Zum Inhalt springen

Die Vierundzwanzig-Stunden-Uhr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Gustav van Muyden
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Vierundzwanzig-Stunden-Uhr
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 524–525
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[524] Die Vierundzwanzig-Stunden-Uhr. Das zäheste Leben besitzt bekanntlich der Unsinn. So ist es gekommen, daß sämmtliche Kulturvölker den Tag in vierundzwanzig Stunden, den Zeitmesser dazu aber in zwölf Stunden eintheilen. Zu unserer Schande, müssen wir gestehen! Ueber das Widersinnige dieser Eintheilung ist uns erst sehr spät ein Licht aufgegangen, und zwar bei dem nicht gerade erbaulichen Studium eines Eisenbahn-Kursbuches. Trotz der als Nothbehelf eingeführten Unterstreichung der Abfahrtszeiten zwischen sechs Uhr Abends und sechs Uhr Morgens flimmerten bald die vielen Zahlen vor den Augen, und wir wußten schließlich nicht mehr, ob die Züge Abends oder in der Frühe am Bestimmungsorte eintrafen.

Weßhalb, so schoß es uns durch das Gehirn, gehen die Bahnverwaltungen nicht mit dem guten Beispiele einer Reform der Zeitgebung voran? Weßhalb werfen sie nicht den tausendjährigen Ballast der Tages- und Nachtzeiten entschlossen über Bord und bringen dadurch etwas mehr Licht in ihre Fahrpläne? Diese Fragen legten wir hierauf einem Eisenbahnbeamten vor. Dessen Antwort lautete aber nichts weniger als ermuthigend. Das Publikum sei sehr konservativ, die geringste Aenderung mache es kopfscheu, man dürfe nicht mit hundertjährigen Ueberlieferungen brechen; höchstens eigne sich die Vierundzwanzig-Stunden-Zählung für den inneren Dienst der Eisenbahnen und Telegraphen, die Leute würden sich nie daran gewöhnen etc.

Glücklicher Weise denken nicht alle Menschen wie unser am Fortschritt verzweifelnder Eisenbahnbeamter. Soeben wagt es nämlich ein deutscher Erfinder, Herr Wilhelm Osborne in Dresden, mit dem Schlendrian zu brechen, und wenn wir auch seine Ansicht nicht theilen, daß in fünfzig Jahren Niemand mehr eine Uhr mit Zwölfstunden-Eintheilung benutzen werde — die Macht der Gewohnheit ist größer, als er es sich vorstellte —, so halten wir es für unsere Pflicht, seine Bemühung um Verbesserung unserer Zeitgebung, so weit es durch die Presse geschehen kann, zu unterstützen.

[525] Abgesehen von dem Schlendrian, ist das Hinderniß gegen eine Aenderung der Zeitangabe hauptsächlich darin zu suchen, daß sämmtliche bestehende Uhren dadurch unbrauchbar werden. Zu bedenken ist auch die Eintheilung des Zifferblattes in 24 Stundentheile, daß bei kleineren Uhren das Ablesen der Zeit in Folge der Undeutlichkeit des Zifferblattes erschweren würde.

Beide Hindernisse hat jedoch Herr Osborne durch eine einfache Vorrichtung anscheinend recht glücklich beseitigt. Seine Uhr weist zwei über einander liegende Zifferblättchen auf; das erste feststehende besitzt, an Stelle der 12 Stundenzahlen, ebenso viel Ausschnitte, durch welche die 24 Zahlen des unteren beweglichen Zifferblattes der Reihe nach sichtbar werden. Von 12 Uhr Nachts bis 12 Uhr Mittags sieht das Zifferblatt der neuen Uhr wie das unserer heutigen Uhren aus; mit dem Schlage der zwölften Tagesstunde wird jedoch das untere Zifferblatt durch ein von der Uhrfeder bewegtes, leicht anzubringendes Werk derart verschoben, daß die Zahlenreihe 13 bis 24 vor den Ausschnitten erscheint. Um Mitternacht aber springt das Zifferblatt von selbst wieder zurück und es werden die Zahlen 1 bis 12 wiederum sichtbar.

Wir wünschen den Bestrebungen des Herrn Osborne den besten Erfolg und hoffen, es noch zu erleben, daß uns ein guter Freund um 20 Uhr zum Abendbrot einladet. In Italien geschieht es ja von jeher. Warum sollte es nicht auch bei uns möglich sein? G. van Muyden.