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Die Wünschelruthe

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Titel: Die Wünschelruthe
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 649–651
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Wünschelruthe.

Wer hat in seinem Leben von ihr nicht gehört? – Von ihrem wunderbaren Vermögen, in dem Innern der Erde verborgene Metalle dem suchenden Bergmanne zu verrathen, besorgten Bauherren, die das Haus eher als den Brunnen gebaut, das fehlende Wasser oder wenigstens den Ort, wo es zu ergraben sei, zeigen zu können. Sie ist die Zuflucht betrübter Erben, welche nach dem Schatze, den der Verstorbene verscharrt haben soll, vergeblich suchen, wie das Mittel, Unerfahrene zu täuschen, und zu bergmännischen Unternehmungen aufzumuntern, welches in der Hand von Betrügern oder Ignoranten immer seine Kraft behält.

Die Wünschelruthe ist eine schwache biegsame Ruthe, welche durch eigenthümliche Bewegungen in der Hand ihres Trägers die Nähe verborgener Lagerstätten edler Metalle oder sonst gesuchter Gegenstände andeutet. Ihren deutschen Namen leiten Viele von Wünschen, Andere von Winden, Drehen, noch Andere von dem plattdeutschen Wort „Wicken“ (Wicheln), was soviel als Wahrsagen bedeutet, ab. Sie heißt auch die Glücks- oder Bergruthe, da sie vorzüglich in den Händen der Bergleute sich befindet, durch welche sie über die ganze Erde verbreitet worden ist. Die Franzosen nennen sie baquette divine – die göttliche oder baquette divinatoire die weissagende Ruthe; die italienischen Bergleute verga lucente (die, welche Licht gibt, wo etwas verborgen), batteuse oder trepidante, schlagende oder zitternde Ruthe. Im Mittelalter hieß sie virga metalloscopia (die Metallerblickende), v. aurifera (die Goldbringende), auch wohl virga mercurialis, weil man ihre Erfindung dem Mercur zuschrieb, „der Musenvater, so ein trefflicher physicus gewesen, daß er mit seiner Ruthe habe Tode erwecket, daher er nach dem Tode unter die Götter gezehlet.“

Der Ruthengänger.

Daß Mosis Stab eine Wünschelruthe gewesen sei, damit er Wasser in der Wüste gesucht, „vielleicht auch auf dem Berge Sinai und Horeb Metallgänge damit habe aussuchen wollen, und sonach die Wunder vor Pharao mit solchem Stabe gethan“ – meinten die Ruthenanhänger alles Ernstes. Wenn aber ihr Alter auch nicht so weit hinaufreicht, daß eine Vergleichung von Mosis Stab mit ihr könne zugelassen werden, so ist doch soviel gewiß, daß Cicero und Varro schon von Wahrsageruthen, die von den Egyptern zu den Römern gekommen waren, reden, aus denen, indem man ihren Rath bei bergmännischen Unternehmungen einholte, die Wünschelruthe entstanden sein dürfte.

Ueber die Form und das Material dieses geheimnißvollen Instrumentes bestehen bei den alten Bergkundigen die verschiedensten Vorschriften. Während man von einer Seite hört, daß es eine aus der Wurzel des Haselstrauchs gewachsene jährige Zwiesel sein solle, die sich in eine Gabel spalte, verlangen Andere für die verschiedenen aufzusuchenden Metalle auch verschiedene Holzarten, z. B. für Blei und Zinn Tanne, für Kupfer Esche. Noch andere scrupulösere Geister trauen nur den Ruthen Kraft zu, welche an einem gewissen Tage geschnitten werden (etwa am Charfreitag vor Sonnenaufgang), oder in einer Stunde (wo der Mercur regiert), oder um die Zeit des Aequinoctiums, oder im zunehmenden Monde um Mariä Verkündigung, oder in der Johannisnacht oder Christnacht. Die Ruthe, welche an einem Montag nach Neumond geschnitten wird, schlägt hauptsächlich auf Gold, eine [650] Montags geschnittene auf Silber, eine am Dienstage geschnittene auf Kupfer etc. Beim Schneiden der Ruthen darf man gewisse Ceremonien nicht versäumen; auch ja nicht beim Hersagen des Spruches, während dessen man das Reiß mit einem Schnitt vom Stamme nennt, stottern oder husten. Man soll sich mit dem Gesicht nach Morgen zu wenden, und will man besonders kräftige Ruthen haben, so muß man sie vor Sonnenaufgang mit dem Thau schneiden.

Ja, wer das Seine vollständig thun will, der muß in der Christnacht zwischen elf und zwölf Uhr nackend auf das Ruthenschneiden ausgehen. Bei einem so kühlen Geschäft nicht zittern und im Ruthensegen nicht stottern oder sich versprechen, ist freilich etwas viel verlangt. Die Sprüche, unter deren Hersagung die Procedur des Schneidens vorgenommen wurde, waren bald kurz, bald lang, mitunter nur ein Bibelspruch ohne Sinn und Verstand angewandt, mitunter auch eine förmliche Anrede. Ein Spruch von ganz besonderer Kraft und Wirkung sollte folgender sein: „Gott grüße dich, du edel Reiß, mit Gott dem Vater such’ ich dich, mit Gott dem Sohne find’ ich dich, mit Gott des heiligen Geistes seiner Kräfte und Macht breche ich dich. Ich beschwöre dich Ruthe und Sommerlatte, daß du mir wollest zeigen, was ich gebiete, und solches so gewißlich und wahr, so rein und klar, als Maria, die Mutter Gottes, eine Jungfrau war, da sie unsern Herrn Jesum gebar. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ – Manche tauften sogar noch die Ruthe ganz besonders, während die Radicalen, welche nichts von einer Kraft der Ruthe wissen wollten, aber auch nicht, wie die Geistlichen, an Teufelsspuk glauben mochten, sondern die Ursache, welche die Ruthe bei Metall- oder Quellensuchen bewege, in geheimnißvollen, dem Menschen innewohnenden Kräften suchten, meinten: das Beschwören der Ruthe sei unnütz und es sei ganz gleich, ob einer den ganzen Froschmäußler herbete. Deshalb brauche es aller dieser Schwierigkeiten nicht, da ja die Ruthe nichts thue, als die Kraft des Menschen anzeigen, und sei alles zu einer Wünschelruthe passend, was sich nur krümmen läßt und wieder in die Richte geht. Damit aber ging ein Glaube, daß sich nur eine jährige Haselstaude dazu eigne, zu nichte. Ein Draht wie eine Spirallinie gewunden, ein Linial, eine Lichtputze, Messer und Gabel ineinander gesteckt, Kesselringe, Eimerhölzer wurden zu Ruthen.

Die Art und Weise, die Ruthe zu halten, sie zu führen, war bei Allen gleich und hat sich bis auf unsere Zeit unter den Ruthengängern, wie man jene Leute nennt, erhalten. Man nimmt die beiden Enden (die Hörner) der Ruthe dergestalt in die Hände, daß die Finger nach oben zu gerichtet, die äußeren Handflächen dem Boden zugekehrt sind. Die Gabel der Ruthe muß zwischen den Händen in die Höhe und von der Brust des Trägers um etwa einen Fuß abstehen.

Hat der Ruthengänger sein Werkzeug dergestalt gefaßt, so fange, wie er meint, sobald sein Fuß sich den Orten nähert, wo Geld oder edle Erze, Wasser oder sonst was man suchen wolle, verborgen seien, die Wünschelruthe an, in seiner Hand sich zu bewegen, zu zittern und sich zu drehen, so daß sie sich selbst zerbrechen könne, wenn man mit den Händen ihr nicht den Willen lasse. Manche tauften wie gesagt ihre Ruthen und wenn sie dann Metallsuchen gingen, redeten sie ihr Werkzeug folgendermaßen an:

„Im Namen der heiligen Dreieinigkeit Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Auguste Caroline, willst du mir sagen so rein und wahr, als die heilige Jungfrau Maria war, da sie unseren Herrn und Heiland gebar, wie viel Lachter haben wir noch – (bis an’s Erz oder dergl.)“. – Die Entfernung oder eine sonstige Antwort auf eine Frage gibt hierauf die Ruthe durch eine Anzahl Schläge an. Die Art und Weise der Bewegung, die Anzahl und Heftigkeit der Schläge, soll auf die Menge und die Tiefe des Verborgenen einen sichern Schluß zulassen. So sollen 3 Schläge Quecksilber bedeuten, 6 Wismuth, 9 Schwefel, 10 Eisen, 12 Blei, 14 Zinn, 15 Kupfer, 22 Silber, 28 Gold.

Es ist wohl nicht unbillig, daß, je edler das Metall, es um so mehr Arbeit verlange. Ganz können aber die neckischen Geister ihren Spott mit den Menschen nicht lassen, denn durch 28 Schläge lassen sie die Ruthe ebensowohl einen Ort andeuten, an dem man beim Nachgraben nicht Gold, sondern nur ein Metall findet, welches, obwohl es jetzt, wegen der blauen herrlichen Farbe, die man daraus bereitet, sehr geschätzt wird, damals allgemein nur als das Spukmittel der Erdkobolde angesehen und deshalb auch Kobolt oder Kobalt genannt wurde.

Wolle man sich genau überzeugen, ob Gold oder Kobalt gemeint sei, so solle man ein Stück von einem dieser Metalle in die Hand nehmen, worauf die Ruthe still sein würde, wenn es von ungleicher Art wäre. Für Wassersucher, so war die Meinung, müßten die Ruthen auch besonders präparirt sein. Nichts da, sagten Jene, welche auch andere Gegenstände als Wünschelruthen handhabten, jedes Ding kann eine Ruthe sein, ein Besen, wenn er nur das Geschick dazu hat; und es wird eine solche auf Alles schlagen, aber nicht blos auf Gold oder auf Wasser; und brauchen wir dabei weder Sprüche zu murmeln, noch uns mit dem Gesichte nach Morgen zu drehen, wenn wir überhaupt nur wissen, auf was wir suchen wollen. Sie hatten eben so Recht, als die, welche in der Ruthe ein unantastbares Heiligthum sahen. Jeder fand, was er wollte. Wer nicht glaubte, daß ihm die Ruthe schlagen würde, dem schlug sie auch nicht, und wer sich hinwiederum mit der Kraft begabt meinte, Verborgenes durch das Schnellen eines gebogenen Astes aufzufinden, dem wand und drehte sich ein Kesselring in den Händen, wie ein Bauer, der in den Thurm soll, nicht wie ein Student, der mit Freuden in das lateinische Carcer geht.

Die frommen Landsknechte waren es, die mit ihren beschworenen Zauberruthen fast alles versteckte Geld, so sich unter Dach befunden, ausgelochert und manchen armen Mann dadurch wehe gethan und betrübt. Was man nur immer suchen wollte, konnte man durch die Wünschelruthe finden, sie schlug auf Alles, auf Feuer, Wasser, Eisen, Lehm, Zwiebel, Salatstauden, Fußtapfen, Geld, unbekannte Wege; wo eine Jungfrau sei, oder auch wo ein Hahnrei wohne. Sie gab die Zeit an und ersetzte dadurch die Uhren, man konnte durch sie erfahren, wann die Frau nach Hause komme, – oder aber, wen dies etwa mehr interessirt, ob der Hamster allein oder mit seiner Gemahlin im Loch sei. Dies, und hunderterlei andere, aber eben so thörichte Fragen, war die Wünschelruthe im Stande zu beantworten, und sie hat in jener Zeit genau dieselbe Rolle gespielt, wie vor mehreren Jahren der an einem Haar aufgehängte Ring, durch dessen Anschlagen an ein Glas sich Jeder beliebige Fragen, welche ihn besonders beschäftigten, beantworten lassen konnte, oder etwa wie die redenden und schreibenden Tische, die ihren Unfug in den Köpfen und Stuben unklarer Phantasten immer noch treiben. All das dumme Zeug, was die Menschen vor zwei- oder dreihundert Jahren schon getrieben, brachte das aufgeklärteste aller Geschlechter wieder zu Ansehen, und es ging dabei genau von denselben verkehrten Begriffen und Vorstellungen, von geheimnißvollen noch unentdeckten Naturkräften aus, wie die Voreltern, denen beiweitem ein so klarer Blick in das Wesen und Wirken der Kräfte in der Natur zu thun nicht gestattet war.

Thierischer Magnetismus, Od, Lebenskraft, geistiger Rapport, Somnambulismus, Sympathie und ähnliche Schlagworte, die von jeher nichtssagende Ausdrücke für unklare oder ganz mangelnde Begriffe waren, übten im Munde confuser Köpfe auf die Menge einen merkwürdigen Einfluß. Genau so wie mit alle dem Firlefanz, der vor acht, neun Jahren spukte, wurde von jeher mit der Wünschelruthe umgesprungen. Und da sonst ganz unbefangene Köpfe die Thatsache, daß die Ruthe schlaget, nicht leugnen konnten, eben so wenig wie man leugnen kann, daß sich der Tisch dreht, wenn zehn Personen „eine Kette bilden“, so mußten sie, weil ihnen der Einblick in gar viele Gebiete der Natur noch verschlossen war, zugestehen, daß die Sache doch etwas Merkwürdiges an sich habe. Da sie aber keineswegs, wie die Geistlichkeit, die Sache damit abthun und erklären konnten, daß sie dieselbe einfach für Teufelsspuk ausschrien, so brachten sie die gewagtesten natürlichen Erklärungen auf’s Tapet, denen zufolge die Metalle bald Dünste ausstoßen sollten, die sich mit gewissen kleinen Körperchen in der Ruthe verbänden und als Folge dieser Vereinigung, bei welcher gewissermaßen im Innern der Ruthe getanzt würde, das Zittern der Ruthe hervorbrächten; bald sollte das Holz auf eine magnetische Art afficirt werden, oder aber es sollte zwar nicht die Wünschelruthe eine animam vegetativam (eine Pflanzenseele) haben, sondern vielmehr eine Art sechsten Sinnes des Menschen, ein ahnendes, magnetisches, sensitives Etwas, solle durch die Nähe verborgener Schätze, unterirdische Wasseradern oder was sonst wünschenswerth war, in Erregung gebracht und der Wünschelruthe durch die Nervenerschütterung diese Erregung mitgetheilt werden. Diese letzte Erklärung des Schlagens trifft die Sache fast auf den Kopf; wenn noch mancherlei [651] daran hängt, was unklar und geradezu aus der Luft gegriffen ist, so ist doch damit eine entscheidende Wahrheit gesagt, daß einem einfachen dürren Holzreis, wie die Wünschelruthe ist, keine bewegende Kraft innewohnen könne, die durch Metallausdünstungen, oder gar durch einen geistigen Rapport erregt würde, sondern vielmehr, daß die Ursache der Bewegung der Wünschelruthe im Menschen, der sie in den Händen hält, liegen müsse. Es ist in der That nicht anders. Wir brauchen wohl kaum zu erwähnen, daß es mit den Anziehungen, die Metalle auf die Ruthe ausüben sollen, nichts ist; die Vorstellungen kleiner Geisterchen, welche die Erscheinungen hervorbrächten, müssen wir ebenso unbefriedigt weglegen, und die Annahme einer noch unentdeckten Naturkraft ist ebenso unzulässig, da uns diese Kraft in keiner Weise Stand hält, wo es sich um ein Messen derselben oder um eine Untersuchung ihrer charakteristischen Eigenschaften handelt.

Wir haben es bei der Wünschelruthe genau mit derselben Kraft zu thun, die den Tisch in drehende Bewegung versetzt, die den Ring, welchen man an ein Haar gebunden in ein Glas hält, durch sein Anschlagen an die Wände des Glases die Gedanken entfernter Personen verkünden läßt. Es ist, was man gewöhnlich die Muskelkraft nennt. Durch die ununterbrochene Aufmerksamkeit nämlich, welche die Seele dem so geheimnißvollen Experimente zuwendet, wird das Maß der Kraft, die die Anspannung der Muskeln bewirkt, welche sich in einem Druck nach Außen zu erkennen gibt, nicht gehörig controlirt und ohne daß man will und weiß ein Spiel hervorgerufen, das sich in einem fortwährenden Anspannen und Erschlaffen der Muskeln in rascher Aufeinanderfolge zu erkennen gibt. Es sind dies freilich so geringe Unterschiede in der Muskelthätigkeit, daß man die einzelne Aeußerung derselben nicht zu erkennen vermag, allein da sie immer in derselben Art wirken, also das Haar, welches den Ring trägt, immer in derselben Richtung hin in zitternde Bewegung versetzen, werden sie sich endlich zu einer Summe vereinigen, die einen sehr merklichen Effect hervorbringt, genau wie die Glocken, die das schwache Kind läuten kann. Der Ring schlägt an die Wände des Glases an, der Tisch dreht sich, die Wünschelruthe antwortet durch ihre Bewegungen den Fragen des Bergmanns. Dieser Effect wird um so rascher sichtbar, je nervöser die Person ist, je weniger sie ihre geistigen und körperlichen Kräfte in einer gleichmäßigen ruhigen Verfassung zu halten vermag. Die Anhänger des Od und der Wunder des thierischen Magnetismus nennen solche Personen sensitive Menschen, während sie nur krankhaft aufgeregt und nicht Meister ihrer eignen Kräfte sind. Deshalb schlägt die Wünschelruthe nicht allen Leuten, sondern nur denen, die daran glauben und nur auf das, was sie ernstlich wollen, die also ihre Sinne gefangen geben und dann gern für eine überirdische Offenbarung annehmen, was nur ein Spiel ihrer unbeobachteten Muskeln und Nerven war. Unbefangenen und kaltblütigen Menschen sind alle diese vermeintlichen Einblicke in eine höhere Geisteswelt unmöglich gemacht. Was läßt sich aber auf eine Erfahrung aus dem Bereiche der Weltordnung geben, die nur von Frauen, Kindern oder Schwächlingen gemacht werden kann? Warum sollte der ruhig denkende Geist des von Vorurtheil nicht befangenen Mannes eine Kraft nicht erkennen können, die sich doch an jedem Leichtgläubigen bethätigt?

Die Wünschelruthe zittert und schlägt, aber ihr Schlagen bedeutet so viel, als das Anschlagen des Ringes an das Glas. Nämlich Nichts. Es ist merkwürdig, daß das Experiment mit dem Ringe, welches schon vor zweihundert Jahren bekannt war, bereits zu jener Zeit auch in einen ursachlichen Zusammenhang mit der Wünschelruthe gebracht wurde, nur glaubte man aber damals noch an geheime Naturkräfte, die bei den Erscheinungen zu Grunde liegen sollten und deshalb auch an ihre Wirkungen. Heutzutage wissen wir, wie nichtig ein solcher Glaube im Reich der Naturwissenschaften ist. Wenn wir auch sehr Vieles noch nicht wissen und von manchem nur entfernte Ahnungen haben, so ist doch das zweifelhafte Gebiet noch unerforschter Kräfte durch die gewaltigen Axthiebe, welche die Genies unserer Tage im Dunkel jenes bisher pfadlosen, fast schaurigen Urwaldes erschallen ließen, gelichtet worden. In der Wünschelruthe steckt keine geheime Kraft, sie mag geschnitten sein, wenn und unter welchen Ceremonien sie immer will. Die Leute, welche das Land durchziehen und Wasser und Metalladern aufspüren wollen, sind entweder Betrüger oder von ihrer eignen Unwissenheit Betrogene, auf ihre Aussagen ist soviel zu geben, als auf das Niesen der Hauskatze. Freilich ist die Ruthengängerei noch sehr in Gebrauch, das beweist aber nur, daß die Menschen noch leichtgläubig sind. Die Bergleute, welche ihr Leben in den dunkeln unterirdischen Klüften verbringen, haben alle einen starken Glauben an das Uebernatürliche, und es ist nicht zu verwundern, daß sie ein Instrument noch hoch in Ehren halten, an das sich alle Erinnerungen ihres romantischen Standes knüpfen. Aber der Mensch, der im Lichte der Oberwelt lebt, der da sieht, daß ein Halm nur wächst, wo ein Korn lag, dessen Sinne ihm unaufhörlich das Spiel zwischen Ursache und Wirkung zeigen, darf vagen unbestimmten Vorstellungen nicht trauen. Man wird zwar dagegen einwenden, daß die Ruthengänger wirklich Wasser gefunden haben. Das ist wohl wahr, allein man würde auch Wasser angetroffen haben, wenn man nur die Schichtungsverhältnisse des Bodens und der Gesteine, von denen das Erbohren von Quellen abhängig ist, berücksichtigt hätte. Wahrscheinlich ist auch ein gewisser praktischer Blick das entscheidende Merkmal, welches die Ruthengänger, die meist Bergleute sind und als solche eine empirische Einsicht in mancherlei geognostische Verhältnisse gewonnen haben, bestimmt, ihr Werkzeug gerade an dem oder jenem Orte schlagen zu lassen, und dieses selbst nur ein Mittel, die dem Unbegreiflichen zugethane Menge zu täuschen. Verlangt man Aufschlüsse über das Innere der Erde, sei es, um bergmännische Unternehmungen darauf zu gründen, oder um sich mit Wasser zu versorgen, so wird man diese allein von einem wissenschaftlich gebildeten Geognosten erlangen können. Die Wünschelruthe wird, da nur Betrüger oder Unwissende sie in die Hand nehmen, in allen Fällen, die vom Zufall nicht begünstigt werden, auf Stellen schlagen, welche Mühe und Geld unersättlich verschlingen.