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Die Sage vom Ringe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Ottmar Friedrich Heinrich Schönhuth
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Titel: Die Sage vom Ringe
Untertitel:
aus: Burgen, Klöster, Kirchen und Kapellen Württembergs und der Preußisch- Hohenzollern’schen Landestheile mit ihren Geschichten, Sagen und Mährchen. Erster Band.
S. 160–162
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Eduard Fischhaber
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung: Ringsage von Schwäbisch Gmünd auf der Grundlage der literarischen Gestaltung von Johannes Scherr
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[160]
Die Sage vom Ringe.

Wir sehen jetzt reiche, blühende Städte auf jenen Plätzen erbaut, wo vor langen Jahren nichts als Wildniß [161] und rauhe Wälder, von wilden Thieren bewohnt, gewesen. So war es auch mit dem Platze, wo jetzt das freundliche Gmünd steht. Den ganzen Raum bedeckte finstere Waldung, und zeigte nur eine lichtere Stelle, wo eine kleine Wohnung, dem Jäger Ekkard gehörend, erbaut war. Der Alte war früher ein tapferer Krieger und hatte seinen Sohn tüchtig im Waffenhandwerke unterrichtet, so daß dieser in der Leibwache des Herzogs Friedrich von Schwaben diente, und sich schon bei mancher Gelegenheit hervorgethan hatte. Die Tochter des Kanzlers hatte den schönen Jüngling oft gesehen, und beide liebten sich mit der ganzen Innigkeit unverdorbener feuriger Jugend. Allein was konnte der junge Mann, der nichts besaß als seinen Namen, dem stolzen, ehrgeizigen Kanzler bieten, der ihm hohnlachend den Rücken gewiesen, als er vor ihn getreten war mit dem offenen freien Worte seiner Werbung? Da wurde eine große Jagd veranstaltet und die Frau Herzogin Agnes (Tochter Kaiser Heinrichs IV.) hatte das Unglück, ihren Ehering zu verlieren, was damals für ein sicheres Zeichen einer unglücklichen, verderbenvollen Zukunft gehalten wurde. Die Jagd, welche so heiter begonnen, wurde unterbrochen, und traurig kehrte alles nach dem herzoglichen Schlosse zurück, wo der übrige Theil des Tages entfernt von jeder Heiterkeit trübe verfloß.

Am andern Morgen ging der Liebende zu seinem Vater und sagte ihm, wie er den Dienst des Herzogs verlassen und in Waldeseinsamkeit der Erinnerung seiner [162] Jugendliebe leben wolle. Der Vater hatte nichts dagegen; er hoffte, die Zeit würde seinen Sohn heilen, und er wolle ihm daher keinen Zwang anthun.

Auf dem Rückwege gewahrte der junge Mann einen prachtvollen Hirsch, der scheu vor ihm die Flucht ergriff, aber nach kurzer Verfolgung von dem schwirrenden Todespfeil des sichern Schützen getroffen wurde. Erstaunen aber faßte denselben, als er an einer Spitze des Geweihes seiner Beute den verlorenen Ehering erblickte. Sogleich eilte er nach Hohenstaufen und brachte voll Freude den Fund. Die Herzogin, eine gnädige Frau, wollte den Finder reichlich belohnen, doch dieser schlug alles aus, und entdeckte ihr endlich die Ursache seiner Traurigkeit, welche sie bemerkt und darum gefragt hatte. Die Herzogin brachte es dahin, daß der Kanzler seine Tochter dem Jünglinge gab, dem ein stattliches Haus im Walde gebaut wurde.

Auf der Stelle aber, wo der Hirsch getödtet wurde, ließ der Herzog die noch jetzt stehende St. Johanneskirche bauen, wohin bald eine große Anzahl Pilger wallfahrteten. Das war auch die Veranlassung, daß nach und nach der Wald gelichtet und angebaut wurde, so daß sich jetzt dort eine blühende und schöne Stadt befindet. –

Sonst kann die Sage weder Urkunde noch Sigill für ihre Glaubwürdigkeit aufweisen, aber die eben erzählte ist noch daurender verewigt, denn sie wurde auf dem Thurme der Johanniskirche zum ewigen Gedächtniß eingehauen, wenn die Darstellung auch nur eine andeutende ist.