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Die Newa

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die Newa
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 202
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[202] Die Newa. Der harte nordische Winter schlägt leider fast die Hälfte des Jahres die Newanymphe in eiserne Banden. Erst im Anfange des April, selten am Ende des März, sind die Gewässer warm und kräftig genug, um den sie drückenden Eismantel zu sprengen. Dieser Augenblick wird mit Sehnsucht erwartet und kaum schieben sich die schmutzigen Eisschollen vor, den glatten Spiegel des Flusses so weit enthüllend, daß einem überfahrenden Boote freie Bahn vergönnt ist, so erdonnern die Kanonen von der Festung, diesen ersehnten Moment den Bewohnern verkündend. Zur selben Zeit, sei es Tag oder Nacht, steigt der Commandant der Festung, mit allen Insignien seines Ranges angethan und von seinen Offizieren begleitet, in eine prächtig geschmückte Gondel, um zum gegenüberliegenden Palaste des Kaisers zu fahren. In einen schönen, großen Krystallbecher schöpft er das klare Newawasser, um es als die erste und schönste Gabe den Flusses dem Kaiser im Namen des Frühlings darzubringen. Er meldet seinem Herrn, daß die Gewalt des Winters gebrochen sei, daß die Gewässer wieder frei seien und überreicht ihm den Newabecher, den der Monarch auf die Gesundheit seiner Residenz leert. Der Zeitpunkt der alljährigen Feier naht heran, und die Gondel des Commandanten harrt bereits in frischgetünchter Pracht ob des baldigen Ereignisses. Werden die Kanonen der Festung jedoch auch heuer so freudebringend ertönen, wird der Commandant auch heuer nach gewohnter Sitte seinem Herrn die Meldung bringen, daß die Gewässer wieder frei seien? Die „Petersburgerinsel,“ von der wieder durch kleine Flußarme die Apothekerinsel, die Insel Petrowskoi und eine Menge kleinerer abgetheilt sind, gewährt das meiste Interesse durch die auf einer besondern kleinen Insel vor ihr liegende Festung, die man vom Admiralitätsthurme aus in allen ihren Theilen übersieht. Sie bildet ein längliches Viereck, das große Vorwerke auf der Petersinsel und zwei andere kleine Inseln vorgeschoben hat, so daß sich auf den Kanälen, welche die Inseln von einander trennen, auch Schiffe unter die Kanonen der Festung sicher zurückziehen könnten. Es ist gut, daß die Petersburger gewöhnlich andere Dinge zu besorgen haben, sonst möchten sie wohl nicht ohne Schaudern an die Bestimmung dieser mitten in ihrer schönen Residenz liegenden Festung denken. Da sie rund herum von der Elite der Petersburger Häuser umgeben ist, so würden, wenn die Thätigkeit ihrer Kanonen einmal in Anspruch genommen werden sollte, ihre Kugeln furchtbar in den Eingeweiden des eigenen Fleisches wüthen. Da sie mitten in der Stadt auf niedriger Insel liegt, von wo aus sie nichts außer der Stadt dominiren und diese also durchaus nicht vertheidigen könnte, so kann der einzige Zweck ihrer Unterhaltung nur ein feindlicher gegen die Stadt selber sein, dem Kaiser und den ersten Häuptern und Kostbarkeiten als letzter Zufluchtsort zu dienen, sei es, daß die Stadt in Feindeshand geräth, sei es, daß sie aufrührerisch sich selbst gegen ihren Beherrscher erhöbe. Die Festung liegt dem Winterpalast gerade gegenüber, mit dem sie in beständigem Verkehre steht, und zeigt so deutlich Ihren Zweck. Im Kriege wohnt man drüben, im Frieden hüben. Die Newaarme unmittelbar an ihrer Mündung in’s Meer sind durch nichts befestigt, und wenn Kronstadt, das ihnen als Schloß und Riegel dient, seinen Dienst versagt, so mag dann die wehrlose Hauptstadt vor der Spitze des Dolches zittern, den sie im Busen trägt und den sie nicht zur Vertheidigung brauchen kann, ohne sich selbst zu zerfleischen.