heute herrscht tiefe Grabesstille in diesen verlassenen Gotteshäusern, und nur von Zeit zu Zeit singt der Sturmwind, durch die durchbrochenen Gewölbe in die weiten Hallen hineinfahrend, sein wildes, grausiges Lied.

An dem „Burmeister’schen Hause“, einem im Jahre 1660 aus Holz aufgeführten und von altem Epheu vollständig bis zum Dache überrankten Gebäude, desten erster Eigenthümer ein aus Lübeck nach Wisby übergesiedelter Kaufmann war, vorüberschreitend, erblickten wir die Ruinen der Nicolai-Kirche, „eine der herrlichsten des ganzen Nordens“, wie der Wisbyer mit ebenso großem Stolze wie unbestreitbarem Rechte sagt.

Der westliche Giebel des malerischen Baues ist mit drei riesigen, schön geformten gothischen Fenstern geschmückt. In den Rosetten derselben waren einst, wie die Sage erzählt, kostbare Karfunkelsteine eingesetzt, welche taghell jede Finsterniß erleuchtet und wie ein Feuer erglänzt haben. König Waldemar Atterdag ließ bei der Plünderung der Stadt im Jahre 1361 diese Edelsteine ausbrechen, aber das Schiff, welches sie mit der anderen Beute nach Kopenhagen führen sollte, wurde von einem Sturme überfallen und scheiterte an den Karls-Inseln. Es ist dies eine Sage, die sich auch an andere Kirchen knüpft und auf den alten Gebrauch von Leuchtapparaten, die von der Höhe der Kirchen herab in Seestädten den Schiffern unser heutiges „Leuchtfeuer“ ersetzt haben mochten, zurückgeführt werden kann.

Auch hier war das hohe Gewölbe der Ruine vielfach durchbrochen, und Licht und Schatten wechselten mit einander malerisch auf den Steintrümmern ab. Ganz oben auf dem Gewölbe wucherte ein üppiges Pflanzenreich; es trieb, keimte und blühte wie in einem Garten. Von dort aus bot sich eine schöne Uebersicht über die ganze schweigsame Trümmerwelt, die sich tief zu unseren Füßen ausbreitete; das Meer umgab dieselbe mit einem weiten Rahmen, und es brandete dumpf in wildem Rauschen und fluthete unausgesetzt über den Strand – ein Bild des ewig Wechselnden, ewig Fließenden, neben dieser todten Welt der Vergangenheit.

Der folgende Tag sah uns auf einer frühen Wanderung zu dem Stadtthore hinaus nach den „Palissaden“, einer öffentlichen Promenade, von wo wir einen großen Theil der alten Stadtmauer übersehen konnten. Wir befanden uns vor dem alten Schlosse Wisborg, das, im Jahre 1411 von König Erik erbaut, lange Zeit ein Horst räuberischer Seeleute gewesen war. Später, im Jahre 1676, wurde es von den Dänen erobert und nach drei Jahren zur Ruine zersprengt.

Der riesigen Stadtmauer folgend, die, größtentheils noch erhalten, ihre einstige Massenausdehnung erkennen läßt, lenkten wir auf der südöstlichen Seite auf einem Fußpfade ab zu dem circa neun Fuß hohen Ringkreuze, dem Denkmale des Schreckenstages des Jahres 1361. Dasselbe ist aus einem einzigen Kalksteine gemeißelt und trägt eine lateinische Inschrift, die deutsch also lautet: „Am 27. Juli im Jahre des Herrn 1361 sind vor den Thoren Wisbys von dänischen Händen die hier begrabenen Gothen gefallen; betet für sie!“ Den Stamm des Kreuzes schmückt das ausgemeißelte Bild Christi am Kreuze mit einer über ihm befindlichen fünfblätterigen Rose. Hier war also die offene Feldschlacht gegen Waldemar’s Truppen geschlagen worden, und diese Grabstätte der tapferen Gothen war zugleich das Grab, in welches Wisbys Herrlichkeit für immer versank.

Noch ein Ausflug mit der neuen gottländischen Eisenbahn nach den schönen Orten Rema und Nanga, deren alte Kirchen ihre hervorragendsten Zierden sind, erfolgte am letzten Tage unseres Aufenthaltes auf Wisby, und dann hieß es, dem Programm gemäß, heimwärts zu steuern.

Der Abschied von den freundlichen Einwohnern der alten Stadt war überaus herzlich. Ritterliche schwedische Galanterie hatte die Damen unserer Gesellschaft mit Bouquets in reichem Maße bedacht, und unser Schiff glich, von der Commandobrücke aus gesehen, einer Blumenterrasse, als sich zu dem letzten Abschiede, die Damen im Vordergrunde, Alles nach der Bordwand drängte und hier die hohen und höheren Standorte einnahm. Aus der Dampfpfeife ertönte ein schriller Pfiff; die Schraube begann zu arbeiten. Ein donnerndes Hurrah erscholl als letzter Abschiedsgruß nach dem Lande hinüber, wo ein dreimaliges Hoch auf uns ausgebracht und schwedische Lieder von einem Gesangverein angestimmt wurden. Das Ufer beleuchteten bengalische Feuer, die uns noch lange in ihrem hellen Scheine das Wehen der Tücher, das Schwenken der Hüte zeigten, bis sich das Gestade im dämmernden Lichte des Abends unseren Blicken entzog. Mit directem Curs hielten wir auf die heimathliche Küste zu und trafen nach einer Abwesenheit von acht Tagen am 31. Juli Nachmittags wieder in Lübeck ein.



  1. Für manchen unserer Leser dürfte es interessant sein, zu erfahren, daß dieser historische Friedländer-Marsch unter dem Titel „Hohnblasen“ von R. Fischer für Clavier übertragen wurde und durch die Buch- und Musikalienhandlung von W. Bergholz in Stralsund zu beziehen ist.