Die Sonntagspuppe
Die Sonntagspuppe.
Es war an einem Sonntagmorgen –
Ob hell, ob düster, weiß ich nicht,
Ich weiß nur das – ich war in Sorgen,
Und finster war mein Angesicht.
Mir war die Welt voll Gram und Grauen,
Die Lust der Jugend schuf mir Pein. -
Nur helle Menschenaugen schauen
In Gottes Welt den Sonnenschein!
Ich hatte einen Freund gefunden,
Der heil’ge Treu’ mir einst gelobt. –
Nun kamen ernste, schwere Stunden,
Nun ward des Mannes Wort erprobt!
Jetzt hing mein Schiff an schlimmen Riffen!
War nicht der Freund als Retter nah?
Ich hätte gern die Hand ergriffen, –
Die Freundeshand, sie war nicht da!
Mein Aug’ ist schlecht geschickt zur Thräne;
Nicht stand ich muthlos und erschlafft,
Doch brummt’ ich knirschend in die Zähne:
„Nun wohl! Mit Gott und eigner Kraft!“
Und in den Zügen stand geschrieben,
Wie mich geschmerzt der eitle Trug,
Daß einen Namen, einen lieben,
Ich ausstrich aus des Herzens Buch.
Mit seiner Sonntagspuppe spielend,
Mein Töchterlein im Zimmer saß;
Oft sah das Kind, zur Seite schielend,
Wie ich nur fast zum Scheine las,
Wie achtlos durch die Blätter schweifend
Ich doch in schwarzen Träumen blieb,
Und wie ich sinnend, leise pfeifend
Gedankenvoll die Stirne rieb.
Ein närrisch Ding mein kleines Aennchen!
Wie ist das Fräulein sonst empört,
Wenn’s in dem Spiel mit Kaffeekännchen
Und Puppen je der Vater stört!
„Gieb einen Kuss mir!“ – „Nein, ich danke!
So laß’ mich doch in Ruh’, Papa!“
Doch heute von dem Puppenschranke
So oft zu mir die Kleine sah.
Und plötzlich kam mein Kind gegangen
Und leise sprach es drauf zu mir.
„Die Sonntagspupp’ mit rothen Wangen,
Papa, ich leih’ die Puppe Dir!
Mit ihren allerschönsten Sachen
Hab’ ich für Dich sie angethan.
Papa, nun mußt Du wieder lachen!
Nun sieh’ auch Anna freundlich an!“
Und als mir in das Auge schaute
Mein Kind wie sonn’ger Maientag,
Da fühlt’ ich, wie im Herzen thaute
Das Eis, das auf der Seele lag,
Da ward mir wieder froh zu Sinne,
Da wurde meine Stimme klar,
Und tief beschämet ward ich inne,
Wie unaussprechlich reich ich war!