Die Reflexion des Lichtes an bewegten Spiegeln
Im folgenden will ich eine nichteuklidische Interpretation der Einsteinschen Formeln für die Reflexion des Lichtes an den bewegten Spiegeln geben[1]. Der an die reflektierende Koordinatenebene einfallende Lichtstrahl sei durch die Größen , , definiert. Diese Größen sind auf das ruhende Koordinatensystem bezogen. Der Spiegel bewege sich mit der Geschwindigkeit in der Richtung der positiven Abszissenachse des ruhenden Systems. Für den Richtungskosinus des reflektierten Strahles hat man dann nach Einstein die Formel
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Setzt man hierin
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so wird
oder
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Nun ist weiter
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und daher
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Die Einsteinsche Formel für habe ich schon in meiner ersten Mitteilung[2] als die Aberrationsgleichung auf die Form
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transformiert, und so hat man
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und
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Hier bedeutet das zum Parallelwinkel gehörige Lot. Die Gleichung (8) ersetzt uns die Einsteinsche Formel
Aus der Fig. 1 ist die Konstruktion des reflektierten Strahles nach der Formel (8) leicht ersichtlich. Bei der Konstruktion ist es vorteilhaft, den zu supplementären Winkel zu
Hilfe zu nehmen. Es ist . Für hat man . Gewöhnlich betrachtet man auch als Reflexionswinkel.
Zur Gleichung (8) können wir aber auf noch kürzerem Wege gelangen. Der Reflexionswinkel läßt sich nämlich beim bewegten Spiegel auf dieselbe Art bestimmen, wie beim ruhenden mittels der Konstruktion auf Grund des Huyghensschen Prinzips. Ich erwähne nur die betreffenden Ausführungen von W. M. Hicks[3] und E. Kohl[4], die sie bei der Untersuchung des Michelson-Morleyschen Versuches angestellt haben.
Hicks nimmt als positiv an, wenn sich der Spiegel den einfallenden Strahlen entgegen bewegt. In seiner Formel (1) haben wir also negativ zu nehmen, um sie in Einklang mit unseren Festsetzungen zu bringen. Dann lautet sie in unserer Bezeichnung
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Nach der Relation, die zwischen dem Parallelwinkel und dem dazu gehörenden Lote besteht, können wir schreiben
oder
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Für den Winkel hat man bekanntlich negativ zu nehmen, da er mit supplementär ist. In welchem Verhältnisse die Größe des Winkels zum Winkel stehen wird, hängt von der Richtung der Bewegung des Spiegels relativ zur Lichtquelle ab. In dem betrachteten Falle ist der Winkel größer als , da er zum kleineren Lote als Parallelwinkel zugeordnet ist.
Für das Verhältnis der Amplituden und der Frequenzen gibt Einstein folgende Gleichung:
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Auf Grund der Relation (2) können wir sie schreiben in der Form
oder auch
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Berücksichtigt man die Gleichung (7), so wird
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Für den reflektierten Strahl ist aber
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nach der Formel (28) auf S. 292 des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift hat man
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und so wird
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Die Verhältnisse der Amplituden und der Frequenzen des einfallenden und des reflektierten Lichtes lassen sich darstellen durch das Verhältnis der Bogen zweier Abstandslinien zwischen gemeinsamen Normalen. Die Gleichung (16) ersetzt uns die Einsteinschen Gleichungen
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In Fig. 2 haben wir die Formeln (15) und (16) graphisch dargestellt. Man ersieht leicht, daß man durch Spiegelung von auf erhält. Ebenso läßt sich der Winkel durch Spiegelung des einfallenden Strahles an dem aberrierten Strahls bestimmen. Die Formel (15) für das Dopplersche Prinzip und die Formel (16) für die Amplitude und die Frequenz des reflektierten Lichtes sind von demselben Bau; ebenso die Aberrationsgleichung (6) und die Formel (10) für den Reflexionswinkel.
Mit haben wir jene Geschwindigkeit bezeichnet, welche durch die Strecke (für ) repräsentiert wird, und mit wollen wir jene Geschwindigkeit bezeichnen, die der doppelten Strecke entspricht. Aus den vorher erwähnten Gleichungen folgt dann, daß derselbe Lichtstrahl einem mit der Geschwindigkeit bewegten Beobachter ebenso beschaffen erscheint, wie er einem ruhenden Beobachter nach der Reflexion an einem mit der Geschwindigkeit bewegten Spiegel erscheinen würde. In beiden Fällen muß die Bewegung von derselben Richtung sein.
Im Zusammenhange mit diesem Resultate steht auch der Vorgang Batemans[5], der die Gesetze der Reflexion an bewegten Spiegeln abgeleitet hat auf Grund der Voraussetzung: das Bild eines Gegenstandes entstehe durch die Raum-Zeittransformation
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Er schreibt sie in einer anderen Form.
Für einen senkrecht einfallenden Lichtstrahl haben wir , also , und die Formel (16) geht über in
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Das Verhältnis der Frequenzen und der Amplituden läßt sich in diesem Falle darstellen als das Verhältnis zweier koaxialer Grenzkreisbogen.
Agram, 14. Mai 1910.