Zum Inhalt springen

Die Sage/Zur Geschichte der Volkssagenforschung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die Sage Die Sage (1908) von Karl Wehrhan
Zur Geschichte der Volkssagenforschung
Begriff und Wesen der Sage


[1]
I. Zur Geschichte der Volkssagenforschung.

Die Volkssagenforschung hat eine verhältnismäßig noch sehr junge Geschichte, denn der Wert der Volkssage ist lange verkannt worden. Zwar finden sich in geographischen und Reisewerken etwa vom 14. und 15. Jahrhundert an allerlei „Kuriositäten“ aus dem Volksleben der besprochenen Landschaften und darunter auch allerlei Volkssagen; sie sind aber eben nur der Kuriosität halber mitgeteilt. Als Ende des 18. Jahrhunderts Herder und die Romantiker den absoluten Wert eines Teiles der volkstümlichen Überlieferungen und darunter der Sagen erkannten, als nun die Märchen, Sagen und Volkslieder nicht nur als curiosa, sondern als an sich wertvolle dichterische Erzeugnisse gesammelt wurden, als in jener Zeit die einzigartige und unübertreffliche nordische Sagenliteratur Islands und Norwegens in Deutschland zur tieferen Kenntnis und Wertung kam, als dann endlich die Brüder Grimm[1] 1816 und 1818 ihre zwei Bände deutscher Sagen herausgaben und dadurch in vorbildlicher Weise den Sammlern der volkstümlichen Sagen den Weg wiesen – da erblühte auch die Sagenliteratur des deutschen Volkes zu einer Höhe empor, die vordem wohl nie geahnt war und die heute noch mit Bewunderung erfüllen muß. Nur einen äußeren Beweis wollen wir hier kurz anführen, der aber in seinem Zahlenmaterial um so gewichtiger sein wird. Unten sind im Literaturnachweis reichlich 1000 verschiedene Titel angeführt. Von ihnen erschienen vor 1800 nicht einmal ein halbes Dutzend; im 1. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, also von 1801–1810 nur 3; im 2. Jahrzehnt schon 21; [2] im 3.= 41; im 4. = 78; im 5. = 87; im 6. = 109; im 7. = 115; im 8.= 110; im 9.= 186; im 10. = 165 und in der ersten Hälfte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts wiederum 79 Sagensammlungen. Während vor 1816, dem Erscheinungsjahr des epochemachenden Grimmschen Werkes, nur ca. 12 Sagensammlungen erschienen, waren es von 1816–1830 schon 56. Einen neuen Anstoß gab die Herausgabe der deutschen Mythologie von Grimm 1835, die in den Äußerungen des Volkslebens wertvolle Nachklänge und Überreste der Religion der alten Deutschen erkennen lehrte. Die Sagenliteratur schwoll dadurch mächtig an; in der ersten Hälfte des vierten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts erschienen nur 19, in der zweiten Hälfte mehr als das dreifache, nämlich 59 Sagensammlungen. Sie legten, angeregt durch Grimm, das Hauptgewicht auf die geschichtliche Beziehung zur deutschen Vergangenheit und gaben sich deshalb von vornherein gern als Beitrag zur deutschen Mythologie. Man schoß übers Ziel hinaus, sah vielfach in allem und jedem altgermanisches Gut, und darum geriet diese Art der Forschung bei ernsten Gelehrten bald als dilettantisch in Mißkredit. Gegen Ende der 50er und mehr noch vom Ende der 60er Jahre an machte sich deshalb in der Sagensammlung ein Stocken bemerkbar, das auch in unsern schon oben mitgeteilten Zahlen zum Ausdruck kommt. Die zweite Hälfte der 50er Jahre ergab nur 40 Werke der unten aufgeführten Sammlungen, während die erste Hälfte noch 69 hervorgebracht hatte. In den 70er Jahren hielt dieser Rückgang an.

Neuen Anstoß erhielt die Sagenforschung durch die tiefere Auffassung des Begriffs der Volkskunde als Erforschung und Darstellung des gesamten Volkslebens in seinen äußeren Bedingungen und seinen inneren geistigen Formen. Der Eifer der Sagenforscher und Sagensammler ist aufs neue erwacht, wie uns obige Zahlen ebenfalls zeigen, und heute läßt sich außer vielen anderen Publikationen eine ganze Reihe guter volkskundlicher Zeitschriften die Erhaltung, Sammlung und Pflege des Sagenschatzes angelegen sein.


  1. R. J. Labes, Die bleibende Bedeutung der Brüder Grimm f. d. Bildung der Jugend an den Märchen, Sagen … Progr. v. Rostock 1887.


Die Sage Nach oben Begriff und Wesen der Sage
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.