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Die Speisung der menschlichen Maschine

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Textdaten
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Autor: A.
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Titel: Die Speisung der menschlichen Maschine
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 206–207
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[206]
Die Speisung der menschlichen Maschine.
Warum und Was wir essen müssen.

Wenn man ein Stück Eisen hämmert, so wird es heiß, wie jedes Kind weiß, und wer’s versteht, kann es durch Hammerschläge sogar schmiedbar, ja selbst glühend machen. Es weiß ferner jedes Kind, daß Wasser kochend wird, wenn man ein glühendes Eisen in dasselbe taucht, und daß der Wasserdampf Maschinen treibt. Was nun aber die allermeisten Erwachsenen nicht wissen dürften, ist, daß diese erhämmerte Wärme, wenn man durch dieselbe Wasser in Dampf verwandelt, gerade eine solche Menge Dampfes erzeugt, als zur Bewegung eines Hammers an einer Maschine hinreicht, der durch seine Schläge das Eisen wieder so warm macht, wie es vorher war. – Natürlich muß hier die Wärme mit eingerechnet werden, welche durch Abkühlung des Eisens an der Luft verloren geht, und der Theil der Kraft, welchen die Maschine durch die Reibung etc. verliert. Denn von der Kraft, welche eine Maschine in Bewegung setzt, verrichtet immer blos ein Theil wirklich Arbeit, während ein anderer bei der Bewegung der Maschine verloren geht. Man nennt jenen erstern Theil die arbeitende oder lebendige Kraft.

Was hat nun aber diese Schmiedegeschichte mit unserer Ernährungs- und Nahrungsmittelfrage zu schaffen? Sehr viel; sie soll uns nämlich den innigen Zusammenhang aller Naturerscheinungen, wo es auch sei, in der Werkstatt des Handwerkers, wie in der Werkstatt unseres eigenen Leibes, zeigen. Sie wird uns lehren, daß von einer vorhandenen Kraft, in welcher Form sie auch auftreten mag, ob als Wärme oder als arbeitende (lebendige) Kraft, keine Spur verloren geht. Wir haben gesehen, daß die lebendige Kraft einer Maschine, welche den Hammer in Bewegung setzte, im gehämmerten Eisen ein bestimmtes Maß Wärme erzeugt und daß diese so erzeugte Wärme wieder einen ebenso hohen Grad lebendiger Kraft zu entwickeln vermag, als zur Bewegung des Hammers nöthig ist. Wenden wir dies nun auf unsern Körper an. Bewegen wir den Arm, aber ohne einen Hammer in der Hand zu halten, in der Weise auf und ab, als ob wir hämmerten, so erzeugt sich in diesem Arme eine gewisse Menge Wärme, welche mit dem Thermometer gemessen werden kann. Nehmen wir nun aber einen Hammer in die Hand, hämmern wir etwa noch auf Eisen, lassen wir also unsern Arm wirklich Arbeit verrichten (lebendige Kraft entwickeln), so erwärmt sich unser Arm zwar auch, aber bei Weitem nicht so stark, als vorher, wo er sich ohne Hammer bewegte. Während also beim alleinigen Bewegen des Armes alle Kraft nur in Wärme umgewandelt wurde, so setzte sich beim Hämmern ein Theil dieser Wärme in arbeitende Kraft um und es mußte deshalb ein geringerer Theil Wärme im Arme zurückbleiben. Man vergesse hierbei nun aber nicht, daß wir bei unserer Hämmerei nur vom arbeitenden Arme sprechen. Daß unser ganzer Körper bei anstrengender Armarbeit warm wird und schwitzt, liegt darin, daß bei einer solchen Arbeit niemals blos der Arm, sondern auch noch viele andere Muskelgruppen, welche dem Körper den zum Hämmern nöthigen Halt verleihen, angestrengt werden. – Wie nun die Wärme entsteht, welche in lebendige Kraft umgesetzt wird, ob durch Schlag, durch Reibung oder durch chemische Vorgänge, ist ganz gleichgültig. Die Hauptsache bleibt, daß das Gesetz von der Erhaltung der Kraft allenthalben seine Geltung behält.

Im menschlichen Körper wird die lebendige Kraft und zugleich auch die Wärme, denn der Körper muß beide hervorbringen, lediglich durch chemische Vorgänge erzeugt, welche in den Geweben unseres Körpers, wie in den Muskeln und Nerven, im Blute etc., vor sich gehen. Selbst der ruhende Körper befindet sich in fortwährender Thätigkeit; denn das Herz steht nicht still, die Brust [207] hebt und senkt sich, Phantasie und Verstand arbeiten unablässig. Außerdem muß unser Körper nicht blos zur Arbeit seiner Organe, sondern auch noch zu seinem eigenen Bestehen fortwährend Wärme (etwa + 30°R) entwickeln. Und alle diese durch chemische Processe erzeugte Wärme wird stets auf ziemlich gleicher Höhe erhalten. Die Veränderungen, welche unsere Gewebe dabei erleiden, zehren aber sie selbst auf; deshalb also muß, wenn wir mit unserm Körper nicht bankerott werden wollen, ein immerwährender Ersatz des Verlorengegangenen stattfinden, und das ist der Zweck der Ernährung. Durch die Nahrung ersetzen wir, was unser Körper verbraucht, und die Nahrung muß natürlich dieselben oder doch ganz ähnliche Stoffe enthalten, als die sind, welche unser Körper verliert; sie muß aber auch Wärme zu erzeugen vermögen.

Zuvörderst sind jedenfalls solche Nahrungsstoffe erforderlich, welche die durch Arbeit abgenutzte Maschine unseres Körpers (besonders also die Apparate, welche zur Aeußerung der lebendigen Kraft dienen, wie Muskeln, Nerven, Gehirn) wieder repariren können, und diese Stoffe sind, neben etwas Fett und Salzen, hauptsächlich die sogenannten Eiweißsubstanzen, so genannt weil sie dem Eiweiße der Eier sehr ähnlich sind; sie heißen auch stickstoffhaltige Nahrungsstoffe. Zur Wärmebildung und also auch zur Kraftentwickelung können sie nur sehr wenig beitragen, weshalb der Mensch beim alleinigen Genusse von Fleisch stets an Körpergewicht abnimmt und endlich zu Grunde geht; diese Gewichtsabnahme findet sogar bei der Aufnahme von vier Pfund Fleisch, wovon neun Zehntel wirklich verdaut werden, noch statt. – Um nun die vorzugsweise aus Eiweißstoffen aufgebaute Maschine unseres Körpers auch in Thätigkeit zu setzen wie eine Dampfmaschine durch den Dampf, ist die Entwickelung von einer ziemlich großen Portion von Wärme nöthig, und darum müssen wir auch eine nicht geringe Menge von Stoffen zu uns nehmen, die Wärme zu entwickeln im Stande sind. Man nennt sie Heizungsstoffe, sie sind stickstofflose Körper und zu ihnen gehören: die Fette, die Zuckerarten und das Stärkemehl (welches letztere bei der Verdauung in Zucker umgewandelt wird). – Der erwachsene Mann braucht täglich etwa ein Pfund Fleisch oder überhaupt Eiweißsubstanz zum Ersatze des verloren gegangenen Körpermaterials, und ebenso ist auch ein Pfund Fett und Zucker oder Stärkemehl täglich zur Erzeugung der gehörigen Wärme nöthig. Die Zuführung dieser stickstoffhaltigen und stickstofflosen Substanzen in der gehörigen Menge ist die Grundbedingung der Ernährung unseres Körpers und sonach zum Bestehen des Lebens durchaus erforderlich (s. Gartenlaube 1853, Nr. 39).

Was nun den Nahrungswerth der einzelnen Nahrungsmittel betrifft, so ist das Fleisch (s. Gartenlaube 1854, Nr. 21) stets mit fettigen, mehligen oder zuckerigen Stoffen zu versetzen, da bloßes fettloses Fleisch zur Kraft- und Wärmeentwickelung unzureichend ist. – Das Brod steht in seinem Nährwerthe dem Fleisch ziemlich nahe; man kann annehmen, daß drei Pfund Schwarzbrod etwa so viel Eiweißsubstanz (Kleber) enthalten, wie ein Pfund Fleisch, neben 1¾ Pfund Stärkemehl und unverdaulicher Pflanzenfaser. Je weißer das Brod ist, desto ärmer an Eiweißsubstanz ist es. Als Heizungsmaterial wirkt beim Brodgenusse das Stärkemehl, welches dem Fette am Fleische entspricht. – Dem Fleische noch ähnlicher, nämlich in Bezug auf den Gehalt an Eiweißsubstanz, sind die Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Erbsen); sie enthalten fast genau so viel von derselben als das Fleisch selbst, außerdem aber etwa 2/5 Stärkemehl und 3/10 (unverdauliche) Pflanzenfaser. – Die Kartoffeln sind sehr arm an Eiweißsubstanz, und sodann wird von derselben auch noch, wegen ihrer Umhüllung mit Pflanzenhäuten, nur sehr wenig verdaut. Auf einen Theil Eiweißsubstanz kommen etwa drei bis vier Theile Stärkemehl und unverdauliche Pflanzenfaser. Die übrigen aus dem Pflanzenreiche stammenden Nahrungsmittel besitzen nur einen äußerst geringen Nahrungswerth und sind außerdem auch noch, weil ihr Nahrungsstoff in Zellhäute eingeschlossen ist, sehr schwer verdaulich. Die grünen Gemüse werden nur zum allerkleinsten Theile verdaut und können nur als Magenfüllsel betrachtet werden. Allenfalls ist den Wurzeln (Möhren, Rüben) wegen ihres Gehaltes an Zucker noch einiger Nahrungswerth zuzuschreiben. – Das vorzüglichste aller Nahrungsmittel ist die Milch (s. Gartenlaube 1854, Nr. 12[WS 1]), weil sie alle zu unserer Ernährung und Wärmebildung nöthigen chemischen Stoffe und zwar in einem ganz richtigen Verhältnisse enthält. Kinder dürfen in ihrem ersten Lebensjahre nur mit Milch ernährt werden. Auch der Erwachsene könnte von Milch allein leben; zwei Pfund gute, nicht abgerahmte Milch enthalten so viel Eiweißsubstanz als ein Viertel Pfund Fleisch und außerdem ein Fünftel Pfund Fett (Butter) und Zucker. – Der Milch als ausgezeichnetes Nahrungsmittel an die Seite zu stellen sind die Eier (s. Gartenlaube 1854, Nr. 28), welche auch, zumal in weichem Zustande, sehr leicht verdaulich sind. Das Weiße des Eies ist Eiweißstoff, das Gelbe dagegen enthält sehr viel Fett. – Die Fleischbrühe (s. Gartenlaube 1854, Nr. 21) steht mit Unrecht in hohem Rufe als Nahrungsmittel und dürfte nur in ganz concentrirter Form (Kraftbrühe) bei schwachem Magen zur Ernährung taugen. – Vom Biere, welches man recht oft als kräftigendes Nahrungsmittel rühmen hört, berichtet Liebig, daß ein Glas davon nicht so viel Nahrungssubstanz enthalte, als eine Messerspitze Mehl. Es kann also nur den einfachen Wärmematerialien zugerechnet werden.

Wie sind also die Fragen: „Warum und Was müssen wir essen“ zu beantworten? Wir müssen deshalb essen, zuvörderst weil sich die fortwährend arbeitende Maschine unseres Körpers auch immerfort durch die Arbeit abnutzt und also, wenn sie im Gange bleiben soll, fortwährend zu repariren ist; sodann aber auch deshalb, um diese Maschine, und zwar durch Wärme, zum Arbeiten anzutreiben. Hieraus folgt also, daß wir einestheils solche Stoffe genießen müssen, welche unsern Körper aufzubauen vermögen, und das sind die Eiweißsubstanzen mit ihren Salzen und etwas Fett, anderntheils solche Stoffe, welche die krafterzeugende Wärme zu entwickeln im Stande sind, demnach die sogenannten Heizungsstoffe (Fett, Zucker, Stärkemehl).

A.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1854, Nr. 11