Die Räuberhöhle am Schafteiche bei Glauchau
Die Räuberhöhle am Schafteiche
bei
Glauchau.
[226] Am Schafteiche, welcher 3/8 Stunde im Umfange, nördlich von Glauchau fast den ganzen ebenen Raum zwischen dem Scheerberge, der Mulde und der Lungwitz erfüllt, entdeckte man 1793 einen unterirdischen Gang, der mannshoch und durch festes Gestein, wohin? weiß man nicht, stollenartig fortgeht, und die Räuberhöhle genannt wird. Nachstehende Sage dürfte in Anfang des vorigen Jahrhunderts fallen, da sie noch lebende Glauchauer von ihren Großvätern, als welche es erlebt hätten, erzählen gehört haben. Freilich müßte da die Räuberhöhle schon früher bekannt gewesen seyn.
Bei Glauchau ist ein großer Teich,
und nahe an des Teiches Rand
ist eine Höhl’, an Schätzen reich,
die Räuberhöhle nur genannt,
verrufne Räuberbanden waren.
Bei jener Höhle noch dabei
steht eine große Schäferei.
Dort dient einmal ein armer Hirt,
das spielt, sobald es Abend wird,
am Teiche auf der grünen Flur.
Wie hat’s der Arme schlecht hienieden!
muß eines Fremden Schafe hüten,
und ohne alle Obhut seyn!
Der Knabe Veit war erst elf Jahr,
doch schon ein recht verwegnes Blut.
Er kam wohl öfter in Gefahr
Oft stand er lange vor der Höhle,
und dachte so in seiner Seele:
„Ja, fänd’ ich nur den Weg zurück;
ich lief’ hinein mal auf gut Glück.“
am Eingang jener Höhle noch,
und sah, wie neben ihm hinein
lautkackernd eine Henne kroch.
Schwarz war sie und gesprengt mit Golde,
„Ei, denkt er, die legt da hinein!
Ihr Nest muß in der Höhle seyn.“
Die Gierde, dieses auszuspähn
läßt ihm von nun an keine Ruh.
nur weiß er keinen Weg dazu.
Gar leicht ja konnt er in den wirren
und finstern Schluchten sich verirren,
wo ihm – das sah er nur zu klar –
Alltäglich mit dem Abendstrahl
zieht’s mächtig ihn zur Höhle hin.
Er sieht die Henne jedes Mal,
und endlich kommt ihm was zu Sinn.
nimmt er ein Knäuel Garn, und bindet
es außen fest an einen Stein,
und fängt die Henne glücklich ein.
Er bindet an die Pfote ihr
und ohne daß das Wunderthier
dabei sich sträubte oder schrie.
Drauf läßt er sie nach Willen gehen,
und ohne sich mehr umzusehen,
sich ab, so wie die Henne läuft.
Er hält ihn sorglich in der Hand,
damit, wenn ja von ohngefähr
die Henn’ im Finstern ihm verschwand,
und folgt ihr mit getroster Seele,
und kommt tief in die finstre Höhle,
und fürchtet nur, daß sich das Nest,
im Finstern nicht erkennen läßt.
und hell, wie blauer Schwefelschein;
er sieht – ihm blendet’s das Gesicht,
ihm schreckt’s wie Eis durch Mark u. Bein –
er sieht ein schwarzes Ungeheuer,
die Krallen glänzendblau wie Stahl,
im Rachen Zähne ohne Zahl.
Es glotzte ihn entsetzlich an
so starr als wie ein Marmelblock.
im aschengrauen Mantelrock,
der trug ein Säcklein in den Händen,
mit Geld gefüllt an beiden Enden,
und rief mit dumpfem hohlen Ton:
Der Knabe stehet still und zagt,
doch endlich tritt er noch hinzu.
Da giebt der Mann ihm was, und sagt:
„Dies ist für dich, und schweigest du,
wo nicht, wirst du dein Glück zerstören!
Jetzt, Kleiner, magst du wieder gehn,
und schweig von dem, was, du gesehn.“
Da dankt der Knabe ihm recht schön,
und bleibet vor der Höhle stehn,
und fasset kaum sein großes Glück,
und treibt des Männchens reiche Spende
wohl mehr denn zehnmal durch die Hände:
mit Silberglanz und Silberklang.
Wie gerne hätte er sein Glück
dem armen Vater kundgethan,
doch drohend stand vor seinem Blick
Er seufzt: „Was hilft mir in den Taschen,
das Geld? Ich muß es doch vernaschen;
denn kauf’ ich mir ein neues Kleid,
so will mein Vater drob Bescheid!“
nach Mandelkern und Zuckerkand,
geht er zum Kramer in die Stadt
mit einem Thaler in der Hand,
bis daß ihm endlich von den sieben
Da holt’ er sich dieselbe Zahl
vom grauen Männchen noch ein Mal.
Er kauft und nascht nun täglich mehr;
da fällt’s dem Kaufmann endlich auf,
und Veit erwiedert nichts darauf,
und wird so ängstlich und verlegen.
Das muß sogleich Verdacht erregen,
so daß, da Veit ihm nichts gesteht,
Des Knaben Vater weiß von nichts,
und wird vor Schrecken todtenbleich,
und ruft: „Ach Herr, seht, mir gebricht’s
an Pfennigen für solches Zeug,
Der böse Range hat, ich wette,
das Geld gefunden, oder, oh!
wohl gar gestohlen irgend wo.“
„Gesteh’ es nur, und leugn’ es nicht!
Der Knabe schluchzet laut und spricht:
„Ja, wenn mir’s nicht verboten wär,
da wollt’ ich’s euch wohl gerne sagen,
doch so mögt ihr mich blutig schlagen,
sonst würde mir’s gar übel gehn.“
Da packt der Vater ihn voll Wuth,
und brüllt: „Du sollst mir’s schon gestehn,
und müßtest du, verworfne Brut,
Er haut ihm mit geflochtnen Riemen,
den Leib voll blutgeschwollner Striemen,
und blutig Hände und Gesicht;
der Knabe brüllt vor Schmerz, und spricht –
„Ach lieber Gott, ich will’s gestehn!“
Und er erzählt’s vom grauen Mann,
und was er weiter noch gesehn,
und schließt: „Gewiß ich muß es büßen,
Das graue Männchen rächet sich
an mir gewiß recht fürchterlich!“
Das hört der Vater tiefbetrübt,
und seine Härte reut ihn sehr,
es nun wohl keine Rettung mehr.
Er weint die Nacht hindurch. Am Morgen
ruft er den Knaben voller Sorgen;
doch der ist todt, und hört ihn nicht –