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Die Juden in Worms

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Heinrich Pröhle
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Titel: Die Juden in Worms
Untertitel:
aus: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, S. 28–29
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Tonger & Greven
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans eines Exemplares der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin, Signatur 19 H 104 auf Commons; E-Text nach Deutsche Märchen und Sagen
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Die Juden in Worms.

Die alten Deutschen hatten keine Priester und namentlich keine Druiden. Aber sie hatten weise Frauen, welche in weißen leinenen Gewändern sich dem Volke in Krieg und Frieden als Seherinnen voll hoher Begeisterung zeigten. Die berühmteste derselben war Velleda, welche ihr Leben in der Nähe des Rheinstromes zugebracht haben mag. Zu einer in der That für die Römer nicht gefahrlosen Zeit weissagte sie den Untergang des römischen Reiches. Damals brannte nicht allein das Kapitolium ab, sondern es waren auch große Kämpfe gegen die Römer entstanden. Die von ihnen erfochtenen Siege führten so große Umwälzungen herbei, daß eine vollständige Auflösung aller Verhältnisse der alten Geschichte und die Neubildung der mittelalterlichen Zustände unter Anführung der Germanen, der Landsleute jener erhabenen Prophetin, doch zuletzt daraus folgte. Am großartigsten verlief den noch immer siegreichen Römern gegenüber der Kampf um den Tempel zu Jerusalem. Schon loderte er in Flammen, als der nachmalige Kaiser Titus noch das Allerheiligste betrat. Gern hätte er den Tempel gerettet. Einer tapferen Schaar, die sich noch immer auf der Höhe von Zion hielt, ließ er Schonung anbieten. Aber die Juden antworteten, sie hätten geschworen, daß sie sich niemals ergeben wollten. Wolle Titus ihnen freien Abzug gewähren, so würden sie sich mit Weib und Kind nach der Wüste begeben. Dort würden sie das unabhängige Leben erneuern, welches ihre Vorfahren vor der Eroberung des Jordanlandes geführt hätten. Als Titus in Folge dieser Antwort den Angriff [29] gegen sie fortsetzen ließ, hielten sie es für ein großes Glück, zugleich mit dem Tempel zu Jerusalem unterzugehen. Alsbald sah man einige sich in die Schwerter der Römer stürzen. Andere töteten sich gegenseitig oder gaben sich selbst den Tod, manche aber sprangen in’s Feuer. Die Sage nun aber erzählt, daß nach der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem viele Juden nach Worms gekommen seien. Ja, es wird sogar behauptet, daß dies schon ungefähr sechshundert Jahre vor Christi Geburt und vor der Zerstörung ihres Tempels durch Titus nach der Zerstörung des ersten Tempels der Fall gewesen sei. Später soll dann der Hohepriester zu Jerusalem die Juden in Worms aufgefordert haben, nach Jerusalem zurückzukehren. Die Widerspenstigen bedrohte er sogar mit dem Fluche Jehovah’s. Allein die Juden hatten bei ihrem Abzuge aus Jerusalem Erde von den heiligen Stätten daselbst mitgenommen. Diese hatten sie unter die Grundmauer ihrer Synagoge zu Worms vergraben. Sie antworteten daher dem Hohepriester zu Jerusalem, daß für sie in Worms das gelobte Land sei. Noch jetzt zeigen die Juden von Worms die Erde aus Jerusalem auf ihrer Begräbnisstätte, mit deren Grund und Boden ihre Vorfahren das mitgebrachte Erdreich gleichfalls vermischt haben sollen.