Die Nachtfeier der Venus
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Ist der junge Mai erwacht.
Seht, wie seine Schläfe glühen!
Wie ihm Wang’ und Auge lacht!
Ueber kräutervollen Rasen,
Kleine laue Weste blasen
Wolgerüche vor ihm her.
Segenvolle Wolken streuen
Warme Tropfen auf die Flur,
Jedem Kinde der Natur.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Lieb’ und Gegenliebe paaret
Dieses Gottes Freundlichkeit,
Und sein süssestes versparet
Jedes Thier auf diese Zeit.
Paaren alle Vögel sich.
Was da lebet, das begattet
Um die Zeit der Blüthe sich.
Morgen liebe, wer die Liebe
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Schauet! Freudiger und röter
Bricht des Tages Morgen an,
Mutter Tellus liebgewan;
Und ihr Schoos von ihrem Gatten
Floren und den Lenz empfing;
Und des ersten Haines Schatten
[4]
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Wand, erzeugt aus Kronus Blut,
Göttin Venus Afrodite,
Bei gelinder Wogenflut,
Sich almählig aus des grauen
Angestaunet von den blauen
Wasserungeheuern, los.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Nie empfand!
[5]
Morgen ist Dionens Feier.
Stimmet an den Weihgesang!
Töne drein, gewölbte Leier!
Morgen bringen ihre Tauben
Sie herab in unsern Hain;
Morgen, unter Myrtenlauben,
Ladet sie zu Tänzen ein;
Winket uns ihr Richterstab,
Und sie spricht, zu Straf’ und Lohne,
Gütevolles Recht herab.
Morgen liebe, wer die Liebe
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
[6]
Eilt, den Thron ihr zu erheben!
Thut der Königin Gebot!
Golden, blau und purpurrot.
Spend’, o Flora, jede Blume,
Die im bunten Enna lacht!
Flora, zu Dionens Ruhme,
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Wird am Thron ihr huldigen.
Sizen werden ihr zur Seite
Amor und die Grazien.
Alle Nymfen sind geladen.
Wassermädchen, Oreaden
Werden hier versamlet seyn.
Alle sind herbei gerufen,
Vor Dionens Angesicht,
Ihres Thrones, zu Gericht.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon durchwallt die frohen Haine
Cythereens Nymfenschaar.
Amor flattert mit; doch keine
Naht sich ihm und der Gefar. –
Wist ihr nicht, was ihm geschehn,
Daß er heut die Waffen strekte,
Daß er heut mus wehrlos gehn? –
Unverbrüchliche Geseze
Keiner Nymfe Brust verleze. –
Aber, Nymfen, scheut, o scheut
Ihn auch nakt! Er überlistet,
Er verlezt euch Mädchen doch:
Seine ganze Schönheit noch.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Nymfen, rein wie du an Sitte,
Sendet, keusche Delia,
Sendet dir mit sanfter Bitte
Venus Amathusia:
Von des Wildes Blute nicht!
Deines Hornes Klang verscheuche
Dieses Hains Gefieder nicht!
Selber wäre sie erschienen,
Doch sie scheute deiner Mienen,
Deines Ernstes Majestät.
Weich aus unserm Feierhaine!
Venus Amathusia
Weich, o keusche Delia!
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Zu des schönsten Festes Freude
Lüde sie auch dich mit ein,
Ziemt’ es deinem keuschen Eide,
Zeugin unsrer Lust zu seyn.
Hören Sang und Zymbelklang!
Soltest uns in Taumelchören
Schwärmen sehn drei Nächte lang;
Soltest bald in Wirbelreigen
Bald, zu Paaren unter Zweigen,
Süsser Ruhe pflegen sehn.
Auch der Held, der fern am Indus,
Vom bezähmten Pardel strit,
Und Pomona feiern mit.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
[11]
Heller glänzt Aurorens Schleier.
Auf! Begint den Lobgesang!
Töne drein, geweihte Leier!
Hall’ am Felsen, Wiederklang!
Bis zur Gränze der Natur,
Wo die lezte Sfäre klinget,
Alle Pulse der Natur.
Sie befruchtet Land und Meere,
Wie sie zeuge, wie gebäre,
Weis die Kreatur von ihr.
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Nie empfand!
[12]
Wie mit blinkendem Gesteine,
Schmükt sie bräutlich unsre Welt;
Streuet Blüthen auf die Haine,
Sie enthült die Anemonen,
Schliest den goldnen Krokus auf;
Sezet die azurnen Kronen
Prangenden Cyanen auf.
Sie das purpurne Gewand.
Wie der Mädchen Busen, spaltet
Junge Rosen ihre Hand.
In den Ichor ihrer Wunde
Und aus ihrem süssen Munde
Wolgeruch hinein gehaucht.
[13]
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Nie empfand!
Liebe segnet die Gefilde,
Und beseliget den Hain;
Liebe flöst dem rauhen Wilde
Gatten um die Gatten hüpfen
Rüstig durch den Wiesengrund.
Afroditens Hände knüpfen
Ihren süssen Liebesbund.
Daß sie auf der Hirtenflur
Selber einst den Sohn geboren,
Den Beherscher der Natur.
[14]
Morgen liebe, wer die Liebe
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Sie entris Anchisens Laren
Dem entflamten Ilion,
Den verfolgten frommen Sohn.
Sie war’s, die die Hand Aeneens
Und Laviniens verband;
Und die keusche Zone Rheens
Sie vermälte Romuls Diener,
Halb durch List und halb durch Macht,
Mit den Töchtern der Sabiner.
Aus den Küssen erster Nacht
Mit der Zeiten Wechsellauf,
Patrioten und Verächter
Ihres Todes keimten auf.
Morgen liebe, wer die Liebe
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!
Schall’, o Maigesang, erschalle!
Töne, Cypris Hochgesang!
Fluren, alle Wälder Dank?
Von dem Anger tönt das laute
Lustgebrüll der Heerden ihr.
Aus dem hohen Haidekraute
Ihr nun schnattert das Gefieder
Von den Teichen Dank empor;
Und der edlern Vögel Lieder
Sind ein Opfer ihrem Ohr.
Tief aus Pappelweiden drein.
Liebe seufzet ihre Kehle;
Keine Klage kan es seyn.
Nicht um Tereus Grausamkeiten
Sol ich nicht ihr Lied begleiten?
Stimmet mich kein Frühling mehr?
Phöbus, säng’ ich nicht dem Maien,
Säng’ ich nicht, o Liebe, dir,
Stimm’ und Laute nähm’ er mir.
Drum so werde, wann die Schwalbe
Singend ihre Wonung baut,
Werd’, o Sang, gleichwie die Schwalbe
[17]
Morgen liebe, wer die Liebe
Schon gekant!
Morgen liebe, wer die Liebe
Nie empfand!