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Die Rose (Die Gartenlaube 1857/15)

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Textdaten
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Autor: L. W-t.
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Titel: Die Rose
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aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 214–215
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Rose.
Von L. W–t.

Es hat einen eigenthümlichen Reiz, beim Nahen des Frühlings an die Rosen zu denken. Mag Kälte und rauhe Witterung sie noch in Haft halten, um so inniger blicken wir im Voraus auf die Zeit, wo der wachsende Sonnenstrahl ihre Banden lösen und sie zur Freiheit führen wird in unsere Gärten.

So wollen wir denn auch, indem wir nur erst hinter den erwärmten Fensterscheiben die Rose blühen sehen, uns doch schon an die Gartenplätze versetzen, wo wir nach einigen Monaten unsere Lieblinge wiederfinden und an ihrer Gestalt, an ihrer Farbe, an ihrem Duft uns erfreuen werden. Niemand ist davon ausgeschlossen. Hat er nicht einen stattlichen Garten, so besitzt er doch wohl ein kleines Plätzchen, wo er die Rose pflegte, oder es ist ihm der Zutritt vergönnt in die Räume, in welchen sie blüht. Und ist sie nicht auch erfreuend in ihrer Einfachheit, wenn wir sie finden am Feldrain oder am Waldrande, am Bergesabhange oder auf felsigem Vorsprunge?

Fast allgemein verbreitet ist die Rose über die ganze Oberfläche der Erde. Nicht allein über ganz Europa, auch über die Länder Asiens, Afrika’s und Amerika’s dehnt sie sich in ihrer natürlichen wilden Form und Einfachheit aus. Nur Australien hat keine Rose im natürlichen Zustande, und auch in der Nähe des Aequators wurde bis jetzt keine wilde Rose gefunden.

Wann die wilde Rose zuerst eine Bewohnerin des cultivirten Bodens ward? Wann die Menschenhand zuerst sie pflegte und veredelte? Schon 2000 Jahre vor Christi Geburt bestanden die berühmten Gärten Babylons, – möglich, ja wahrscheinlich, daß in ihnen auch die Rose duftete, da ja Persien, im Alterthum schon bekannt durch seine Rosen, das Nachbarland war.

Ob die Bibel, das älteste Buch der Welt, für das Alter der Rose Etwas beweisen könnte? Wohl steht in ihr geschrieben: „lasset uns Kränze tragen von jungen Rosen, ehe sie verwelken,“ – „gehorchet mir, und wachset wie die Rose am Bächlein gepflanzt.“ Ebenso finden wir erwähnt die „Rose von Saron,“ die „Rose von Jericho.“ Aber war diese Rose die Rose des heutigen Tages? Wenigstens die „Rose von Jericho“ ist es nicht, sie hat mit der unsern fast keine Aehnlichkeit.

Homer, der älteste classische Dichter (ob er im zehnten, neunten oder achten Jahrhundert vor Christi Geburt lebte, ist noch nicht ausgemacht) braucht die Rose bildlich in seinen Dichtungen. Sappho (600 Jahr vor Christus) nannte die Rose „die Königin der Blumen.“

So alt schon ist diese, auch bei uns noch gebräuchliche, Benennung. Aber Vieles ging für uns verloren von den schönen Gebräuchen, mit denen man sonst die Rose auszeichnete und ehrte. Griechen und Römer schmückten sich mit Blumen bei ihren Festen, bei ihren Mahlzeiten, bei ihren Opfern, und die Rose stand da immer obenan. Der Venus, dem Amor, der Aurora war sie geweiht, ebenso dem Harpokrates, dem Gott der Verschwiegenheit.

Durch letzteren Umstand wurde wahrscheinlich auch im nördlichen Europa der Gebrauch eingeführt, daß bei gesellschaftlichen und anderen Versammlungen eine Rose an der Decke hing, – zum Zeichen, daß Jeder zu schweigen habe über Alles, was hier gesprochen wurde und vorging. – Größtenteils war es die weiße Rose, die man zu diesem Gebrauche verwendete.

Einfache, ehrwürdige Menschen, ihr gehet still vorüber an unserm Auge noch heute! Keinen Handschlag, keinen Eid, keine Unterschrift mit Siegel brauchtet ihr, um euch zu verpflichten zur Verschwiegenheit. So lange die weiße Rose über euern Häuptern schwebte, galt euch jedes Geheimniß als unverletzlich. Mochten es ernste Berathungen sein über das Wohl des Vaterlandes, oder mochte der Weinbecher kreisen in Lust und Freude: das geschenkte Vertrauen wurde unter der aufgesteckten Rose nicht verletzt.

Auf uns ist nur das Wort noch gekommen: „Freund, ich vertraue es Ihnen sub rosa.“ Wie es damit steht, weiß Jeder, – es wird leicht hingenommen, in den Wind geschlagen, als halbe Erlaubniß geachtet, daß man das Anvertraute allenfalls gegen Diesen und Jenen ausplaudern dürfte.

Nannte die Dichterin Sappho die Rose „die Königin der Blumen,“ so fehlte es auch nicht an andern griechischen Dichtern, welche die Rose ehrten durch Wort und Lied. Vorzüglich that dies der heitere Dichter Anakreon, (lebte 530 Jahr vor Christo) welcher in seiner 51. Ode sagt:

Nebst dem kranzgeschmückten Lenze
Sing’ ich dich, o holde Rose.
Auf, Geliebte, hilf mir singen!
 u. s. w., u. s. w.

Aber nicht nur die Griechen, auch die Römer stellten die Rose hoch in Wort und Lied. Häufig erwähnt Virgil sie in seinen Werken, so im Anfange des fünften Hirtengedichts, wo er die blasse Narde der erröthenden Rose gegenüberstellt. An anderm Orte rühmt er die Rosen von Pästum, wo dieselben auch im Herbst noch blühten, – obgleich Botaniker, welche Pästum besuchten, dies nicht so fanden. – Auch Cicero, Ovid, Martial, Plinius, Horaz sprechen von Rosen, – und war der Verkauf von Blumen überhaupt, so war besonders auch der Verkauf von Rosen in die Hände der schönsten Mädchen gelegt und mehrere Namen dieser Mädchen wurden durch die Gedichte der Sänger unsterblich.

Einige Schriftsteller behaupten, die Römer hätten ihren Geschmack an dieser Blume den Egyptern verdankt. Diese nämlich sendeten während der ersten Jahrhunderte der Republik alljährlich bedeutende Massen dieser Blume nach Rom. Zum Uebermaß wurde hier die Liebe zur Rose unter der Regierung des Augustus und der nachfolgenden [215] Kaiser. Auf Rosenblättern nahmen die Römer ihre Mahlzeit ein, streuten sie auf Lager und Fußboden ihrer Gastzimmer, und Suetonius erzählt vom Kaiser Nero, daß derselbe vier Millionen Sesterzen (nach unserm Geld mehr als 200,000 Thaler) verwendet habe, um für ein Fest den Rosenbedarf zu beschaffen.

Nach dem Falle des römischen Reiches fiel bekanntlich auch die Welt in Barbarei, und man bekümmerte sich weder um Rosen, noch um andere Blumen. Als aber die verwüstenden Kriege aufhörten, als die Segnungen des Friedens Gewerbe- und Ackerbau hoben, da hob sich auch wiederum der Gartenbau und mit ihm die Blumencultur. Karl der Große, im Anfange des neunten Jahrhunderts, bezeugt seine Vorliebe für die Rose. Er verlangt, daß sie in seinem Garten gezogen werde. Wie bezeichnend ist das für den Mann, der ein Reich erbaute groß und herrlich, Städte gründete und Dome schuf, – wie bezeichnend für das tiefe, sinnige Gemüth des Gewaltigen, Tapfern, Siegreichen! –

Auch in Italien kam sie dann wieder zur Bedeutung, und einige Jahrhunderte lang war es Gebrauch, daß der Papst eine goldne Rose weihte und sie dem Monarchen eines Staates als ein Zeichen seines besonderen Wohlwollens zusendete.

Ebenso wird in Persien und im ganzen Orient die Rose hoch geehrt. Hier tritt neben der poetischen Stellung, welche ihr die Dichter – gewöhnlich in Verbindung mit der Nachtigall – anweisen, die schöne Blume zugleich in das praktische Leben des Handels und Verkehrs. Die Rose nämlich wird in großen Mengen gezogen des Rosenwassers wegen.

Ansprechend ist die Sitte, durch welche man die Rose in vielen Gegenden Ungarns ehrt. Vornehme Damen nämlich gehen mit edeln Rosenreisern in der Wald oder auf ihre einsamen Spazierplätze und oculiren da die wilden Sträucher.

In Holland stand Tulpe und Hyacinthe stets höher als die Rose. Und doch darf man nicht unerwähnt lassen, daß gerade die schönste aller Rosen, die Moosrose, aus diesem Lande zuerst nach England eingeführt wurde.

In Frankreich genoß die Rose allezeit ein hohes Ansehen. An und für sich schon ist dieses Land reich an dieser Blume, und es kommen in ihm nicht weniger als neunzehn Species wildwachsend vor. Unter ihnen ist die rosa gallica die hauptsächlichste. Auch in Frankreich wird die Blume in Massen gezogen, um Rosenwasser zu bereiten. An Dichtern aber, die die Rose zum Gegenstande ihrer Lieder machten, fehlte es hier ebenfalls nicht, und wir erwähnen in dieser Beziehung nur Bernhard, Malesherbe, Saint Victor, Roger.

Bei der Rosencultur Frankreichs gedenken wir noch Einiger der berühmten Rosenzüchter, und nennen besonders Bibert und Laffay. Der Erstere gründete im Jahre 1815 sein Etablissement in der Nähe von Paris und wendete sich einige Jahre später nach Angers, wo das Klima für die Rosenzucht günstiger ist. Wir unterlassen hier, die Sorten zu nennen, welche durch Herrn Bibert in’s Leben traten. Nicht minder glücklich ist in der Rosenzucht Laffay gewesen. Sein Wohnsitz ist zu Bellevue, einige Meilen von Paris. Hier lebt er, umgeben von Rosen und Kastanienbäumen, in seinem Garten, welcher eine weite, herrliche Aussicht gewährt. Sowohl Bibert als Laffay sind durch Cultur der Rosen sehr reich geworden. Seit 1850 übergab Bibert sein Etablissement an seinen ersten Gehülfen Robert. Viele, zum Theil sehr schöne Sorten, namentlich Moosrosen, wurden von Robert in den Handel gebracht und waren jedenfalls noch Pfleglinge des frühern Besitzers dieses Etablissements. Laffay bewohnt noch sein schönes Grundstück Bellevue und hat die Rosenwelt mit bewundernswerthen neuen Sorten bereichert, – besonders mit neuen Moosrosen. Uebrigens müssen wir noch der Rosen im jardin du Luxembourg zu Paris gedenken, – unstreitig die schönste Rosensammlung in Frankreich, aus welcher aber keine oder nur wenige in den Handel kommen.

Auch England hat für diesen Culturzweig große Etablissements, und die Zahl der Rosenliebhaber Englands ist gegenwärtig so überaus groß, daß das Verzeichniß sehr stark werden müßte, wenn wir auch nur Diejenigen anführen wollten, welche vorzügliche Sammlungen besitzen. Besonders seit dem Jahre 1829 erhob sich die Rosencultur in England sehr hoch. Im genannten Jahre nämlich erschienen in Frankreich Kataloge, welche schon über 2000 Varietäten beschrieben. Das reizte die Engländer zur Nacheiferung und der Erfolg davon ist bewundernswerth. Daß die Rose in früherer Zeit in England schon eine Rolle spielte, ist bekannt aus den Kriegen der Häuser York und Lancaster – dem „Kriege der Rosen.“ – Von Dichtern wurde diese Blume auch hier gepriesen und dasselbe war der Fall auch in Deutschland. Wohl hunderttausend gute und schlechte Gedichte, dargebracht der Königin der Blumen, besitzen wir. Hinsichtlich der Cultur der Rose müssen wir ebenfalls Einiges erwähnen, was in Deutschland der Beachtung verdient. Früher waren die Sammlungen zu Cassel berühmt, jetzt wird im Park bei Coburg die Rose großartig gepflanzt und gezogen und im wahren Sinne des Wortes heißt dieser Park „Rosenau.“ Ein Gleiches gilt von der Pfaueninsel bei Potsdam, wo der König Friedrich Wilhelm III. ein großes Rosarium anlegen ließ. Mit Liebe und Sorgfalt nimmt sich hier der Hofgärtner Fintelmann der Rosenpflege an. Auch Düsseldorf war berühmt seiner Rosensammlungen wegen, und gegenwärtig findet man in den Gärten der Herren Deppe zu Witzleben bei Charlottenburg, und bei Herrn Herger zu Köstritz (berühmt auch wegen seinen Georginen) reiche, großartige Sammlungen, aus welchen der Verkauf schöner Sorten sich über ganz Deutschland erstreckt.

Um noch einmal zurückzukommen auf die Dichter aller Nationen, welche die Rose besungen haben, so müssen wir sagen, daß gerade ein Deutscher die Rose verherrlicht hat wie sonst Keiner. Ernst Schulze war’s in seiner „bezauberten Rose,“ und wir können gegenwärtigen Artikel nicht schöner schließen, als wenn wir aus dieser reichen, romantischen Dichtung einige Strophen wiederklingen lassen.

Und horch, er singt, wie leis’ aus tiefen Keimen
In sichrer Nacht der Rose Kelch sich webt,
Und dicht umhegt von grünen Blättersäumen
Vom frischen Quell der künft’gen Düfte lebt.
Und wenn auch schon in ihren engen Räumen
Die reiche Form sich üppig drängt und hebt,
Doch still der Geist, von Lust und Leid geschieden,
Noch schlummernd ruht in unbewußtem Frieden.

Doch wenn der Lenz mit seinem Wehn und Wallen,
Mit seiner Lust durch Erd’ und Himmel dringt,
Wenn weit umher das Lied der Nachtigallen,
Der Biene Flug, der Quelle Rieseln klingt,
Wenn Blüthen rings entkeimen, blühn und fallen,
Und jede Nacht den reichen Schmuck verjüngt,
Dann fühlt auch sie in ihrer dichten Hülle
Der Hoffnung Lust, des Lebens sel’ge Fülle.

Und wenn gemach die Hüllen sich entfalten
Und sich mit Gold des Busens Tiefe füllt,
Blickt heller stets durch seines Kerkers Spalten
Mit frischer Lust das hold verschämte Bild,
Und freut sich still der wechselnden Gestalten,
Die bunt umher die neue Welt enthüllt.
Ihr frühster Duft, des Athems erstes Weben
Ist Liebe schon, und wähnt, er sei nur Leben.

Und freier jetzt vom hellen Licht umwaltet,
Und inniger durchströmt vom blauen Wehn,
Läßt reicher stets und üppiger entfaltet
Der volle Kelch die irren Tiefen sehn.
So scheint, weil stets ihr Glanz sich neu gestaltet,
Uns aus der Lieb’ erst Liebe zu entstehn;
Denn wandelbar mit ewig bunter Welle
Rinnt unversiegt des Lebens heil’ge Quelle.