Die Umarmung (Bürger)
Wie um ihren Stab die Rebe
Brünstig ihre Ranke strikt,
Wie der Epheu sein Gewebe
An der Ulme Busen drükt;
Und auf ausgeforschtem Nest,
Von der Liebe Rausch umnebelt,
Haschen sich und würgen läst:
Dürft’ ich so dich rund umfangen!
Dürften so zusammenhangen
Unsre Lippen ewiglich! –
Dann, von keines Fürsten Male,
Nicht von seines Gartens Frucht,
Würde dann mein Gaum versucht.
Sterben wolt’ ich im Genusse,
Wie ihn deine Lippe beut,
Sterben in dem langen Kusse
Kom, o kom und las uns sterben!
Mir entlodert schon der Geist.
Fluch vermachet sey dem Erben,
Der uns von einander reist!
Bleib’ uns Eine Gruft bevor!
Unsre Seelen aber wallen
In vereintem Hauch’ empor;
In die seligen Gefilde,
Denen stete Frühlingsmilde
Vom entwölkten Himmel lacht;
Wo die Bäume schöner blühen,
Wo die Quellen, wo der Wind,
Lieblicher und reiner sind;
Wo das Auge des Betrübten
Seine Thränen ausgeweint,
Und Geliebte mit Geliebten
Wo nun Phaon[1], vol Bedauren,
Seiner Sapho sich erbarmt;
Wo Petrarka[2] ruhig Lauren
An der reinsten Quell’ umarmt;
Nicht von Argwohn mehr gestört,
Glüklicher bei Heloisen
Abälard[3] die Liebe lehrt. –
O des Himmels voller Freuden,
Kom! Von hinnen las uns scheiden!
Eia! wären wir schon da!
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ siehe Phaon bei Wikipedia
- ↑ siehe Francesco Petrarca bei Wikipedia
- ↑ siehe Petrus Abaelardus bei Wikipedia