Der feurige Hund von Budissin (Ziehnert)
Der feurige Hund
von
Budissin.
[234] Nachstehende Erzählung fällt den 1. und 2. Mai 1634, und ist vollkommen geschichtlich glaubwürdig, den Schlußvers ausgenommen, der deutlich zeigt, wie gern sich die Volkssage an die Geschichte knüpft, und den Faden derselben, wo ihn die Chroniken abschneiden, abergläubisch weiter spinnt.
Der Wallensteiner Hauptmann Golz
voll Tygergrimm und bösem Stolz
lag schon ein halbes Jahr
in Budissin,
verübte drin
unsägliche Greuel, Raub und Mord;
gern flöhe der Bürger, doch kann er nicht fort,
denn die Thore bei Tag und Nacht
Da rückt mit vierzigtausend Mann
der Altenburger Herzog2) an.
Die Bürger seh’n das Heer
wohl still erfreut,
sind sie bedräut;
denn wenn sich der Hauptmann nicht halten kann,
so steckt er den Ort ohnfehlbar an,
daß der Feind in der wüsten Stadt
Die Bürger gaben Alles her
daß Golz mit ihnen schonend wär’,
und zu Walpurgis früh
mit Kranz und Straus
des Hauptmanns Haus,
und pflanzen süßduftende Maien umher,
als ob es das Haus ihres Fürsten wär’,
und stehen und harren lang
Mit stolzem Blick sah der Barbar
vom Fenster auf der Bürger Schaar,
doch ach, mit schlechtem Dank
wies er sie fort,
das böse Wort:
„Reif seid ihr zum Tode! Ihr steckt vor die Thür
mir Maien? Ihr Hunde, nun ist es an mir!
Bald steck’ ich den rothen Hahn3)
Er lachte teuflisch auf, und schlug
das Fenster zu mit argem Fluch.
Die armen Bürger sah’n
ob solchem Wort
und schlichen fort.
Aufgab ein Jeder sein irdisches Theil,
und bedachte betend sein Seelenheil,
und gab auf Befehl die Wehr
Der Mond zieht über Budissin,
der letzte! bleich und blutig hin;
die Glocken schlagen drei,
so dumpf und bang,
ihr letzter Klang;
noch einmal nur summet ihr Läuten vom Thurm,
und wimmert in heulenden Schlägen Sturm,
und weckt die Bürger, und zerrt
Allseitig bricht das Feuer aus,
und wälzt sich rasch von Haus zu Haus,
von Feindeshand genährt,
und Feuersgluth
in gleicher Wuth
tobt wüthend die taghellen Gassen entlang;
der Sterbenden Aechzen und Waffenklang
und Zetergeschrei erscholl
Hohnlachend, wie sich Teufel freu’n,
schaut Golz in all den Greul hinein:
„Ha, wie das lustig brennt!
Wie schnell und groß
als Kriegsgenoß!
Wie wird doch der Herzog, wie wird er sich freu’n,
wenn er siegreich zieht in die Trümmern ein!
Komm, Herzog, und such’ ein Haus,
Drauf rief er einen Reitersmann
aus dem Gewühl zu sich hinan,
und sprach: „Reit’ vor das Thor
zum Feind sofort,
mit sanftem Wort:
Ich wolle die Stadt nicht länger mehr
verweigern seinem gerechten Begehr,
doch mit dem Beding, daß frei
Der Reiter reitet schnell hinaus,
und richtet Alles klüglich aus,
und als der Herzog frägt,
wer wohl den Brand
mit böser Hand,
da läugnet er’s ihm mit heuchelndem Blick,
und erhält so Gewährung, und reitet zurück,
und zum Abzug versammelt ist
Fortzieht die Schaar mit Hörnerklang,
mit teuflisch lust’gem Spottgesang
und stolzem Siegerschritt.
Voran dem Troß
auf schwarzem Roß.
Im Lauenthor, da schaut’ er zurück
in sein gräßliches Werk mit höhnischem Blick:
„Hört, wie die Hunde von Budissin,
Und eh’ er wendet sein Gesicht,
da ruft ihn Gott schon vor Gericht;
sein Angesicht erbleicht,
sein Arm erschlafft,
sich ohne Kraft
zum Falle, und schmettert auf’s Pflaster hin,
nicht mehr hört er die Hunde von Budissin!
es knackte sein Wirbelbein. –
Ihn aufzuheben ist nicht Zeit,
schon ist die Flamme nicht mehr weit,
die hintern drängen vor,
und Roß an Roß
zwängt sich der Troß,
und kümmert, von Rauch und Flammen gehetzt,
sich nicht, ob der Hufschlag den Todten zerfetzt,
und zerstampft auf dem nackten Gestein
Der feur’ge Hund von Budissin
läuft nächtlich durch die Straßen hin;
das ist der böse Golz.
Bleich glimmt sein Fell,
und sein Gebell
verkündet den Straßen, die er durchrennt,
daß es nach drei Tagen darinnen brennt;
darum immer, Gott, halte ihn
1) Die Chronik erzählt: Anno 1633, den 30. Oktober, Sonntags Nachmittags um 2 Uhr sind die Kaiserlich Wallensteinischen Völker, 70,000 Mann, gekommen, und haben die Stadt belagert und beschossen, und Dienstags mit Accord übereingekommen, worauf der kaiserliche General Golz mit seinem Regiment zu Fuß und einer großen Esquadron zu Roß nebst etlichen Panduren hereingekommen, welche 27 Wochen bis auf den andern Mai nach Misericordias domini 1634 in der Stadt gelegen und Alles verzehrt, und stahlen noch dazu Alles denen Leuten, u. s. w.
2) Die Chronik: Zu Anfang des Jahres 1634 beschloß der Churfürst von Sachsen, Johann Georg I. die Oberlausitz wieder zu erobern. Es rückte demnach der Herzog Friedrich Wilhelm von Altenburg nebst dem General Arnim mit 40,000 Mann vor die Stadt Budissin.
3) Jemanden den rothen Hahn aufs Dach stecken, dem Dache anstecken, s. v. a. Jemanden das Haus anzünden.
4) Die Chronik erzählt: Heute den 2. Mai 1634 hat der Obrist Golz befohlen, jeder Soldat soll früh 3 Uhr sein Haus anzünden, was auch geschehen. Auf der Seidau, in der Fischergasse und den Ueberresten der Vorstadt brach das Feuer aus, flog in die innere Stadt, steckte zuerst die Juden- (jetzt Herings-) Gasse an, und legte alle Privathäuser, Kirchen (die Peterskirche, in die sich 300 Personen geflüchtet hatten, zündeten die Panduren mit Pechkränzen an) und alle andern öffentliche Gebäude, ja selbst einen Theil des nahen Dorfes Teichnitz, in Asche. Nur die St. Nicolaikirche war noch zum Gottesdienste brauchbar. Gräßliche Mordthaten, Raub, Unzucht u. a. Greuel machten diese Schreckensnacht den Bürgern von Budissin noch schrecklicher.