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Die Sagen vom Protschenberge bei Budissin

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Sagen vom Protschenberge bei Budissin
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 138–142
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[138]
755) Die Sagen vom Protschenberge bei Budissin.
Nr. I. bei Köhler, Bilder a. d. Oberlausitz. Budissin 1854. S. 114. sq. Nr. II. u. III. bei Gräve S. 170 u. 171. sq. und im Laus. Mag. 1838. S. 128. sq. Nr. IV. u. V. b. Ziehnert Bd. III. S. 265 sq.

I. Der alten Ortenburg gegenüber erhebt der sogenannte Protschenberg sein granitnes Haupt, welches fruchtbare Getreidefelder, in deren Mitte sich der Friedhof befindet, bedecken. Man sagt, daß vor alten Zeiten auf demselben eine Burg gestanden, von der ein unterirdischer Gang zur Spree herabgeführt habe, und als Ueberrest davon zeigt man noch heute in der Mitte des zackigen Felsabhanges die Teufeshöhle, ein enges, nur etwa 5–6 Schuh weit hineingehendes Felsenloch mit schlüpfrigem, abschüssigem Eingange. Es soll aber diese Höhle unermeßliche Schätze bergen, die von drei alten Männern mit langen, weißen Bärten bewacht werden.

Vor mehreren hundert Jahren ging ein verarmter Bürger Budissins am Fuße des Protschenberges spazieren. In der engen Stube mochten ihn die Nahrungssorgen zu sehr geängstigt haben, daher hoffte er im Freien Ruhe zu finden. Er klagte hier seiner Mutter, der liebevoll sorgenden Natur seine Herzensangst und bat sie flehendlich, daß sie ihn bald zu sich nehme in ihren Schooß, worin Ruhe finden Alle, die da mühselig und beladen sind. Auf einmal, als er so in Gedanken versunken an den Felsen des Protschenberges umherkletterte, sah er vor sich die schon damals berüchtigte Teufelshöhle und in derselben drei alte Männer um einen steinernen Tisch sitzen. Die Männer schienen selbst von Stein zu sein, so verwittert sahen sie aus und so regungslos saßen sie da. Erschreckt wollte der Bürger aus dem Bereiche der Höhle fliehen, aber es war ihm nicht möglich. Seine Angst wurde noch vermehrt, als ihm einer der Männer winkte, näher [139] zu treten. Er faßte sich endlich und trat, wiewohl beklommen, an den Eingang der Höhle. Dieselbe hatte sich wunderbar erweitert und war an den Wänden mit Gold und Juwelen geschmückt, auf dem steinernen Tische aber lag ein Haufen Goldstücke. Das Männchen, welches ihn genöthigt, näher zu treten, deutete ihm hierauf an, sich so viel von dem Goldhaufen zu nehmen, als er zur Abhilfe seiner Noth bedürfe, und nannte ihm den Tag, an welchem er wieder erscheinen könne, sollte das Geld nicht ausreichen. Es verbot ihm aber zugleich, Niemandem von allen dem etwas zu sagen, was er hier gesehen und erlebt habe. Der Arme langte erfreut zu, füllte sich die Taschen mit Goldstücken und entfernte sich dankend von den freundlichen und mitleidigen Geistern. Jetzt begann er ein neues Leben, aber nicht ein Leben voll Gottesfurcht. Er betete nicht, er arbeitete nicht, sondern saß vom Morgen bis zum Abend im Wirthshause. Durch dieses flotte Leben erregte er Aufsehen, seine Mitbürger steckten die Köpfe zusammen und konnten ihre Verwunderung nicht verbergen, auf welche Weise der einst so Arme reich geworden sei. Einer unternahm es, ihn auszuforschen, und erfuhr auch in Folge eines Rausches das ganze Geheimniß. Er forderte ihm hierauf durch Drohungen das Versprechen ab, ihn mitzunehmen, sobald er wieder zur Höhle gehe, um sich Geld zu holen. An dem bestimmten Tage und zur bestimmten Stunde begaben sich nun Beide auf den Weg und traten vor die Höhle, aber dieselbe blieb verschlossen und öffnete sich nicht. Seit dieser Zeit ist es noch Niemandem weiter geglückt, in nähere Gemeinschaft mit den Geistern und ihrem Golde zu gelangen, sie bleiben ruhig im Innern des Berges und hüten ihre Schätze.

II. Jene Höhle wird zuweilen noch die Judenschule genannt, und zwar aus folgendem Grunde. Es sollen nämlich zur Zeit der Judenverfolgungen ihrer Sicherheit wegen, und um nicht in ihren Religionsübungen gestört zu werden, sich mehrere Juden daselbst versammelt und feierlich angelobt haben, daß, wenn sie unentdeckt bleiben und unbehindert mit ihrem [140] Vermögen nach Polen gelangen würden, sie dieses nie vergessen, vielmehr jährlich an einem bestimmten Tage an diesem Orte reichlich Spenden vertheilen würden. Ihr Abgang muß ungehindert geschehen sein, denn als einst im 16. Jahrhundert eines Sonntags (es soll der Erlösungstag aus der babylonischen Gefangenschaft gewesen sein) nach der Frühkirche ein ehrsamer Bürger Budissins, Namens Gotthelf Arnst, in dieser Gegend lustwandelte, trieb ihn die Neugierde an, diese Höhle zu besuchen. Er trat hinein, und – wahrscheinlich war sie zu jener Zeit geräumiger, als gegenwärtig – er erblickte sieben Männer in polnischer Judentracht mit ehrwürdigen weißen Bärten, sitzend um eine runde Tafel und in Goldstücken wühlend. Bestürzt über diese ungewöhnliche Erscheinung, wollte er zurückgehen, allein man rief ihm zu: „Fürchte Dich nicht! denn wir sind nicht hier, um Böses, sondern Gutes zu thun!“ worauf man ihm dann erzählte, wie sie ihre Reise vor einigen hundert Jahren ungestört gemacht, und daß ihre abgeschiedenen Geister jährlich an diesem Tage hier zusammenkämen, und den, den sie träfen, aus Dank für ihre Rettung, beschenkten. „Nimm daher“ – fuhren sie fort – „soviel Du kannst und willst, denn nur einmal ist es Jedem zu kommen erlaubt, jedoch beeile Dich, bald ist sie verronnen die Zeit, während welcher es uns vergönnt ist, hier auf Erden zu weilen“. Arnst nahm sein Taschentuch, packte des Goldes ein, soviel er vermochte, und begab sich dankend aus der Höhle. Als er mit seiner Goldlast den Berg erklommen hatte, vernahm er einen dumpfen Knall, welches, wie er später erfuhr, das Verschwinden der freigebigen Juden bedeutete. Mit dem Gelde soll er sich Häuser und Feld, und darunter auch den unfern Budissin gelegenen sogenannten Weinberg, welchen späterhin ein gewisser Steinberger ausbaute, erkauft haben und als wohlhabender Mann gestorben sein. Ob irgend ein Anderer nach ihm wiederum diese Höhle besucht habe, und ebenfalls so glücklich gewesen sei, davon schweigt die Sage.

III. Nach einer andern Sage sollen die früher theils in Seydau lebenden, theils die in der Stadt Budissin nach ihnen [141] benannte Gasse in Menge bewohnenden Juden in dieser Höhle ihre Schätze und Kostbarkeiten verborgen haben, um dieselben bei den gegen sie verhangenen Verfolgungen zu sichern, zur Zeit der Noth davon Gebrauch zu machen und sie gelegentlich nach und nach unbemerkt fortzuschaffen. Da nun aber ihre Vertreibung plötzlich erfolgte, so hatten sie sich eilig, glücklich, nur mit dem Leben davon zu kommen, fortbegeben, und so die Schätze, deren Lagerstätte nur Wenigen bekannt gewesen, verlassen müssen. Diejenigen, welche Wissenschaft davon gehabt, waren gestorben und verdorben, und so ruhten diese Reichthümer noch im Schooße der Erde. Am Tage Ursulä des Jahres 1618 ging nun der Seydauer Martin Reike in diese Kluft, und gelangte an eine mit mehrern Riegeln und Schlössern verwahrte eiserne Thüre. Plötzlich vernahm er ein starkes Rauschen, gleich einem vom Felsen herabstürzenden Wasserfalle, und bemerkte, wie sich Schlösser und Riegel von selbst lösten. Ein furchtbarer Knall erfolgte, den Bauer ergriff die größte Angst und Bangigkeit, und zitternd und bebend enteilte er der Höhle, die sich vor seinen Augen verschloß und deren Stelle und Eingang er nimmer fand.

IV. Einst soll in diese verrufene Höhle ein Bauer ziemlich weit hineingegangen und an eine verschlossene Thür gekommen sein, weil ihn aber Grausen anwandelte, ist er ohne weiteres Nachforschen wieder umgekehrt. In dieser Höhle soll sich nun aber ein großer von Kerzen erhellter Saal befinden, in dem an einer langen Tafel die Geister dieses Berges sitzen und zur ewigen Strafe in Haufen Goldes wühlen müssen. Vor längerer Zeit soll aber hier des Nachts ein kleines graues Männlein mit langem, schneeweißen Barte bemerkt worden sein. Dies hörte ein gewisser Reichard aus dem Dorfe Seidau und beschloß die Sache genau zu untersuchen. In einer finstern Nacht machte er sich, nachdem er von den Seinen rührend Abschied genommen hatte, auf den Weg. Kaum hatte er die Spitze des Berges erreicht, so stand auch schon das graue Männlein vor ihm. So muthig Reichard erst gewesen war, so verzagt war er nun, doch erholte er sich [142] bald wieder und fragte das Männlein, wer es sei und was es hier zu thun habe. Ich bin, erwiderte es mit froher Hast, ein Geist aus diesem Berge und bin um eines Versehens willen von den andern Berggeistern verdammt, hundert Jahre lang allnächtlich diesen Berg auf- und abzusteigen, bis der Tag meiner Erlösung kommt, und Du, fuhr er fort, bist bestimmt, mich zu erlösen, und das geschieht, wenn Du allein den ungeheuern Schatz, der in diesem Berge verborgen ist, heben wirst. Dies allein zu thun aber weigerte sich Reichard hartnäckig, da erlaubte es das Männlein, daß er seinem Bruder den Vorfall entdecken und ihn zur Hebung des Schatzes mitbringen könnte. Sie versahen sich mit den nöthigen Werkzeugen und bestiegen in nächster Mitternacht den Berg. Das Männlein empfing sie, gebot ihnen aber, wenn Stimmen aus der Tiefe sie fragen würden, was sie mit dem Schatze machen wollten, ja nicht zu antworten, und sich durch Drohungen nicht erschrecken zu lassen. Die Brüder fingen an zu graben und fanden, wornach ihre Seele sich sehnte, den Schatz. Als sie ihn aber heben wollten, erscholl aus der Tiefe eine furchtbare Stimme. Die Schatzgräber schwiegen. Die Stimme drohte sie zu tödten, wenn sie nicht Antwort gäben. Da ward Reichard’s Bruder doch ängstlich und antwortete, daß sie sich damit ein frohes Leben zu verschaffen gedächten, und der Schatz – sank mit donnerndem Gepolter in die Tiefe! Seit dieser Zeit hat der unglückliche Geist noch keine Erlösung gefunden.

V. Einst spielten Kinder armer Eltern an diesem Berge und fanden einen Haufen Kohlen. Da sie die Armuth ihrer Eltern kannten, dachten sie klug genug, von diesen Kohlen soviel mitzunehmen, als sie fortbrächten, in der Meinung, daß sie doch wohl zu Etwas brauchbar sein könnten. Da die Eltern sich darüber als ein gutes Brennmaterial freuten, nahmen die Kinder ein Körbchen und holten den Ueberrest der Kohlen nach Hause. Einige Tage später wollten diese Leute sich der Kohlen zum Brennen bedienen, und fanden einen großen Haufen Goldstücke.