Zum Inhalt springen

Die Unterhaltung bei dem Judengalgen nächst Müllheim

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Friedrich Dorn
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Unterhaltung bei dem Judengalgen nächst Müllheim.
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 249–254
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[249]
Die Unterhaltung bei dem Judengalgen nächst Müllheim.[1]

Weisch, wun es ani goht, das Wegli i?
Im Judegalge zu; mer sin jez bal derbi.
Dort obe, lueg, wu selli Nußbäum stehn,

[250]

– Grad wu jez selli Manne dure gehn –

5
Dert seit men em eso, von altersher.

Un siehsch, uff sellem Chrützweg ehne, heißt’s,
Gang z’Nacht als Ein, im Mondschiin liicheblaß,
Un wandle d’Hohlgaß us und i. Der Vatter weißt’s,
Wie men em gseit het; und es sey kei Gspaß.

10
Me hör gar mengi Nacht si Sifzgen un si Chlag,

Bis daß es z’Müllen almig zwölfi schlag.
Das sei, vor Ziten als, e böse Nochber gsi,
Ne Jud voll Trug und Pfiff, in Sünden alt;
Un gstohle heig er au no obedri.

15
Doch endli henn sie en emol uszalt.

Dert obe, wun i di jez ane füehr,
Isch’s gscheh. Et het emol grad wieder gstohle gha;
Jez chunnt der Amtmann z’rite, mit eme Hatschier,
Un sieht em’s ebe scho vu witem a.

20
Un druff, was gschieht? Er het em vorher scho

Mit dräut, un thuet en eisgangs henke lo.
Ne Todesurthel isch em niene gsproche gsi,
Doch heißt’s: mer henken en emol, uff witers hi.
So isch es gangen, un sie sage, ’s heig em ghört. –

25
Jez sim mer dobe, un jez blibe mer e Rüngli stoh.

Es zieht e wenig a, do uffezue;
Me spürt’s im Othehole währli scho,
Drum wemmer is e wenig jez verthue,
Und umenander luege, eb mer witers gehn,

30
Denn’s gitt jo doch kei Gegnig meh so schön.


Lueg, an dem Plätzli isch si Galge gsi,
E Nußbaum; ’s goht eim schier e Grusen us.
Drum wemmer besser füre; chumm dohi,
Do zeig i der au jeze no das Hus,

35
Wu sellimol der Amtmann gwohnet het.

Lueg dert bi sellem alte Schloß, me sieht’s gar nett;
’s stoht rechterhand e wenig unte dra,
Mit seller Giebelwand; me sieht em’s a,
An sine Fenstere, daß es scho alt mueß si.

40
Habschberger het er gheisse, sellimol,
[251]

Un’s heißt, i weiß nitt, öb i ’s wieder sage soll,
Er thieg si jielimol gar jeze no
Ganz grait der Innerberg dert uffe, höre lo.
Mit wilde Rosse zieg er almig us, uff d’Jacht,

45
Un heig e Lebtig dobe, bis der Tag verwacht.[2]

Jez ich glaub’s nitt; denn isch er scharf au gsi:
D’Rechtschaffeheit het doch nit gfehlt derbi.
Un z’Müllen in der Chilche stoht si Grabstei no,
Un der vu siner Frau isch nebe dra.

50
Dert schloft er rüeihig. Chönnte’s Alli so,

Wu gstorbe sin, un henn en Amt im Lebe gha! –
Sell isch jez Badewiler, bhalt’s im Sinn,
’s Amthus un ’s Schloß; nu siehsch sell Hüsli nebe dra?
Dert tanze sie im Summer alli Sunntig drin,

55
Un mengmol chunnt sie’s in der Wuchen au no a.

Un lueg, sell gros, sell isch’s neu Römerbad;
Es isch e Saal drin, me verluegt si schier;
I sag der, Meieli, es isch e Staat,
De glaubsch es nitt, bis i di ane fuehr.

60
Un besser hinte zieht si’s Dorf am Berg no hi;

Vor alte Zite seig’s scho’s fürnehmst Badort gsi.
Un jezen isch im Summer eben alles voll,
Mer weißt als fast nitt, wu men ane luege soll.
’s isch aber au kei Wunder, uff mi Treu,

65
Wenn d’Gäst mehr uffe gehn, vu Johr zue Johr,

Wenn’s wuslet überal mit Groß und Chlei,
Denn ’s isch so schön dert, ’s chunnt eim wie im Himmel vor.

Jez lueg in Wald dert uffe, linkerhand,
Dert hinterm Schwärziberg, siehsch sell alt Schloß?

70
Es isch der Neuefels.[3] – Dert sieht mer erst in’s Land,

Me chunnt fast nimmi vu der Ussicht los!
Doch gehn d’Lit wunderselten emol hi,
Warum? ’s isch müehsam un me sind’t der Weg nitt gli.
Dert obe henn, vor Zite, Heere gwohnt,

75
Mit Frau un Chinder, un das brave Lit;

Sie henn der Buursmann gästimiert un gschont,
Und Unrechts weißt me vu de Neuefelser nit.

[252]

Ne große Hund isch ihr Bidiente gsi,
Der het als Fleisch gholt, z’Sulzberg alli Tag,

80
Un heime treit uff’s Schloß, gar ordeli.

Doch Alles goht si Weg, so lang es mag,
Derno hört’s uff. Uff eimol chunnts e so:
Der Hund der het si nimmi blicke lo.
Was isch jez dem? het druff der Metzger denkt,

85
Un het zuem Nochber gseit: „mer wenn doch luege gli!“

Und wu sie uffe chömme, sen isch’s Thor uffgsprengt,
Un d’Menschen un der Hund sin umbrocht gsi.
Wer aber selli That verüebt ha soll –
Das weißt der Britziger Pfarrer nitt emol.

90
Jez rechts vu Badewiler, als de Berge no,

(De gros heißt Blaue) siesch so wissi Stei;
Sei isch ’s Husbade; ’s isch e Bergwerch. Mei,
Dert isch’s au schön, mer wenn au ane goh.
Un no ne wenig witer ehne dra –

95
Siehsch nitt sell Hüsli, mit dem rothe Dach?

Dert wohnt der Tschamber z’Sehrigen, i bi
Scho selber binem dobe gsi;
Er isch e Wirth un wird e rechte Buur, alsgmach.
Un füre zue, lueg selle grüene Rai –

100
Sell isch d’Hexmatt. Jez denk dedoch au, nei!

Dert heige sie emol e Hex verbrennt;
Un dordurwille, daß me’s jez d’Hexmatt no nennt,
Denn Falkenau heig’s früeiher gheisse gha.
Nitt wit dervu fangt rechts der Mülle-Wald scho a.

105
Un besser gegen uns zue, – siehsch sell Dach –

Isch Niederwiler, rechts un links, am Bach.

Jez dreihe mer is aber rechterhand.
Do lit e Städtli, ’s isch der gwiis bikannt;
Was meinsch jez, Meieli, was wird es si?

110
Es fallt der vumme selber i.

Lueg doch, wie fründli in de Bergen in,
Wu nit, as Rebe, zrings drumm umme sin!
– – – – – – – – – –

[253]

Jez derte sieht me Neuburg, satt am Rhi,

115
Ne Städtli hüttigstag, ne Stadt vor Zite gnennt;[4]

Statt seller Chilche seig e Münster derte gsi,
Doch heig’s der Rhi neweg gnu, us em Fundement.
Un ’s innerst Hus sei gstande, wu jez ’s üsserst stoht,
Me weißt es justement grad nimmi gnau.

120
Und wemmen uffezue, am Strom no goht,

Se chunnt ’s Chrüzchilchli, in der Guetenau.
Dert het der Brueder Felix, im e chleine Hus,
Si Wohnig gha, und im e Todtebaum si Bett.
Si Gschäft isch bete gsi, und wenn es dundret het,

125
Se het er almig glitte. Nu, jez rueiht er us.

Sell heilig Chrüz, wu aber dert stoht, mueß de Rhi
No jez vum Land abhalten und – es thuet’s, cha si!

Un do vu dene Berg rechts hintere
Sin no viel Ort; de weisch jo, wu mer her chu sin –

130
Dert ehnen unter sellem Rai isch Zunzige.

– – – – – – – – – – –
Jez sim mer, glaub i, ummen überal,
Un d’Gegnig hemmer bschaut. Geil do isch’s schön?
Das isch im liebe Gott si Bildersaal,
Un mir verstune, wemmer drin spaziere gehn. –

135
Chumm jez, jez müen mer go, mer henn jez Zit;

Dur selli Hohlgaß us, in’s Wilerthal.
’s isch ebbe no ne Viertelstündli wit,
Un d’Weg, die weiß i jo no überal.

L. F. Dorn.
(Aus Pfarrer Dorn’s „Allemania.“ Lörrach, 1843. Gutsch und Rupp.)

  1. [253] Der Dialect, in welchem die in meiner Sammlung „Allemania“ enthaltenen Dichtungen geschrieben sind, ist der allemannische und beinahe der nämliche, wie bei Hebel, von dem ich nur darin abweiche, daß hier viele Endungen auf u (z. B. wu, chu etc.) vorkommen, welche dort auf o ausgehen. Diese Endung auf u hat aber zweierlei wesentlich verschiedene Klänge. Der eine ist ein reines „u,“ wie im Hochteutschen; der andere ist ein gemischtes, breites „u,“ welches ein kurzes „e“ nachtönen läßt, z. B. „du“ und „thue“ (thun). Diesen letzten Vokal habe ich überall, wo es die Aussprache so fordert, beigeschrieben. Wo also das „e“ hinter einem „u“ erscheint, da will letzteres keine eigene Sylbe bilden, sondern einsylbig mit dem „u“ zusammen gelesen seyn.
    [254] Auch in der Orthographie weiche ich zum Theil zuweilen von der Hebel’schen ab, da mein Bestreben dahin ging, den Klang der Wörter, so weit dies auf einfache Weise geschehen konnte, möglichst treu durch die Schreibart zu bezeichnen, selbst wenn sie der Analogie des Hochteutschen zuwider läuft.
    L. F. Dorn.     
  2. [254] Siehe den Artikel „der wilde Jäger Habsberger.“ Seite 186 dieses Buches.
  3. [254] Eine halbe Stunde von Oberweiler aufwärts liegt die Ruine des Schlosses Neuenfels, welche von Badenweilers Gästen sehr oft besucht wird. Die Mauern desselben stehn noch; man sieht den alten Schloßhof und in kleiner Entfernung davon den Raum des ehmaligen Gartens. Von der Geschichte des Schlosses schweigen die Urkunden. Der letzte Besitzer war Christoph von Neuenfels, der es mit seiner Gattin, einer Tochter und fünf Dienstboten bewohnte. Noch vom Jahre 1540 hat man Kunde von ihm. Eine wohldressirte, große Dogge holte jeden Tag in Britzingen oder Badenweiler den Fleischbedarf in einem Korbe für die Familie. Einst, nachdem der Hund mehrere Tage lang ausgeblieben war, ahnte man darauf nichts Gutes; man begab sich auf das Schloß, fand den Hund neben einigen Dienern erschlagen und die Herrschaft ermordet, welche Greuelthat wahrscheinlich von Räubern verübt worden. Die Leichen wurden in Britzingen beigesetzt.
    (Siehe Pfarrer J. Schneider’s; „Das Badische Oberland.“ Lörrach, 1841. S. 18.)
  4. [254] Neuenburg war in früheren Zeiten, schon vom 13. Jahrhundert an, eine beträchtliche Stadt, die vieler Privilegien genoß. Im Jahr 1490 war Kaiser Maximilian daselbst und bestätigte ihr dieselben, auch erlaubte er 1496, statt der alten, durch den Rhein größtentheils unterhöhlten und weggespülten Stadt, eine neue zu erbauen und erhöhte ihren Rheinzoll. In den Jahren 1632 und 1634 wurde Neuenburg von den Schweden genommen; Herzog Bernhard von Weimar hatte 1638 hier sein Hauptquartier, während er Breisach belagerte; im Jahre darauf starb er hier an Gift.
    (Vergl. Universallexikon von Baden. S. 817.)