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Die Offenbarung Johannis/Die englischen Kommentatoren

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11. Die englischen Kommentatoren.

Viel wilder noch als die deutschen Kommentatoren gingen die Engländer zu Werk. Dabei sind diese Ausleger in einem Punkt besonders einig, nämlich in der fanatischen, antipapistischen Deutung des Buches, welche in England geradezu zum Dogma erhoben wurde.

Der erste mir zugängliche Kommentar ist der von Johannes Fox. Er bezieht sich auf die Kommentare von Fulko (?) und Sebastian Meyer. Es sind ihm außerdem die meisten älteren Auslegungen bekannt und eine Reihe protestantischer. Er legt die Apk nach einer sehr gekünstelten Rekapitulationstheorie aus, und außerdem finden wir bei ihm eine wilde Zahlenspielerei. Die Dauer der Herrschaft des Tieres sind 42 Monate, d. h. 294 Jahre, so lange dauerte die erste Christenverfolgung, dann von 300-1300 das tausendjährige Reich, um 1300 Beginn der Ottomanenherrschaft, welche spätestens in 294 Jahren (1594) aufhören muß. Gegen die realistische Auslegung der Jesuiten (Ribeira) treibt er ausführliche Polemik in protestantischen Interesse. Sein Zusammenhang mit den deutschen protestantischen Exegeten zeigt sich namentlich bei der Deutung des 13. Kap. und in der Beziehung der fünften und sechsten Posaune auf die Türkenherrschaft[1].

Ihm folgte Joh. Napeir[2]. Durch ihn wird Methode in den Wahnsinn gebracht. N. vertritt teilweise die Rekapitulationsmethode. Er findet in dem fünften Siegel den Beginn der türkischen Herrschaft (1051), in dem sechsten die Herrschaft der Ottomanen (1295) geweissagt. Demgemäß liegen auch die übrigen Posaunen um je 245 Jahre aus einander. Die erste Posaune beginnt mit dem Jahre 71. Die Siegel umfassen die Zeit von 29-71. N. berechnet ferner, daß die drei Engel in Kap. 14 je 49 Jahre aus einander liegen und kommt so in das Jahr 1688. Das Ende soll demgemäß zwischen 1688 und 1700 stattfinden. Zu Apk 13 hält er an der Deutung Luthers fest. Wichtig ist, daß Napeir mit Kap. 12 einen zweiten Teil der Apk beginnen läßt, in dem einige im ersten Teil der Apk geweissagten Ereignisse deutlicher nachgeholt werden[3].

Ein sehr angesehener und oft aufgelegter Kommentar ist die apocalypseos apocalypsis von Th. Brightmann[4] (1606). Er bringt eine an Lyra sich anlehnende zeitgeschichtliche Deutung. Nur beginnt auch er wie Napeir mit Apk 12 eine zweite Reihe auf einander folgender Ereignisse. Deshalb weicht er auch in der Deutung des Kap. 13 von der protestantischen Auslegung etwas ab unter Beibehaltung [90] der Deutung auf das Papsttum. Er weiß genau, daß seine Zeit durch die dritte Schale dargestellt ist, die übrigen vier Plagen liegen noch in der Zukunft. Der Kommentar zeigt einen ingrimmigen Haß gegen die Jesuiten. Die letzten Ereignisse, welche die Apk weissagt, beziehen sich alle auf den Kampf gegen diese. Die Schrift bringt überhaupt weniger Exegese als zeitgeschichtliche Betrachtungen und ist als apokalyptisches Stimmungsbild aus der Zeit der großen Elisabeth nicht uninteressant. Dem Buch ist eine lange Abhandlung: against Bellarmin touching Antichrist angehängt. (Vgl. gegen B.: Andreas Eudaemon Johannes, Castigatio in Brightmann ap. ap.)

Josephus Mede[5] schickt seiner Auslegung einen sehr kunstvoll ausgearbeiteten Synchronismus voran, eine Methode, die später großen Einfluß errang. Er deutet dann die sechs Siegel auf die Geschichte des römischen Kaiserreichs bis Diocletian (fünftes Siegel) und Konstantin (sechstes Siegel), mit den Posaunen tritt der allmähliche Verfall des römischen Reiches ein. In der fünften Posaune findet M. die muhamedanischen Scharen, in der sechsten die Herrschaft der Türken, Tartaren und Ottomanen. Eigentümlich ist die Auffassung M.s, daß mit 10 ein neues Weissagungsbuch beginnt, zu dem das sonst so oft auf die Reformation gedeutete Kap. nur Einleitung ist. In Kap. 11 sieht er in dem Sinnbild des Messens und Hinauswerfens zwei Zeiten der Kirche angedeutet, von denen die erste die ersten 3-400 Jahre des Christentums, die letzte Periode die folgenden 1260 umfaßt, diese fällt mit ihrem Ende also über die Zeit Medes hinaus. Kap. 12 ist der Sieg Konstantins über das Heidentum geschildert. Kap. 13 ist dann das römische Reich, das siebente Haupt das Papsttum. Die sieben Schalen sind die verschiedenen Plagen, die das Papsttum in der letzten Zeit treffen. Mit der vierten Schale ist M. in seiner Zeit bei dem Siegeszug Gustav Adolphs angelangt. Die übrigen Schalen lagen also noch in der Zukunft. — Bemerkenswert ist, daß Mede das tausendjährige Reich chiliastisch als eine kurze Zeit der Ruhe nach der Besiegung des Antichrist schildert. — Wesentlich von Mede abhängig ist, wie schon Walch 763 gesehen hat, „eigentliche Erklärung über die Gesichte der Offenbarung Ioannis“ 1670 von Peganius (pseudonym); nach der Tradition Knorr v. Rosenroth (s. Walch 763.) Über Patricius Forbesius, commentary upon the revelation. Lond. 1613. (Walch 771), der zum Teil maßvollere und vernünftigere Ansichten vorzutragen scheint, vgl. J. Marck in apoc. Praefatio XIV. Auch die spätere Zeit wurde in England durch die den Unsinn systematisierende Methode eines Brightmann und Mede beherrscht. Ich nenne hier Durham, commentary upon the book of Revelation, Edinburgh 1680 vgl. J. Marck, in apoc. praef. XVII. Die tausend Jahre läßt D. erst mit dem Jahre 1560¹ (300 + 1260) beginnen. Sonst schließt er sich in allen Einzelheiten an Mede an. Nach G. Whiston (s. u.) gehört hierher auch Henricus Morus, visionum apocalypticarum ratio synchronistica, Lond. 1666; expositio prophetica septem epistolarum Lond. 1699 (Walch 773). Ferner ist hier zu erwähnen: Isaak Newton, observations upon the prophecies of Daniel and the apocalypse of St. John 1732. Newton weicht in Einzelheiten von Mede ab, z. B. deutet er die sieben Schalen synchronistisch mit den sieben Posaunen (p. 295). Im großen und ganzen aber findet man den Einfluß Medes. Wertvoll ist Newtons erste Observation, in welcher er die Abfassungszeit der Apk unter Nero ansetzt und Spuren der Apk sogar im I Petr und Hebr findet. N. war übrigens nüchtern genug, auf eine Errechnung des Endes nach der Apk zu verzichten[6]. Dagegen wandelt wieder ganz in den Bahnen von Mede: Whiston, an essay on the revelation of St. John 1706¹. 1744². In der ersten Auflage berechnet er den Beginn des tausendjährigen Reiches auf 1715 (nach Walch 776). [91] Dann scheint er noch einmal (vor der 2. Aufl.) die Berechnung auf 1734 versucht zu haben. Der fortwährenden Diskreditierung überdrüssig, war er endlich vorsichtig genug, den Termin bis 1866 hinauszurücken (nicht wie Lücke 1036 meint: 1766). Nach Whiston gehört endlich auch Peter Jurieu hierher, l’accomplissement des prophéties ou la délivrance prochaine de l’église. 2 Bände. Rotterdam 1686 (Titel nach de Wette). Als letzten in dieser Reihe nenne ich endlich einen Kommentator, dessen Werk wieder die ungeheuerliche Dimension eines starken Folianten erreicht, der im übrigen trotz aller Gelehrsamkeit dieselben weltgeschichtlichen Bahnen wandelt, wie die andern: den französischen Refugié Chr. Daubuz, a perpetual commentary on the Revel. of St. Jean London 1720. (Vgl. Elliott Horae apocalypticae IV 491ff.). Nach Walch (778) schließt sich an Whiston und Mede an: Eduard Wells, an help for the more easy and clear understanding of the holy scripture being the revelation of St. John the divine. Oxon 1718.
  1. Bemerkenswert sind auch die langen geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Ausführungen, die den breitesten Raum im Kommentar einnehmen, s. namentlich 234ff. eine Darstellung der Geschichte des Huß und Hieronymus mit umfangreichem Material.
  2. Explicatio apoc. Joh. Napeiri Edinburgii 1593 (cf. Walch), ich benutze: Joh. Napeiri Herren zu Merchiston, eines trefflichen schottländischen Theologi Auslegung der Offenb. Joh. Frankfurt 1627.
  3. Von Napeir durchaus abhängig ist Matthaeus Cotterus (Cottière), apocalypseos exposito Samur 1615 (nicht 1614 Walch), von diesem wiederum abhängig ist die chronotaxis apocalyptica von Matth. Hoffmann, Jenae 1668.
  4. Walch erwähnt als erste Ausgabe die von Frankfurt 1609. Mir liegt eine Ausgabe (lateinisch) vor: In Bibliopolio Commeliniano 1612. Darin eine (lateinische) Vorrede von Br. (offenbar zur ersten Ausgabe) datiert: 25. Februar 1606. Danach scheint das Werk ursprünglich lateinisch geschrieben zu sein. Es giebt aber auch englische Ausgaben (z. B. London 1616).
  5. Clavis apocalyptica una cum commentario in Apoc. Cantabr. 1627 (nach Walch), ich benutzte eine Ausgabe von 1649. Der Clavis folgte 1632 sein (mir unbekannter) Kommentar zur Apk. Elliott, Horae apocal. IV 469.
  6. Gegen Newton polemisierte Whiston in „six dissertations“ 1734 (Lücke 1036,2).
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