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Die Gartenlaube (1897)/Heft 52

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1897
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[857]

Nr. 52.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.


Einsam.

Roman von O. Verbeck.

     (21. Fortsetzung)

44.

Aus dem kühlen, späten, kümmerlichen Frühling war blühender, glühender Sommer geworden. Juli. Prachtvolles Erntewetter. Strahlend blauer, wolkenloser Himmel. Niederlehme schien fast menschenleer; alles, was arbeiten konnte, schaffte draußen auf den Feldern. Nur selten sah Hanna von ihrer Laube aus jemand an dem schulterhohen Weidenzaun des Gartens entlang gehen. In der zitternd heißen, unbeweglichen Sommerluft schwammen zuweilen ein paar schwatzende Stimmen in eintönigem Klange vorbei. Sonst war alles still weit und breit. Kein Windhauch rührte sich, die Blätter an den Bäumen standen unbeweglich.

Die einsame Frau saß schon eine gute Weile in träumerischer Ruhe, den Kopf angelehnt, die Füße auf ein Schemelchen gestützt, das Buch, in dem sie genug gelesen hatte, im Schoß. Die aufsteigende Tagesglut wurde ihr nicht zu heiß, noch hatte sie das innerliche Frieren nicht verlernt. Nur schien ihr nach und nach die unbewegte Luft in der Laube doch allzu dumpf zu werden. Die Sonne war herumgerückt und brütete über dem dichten Geißblattgerank. Im Hausschatten unter der großen Ulme mußte es jetzt besser zu sitzen sein.

Sie erhob sich und räumte die weggelegte Handarbeit vollends zusammen. Mit Körbchen und Buch ging sie dann unter den mannigfaltigen großen und kleinen Obstbäumen, zwischen Stachel- und Johannisbeerbüschen hindurch, an Salat- und Kohlrabifeldchen entlang, hinten, um die Hausecke herum in die „Wildnis“, den ungepflegten Teil des großen Gartens, der nicht dem Nutzen diente, in dem man schon seit geraumer Zeit Busch und Baum den Wicken ließ und das Gras nur schnitt, weil es Ziegenfutter gab.

Vom Hofe her klang jetzt lautes Hundegebell. Packan, der große Gelbe, mischte seine dröhnende Stimme mit Mollys kläffendem Diskant. Das war vielleicht schon der Briefträger, den man um diese Zeit erwarten konnte.

Hanna, anstatt sich unter der Ulme niederzulassen, ging noch weiter um das unregelmäßige Gebäude herum, bis sie aus der der Laube entgegengesetzten Seite das lange Rechteck des Hofes betrat. Ob nicht der Pastor heute schon etwas von sich hören ließ? Wenn er einwilligte – und sie erwartete es kaum anders –, dann gab es heute und morgen noch allerlei zu thun.

Wirklich trabte eben der Postbote, von Packan bis vors Hofthor geleitet, um die Ecke, und Bertha, die schon durch das Haus zur Laube hatte gehen wollen, machte in der Küchenthüre wieder kehrt, als sie die Herrin von der andern Gartenseite her erscheinen sah. Mit ihren nicht ganz saubern Händen getraute sie sich den Brief wohl nicht anzufassen, sie hatte den Schürzenzipfel darumgelegt und hielt ihn so an einer Spitze. Zwei Briefe vielmehr: den obersten, von Pastor Erdmann, erkannte Hanna sogleich, den andern auch – obwohl sie diese Handschrift seit etwa fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Zum erstenmal, daß sie ihren Namen in diesen großen, kühnen, so ganz unschulgemäßen Zügen las. Sie warf dann einen scheuen Blick über die Achsel nach Bertha hin, aber das Mädchen hatte seine Arbeit schon wieder aufgenommen.

Unbeobachtet also, mit einem Seufzer der Erleichterung ging Hanna in den Garten

Selbstporträt Hans Holbeins des Jüngeren vom Jahr 1543.

[858] zurück. Langsam, denn es hatte sie ein krampfhaftes Zittern erfaßt. Ein Zittern der Furcht. Das Leben von draußen, vor dem sie in diese tiefe Stille geflohen war, hatte einen Ruf ausgestoßen. Einen noch schwachen, kaum vernehmbaren Ruf. Aber doch ihren Namen! Voll Unruhe betrachtete sie Rettenbachers Brief. Was schrieb er ihr da? Was wollte er von ihr? Sie war ihm so dankbar gewesen für sein Schweigen in all dieser Zeit. Sie hatte daraus gefühlt: Er verstand sie. Und nun? Was wollte er? Das Herz schlug ihr schwer und beklommen.

Ich will erst den andern lesen, beschloß sie, tiefer Atem holend. Der wird mich wieder ruhig machen. – Sie öffnete ihn schon im Gehen, den unerwarteten ließ sie in das Körbchen gleiten, das ihr am Arm hing. An der Rundbank unter der Ulme angekommen, setzte sie sich und las:

„Mein liebes Kind!

Ihr Vorschlag – Sie sehen, ich vermeide auf Ihre Bitte das zutreffendere Wort Einladung –, Ihr hübscher feiner Vorschlag ist als Samenkorn in ein wohlbereitetes Feld gefallen und hat alsbald Wurzel geschlagen. Es war schon seit Wochen mein herzlicher Wunsch, den Amtsrock für ein Weilchen an den Nagel zu hängen und in behaglicher Faulheit irgendwo draußen im Grünen meinen allzu müden sechzig Jahren etliche Erholung zu gönnen. Die Bewilligung meines Urlaubsgesuches für acht Wochen hatte ich schon in der Tasche, als Ihr Brief eintraf. Man hat ihn mir angesichts dieses schwer überstandenen Winters offenbar gern, jedenfalls sehr rasch gewährt. Der Wunsch, Sie wiederzusehen, mein liebes Schmerzenskind, war schon lange sehr lebhaft in mir. Auf den Gedanken freilich, anstatt eines kärglichen Plauderstündchens ihrer viele und ungestörte genießen zu können, war ich nicht gekommen. Ihr Brief nun hat meinen noch unklar schwankenden Reiseplänen mit einem Schlage eine feste Richtung gegeben, und ich bitte Sie, mir zu sagen, bis wann Krügers gute Stube für mich zurechtgerückt sein kann. Ihrer Beschreibung nach muß sich diese Sache ja mit verhältnismäßig geringer Mühe einrichten lassen, und Frau Krüger soll an mir einen bescheidenen und sanften Pensionär bekommen.

Also denn, auf Wiedersehen, meine liebe Hanna, auf fröhliches, gesundes Wiedersehen. Wir haben allerlei zu besprechen, vielmehr ich habe Ihnen noch viel zu sagen, wieder und immer wieder, und daß ich diesmal nicht mehr tauben Ohren predigen möge – das wünsche ich von Herzen.

Ihr alter Freund
Erdmann."     

„Er kann morgen abend schon hier sein,“ sagte Hanna vor sich hin, indem sie das Blatt langsam zusammenfaltete. „Wenn's nach uns ginge, schon heute; aber ich muß ihm ja erst schreiben. Gleich werd' ich’s thun, dann bekommt er ihn morgen mit der ersten Post.

Sie stand aber nicht auf. Sie hatte ja noch den andern Brief zu lesen, der da stumm und weiß neben ihr lag und wartete. Eine Weile saß sie noch so da, die Hände fest ineinander geschlungen, in einer Unruhe, die immer quälender wurde.

„Ich bin kindisch,“ sagte sie endlich fast laut. „Vielleicht ängstige ich mich ganz vergebens. Es muß ja nicht das sein. Sie fühlte freilich in dem selben Augenblick wie einen Rückschlag die Frage: was denn sonst? – Aber sie hielt doch endlich den geöffneten Brief in der Hand.

„Verehrte Freundin!

Eine vollständige Aenderung meiner Verhältnisse zwingt mich, Berlin binnen kurzem zu verlassen und da ich nicht dahin zurückkehren werde, habe ich den Wunsch, mich persönlich von Ihnen zu verabschieden. Aus keinem andern Grunde würde ich mir erlaubt haben, die Ruhe, deren Sie zu seelischer und körperlicher Gesundung dringend bedürfen, schon jetzt zu unterbrechen. Meine freie Zeit ist nun leider so karg bemessen und so genau eingeteilt, daß es mir unmöglich ist, Ihre besondere Erlaubnis zu meinem Besuch und Ihre Bestimmung über die Zeit dazu erst erbitten zu können. Verzeihen Sie gütigst die Formlosigkeit, mit der ich diesem Brief, der nur noch Bote sein kann, auf dem Fuße folgen werde. Ich benutze den Mittagszug und bin zu einer sehr frühen Nachmittagsstunde schon bei Ihnen. Mein Brief kann mithin nur ganz kurz vor mir eintreffen.

Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener          
Arnold Rettenbacher.“     

Erleichtert aufatmend ließ Hanna das Blatt sinken.

Also doch vergeblich gefürchtet. Richtig wie ein dummes Kind im Finstern. Das Weiße in der Ecke, das ist also nur ein Tuch. Was er will, ist nur Abschied, endgültiger Abschied.

Es fuhr dann auf einmal durch sie hin, wie eine feine, scharfe Flamme, dieses: Nur Abschied. Wie lange war es denn her, daß der erste Abschied von ihm ihr das Herz zerschnitten hatte? Wohl tausend Jahre.

Aus diesem, ganz verträumtem Sinnen schreckte sie auf, als Packan, der ihr nachgetrottet war und anfangs das Gebüsch nach Feinden seiner Laune durchstöbert hatte, sich zu ihren Füßen niederlegte und dabei ihr Kleid, auf dessen Saum er unbedingt mit der Schnauze liegen mußte, herabzog.

„Ja, ja,“ sagte sie, sich zu ihm neigend, und streichelte ihm den Kopf, „das denkst du dir so, Gelber. Aber mit dieser Faulenzerei kann's nicht so weitergehen. Wir haben noch zu thun, steh' auf. Müssen Onkel Pastors Zimmer einrichten.“

Packan erhob langsam den Kopf von den ausgestreckten Vorderpfoten und sah sie aus seinen großen, braunen Augen träge verwundert an. Er gähnte dann, daß ihm die Kinnladen knackten.

„I wo denn,“ sagte er endlich mit einem sanft schnaufenden Ton durch die wieder geschlossenen Lefzen – so gut hochdeutsch, wie es ihm, dem gemeinen Dorfköter, möglich war, „wie wirst du denn? Bei die Hitze! Schlaf' lieber en Endeken. Ich auch. Auf'n Abend is es dann kühler.“

„Fauler Kerl,“ schalt Hanna und puschte ihn sacht mit der Fußspitze in die Flanke. „Meinetwegen bleib' du liegen.“

Sie zog ihren Kleidersaum unter seinen breiten Pratzen hervor und stand auf. Als er sah, daß sie Ernst machte, erhob er sich gleichfalls, reckte sich, schüttelte sich und trabte ihr nach. Aus dem Schatten ging Hanna wieder in die Sonne, unter den Obstbäumen hin, und gegenüber der verlassenen Frühstückslaube zur Hausthür, der mit dem griechischen Säulendächelchen, hinein.

In ihrer Wohnstube that sie Buch und Arbeitskorb an ihren Platz, schloß auch die beiden Briefe in die Schreibtischlade. Mit hastigen Schritten – es war eine nervöse Unruhe über sie gekommen – verließ sie dann das Zimmer wieder, ging den langen Korridor an der Krügerschen Wohnung hinunter bis ans Ende, bis zur „guten Stube“, zu der sie sich den Schlüssel heute früh hatte geben lassen. Dumpfe, tote Luft empfing sie, tiefe Dämmerung. Nicht nur die Fenster, auch die Läden waren geschlossen, um den farbenauffangenden Sonnenschein von den schönen roten Plüschmöbeln fernzuhalten. Die Aussicht auf vermehrte Einnahme hatte Mutter Krügern leicht vermocht, eine Weile auf ihren Salon zu verzichten. Abgesehen von den seltenen Fällen, daß man Besuch aus Berlin feierlich in ihm empfing, bestand ja doch seine hauptsächlichste Benutzung darin, daß man Sonntags auf Strümpfen hineinging, um sich in seinem hochfeinen Heiligtum umzusehen. Und so voll Möbel stand die Stube nicht, daß man nicht leicht ein Bett nebst etwas Schlafstubenzubehör darin hätte unterbringen können.

Hanna öffnete die Scheiben und legte die Läden an. Da zwei Fenster nach vorn hinaus schauten, das dritte im rechten Winkel zur Seite, so gab es einen sanften Luftzug in dem unbelebten Raum. Der sollte bis zum Abend so weiter wehen und morgen, nachdem sich die Sonne von dieser Hausseite empfohlen hatte, wieder. Hanna prüfte, die Hände auf den Sims gestützt, mit raschem Umblick nochmals die Aussicht von dem seitlichen Fenster. Es war die hübscheste, die das Haus hatte. Man sah den in der Nähe ansteigenden, kleinen baumbestandenen Hügel hinauf, der dem recht ansehnlichen langgestreckten Gehölz zustrebte und sich an der Vorderseite noch gar mit Hilfe eines steilen, lehmfarbenen Absturzes nach Kräften [859] malerisch gebärdete. Von links her, über die Landstraße und eine breite Wiese, die Kuhweide, hinweg, blinkerte in der Sonne das Wasser des Dahmeflüßchens. Ein bescheidener, landschaftlicher Reiz.

Vom Gangfenster aus sah Hanna sich nun über den Hof hin nach Bertha um. An dem schon minutenlang andauernden dumpfen Pochen hatte sie erkennen können, womit das Mädchen beschäftigt war. Eben hob es den runden kräftigen Stab mit dem S-förmigen scharfen Stampfeisen aus dem breiten Bottich und klopfte es am Rande ab.

„Bertha, hast du noch viel zu thun oder kannst mir dann helfen, das Zimmer umstellen?“

„Noch eine zehn Minuten, Frau Thomas, ja? Bloß noch das Schweinefutter. Hören Sie doch man, wie die Bande wieder kreischt! Die Ziegen haben schon. Ich komme dann sofort.“ Daß der Lärm, den die Schweine in ihrem Koben vollführten, noch keine Hungersnot bedeutete, wußte Hanna nun schon. Sie stellten sich ja vor jeder ihrer regelmäßigen Mahlzeiten so an, als ob sie am Verscheiden wären. Mit einer Bewegung der Ungeduld verließ sie das Hoffenster und ging in die Eckstube zurück.

Mutter Krügern kam jetzt aus ihrer Küche zu Bertha heraus.

„Jeh’ man immer,“ sagte sie und nahm dem Mädchen die Stampfe aus der Hand. „Wasch’ dir de Hände und jeh’ rin. Ick werd’s schon fertig machen. Laß ihr nich unnetig warten. Es muß irjendwat los sind, sie is so unruhig. Vorhin kam sie mit so’n merkwürdijet Jesichte den Korridor lang un sah mir jar nich. War nich Lüders da mit Briefe?“

„Ja, zwei hat er gebracht. Der eine war jedenfalls vom Paster, da hatte sie ja schon drauf gewartet. Den andern kuckte sie so komisch an, so als wenn sie sich mächtig wunderte.“

„Sagte se wat?“

„Kein Wort. Ging ja auch gleich wieder hinter in den Garten.“

„Denk’ an mir, da is wat los, oder ick will Suse heeßen.“

Nach einer guten Stunde wußte sie was los war. „Is ’t de Möglichkeit!“ sagte sie hoch aufhorchend, als Bertha ihr berichtete, wer gleich nach Tische erwartet werde. „Dunderkiesel! Einer von dazumal? Wat will er denn? Ick denke, der hat alleene nischt?!“

„Er kommt auch bloß Abschied nehmen,“ sagt sie, „er geht weg von Berlin.“

„Wo denn hin?“

„Hat sie nich gesagt, ich glaube sie weiß es gar nich.“

„Mach’ mir nich dumm. Wo wird sie denn det nich wissen? War sie sehr bedrippt?“

„Könnt’ ich nich behaupten. Nee, sie erzählte das so ganz ruhig, so nebenher, wie wir da räumten. Und ich sollte mir im Garten was zu thun machen und die Gitterthür im Auge behalten, damit daß er nich dran vorbeiläuft, weil sie doch so schmal und unscheinbar is. Sonst kommt er das ganze Grundstück lang bis zum Hofthor und da haben sich die Köter immer so gräßlich.“

„Ja, ja. Kannst Bohnen pflücken.“ Mutter Krügern stand noch ein Weilchen sinnend da und rieb sich die Nase.

„Ick weeß nich,“ sagte sie endlich, „die Sache scheint mich doch sengerig. Abschied. So uf enmal, wo se sich doch nu schon seit ’n Jahrner viere, fünfe nich mehr zu sehen jekricht haben. Det wäre denn doch jar nich mehr netig jewesen! Will mir mit Jewalt nich rin im Kopp. Paß Achtung, Mächen, wat ick dir sage: er hat ne hibsche Brotstelle jekapert“ – „Nu denn brauch er doch aber nich –“

„Laß mir doch ausreden. Wo wird er denn da jleich mit ’rausbullern. Denn verschrickt sie sich doch un brennt ihn durch, du weeßt doch, wie sie is, will ja von nischt nich wissen. Drum stellt er sich ganz unschuldig und schlängelt sich so sachte ’ran. Laß den man erst hier sind, denn wird er se de Fletentene schon beibringen. Heit Abend feiern wir Verlobung un ufn Herbst, wenn ’t Trauerjahr alle ist, wird Hochzeit jemacht.“

„Mutter, du bist immer so flink vorneweg mit deine Ahnungen. Täusch’ dir man nich wieder. Ich weiß nich – gönnen thät’ ich’s ihr ja natürlich furchtbar!“

„Wer denn nich? Da hier is doch keen Leben uf de Dauer. Da muß sie ja immer elender un trauriger bei werden. Onkel sagte noch jestern: Ick denke manchmal, sie is schon jestorben un thut man noch so. Mir wundert bloß, daß sie sich iberhaupt noch in ’t Bette schlafen legt, warum nich jleich in ’t Sarg?“

„Onkel is recht scheußlich. So was müßt’ er doch nich sagen, wo sie einen doch so dauert.“

„Na, dauert sie ihm denn etwa nich, du olle Drömlade? Dir kebert’s woll? Det meente er doch ebend, daß det en Jammer is, daß sie keene Traute mehr hat zu nischt in de Welt. – Na, nu aber man dalli, dalli, daß wir wat zu essen kriejen! Vater wird jleich ran sind.“

45.

Bald nach zwei Uhr traf Rettenbach ein. Ohne lauten Hundewillkomm ging es aber doch nicht ab. Packan, der Bertha an das Gartenthürchen nachgegangen war, konnte nicht wissen, daß der Eintretende ein Gast sei, und begrüßte ihn mißtrauisch, wie jeden Unbekannten. Molly auf der Hofseite hatte nicht sobald den Freund anschlagen hören, als er wie besessen um das Haus herumgerast kam, um ihm bei der Verteidigung des Burgfriedens beizustehen.

Rettenbacher wehrte mit ruhigem Lachen die beiden pflichteifrigen Köter ab.

„Kommen noch mehr?“ fragte er Bertha, die Packan am Halsband hielt und ärgerlich beschwichtigte.

„Nee, Gottlob. Die machen gerade genug Skandal. Es is bloß, daß wir sie brauchen. Treten Sie näher, Herr Doktor, bitt’ schön. Frau Thomas is drin in der Stube. An der Thür trat ihm Hanna entgegen. Sie sprachen beide zuerst kein Wort. Er hielt ihre zögernd dargereichte Hand fest in der seinen und sah ihr in die Augen und, als die sich flüchtend senkten, an der kümmerlichen Gestalt herab und wieder aufwärts in das schmale farblose Gesicht, das dem zartblühenden Mädchenantlitz von einstmals fast nicht mehr ähnlich sah. Und wie unergründlich still es war, wie tödlich verschwiegen. So anders verschwiegen als zu den Zeiten, in denen er mit ihr und der Mutter lebte. War sie jetzt erschüttert bei diesem Wiedersehen nach so langer Zeit? Oder auch nur bewegt? Er würde es nicht erfahren, so schien ihm. Hatte die Vergangenheit keine Augen, keinen Atem mehr? Lag sie eingesargt? Was war übriggeblieben?

Ein Gefühl wie beginnende Lähmung sank ihm auf die Schultern, von ihren kühlen, reglosen Fingern schlich es kalt zu ihm hinüber. Er drückte sie aber fester, schüttelte sie auch ein wenig, er spürte dann als erstes Lebenszeichen ein leichtes Zittern in ihnen. Standen und schwiegen sie schon eine Stunde so? Doch wohl nur Sekunden. Aber er schrak beinahe zusammen, als sie nun mit einer Stimme, so farblos wie ihr Gesicht, mit neuem, flüchtig lächelndem Aufblick sagte: „Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?“

„Mir geht’s gut,“ antwortete er, tief Atem holend und sich straffer aufrichtend. – Heiter! flog es ihm durch den Kopf. Frisch! Aufstören aus dieser vorzeitigen Grabesruhe! – „Mir geht’s sogar ausgezeichnet. Aber Sie find’ ich noch nicht so erholt, nach diesen Monaten der Ruhe, wie ich es gehofft hatte.“

Sie entzog ihm jetzt ihre Hand und machte damit eine abschneidende, endigende Bewegung.

„Von mir wollen wir, bitte, gar nicht sprechen. Sie sind gekommen, mir zu erzählen, was Sie von Berlin wegführt. Für diese Freundlichkeit dank’ ich Ihnen sehr. Bitte, setzen Sie sich – hier – und nun fangen Sie an.“

Rettenbacher nahm den ihm bezeichneten Stuhl. Sie selbst saß – wie gut kannte er ihn – in dem großen Korbsessel der Mutter, nur daß die meisten Kissen fehlten und auch das schwebende Fußbrettchen. Er sah sich langsam um.

„Lauter alte Bekannte“ sagte er halblaut, mit einem weichen [860] Lächeln. „Mir scheint, ich komme nach Hause. Wie hübsch sich das alles hier ausnimmt in dem sanften grünen Licht. Wie die Sonne durch die Blätter leuchtet. Die Weintrauben wachsen Ihnen im Herbst offenbar in die Stube hinein. Vorzüglich steht Ihr kleiner Schreibtisch da an dem anderen Fenster. Auch Vater Wasenius konnte keinen besseren Platz bekommen. Er beherrscht das ganze Zimmer. Nur das Klavier, dünkt mich, haben Sie nicht günstig aufgestellt. Da in der dunkeln Ecke, da sehen Sie ja nichts, und es singt sich auch nicht gut.

„Ich singe nicht mehr“, unterbrach sie ihn kurz, in gleichgültigem Ton. „Darum steht es da schön genug“.

„Sie haben einstweilen noch keine Freude daran?“

„Ueberhaupt nicht mehr. Die Stimme ist schon lange tot.“

„Scheintot, denk’ ich mir,“ sagte er herzlich. „Das kommt vor. Hat sie genug geschlafen, so wacht sie dann um so frischer auf. Sie sollten Günther einmal anklopfen lassen.

Hanna schloß die Hände fest um die Armlehnen ihres Sessels, drückte auch die Lippen zusammen. Anfangs hatte sie ihm zugehört, mehr dem Ton seiner Stimme lauschend, als auf die Worte achtend. Sie wunderte sich über den frischen, energischen Klang, erinnerte sich plötzlich vollkommen deutlich, daß es früher ein ganz anderer gewesen war, dasselbe Instrument wohl, aber mit Sordine gespielt, gedämpft, verschleiert. Die Bemerkung über ihr Klavier weckte sie dann völlig. Seinen Hinweis auf Günther beantwortete sie nicht.

„Ich bin so sehr gespannt auf Ihren Bericht,“ sagte sie nach einer kleinen Pause. „Dazu sind Sie doch hergekommen.“

Er lächelte.

„Dazu bin ich hergekommen,“ wiederholte er. „Das ist gewiß.“ – Langsam, Alter, ermahnte er sich innerlich. Diese Draufgänger-Diplomatie hätte Bruder Heinrich Ehre gemacht! – Und laut. „Mein Bericht läuft nicht davon, der ist Ihnen sicher. Sie müssen es aber einem alten Freund zu gute halten, wenn er sich nach einer so langen Abwesenheit ein bißchen bei Ihnen umschaut, auch ein paar neugierige Fragen thut. Zum Beispiel scheint mir, daß Sie hier bedenklich einsam wohnen. Das alte Haus mit seinem schäbigen bröckeligen Putz machte mir beim Näherkommen nicht gerade einen überwältigend gemütlichen Eindruck. So verlassen, so auffallend weitab von den übrigen, so tief im Garten. ‚Verwunschenes Schloß' wäre eine unerhörte Schmeichelei, ‚Räuberhöhle' vermutlich eine Beleidigung.

Hanna mußte lächeln.

„Ganz gewiß,“ sagte sie. „Keins von beiden trifft zu. Krügers möchten Ihnen das zweite sogar tüchtig übelnehmen. Es wohnt sich ganz gut in der alten Baracke.

„Aber ich mache mir Sorge um Ihre Sicherheit während der Nacht. Wenn ich ein Strolch wäre, diese Gelegenheit könnte mich mächtig reizen. Ein einziger Mann ist im Haus.“

„Zwei. Frau Krügers Bruder wohnt auch da. Er hausiert in seinem Boot flußauf und -ab mit Heringen und Bier und so weiter, abends kommt er heim.

„Gut, daß Sie wenigstens die beiden Köter haben. Nach dem leidenschaftlichen Mißtrauen zu schließen, mit dem sie mich begrüßt haben, rasen sie wohl die ganze Nacht wie weiland Gustav Freytags Bräuhahn und Speihahn mit wütendem Geheul ums Haus herum?“

„Nicht ganz so. Molly, der Spitz, hat die Außenwacht und macht nur Lärm, wenn es Zweck hat; er ist sehr klug. Packan schläft im Hause, auf dem Korridor, vor meiner Thür.

„Das ist recht,“ sagte Rettenbacher befriedigt. „Aber es ist nicht genug. Haben Sie auch menschlichen Zuspruch in der Nähe? Gesetzt, allein Sie würden krank – können Sie jemand rufen? Hört man Sie?“

„Von rechts und links. Bertha schläft in der Eckstube neben mir, dort nach vorn hinaus. Auf meiner anderen Seite ist Krügers Zimmer, wenn auch nicht durch eine Thür mit dem meinigen verbunden. Denn da beginnt der an die Vorderseite angebaute Flügel. Sie sehen, ich bin ganz umgeben von Schutz.

Rettenbacher nickte; er betrachtete sie einige Augenblicke sinnend.

„Bekommen Sie denn auch etwas zu essen?“ fragte er dann. „Jeden Tag,“ versicherte Hanna, wieder unwillkürlich lächelnd.

„Das wäre schon anzuerkennen. Aber aus was für Bestandteilen ist es zusammengesetzt und wie ist es zubereitet?“

„Gott, das ist ja ganz gleichgültig. Ich schmecke kaum hin. Anfangs kochte Bertha für mich in meiner Küche, dann merkte ich, daß die Mutter sie schlecht entbehren konnte, und so gab ich mich gegen ein Bestimmtes in Pension bei ihnen und esse, was sie mir geben.“

„Das dacht' ich mir,“ sagte Rettenbacher. „Die Mahlzeiten kann ich mir vorstellen.“

„Im Ernst, sie sind ganz gut. Für meine Ansprüche jedenfalls gut genug. Frau Krüger ist ja eine anständige Frau, die nicht daran denkt, mich auszunutzen und außerdem war sie in ihrer Jugend Köchin.“

„Versteh’ schon. Huster ist gegen sie ein armer kleiner Waisenknabe.“

„Lassen Sie ’s gut sein, ich bin recht zufrieden mit meinem einfachen Essen. Die kostbaren und feinen Speisen hab’ ich bis zum Widerwillen kennen gelernt. Reden wir doch von etwas anderem! Zum Beispiel –“

„Zum Beispiel,“ unterbrach sie Rettenbacher, „wie lange Sie hier noch bleiben werden?“

„O für immer,“ antwortete Hanna verwirrt, mit einem unsicheren Blick in seine ernsthaft fragenden Augen.

„Für immer,“ wiederholte er. „Das ist ein Wort, das man im allgemeinen – in dieser Anwendung – nur von Kindern hört, die nicht wissen, was es bedeutet, oder von ganz alten Leuten, die wissen, daß diese Frist für sie nur karg bemessen ist. Und als sie schwieg, wieder mit demselben undurchdringlichen, stillen Gesicht, das ihn gleich zu Anfang so bedrückt hatte. „Sie haben also den bestimmten Vorsatz, hier noch zwanzig, dreißig, möglichenfalls vierzig Jahre auszuhalten?“

„Hoffentlich so lange nicht, hoffentlich viel kürzer,“ sagte sie tonlos.

„Es könnten aber sogar auch fünfzig Jahre daraus werden. Sehen Sie, davor schaudern Sie schon jetzt.“ Er lächelte, mit einem eigenen Schimmer, der langsam, wie eine warme Flamme, sein ganzes Gesicht erhellte. „Im übrigen ist mir gar so bange nicht um dieses ‚Immer'. So lange halten Sie es nämlich hier nicht aus. Vielmehr Hanna Wasenius hält es mit Ihnen nicht aus.“

„Was wissen Sie von der?“ sagte Hanna finster. „Die ist lange weg.“

„Was ich von der weiß? Das fragen Sie? Das ist kurios. Aber ich will Ihnen die kuriose Frage sogar beantworten. Ich weiß von ihr, daß sie es auf die Dauer nicht erträgt, nur für sich selbst und nur mit sich selbst zu leben. Ich weiß von ihr, daß sie kein Ichmensch ist, sondern daß sie andere braucht, um das eigentliche Wesen ihrer Natur auf sie auszustrahlen, daß sie nur glücklich ist, wenn man sie unbedingt nötig hat, und kreuzunglücklich, wenn sie sich entbehrlich findet. Und sie wäre weg? Das weiß ich schon wieder besser. Verkrochen hat sie sich, ins Dickicht geflüchtet mit ihren Wunden, wie die armen Rehe thun, wenn sie krank geschossen sind. Aber eines Tages wird sie wieder ans Licht kommen, heil und frohäugig, und wird singen mit der alten lieben Stimme, und wird sagen: So, da bin ich wieder, nun gebt mir etwas zu thun. – Glauben Sie nicht? Ich glaube fest daran.“

„Ich nicht,“ sagte Hanna trostlos, „ich nicht. Lassen Sie das sein, ich bitte Sie herzlich. Mit mir ist's aus. Sie wissen das nicht; woher sollten Sie es auch wissen. Wir sind zu lange auseinander gewesen. Sie kennen mich nicht mehr. All dies quält mich unbeschreiblich. Thun Sie mir die Liebe und sprechen Sie von anderen Dingen. Bitte, bitte. Erzählen Sie mir von Ihren Erlebnissen, ja? An denen will ich mich freuen.“

Rettenbacher schwieg. Er sah sie auch jetzt nicht an. In tiefem Sinnen, den Kopf geneigt, schaute er vor sich hin.

(Schluß folgt.)
[861]

Auf dem Eise.
Nach einer Originalzeichnung von O. Gerlach.

[862]

Ueber „traumatische Neurose“.

Ein medizinischer Beitrag zur Arbeiterunfallfrage.
Von Prof. Dr. Fürbringer in Berlin.

Der Leser der „Gartenlaube“ muß schon freundlichst entschuldigen, daß die berechtigte Herrschaft sprachreinigender Bestrebungen mich nicht abgehalten hat, ihm als Titel zwei der medizinischen Fachwissenschaft entnommene Fremdwörter zu bieten. Der Grund liegt in der Thatsache, daß heutzutage die beiden Wörter als Sammelbegriff auch praktisch wichtiger Leiden dem Laien, ja bereits dem minder gebildeten Publikum in ungeahnter Weise geläufig geworden sind, fast geläufiger als die etwas schleppende Umschreibung in deutscher Sprache. Auch hat die „traumatische Neurose“ als Name, seitdem ihn ein hervorragender Berliner Nervenarzt vor nahezu einem Jahrzehnt eingeführt, seine Herrschaft behauptet, ungeachtet der mit starken Gründen gestützten Bedenken dieses oder jenes Gelehrten, ungeachtet des offenen Ausspruches sachverständiger Forscher, daß die Bezeichnung nicht minder Unheil als Nutzen gestiftet habe.

Unter „Neurose“ verstehen wir eine Erkrankung des Nervensystems, für welche greifbare anatomische Grundlagen nicht nachweisbar sind. Es fehlt also der Begriff der organischen Krankheit; die fehlerhaft funktionierende Nervensubstanz zeigt, sei es Gehirn, sei es Rückenmark, seien es die Nervenstränge, für unser jetziges Auge keine Aenderung im Bau. „Traumatisch“ leitet sich von „Trauma“, die Verletzung, ab. Somit würde unsere Titelbezeichnung ins Deutsche übersetzt etwa lauten: Mit Verletzungen des Körpers ursächlich zusammenhängendes Nervenleiden, welches gleichwohl der groben materiellen Verletzung des Nervensystems entbehrt. –

Ein Teil unserer Leser weiß, daß der überraschende Aufschwung, den die Erörterung des eben definierten Krankheitszustandes in neuerer Zeit genommen hat, in denjenigen Verletzungen wurzelt, welche im modernen Versicherungswesen als Unfälle eine hervorragende Rolle spielen. Doch haben keineswegs alle Unfallsneurosen, die für uns in Betracht kommen, mit der behördlichen Fürsorge für den verletzten Arbeiter zu thun. Denjenigen Fällen, welche dem Arzt ohne jeden Anspruch an den Staat entgegen treten, zahlen wir noch eine ganz stattliche Summe.

Wir sind, um es gleich hier auszusprechen weit entfernt davon, auf eine Erörterung der wirtschaftlichen Streitfrage näher einzugehen, die sich aus unserer Nervenkrankheit, wie sie nach Unfällen auftritt, ergeben. Vielmehr werden wir, der freundlichen Anregung der Redaktion der „Gartenlaube“ folgend, im wesentlichen nur eine populäre Darstellung des Nervenleidens an sich zu geben bemüht sein. Freilich glauben wir, nachdem gerade die Forschungen der Neuzeit unsere einschlägigen Kenntnisse vertieft haben, der Frage nach der innern Ursache, nach dem eigentlichen Wesen der traumatischen Neurose uns ebensowenig entziehen zu sollen wie einer knappen historischen Zeichnung der ganzen Entwicklung der Lehre. Man urteile selbst, ob solche Zuthat geboten!

Um nun mit einer allgemeinen Skizze des Krankheitsbildes zu beginnen, meinen wir, einer langatmigen Herzählung der Symptome zunächst die Schilderung eines Falles vorziehen zu sollen. Er ist geflissentlich schematisch gehalten.

Ein vordem im wesentlichen gesunder, robuster, solider, in den dreißiger Jahren stehender Lokomotivführer schlägt, während seine Maschine in voller Fahrt an einem die Bahngeleise querenden Lastwagen entgleist, im Sturz mit dem Hinterkopf und Rücken auf den Bahndamm. Der Verunglückte wird bewußtlos, an allen Gliedern gelähmt angetroffen. Nach etwa einer Stunde erholt er sich einigermaßen vom „Schock“, von der Gehirnerschütterung, vermag sogar einen Wagen zu besteigen. Von nichtigen Abschürfungen abgesehen entdeckt der Arzt keinerlei äußere Folgen des Unfalls. Nach etwa einer Woche fühlt sich der aus der Behandlung Entlassene so wohl, daß er seinen Dienst wieder aufzunehmen versucht. Es gelingt ihm auch, die erste Fahrt zu überwinden, aber nicht gut. Schwindel und Rückenschmerzen stören ihn. Beide Beschwerden treten wieder zurück, allein sie wollen nicht schwinden. Es vergehen Wochen, Monate, ohne daß sich die frühere Leistungsfähigkeit wieder einstellt. Der vordem so diensteifrige Beamte sieht sich arbeitsunfähig, krank, konsultiert aufs neue den Arzt.

Ein ganzes Heer von Beschwerden bekommt dieser nunmehr zu hören Ich leide schwer; mich quälen vor allem anhaltende und heftige Schmerzen im Rücken, gerade an der Stelle, auf welche ich gefallen bin. Bei jeder Bewegung steigern sie sich, bei Anstrengungen werden sie unerträglich. Ich muß mir den Rücken halten, mich anlehnen, wo es nur angeht, um den Schmerz zu milden. Aber auch der Kopf thut mir weh; ich leide an Schwindel, Augenflimmern, kann nicht scharf mehr sehen, die Ohren klingen mir, und mit dem Gehör will es auch nicht mehr so recht gehen. Weiter fühle ich mich im ganzen Körper matt und müde, zerschlagen und zittrig; die Schwäche ist so groß, daß sich nicht selten Ohnmachten melden. Meine Glieder sind steif und wie gelähmt. Der Schlaf ist miserabel. Ich bin erregbar und reizbar wie nie zuvor, unlustig zu jeder Arbeit, trüb gestimmt und energielos, ängstlich und schreckhaft. Meine Familie und meine Freunde schelten mich, daß ich anders geworden, nicht mehr mit ihnen heiter verkehren kann. Meist habe ich keinen andern Wunsch, als nicht inkommodiert zu werden. Selbst das Sprechen fällt mir schwer. Endlich schmeckt mir auch das Essen nicht mehr und ich kann hartnäckiger Verstopfung nicht Herr werden.

Diesen zahlreichen subjektiven Klagen gegenüber vermag der Arzt durch seine Untersuchung nicht eben viel Objektives festzustellen. Im Gegenteil überrascht die geringe Ausbeute an solchen Symptomen, welche dem Begriff des Subjektiven ohne weiteres entrückt sind. Andre Erscheinungen stehen auf der Grenze. Daß eine mehr als oberflächliche und flüchtige hypochondrisch-melancholische Verstimmung den Kranken beherrscht, entnimmt selbst der Ungeübte dem ständig trüben, stumpfen und düstern Gesichtsausdruck. Weiter fällt auf, daß der Patient langsam und gemessen spricht, mitten im Satze Pause macht, offenbar den Faden verliert und die Worte mühsam wieder zusammensucht. Auch der Gang trägt den Charakter des Müden und Trägen, des Steifen und Unrüstigen; schon einige Promenaden im Zimmer, welche unser Kranker, die Hand auf dem Rücken ausführt, ermatten ihn sichtlich. Hiermit steht im Einklang eine allgemeine Muskelschwäche. Diese kontrastiert mit dem guten Ernährungszustande der Muskeln, deren Volumen ungeachtet der sonstigen Abmagerung des Kranken so gut wie keine Abnahme erfahren hat. Hin und wieder erleiden Muskelbündel schnelle Zusammenziehungen: Zuckungen; die ganze Muskulatur erweist sich bei passiven Bewegungen der Glieder, zumal der unteren Extremitäten, als leicht gespannt und steif; trotz dieser Störungen und des nicht geringen Grades der lähmungsartigen Schwäche ergiebt die Reizung der Muskeln mit dem elektrischen Strom keine von der Norm wesentlich abweichenden Resultate, ein Zeichen, daß das Rückenmark unsres Lokomotivführers durch die beim Unfall erlittene Erschütterung eine anatomische Entartung nicht davongetragen hat. Gleichwohl kann es sich im Bereich der beim Sturz am meisten betroffenen Stelle nicht völlig normal verhalten, denn der Kranke empfindet, sobald sie der Arzt beim Beklopfen des Rückgrats unter die Finger bekommt, heftige, von lebhaftester Reaktion begleitete Schmerzen. Aber auch die Haut in der Umgebung und hinab bis zu den Schenkeln zeigt sich äußerst empfindlich, sodaß selbst einfaches Berühren zur Pein wird. Dabei entspricht – eine einzelne wichtige, gleichfalls ein materielles Leiden des Centralnervensystems ausschließende Erscheinung – der Verbreitungsbezirk dieser Ueberempfindlichkeit keineswegs jenen der sensibeln, d. i. das Gefühl vermittelnden Nerven. Und was noch wunderbarer: der Kranke weist in der Nachbarschaft dieser Hautdistrikte und entfernt von diesen solche auf, welche im geraden Gegensatz zu ihnen ihre Empfindung verloren haben. Kneifen, Stechen, Brennen fühlt er hier wenig oder gar nicht. Im übrigen weisen seine Reflexbewegungen auf Hautreize keine sonderliche Abweichung auf. Wird aber mit dem Finger oder einem Hämmerchen dicht unterhalb der Kniescheibe, da wo eine breite, kurze, kräftige Sehne sich an dieselbe anheftet, geklopft, so erfolgt nicht, wie unter gesunden Verhältnissen, eine flüchtige, leichte [863] Zuckung des Beines, sondern der Unterschenkel fliegt hoch in die Luft, zuckt nach und der Kranke ächzt vor Unbehagen. Das bedeutet eine unbedingt krankhafte Steigerung des Kniescheibenreflexes. Endlich ergiebt die Prüfung der Augen und Ohren eine unzweifelhafte Abstumpfung des Sehvermögens und Gehörs, eine starke Einschränkung des Gesichtsfeldes.

Die Untersuchung der innern Organe deckt eine Erkrankung derselben nicht auf, nur überrascht den Untersucher ein ungemein erregbares Herz- bezw. Herznervensystem. Die geringste Erregung schnellt die Zahl der Herzschläge weit über 100 hinauf, während sich neben Herzklopfen Angst und Beklemmung meldet.

So viel von diesem einen Fall, den wir getrost als typisches Beispiel der traumatischen Neurose gelten lassen können. Der Abweichungen sind Legion, ihre Skizzierung würde ungezählte Seiten füllen. Es liegt uns fern, auch nur auf die vornehmlichsten und bekanntesten einzugehen. Nur einzelne der hervorstechendsten und eigentümlichsten Züge bitten wir dem Leser vorführen zu dürfen. Sie sind fast ausnahmslos eigener Beobachtung oder dem Aktenmaterial entnommen, das wir zur Erstattung von Gutachten zu bearbeiten gehabt. Aus den verschiedensten Schichten der Bevölkerung hat sie das praktische Leben auf den Markt der ärztlichen Erfahrung geworfen.

Unvergeßlich ist mir eine junge Bauernfrau, die sich mir vor mehr als zehn Jahren vorstellte, nachdem ihr einige Wochen zuvor ein Bauernbursche bei Gelegenheit eines ländlichen Tanzvergnügens in unbändiger Feststimmung einen wuchtigen Faustschlag auf den Rücken versetzt hatte. Sie hatte sich ziemlich schnell von einer Ohnmachtsanwandlung und stärkerem Schwindel, der sie im Augenblick des Hinstolperns ergriffen, erholt und glaubte sich bereits wiederhergestellt, als eine Reihe nervöser Erscheinungen langsam, die eine nach der andern, heranschlich und der vordem lebenslustigen und Gesunden die Freude am irdischen Dasein mehr und mehr vergällte. Eine Beschwerde, die sie mir damals und später ihrer Umgebung nicht müde wurde, als die unerträglichste zu klagen, war die Empfindung, als ob ihr eine schwere Katze auf dem Rücken säße, ihn mit ihren Krallen unablässig nach unten ziehend und sie am Fortkommen hindernd. Eine organische Rückenmarkskrankheit konnte ausgeschlossen werden.

Ein Maurer, dem bei der Arbeit eine Tracht schwerer Bausteine auf den Nacken gefallen war, trug unter anderm ein maßloses Stottern und eine schwere Gehstörung als auffallendste Erscheinungen in der Kette der Symptome seiner jahrelang währenden traumatischen Neurose davon. Gleich dem schlimmsten Rückenmarkskranken schlenkerte er beim Gehen seine Beine hoch in die Luft, nicht ohne seitlich ausfahrende Bewegungen derselben und starkes Schwanken des Rumpfes. Ich habe auch als unbemerkter Beobachter ihn nie anders gehen sehen. Der in sich gekehrte, mürrische Mann vergoß Thränen, wenn er seine Umgebung ob seines Ganges und Sprechens spötteln hörte. Ein Baumeister wies noch Jahre nach einem Sturz vom Pferde einen eigentümlichen breitspurigen gemessenen Gang, ein andrer Herr aus ähnlicher Ursache ein wirklich komisches Tänzeln auf, das nicht zur Schau tragen zu müssen er große Summen gegeben hätte. Noch andre taumeln einem Betrunkenen gleich.

Zum Opfer eines Blitzschlages in einer Fernsprecheinrichtung wurde eine gerade am Apparate arbeitende Telephonistin. Sie zahlte unserer Krankheit ihren Tribut mit verschiedenen hysterischen Symptomen, darunter einer richtigen hysterischen Blindheit. Eine seltene, höchst barocke und Aerzten, die auf dem Gebiete der Nervenkrankheiten nicht sonderlich erfahren, wenig geläufige Störung, die Kranke, die ihres Sehvermögens auf einem Auge, ja sogar auch auf beiden plötzlich verlustig gegangen war, wird auf irgend einen Anlaß mit einem Schlage wieder sehend! Schon die Angst vor dem selbst herbeigerufenen Arzte kann hierzu genügen. In anderen Fällen besiegt gar das Vorhalten eines Glases die Blindheit, so daß das Auge unter ihm nunmehr die kleinste Schrift zu lesen vermag. Es begreift sich, daß die Laune einer solchen in ihrem Kommen und Gehen unberechenbaren Unempfindlichkeit der Netzhaut dem Augenarzte mit seinen sonst so eindeutige Resultate ergebenden Prüfungsmethoden die widerwärtigsten Possen bereiten kann. Bisweilen gewinnt die krankhafte Veränderung der Seelenstimmung eine derartige Ausprägung, daß das Bild der Melancholie im Vordergrunde steht. Wir haben Kranke kaum wiederzukennen vermocht, nachdem die ersten Nachwehen des Unfalls, sei es eines Eisenbahnzusammenstoßes, sei es eines Falles aus dem Wagen, dessen Pferde durchgegangen, sei es eines Schlages schwerer Maschinenteile gegen den Kopf, sei es endlich einer Brustquetschung im Gedränge, bereits überwunden schienen. In wachsendem Maße düster und verdüsternd, wortkarg und dumpf brütend, jeden Verkehr mit der eigenen Familie, Freunden und Kollegen scheuend, waren sie zum Schatten des früheren Ichs herabgesunken.

Werden Krampfzustände als Folgen von Unfällen bezw. als Teilerscheinungen unserer traumatischen Neurose auch eben nicht häufig beobachtet, so bleiben sie doch dem auf dem Gebiete der Unfallkunde erfahrenen Praktiker selten fremd. Richtige Epilepsie in ihrer schrecklichen Erscheinungsform sahen wir bei einem Soldaten, der beim Stoß in den Leib gestürzt und mit seinem Kopf hart aufgeschlagen war. Ein klassisches Beispiel epilepsieartiger Krampfanfälle findet sich in der maßgebenden Litteratur. Ein Mühlenwerksführer erleidet eine Quetschung der rechten Hand, die ihm zwischen zwei in Bewegung befindliche Mühlsteine geraten war. Ohnmacht, langes Schmerzenslager, bis die Wunde, die sich intensiv entzündete, geheilt ist. Während desselben allmählicher Eintritt nervöser Beschwerden. Herzklopfen, schlechter Schlaf mit Aufschrecken, wie Blei in den Gliedern, Erschwerung der Sprache, Kopfschmerzen, endlich – mehrere Monate nach dem Unfall – Krampfanfälle. Letztere, dem Kranken bis dahin fremd, leiteten sich durch ein schmerzhaftes, von der Handfläche aufsteigendes Kribbeln ein und nahmen die betreffende Körperhälfte in Beschlag. Schließlich stellte sich, sobald die Zuckungen das Gesicht ergriffen, Bewußtlosigkeit ein. Ich schließe mit der kurzen Erwähnung eigentümlicher bzw. eigentümlich lokalisierter Empfindungen, welche bisweilen den Grundzug der traumatischen Neurose darstellen. In nicht wenigen Fällen wurde mir über Gürtelschmerz im Bereich der Brust und noch häufiger des Unterleibes und der Lendengegend geklagt, ohne daß regelmäßig das Trauma auf die Gegenden eingewirkt hatte. Bei einem Stoß in die Seite, in die Lendengegend, in den Mittelleib beschränken sich einigemal die schmerzhaften Empfindungen auf die betreffende Seite. Ein Arbeiter beschrieb mir diese Halbgürtelschmerzen, in denen er das vornehmlichste Erwerbshindernis erblickte, mit der Empfindung, daß eine Fußangel sich um die eine Rumpfhälfte gelegt hätte und Lende, Seite und Eingeweide zusammenpreßte. Jener Baumeister der vom Pferde gestürzt, klagte, daß er bisweilen schwer unter Schmerzen in Fuß, Unterschenkel und Knie zu leiden habe, als ob federnde Strippen von der Ferse durch die Waden nach dem unteren Oberschenkelende gingen. Eine eigenartige Liste abnormer Empfindungen fand sich in dem Repertoire eines Arbeiters, den vor Jahren eine schwere Metallplatte an Gesicht und Vorderbrust getroffen hatte. Herzweh mit Ausstrahlungen nach dem Kopf und linken Arm, Kopfdruck, Zittern, Gefühl des Rieselns, Brummkreiselns, Rollens, Blitzens, endlich die Empfindung, als ob er statt der Hand eine Kralle habe. Offenbar sollte dieser Vergleich nur das bekannte Gefühl der Schwere des Gliedes ausdrücken, da er auch seine Beine nicht mehr recht mitbewegen konnte. Derselbe Patient, der im engeren Anschlusse an seine Brustguetschung schwerere Herzerscheinungen und weiterhin Symptome eines nicht, wie es anfangs schien, organischen, sondern nervösen Herzleidens dargeboten, meinte u. a., es fehlte ein Stück an seinem Herzen. Mit Nachdruck glauben wir, auf die Thatsache verweisen zu sollen, daß solche und ähnliche Empfindungen des zu großen Herzraums oder der Leere in der Herzgegend auch zu den Klagen derer zählen können, bei denen es zum Zustandekommen ihrer nervösen Herzbeschwerden der Vermittlung eines Unfalls nicht bedurft hat. Bekannt ist, welche merkwürdigen Gefühle gerade von Nervenschwachen und Hysterischen im Bereich des Herzens empfunden werden können. Krampfen, Greifen, Flattern, Schwärmen, Summen, Trommeln, Pendeln u. dergl. Trotzdem braucht kein Organleiden vorzuliegen.

Ich schließe hiermit die Aufzählung der objektiven und subjektiven Krankheitssymptome – wie dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein wird, herrschen letztere vor, – um ihre Liste nicht ins Ungebührliche zu vermehren. Es wäre verfehlt, [864] irgend einem derselben an sich eine charakteristische Bedeutung beizumessen. Das Bezeichnende liegt vielmehr in dem eigentümlichen Zusammenwirken der Beschwerden und sonstigen Abweichungen vom Begriffe der normalen Funktion.

Sollte unsere Krankheit wirklich ein modernes Nervenleiden darstellen, das die an Unfällen ärmere und der gegenwärtigen Unfallsgesetzgebung bare Vergangenheit nicht gekannt hat? Mit nichten! Aufmerksamen und denkenden Aerzten sind schon vor Jahrzehnten nicht die Grundzüge des Krankheitsbildes verborgen geblieben, das wir gezeichnet, nicht ihr Zusammenhang mit Unglücksfällen, welche mit dem Begriffe des „Schocks“ zu thun haben. Und seit der findige Geist der Menschen Eisenbahnen und mit ihnen den Eisenbahnunfall als unvermeidliches soziales Unglück geschaffen hat, waren seine gelegentlichen Folgezustände weder den Experten noch Laien unbekannt, man nannte sie in England Railway-spine (Eisenbahnrückenmark), um damit den Zusammenhang dieser Rückenmarkserkrankung mit den Eisenbahnen kurz anzudeuten. Freilich hat die Verbindlichkeit der Eisenbahngesellschaften bei Betriebsunglücksfällen in hohem Maße fördernd gewirkt. So hat man gerade in England bereits vor mehr als dreißig Jahren über namhafte Sammlungen einschlägiger Fälle verfügen können, deren Eigenart wenigstens in einem Teil derselben an dem Ursprung aus einfacher Eisenbahnerschütterung ohne materielle Schädigung des Nervensystems nicht zweifeln lassen kann. Etwa ein Jahrzehnt später finden wir, um nur einzelne Hauptetappen im historischen Ueberblick dem Leser vorzuführen, wie das unserer traumatischen Neurose der Hauptsache nach entsprechende Leiden von unsern hervorragendsten Nervenärzten lehrbuchmäßig behandelt wird. Unter dem Titel der Erschütterung des Rückenmarks, des „Schocks“ durch Fall, Stoß auf der Eisenbahn und bei Nachtreisen im Wagen, durch Blitzschlag und heftigen Schreck haben sie uns treffliche Beschreibungen unseres Leidens vorgeführt. Schon damals ist mit aller Schärfe die schwere Störung der Funktion des Rückenmarks ohne gleichzeitig nachweisbare materielle Veränderungen in demselben in den Vordergrund gerückt worden. Aber noch mehr: wir vermissen nicht einmal die Skizzierung bestimmter Hauptgruppen, unter denen es nicht schwer fällt, die heutige traumatische Neurose innerhalb enger Grenzen wiederzuerkennen. Ja, die Kategorie des Beginns mit schweren Symptomen und des daran anschließenden langen, trotzdem meist der Heilung zugänglichen Leidens, sowie jene des Beginns mit sehr unbedeutenden Symptomen und späterer Entwicklung eines fortschreitenden schweren Nervenleidens mit zweifelhaftem Ausgang usw. Der in der Folge, zumal von Irrenärzten immer zwingender geführte Nachweis, daß psychische Störungen und krankhafte Erscheinungen, die nur aus dem Gehirn kommen konnten, mit die wichtigsten Symptome der Krankheit ausmachten, mußte notwendig die Alleinherrschaft des Dogmas vom Sitze des Leidens im Rückenmark stürzen. In der That vollzog sich denn auch mancherorts die Umtaufe des Railway-spine in eine Railway-brain (Gehirnleiden infolge eines Eisenbahnunfalles). Aber nicht genug damit: von Frankreich her, aus dem Schoße der berühmten Pariser neurologischen Schule, drang vor etwa zehn Jahren mit Erfolg die überzeugungs- und verdienstvolle Belehrung, daß unsere Krankheit mit der Hysterie wichtige Grundzüge teile und insbesondere die Art der Gefühlsstörungen und etwaigen Krampfanfälle eine scharfe Trennung von den hysterischen nicht zulasse. Zugleich vermochte man an der Hand der Krankenbeobachtung und von Experimenten, bei welchen Hypnose und Selbstsuggestion eine Rolle spielten, die Ueberzeugung zu begründen, daß es mit der ursächlichen mechanischen Gewalteinwirkung durch das Trauma keineswegs immer gethan sei, vielmehr auch die seelische Erregung – sei es beim Unfall, sei es während des oft langwierigen Austrags des Prozesses – zur Entstehung der Krankheit beitrage und nicht selten allein das Leiden zu erzeugen bezw. zu erhalten imstande sei.

Was das letzte Jahrzehnt uns für die Erkenntnis der traumatischen Neurose gebracht hat, birgt des Verdienstvollen genug, gehört aber größtenteils in den engeren Bereich der wissenschaftlichen, oft genug mit überraschender Erregung geführten Kontroverse. Ein Eingehen auf diese zum Teil mehr trübenden als klärenden Polemiken muß uns im Interesse des Lesers fern liegen.

Auch über die Simulation der traumatischen Neurose zur Erlangung einer Entschädigung wollen wir ausführlicher nicht berichten. Solche Fälle grober Täuschung des Arztes kommen gewiß vor; andererseits ist zu bemerken, daß Kranke dieser Art einen entschiedenen Hang zur Uebertreibung der bestehenden Krankheitssymptome besitzen. Oft genug aber entbehren diese Uebertreibungen des Begriffes des Absichtlichen, oder sie sind als halbbewußte eben auch ein Symptom der Krankheit. Wissen wir doch, daß nervöse, zumal hysterische Damen auch dann, wenn ihnen aus ihren Klagen keinerlei Vorteil und Genuß erwächst, erstaunlich stark auftragen. Welcher Arzt wollte der schwer Leidenden, die er wie gelähmt im Bett antrifft, mißtrauen, weil sie am Abend zuvor getanzt und eine anregende Unterhaltung geführt hat? Auch unsere Telephonistin hatte man dabei ertappt, daß sie heitere Gespräche geführt, wenn ich nicht irre, auch ein Liedchen geträllert. Der erfahrene Nervenarzt, welchem die oft unberechenbare Laune der traumatischen Neurose nicht minder geläufig ist, als jene der Hysterie, wird sich durch solche Zeugenbekundungen, so wenig sie an sich zu beanstanden sind, nicht irre machen lassen.

Nichtsdestoweniger fehlt es auch bei unserem Leiden nicht an bedenklichen bewußten Uebertreibungen, die als solche zu erkennen und nachzuweisen der gewissenhafte Praktiker nicht müde werden darf.

Aufschlüsse über die Behandlung unserer Krankheit wird der nachsichtige Leser nicht erwarten. Zählt ja doch die Feststellung des Heilplanes und die Art der Anwendung der ihm dienenden Mittel zu den eigensten Aufgaben des Arztes. Es begreift sich, daß sich an ihrer bei der oft erstaunlichen Hartnäckigkeit des komplizierten Krankheitszustandes leider nicht immer erfolgreiche Lösung der Nervenarzt, der „Innere“ und der Psychiater beteiligen.


Zum Holbein-Jubiläum.

Von Dr. H. A. Schmid.
(Mit der Kunstbeilage XXVII und den Bildern S. 857, 865, 866 und 867.)

Um diese Jahreszeit vor vier Jahrhunderten wurde in Augsburg der Mann geboren, der neben Dürer als der größte deutsche Künstler im Zeitalter Raffaels und Michelangelos gefeiert wird und als einer der größten deutschen Maler aller Zeiten. Das Kalenderjahr, in dem Holbein der Jüngere geboren wurde, ist allerdings nicht sicher festzustellen. Auf seinem Selbstporträt unter den Malerbildnissen in der großen Florentiner Sammlung der Uffizien gab der Künstler selbst im Jahre 1543 sein Alter auf 45 Jahre an. Die Inschrift zwar, die man heute sieht, ist späteren Datums, aber darunter bemerkt man noch die Spuren einer gleichlautenden älteren und authentischen. Da Holbein nun erst im Herbst desselben Jahres, und wie es scheint plötzlich an der Pest, gestorben ist, könnte man danach annehmen, daß das Porträt Mitte 1543 entstanden und er Mitte 1498 geboren wurde. Anderseits aber hat Holbeins Vater (Hans Holbein der Aeltere) auf einem mit dem Silberstift gezeichneten Porträt aus dem Jahre 1511, das sich im Berliner Kupferstichkabinett befindet, das Alter seines Sohnes auf 14 Jahre angegeben, woraus man auf das Jahr 1497 schließen sollte. Es können aber beide Angaben bis auf den Monat richtig sein, wenn Holbein Ende 1497 oder Anfang 1498 geboren wurde, das Jugendporträt erst Ende 1511, das Selbstporträt aus dem Todesjahr aber gleich im Beginn dieses Jahres entstanden ist, und da sowohl Holbein der Jüngere selbst wie sein Vater sich kaum getäuscht haben können, unterliegt es keinem Zweifel, daß in unseren Tagen der 400jährige Geburtstag des großen Meisters wiederkehrt.

Als Holbein geboren wurde, stand Dürer schon im Mannesalter, hatte nach langem Ringen die Steifheit und Befangenheit [865] seiner Vorgänger allmählich überwunden und schickte sich eben an, das erste der großen Werke, die seinen Namen in alle Welt getragen haben, die Holzschnittfolge der Apokalypse, zu vollenden. Vieles von dem nun, was Dürer mühsam aus sich selber heraus, dann auch durch den Vergleich seiner Werke mit italienischen Kunstwerken hat lernen müssen, fiel Holbein in früher Jugend von selber zu. Er war weitaus der gewandtere in Kunst und auch im Leben. Unerreicht in seiner und auch späterer Zeit ist der sprudelnde Reichtum an Einfällen und die Pracht der Gesamtwirkung bei den Malereien, mit denen er, wohl um geringen Lohn und in kurzer Zeit, die Fassaden von Häusern geschmückt hat. Unsterblich war Holbein, wo es galt, einen Menschen mit all seinen starken und schwachen Seiten im Bilde festzuhalten, das heißt im Porträt, oder, wo in seine Darstellungen sich ein Zug von Satire einmengen konnte. Aber er war nicht die gemütvolle, träumerische, grüblerische Natur, die nach langem Ringen etwas in die Welt stellt, das dann veraltete Traditionen umstürzt und eine neue Epoche heraufführt. Auch in der bildenden Kunst giebt es lachende Erben. Holbein war frühreif und meist rasch fertig mit seinen Arbeiten. Schlimme Erfahrungen in der Jugend mögen sein Gemüt zurückgedrängt und ihn früh mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, den Verhältnissen sich anzupassen und sie zu seinem Vorteil auszunutzen.

Der Erzengel Michael.
Getuschte Vorzeichnung im Museum zu Basel
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Sein Vater war am Beginn des Jahrhunderts ein vielbeschäftigter Maler gewesen. Als der Sohn aber zum Jüngling heranwuchs, ging es ihm weniger gut. Die Aufträge des Kaisers Maximilian kamen bloß der jüngeren Malergeneration, Dürer und seinen Altersgenossen, zu gute. Auch scheint sich der alte Holbein in seinen Bildern nie recht genug gethan zu haben. Jedenfalls wurde er gerade, als er das vollendetste seiner Werke schuf, wegen kleiner Schulden verklagt. Er zog dann ins Elsaß, während sein Sohn als Malergeselle in eine Baseler Werkstatt trat und nun für sich selber zu sorgen hatte. Er malte zunächst Altarbilder mit anderen Gesellen oder dem Meister zusammen und dann auch Porträts schweizerischer Haudegen, der Anführer jener Söldnerscharen, die damals fast alljährlich in die Lombardei zogen, um bald in dem, bald in jenem Solde blutige Siege auszufechten. Holbein scheint gleich von Anfang an durch seine fabelhafte Geschicklichkeit Aufsehen erregt zu haben. Von Bedeutung für seinen Lebensgang und vielleicht auch für seine Weltanschauung war es aber auch, daß der berühmteste Gelehrte seiner Zeit, Erasmus, ungefähr gleichzeitig sich in Basel niederließ. Erasmus war als Humanist, was man heute als: Philologen, Pädagogen und kirchenpolitischen Schriftsteller bezeichnen würde. Sein ganzes Leben war ein Kampf gewesen gegen die überlieferten Formen der Wissenschaft und vor allem gegen die ausgelebten Formen der Frömmigkeit; er führte diesen Krieg in allem, was er schrieb; oft trifft man mitten in seinen wissenschaftlichen Arbeiten launige Ausfälle gegen die herrschenden Zustände, und in einer Zeit, wo man weit schwerfälliger schrieb als heute, verschaffte ihm sein sprudelnder Witz und seine leichtflüssige Diktion, die noch heute in Erstaunen setzt, immer neue Bewunderer. Einen unerhörten Erfolg hatte namentlich sein Büchlein „Das Lob der Narrheit“, worin er schildert, wie alle Stände von der Dummheit beherrscht werden und ihr verpflichtet sind. Nicht wenig hat gerade dies Buch dazu beigetragen, das Gefühl von der Haltlosigkeit der damaligen Zustände in den weitesten Kreisen zu verbreiten. Als Erasmus nach Basel kam, hatte er die kampfesfrohe Jugend bereits hinter sich; er verwandte nun den Rest seines Lebens hauptsächlich darauf, mit dem ihm befreundeten Buchdrucker Froben Werke lateinischer Autoren im Originaltext herauszugeben und namentlich die griechischen durch Uebersetzungen ins Lateinische zu verbreiten. Auf der Höhe seines Ruhmes, aber körperlich schon längst durch frühere Entbehrungen gebrochen, war er nicht mehr imstande, den Geistesströmungen, die neu neben ihm auftauchten, entgegen zu kommen. Er vereinsamte und wurde mehr und mehr ein kalter, vorsichtiger, gallichter, nervöser Greis. Im Gefühle seiner überragenden Gelehrtenbildung hat er wohl auch auf den jungen Maler herabgesehen; aber die Bekanntschaft wurde trotzdem für beide Genies wichtig. Holbein hatte ein Exemplar vom „Lob der Narrheit“ mit Federzeichnungen, zum Teil urdrolligen Karikaturen, versehen, worauf er weiter zum Schmuck der in Frobens Druckerei erscheinenden Bücher herangezogen wurde.

Hans Holbeins des Jüngeren Frau und Kinder.
Oelgemälde auf Papier im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Als er dann nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in Luzern und einer Reise nach der Lombardei wieder in Basel eintraf und sich als Meister niederließ, hat er noch etwa zu sieben Altären größere und kleinere Bilder gemalt. Kaum 24-jährig, erhielt er den ehrenvollen Auftrag, den Großratssaal in Basel mit historischen Darstellungen auszumalen, wodurch sein Ruf in weiteren Kreisen stieg. Aber für seine fernere Zukunft war doch die Bekanntschaft mit Erasmus und dessen Freundeskreis am wichtigsten.

Zunächst wurde er jetzt von all den aufstrebenden Baseler Verlegern mit Zeichnungen für ihre Bücher beauftragt. Kirchenväter und heidnische Schriftsteller erhielten so Kopfleisten [866] und reichverzierte Anfangsbuchstaben nach Zeichnungen, in denen der Künstler seinem Humor die Zügel schießen ließ. Außerdem hatte Holbein den Erasmus und seinen Freundeskreis zu porträtieren, und dies war das Entscheidende für sein Leben.

Baseler Bürgerfrau.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Neben dem Humanismus machte sich nämlich seit 1522 in Basel noch eine andere Strömung geltend, die weit tiefer eingreifen sollte, das war die Reformation. Freilich hat Holbein anfangs gerade auch durch sie Arbeit gefunden, da er nun auch die Baseler Nachdrucke der Lutherschen Bibelübersetzung zu illustrieren hatte; aber da die Altarbilder immer noch die Hauptaufgabe des Malers waren, sah er voraus, daß diese Bewegung im weiteren Verlauf ihn seines Verdienstes berauben werde, und schaute sich nach neuen Existenzbedingungen um. Erst wußte er, der nun schon einer der hervorragendsten Zeichner für den Holzschnitt geworden war, von einer Lyoner Firma sich den Auftrag zu verschaffen, einen Cyklus von Totentanzscenen und Illustrationen zu einer Ausgabe der Vulgata für Holzschnitt anzufertigen. Dieser „Totentanz“, der nun in den nächsten Jahren zustande kam, ist kein Wandbild, wie so viele glauben, die Holbeins Werke in Basel aufsuchen. Es existierten freilich ehemals dort zwei solcher Wandbilder, sie sind aber schon lange vor Holbein dagewesen und haben dessen Darstellung leicht beeinflußt. Holbeins Totentanz besteht aus einer Reihe von kleinen Holzschnitten, die nicht nur durch die Genialität der Erfindung und Zeichnung, sondern auch durch die unübertreffliche Arbeit des Holzschneiders berühmt sind. Man sieht Todesgestalten, welche dem menschlichen Gerippe nachgebildet sind, wie sie die Lebenden inmitten der Thätigkeit überfallen, wegführen, oft auch bloß mit höhnischer Gebärde in ihrem Thun unterstützen, so daß wenigstens der Beschauer dann ahnt, daß es mit dem Lebenden bald zu Ende geht. Holbein giebt dabei ein Bild seiner Zeit und läßt merken, was er über seine Zeit denkt. Der Papst, die weltliche Gerichtsbarkeit, der Falschspieler werden mitten in ihrer Sünden Blüte weggerafft, dagegen sind Kaiser, Ortsgeistlichkeit und Arme mit Wohlwollen behandelt. Wohl nie sonst hat Holbein so viel von seinem Fühlen und Denken verraten. Bald nach diesen Holzschnitten schuf Holbein in Basel noch das schönste deutsche Madonnenbild, die Madonna des Bürgermeisters Meyer, die sich gegenwärtig im großherzoglichen Schloß zu Darmstadt befindet. Es war eine Stiftung des Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, der auf dem Bilde mit seiner Familie knieend vor der Gottesmutter dargestellt ist. So sind gerade seine zwei populärsten Werke in dem kurzen Zeitraum von 1523 bis 1526, noch vor dem dreißigsten Altersjahr, entstanden. Es stammen aber ungefähr aus dieser Zeit auch noch die „Baseler Frauentrachten“, von denen drei hier abgebildet sind, und zahlreiche Entwürfe namentlich für Glasgemälde. Unter diesen Arbeiten ist eine der elegantesten der Erzengel Michael (S. 865). Die Bestimmung des Bildes ist aber hier nicht ganz klar, vielleicht sollte es in größerem Maßstab irgendwo eine Wand schmücken.

Vornehme Dame in reicher Tracht und Federhut.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Im Jahre 1526 läßt Holbein Weib und Kind in Basel zurück und siedelt zunächst für zwei Jahre nach England über. Hier kamen ihm Empfehlungen von Erasmus zu gute, noch viel mehr aber zwei seiner Bildnisse, die schon vorher nach England geschickt waren. Das eine heute noch in England befindliche (S. 867) ist Erasmus selbst. Holbein wird im Hause des Thomas Morus, der damals der erste Minister Heinrichs VIII. war, aufgenommen und porträtiert dessen Familie, sowie Gelehrte und Würdenträger aus dessen Bekanntenkreis. 1528 bis 1532 weilt er nochmals in Basel, eben als hier die Reformation zum Durchbruch kommt, Altargemälde seiner Hand vom aufgebrachten Volke zertrümmert werden und viele seiner früheren Gönner die Stadt verlassen.

Holbein fügt sich der neuen Ordnung, vollendet die Malereien im Rathaus, schafft auch wahrscheinlich damals die glänzendste seiner Fassadendekorationen und 1529, wie er gerade einmal keine Arbeit hatte, das großartige Porträt seiner Familie (S. 865).

Vornehme Baselerin in Tuchkleid und gestickter Haube.
Tuschzeichnung im Museum zu Basel.
Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E. und Paris.

Dann siedelt er wieder nach England über. Dort ist unterdessen sein früherer Gönner in Ungnade gefallen; er muß es erleben, daß dieser sogar auf dem Schafott sein Leben einbüßt. Unter dem neuen Minister Cromwell gewinnt die romfeindliche Strömung die Oberhand, dann, im Jahre 1539, wird auch dieser treue Diener wieder gestürzt und für kurze Zeit kommt die katholische Partei ans Ruder, bis auch diese wieder verdrängt wird.

Holbein ist von diesen Wechselfällen unberührt geblieben; der große Geisteskampf, der alle tieferen deutschen Gemüter aufregte, beeinträchtigte sein künstlerisches Schaffen nicht.

Er hat zunächst die Kaufleute der deutschen Kolonie in London porträtiert, dann stieg er in der Gunst der englischen [867] Aristokratie immer höher; etwa um 1536 wurde er Hofmaler mit hohem Gehalt; als solcher hat er Heinrich VIII. und die Damen, die nacheinander Gemahlinnen des Königs wurden, und auch Prinzessinnen, die es werden sollten, porträtiert, Entwürfe für die Goldschmiede des Königs gezeichnet, auch noch jetzt hier und da ein großes Wandbild geschaffen.

Erasmus von Rotterdam.
Gemälde in der Sammlung des Lord Folkestone.

Seine Hauptarbeit waren freilich die Porträts der königlichen Familie und des englischen Hochadels.

Die letzten Arbeiten haben nicht mehr das frische feurige, bald ergreifende, bald liebenswürdige Wesen der frühesten Schöpfungen.

Mit ruhigem Blicke hat er einfach und schlicht, oft etwas nüchtern, oft mit imponierender Großartigkeit die Menschen dargestellt, die er vor sich sah. Waren aber in Basel seine Fassaden und seine Bücherdekorationen wenn auch nicht das Bedeutendste, so doch das Formvollendetste, was er geschaffen, so staunt man jetzt über die vollendete Grazie in seinen Entwürfen für die Londoner Juweliere und Tischler.

Bei Anlaß einer Reise auf den Kontinent hat er auch noch einmal Basel besucht und wurde da als berühmt gewordener Mitbürger vom Rate hochgeehrt, während er seinerseits für Frau und Kinder reichlich gesorgt hat.

Einen liederlichen Lebenswandel, wie die Tradition berichtet, hat Holbein nicht geführt. Aber freilich sehr innig scheint das Verhältnis mit der Gattin nicht gewesen zu sein; sie blieb eine biedere Handwerkersfrau, während der Mann in England immer mehr zum großen Herrn wurde.

Kann nun auch dieser weltgewandte Odysseus für uns nie das sein was uns Dürer ist, so hat doch auch er eine Tugend besessen, deren sich der Deutsche vor andern rühmt, und das ist der Wahrheitssinn, die Sachlichkeit; denn mit der Treue unserer großen Geschichtschreiber hat dieser Künstler deutsche Gelehrte und den englischen Adel geschildert. Außerdem besaß Holbein auch noch etwas für den Deutschen damaliger Zeit fast Fremdartiges: einen Sinn für Maß und Form, für Schönheit und Anmut, der bei einem nordischen Künstler jener Zeit wie ein Klang aus einer südlichen heiteren Welt anmutet.

Das allbekannte Porträt in Basel, das irrtümlich als sein Selbstbildnis ausgegeben wird, stellt nur einen liebenswürdigen, harmlosen, feinen, aber nicht sehr bedeutenden Menschen, wahrscheinlich einen Kaufmann aus der deutschen Kolonie in London dar – jedenfalls keinen Künstler in dem Augenblick, wo er sich selbst im Spiegel betrachtet, um sich zu porträtieren. Dagegen lernt man in seinem Selbstporträt aus seinem letzten Lebensjahre (S. 857) eine kernige Natur von durchdringendem scharfem Blick kennen, einen genialen, aber kühlen Verstandesmenschen, und dieselben Züge verrät schon im Keime die Silberstiftzeichnung, die sein Vater von ihm entworfen hat.



Der Stoandlnarr.

Eine tiroler Geschichte von Rudolf Greinz.

(Fortsetzung.)


Die beiden Brüder trugen den Toten in die Stube, wuschen ihn und zogen ihm ein trockenes Gewand des Romedi an. Dann legten sie den Leichnam auf eine Bank, mit einem brennenden Licht zu Häupten und einem Weihwasserkessel zu Füßen. Die Hände hatten sie dem Kurzweger gefaltet, ihm ein Kreuzlein dazwischen gegeben und einen Rosenkranz um die Finger gewunden.

Dann holte der Romedi seinen eigenen Rosenkranz aus der Tasche und begann laut vorzubeten: „Herr, gieb ihm die ewige Ruh'!“ – „Und das ewige Licht leuchte ihm!“ fiel der Bruder ein. „Herr, lasse ihn ruhen im Frieden!“ Jedes Gefühl von Feindschaft oder Bitterkeit war aus der Brust des Romedi verschwunden. In diesem Augenblick war er sich nur der Pflicht eines jeden Christenmenschen bewußt, für die Seelenruhe des Toten zu beten. Da man es bei der finstern Nacht nicht recht wagen konnte, mit der traurigen Last den Abstieg ins Dorf zu unternehmen, wollte man bis zum Anbruch des Tages warten und dann den schweren Weg antreten.

Als die beiden Brüder zusammen den Rosenkranz fertig gebetet hatten, begab sich der jüngere in die Holzschupfe, um eine Tragbahre aus Stangen und Aesten herzurichten, während der Romedi die Totenwache hielt. Im ersten Schrecken war es diesem gar nicht eingefallen, darüber nachzudenken, ob der Kurzweger verunglückt sei oder selbst seinem Leben ein Ende gemacht habe. Jetzt kam ihm plötzlich der Gedanke, daß man bei solchen Unglücksfällen auch die Kleider des Verunglückten zu untersuchen pflegt. Das Gewand des Kurzwegers lag in einem Bündel auf der Stubenbank, gerade im Herrgottswinkel, wohin man es in der Eile gebracht hatte.

Der Romedi nahm Stück für Stück vor, fand aber nicht mehr als ein kurzes Messer, eine Taschenuhr an stählerner Kette und einen ledernen Geldbeutel. Als er letztern öffnete, fielen drei Kreuzer, ein Gnadenpfenniglein der Muttergottes von Absam und ein grauer Lotteriezettel heraus.

Auf die Rückseite des Zettels waren einige Worte mit Bleistift gekritzelt. Der Romedi rückte sich die Kerze näher, um sie zu entziffern. … „Ich kann die Schande nicht überleben. Ich mache meinem verlorenen Dasein freiwillig ein Ende. Gott sei mir gnädig!“ stand da zu lesen, und dann noch ganz unten, kaum zu enträtseln: „Gelobt sei Jesus Christus!“ – Danach drei Kreuze.

Also ein Selbstmörder! Der Romedi warf einen scheuen Blick auf den Toten. Das flackernde Licht zu Häupten des Kurzwegers ließ seine Züge noch verzerrter erscheinen.

In rascher Folge ging dem Romedi alles durch das Hirn, was nun weiter geschehen würde. Man würde dem Selbstmörder ein christliches Begräbnis verweigern, man würde ihn weder daheim, noch in der Totenkapelle aufbahren, sondern in einem ungehobelten Tannensarg aus sechs Brettern unter Gottes freiem Himmel bei dem hochragenden ziegelroten Missionskreuz! Man würde ihn vor Tagesanbruch ohne Geläut und ohne Geistlichen verscharren in jener ungeweihten Ecke des Friedhofs, wohin der Totengräber den Kehricht wirft. Nicht einmal einen Grabhügel würde man aufwerfen, sondern die Erde ebnen. Kein Kreuz oder sonstiges christliches Zeichen würde die Stätte bezeichnen. Vielleicht, daß ihm eine mitleidige Hand ein in Weihwasser getauchtes Buchsbaumzweiglein in die Erde steckte!

Der Romedi hatte die Arme über der Brust verschränkt und schaute unverwandt auf den Toten. Der da lag, hatte sie [868] besessen, seine Emerenz, sein ganzes Hoffen und Sehnen durch Jahre, sein heimliches Glück! Unwillkürlich dachte der Romedi, wie gut es sei, daß der Kurzweger keine Kinder habe, damit sich die Schande nicht vererbe und die Leute einst mit Fingern auf sie zeigten, als auf die Kinder eines Selbstmörders.… Doch die Emerenz war nun die Witwe eines Selbstmörders!

Aber mußten denn das die Leute wissen? Die Frage tauchte plötzlich in der Seele des Romedi auf. Freilich mußten sie es wissen! – Er und sein Bruder würden den Kurzweger ins Dorf tragen. Dann würden sie vernommen werden, er würde alles abliefern, was er bei dem Toten gefunden, also auch den Geldbeutel mit dem Zettel. Freilich, ohne den Zettel könnte es kein Pfarrer und kein Richter entscheiden, ob der Kurzweger, unkundig der Wege im Berg, bei dem greulichen Wetter nicht doch vielleicht verunglückt sei. Man könnte ihm ein stilles christliches Begräbnis und eine ehrliche Ruhestätte nicht verweigern.

Der Romedi hatte sich umgewandt, seine Hand sank bleischwer auf den Zettel, der noch auf dem Tisch lag. Durfte er ihn verheimlichen? War es nicht Sünde? Hatte es die Emerenz um ihn verdient? – Die Brust des Burschen hob sich in schweren Atemzügen. In seinem Innern tobte ein furchtbarer Kampf zwischen Pflicht, Religion und persönlicher Empfindung. Er fühlte, daß er in diesem Augenblick der Richter über den stillen Mann in der Stube war für diesseits und jenseits. Nein, für das Jenseits nicht! Da entscheidet ein anderer. Er warf unwillkürlich einen Blick nach dem Kruzifix im Herrgottswinkel, an dessen Armen blutrote Maiskolben hingen und dessen Fuß ein Strauß von Feldblumen zierte.

Da fiel ihm plötzlich ein Spruch ein, den er noch in der Schule gelernt hatte… „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ – Auf einmal waren die Worte da, als wären sie vor ihm gesprochen worden. Wie unter einem Zwange ergriff er den Zettel mit der verhängnisvollen Aufzeichnung und hielt ihn an das Kerzenlicht. Ein kurzes Aufflackern: das Zeugnis war zerstört für immer und ewig. Niemand sollte davon erfahren! Auch nicht die Emerenz! Das schwor sich der Romedi der erleichtert aufatmete… „Die Leut’ brauche's nit z’ wissen!“ murmelte er vor sich hin. „Das hat der Kurzweger mit unserm Herrgott selber ausz’machen. Und ganz wird er ihn vielleicht doch nit verlassen, weil er noch im letzten Augenblick an ihn denkt hat. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“

Bald darauf trat der Bruder in die Stube. Er hatte die Tragbahre vollendet. Die ersten bleichen Schimmer des Morgens brachen durch die Fenster herein. Die beiden Brüder luden den Kurzweger auf die Bahre, bedeckten den Leichnam mit Reisig und traten mit ihrer Last den Weg ins Dorf an.

Je näher sie dem Dorfe kamen, desto mehr Leute gesellten sich zu ihnen, die zuerst scheu fragten, dann, ihre Stimmen dämpfend, die Hüte zogen und sich anschlossen. Die Hüte der beiden Brüder lagen auf der Tragbahre. Beide waren sie barhaupt in der schneidigen Morgenluft vom Berg herabgewandert. Trotzdem rannen ihnen die hellen Schweißtropfen über die Stirn.

Es war ein langer Zug, als man die ersten Häuser des Dorfes erreichte. Wieder beteten sie alle: „Herr, gieb ihm die ewige Ruh’!“ – Dann hielt man vor dem Praxmarerhof, der nach dem Tode des alten Bauern in den Besitz der Emerenz und ihres Mannes übergegangen war.

Man hatte das unglückliche Weib von dem Vorgefallenen bereits verständigt. Sie wankte dem Zuge entgegen und brach vor der Bahre in die Kniee. Dann erst warf sie einen scheuen Blick um sich und sah den Romedi.

„Du, Romedi?“ stammelte sie kaum hörbar.

„I bin’s, Emerenz,“ stieß er hervor. Er hatte das Gefühl, als ob er noch etwas sagen sollte, ein Wort des Mitleids, des Trostes. Er vermochte es nicht. Es war ihm zu Mute, als ob man ihm mit einem eisernen Griffe die Kehle zusammenschnürte. Er spürte es als eine Erleichterung, als einige Weiber die Emerenz in das Haus führten und sie ihm aus dem Gesicht kam. Des Toten nahmen sich jetzt auch andere Leute an. So faßte er seinen Hut und ging still davon. Sein Bruder, der die Kleider des Kurzwegers trug, folgte ihm. Unterwegs begegnete beiden der Gendarmeriewachtmeister, der sie anhielt und in seine Kanzlei geleitete. Dort deponierte der Romedi, was er gefunden: Uhr, Messer und Geldbeutel, und gab ruhigen Tones an, wie er den Kurzweger nach dem gestrigen Gewitter in dem angeschwollenen Wildbach hinter seinem Haus gefunden hatte. Er sei wohl in dem Unwetter vom Wege abgekommen und so verunglückt. Das wurde alles zu Protokoll genommen.

Härter ward es dem Romedi schon, als er beim Pfarrer die gleichen Angaben wiederholen mußte. Da brauchte er seine ganze Selbstbeherrschung, um sich mit keiner Miene zu verraten. Immer aber wiederholte er sich den Spruch, der ihn in der Stube droben zu dem Entschluß getrieben hatte. Und der Spruch stand doch im Evangeli: Also mußte er seine Geltung haben! Aber hatte er ihn denn auch richtig erfaßt? Gab er ihm denn das Recht, zu verheimlichen, was auf dem Zettel gestanden, diesen zu verbrennen? Immer wieder tauchten diese Zweifel in ihm auf und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

Als der Romedi im Laufe des Nachmittags auf den Friedhof kam, hatten sie den Kurzweger bereits in der Totenkapelle aufgebahrt. Eine gebrochene Gestalt kauerte in einem Betstuhl. Es war die Emerenz. Er erkannte sie wohl bei dem dämmerigen Licht in der Kapelle. Sie sah ihn nicht. Sie schien inbrünstig zu beten. Ein schweres Stöhnen hob von Zeit zu Zeit ihre Brust.

Ob er sie ansprechen sollte? Unwillkürlich trat der Romedi ganz leise zurück und lehnte sich erschöpft an den steinernen Thürpfosten. Wohl hätte er sie gern angesprochen. Eine Frage brannte ihm auf der Zunge – ob sie den Mann, für den sie betete, geliebt habe ober nicht. Und wenn sie Ja gesagt hätte, was dann? Dann – dann – dem Romedi flimmerte es vor den Augen – dann hätte er ihr’s ins Gesicht geschleudert, daß der Kurzweger ein Selbstmörder sei. Dann hätte er sich gerächt. Seine Aussage hätte er umgestoßen. Ins Dorf wäre er gelaufen und hätte es geschrieen vor allen Thüren. Reißt ihn heraus aus der geweihten Stätte! Er ist ihrer nicht würdig! – Das fühlte der Romedi, das würde er gethan haben. Er frug nicht. Als er jetzt zu bemerken glaubte, daß das Weib vor ihm den Kopf ein wenig wende, trat er eilig auf den Zehenspitzen aus der Thüre und verließ den Friedhof. Er wollte mit ihr nicht sprechen. Er wollte von ihr nicht einmal gesehen sein.

Auch heute war es schon Nacht, als der Romedi mit dem Bruder seine einsame Behausung im Berg erreichte. Eine friedsamere Nacht als gestern. – – –

In den bedrückten Vermögensverhältnissen des Kurzwegers war durch dessen Tod natürlich keine Aenderung eingetreten. Im Gegenteil hatte sich die Lage wesentlich verschlimmert, indem nun auch die kleineren Hypothekargläubiger kopfscheu wurden und ihre Posten aufkündigten. Das ganze prächtige Anwesen schien für die Witwe verloren. Die endgültige Versteigerung erfuhr allerdings einen mehrwöchigen Aufschub, da noch verschiedenes gerichtlich zu erledigen war. Für Anfang September wurde jedoch die Exekution des Praxmarerhofes einschließlich sämtlicher Gründe, Waldteile und Liegenschaften endgültig festgesetzt.

Den ganzen Sommer über hatte man den Romedi fast gar nicht mehr im Dorf gesehen. Sogar an den Sonntagen zog er es vor, einen stundenweiten Umweg in ein Nachbardorf zur Kirche zu machen. Auch in seinem Hause war er selten zu treffen. Wenn man seinen Bruder nach ihm fragte, so war dessen regelmäßige Antwort, der Romedi sei halt wieder „in dö Stoaner!“

Auf dem Hofe der Emerenz ging es diese Zeit hindurch um so lebhafter zu. Ein Gerichtsbote gab dem andern die Thürklinke in die Hand. Die junge Witwe hatte viel zu unterschreiben, aber nichts Erfreuliches. Inzwischen, hieß es, sei der Kramer eifrig drauf aus, alle kleineren Hypotheken aufzukaufen, und zahle dafür den vollen Wert. Einige munkelten auch, daß er die Absicht hege, die immer noch schöne Emerenz zu heiraten, wurden jedoch mit ihrer Vermutung von andern herb ausgelacht.

Etwa eine Woche vor dem Termin der Versteigerung erzählte man sich, daß der „Stoandlnarr“ nun gar „af Münken (München) außi“ sei. Der müsse wohl „a woltern“ großes Geschäft haben, daß er eine so weite Reise unternehme. Da man den Romedi aber ohnedies nicht zu den normalen Menschen, sondern nur zu den „Halbausgebackenen“ rechnete, kümmerte man sich auch nicht weiter um den Zweck seiner Reise. …

[869]

Vor Paris nichts Neues.
Nach dem Gemälde von C. Röchling.

[870] Der für Emerenz so verhängnisvolle Tag war herangekommen. Ein warmer Frühherbsttag, an dem die Sonne so recht freundlich vom Himmel lachte. Kaum zeigte sich noch das erste gelbe Laub an Baum und Strauch. Im weiten Obstanger beim Praxmarer hingen die reifen Birnen und Aepfel an den Bäumen, daß es ein herrlicher Anblick der Fülle und des Reichtums war. Und dieses schöne Besitztum sollte heute „zertrümmert“ werden.

Der Beginn der Versteigerung war auf neun Uhr vormittags angesetzt worden. Man hatte einen Tisch mit Schreibzeug und Papier hinter dem Haus am Rande des Angers aufgestellt, mehrere Stühle darum herum und einige Bänke in der Nähe, da man einen großen Zufluß von Leuten erwartete, welchen die Stube vielleicht gar nicht gefaßt hätte.

Ein uralter riesiger Nußbaum breitete seine Aeste wie schützend in der Nähe des Tisches aus. Der Baum war schon längst von der Sage umwoben. Es hieß, ein Bergknappe aus Schwaz habe ihn zu Zeiten des münzreichen Erzherzogs Sigismund von Tirol gepflanzt. Der sagenhafte Knappe sei in dem Silberbergwerk zu großem Reichtum gelangt und von dort zu ständigem Aufenthalt her ins Dorf übergesiedelt, wo er sich einen Hof baute. In der That fand sich der stolze Praxmarerhof schon in den ältesten Kirchenregistern, so daß seine Erbauung ganz gut in die erwähnte Zeit hinaufreichen konnte. Die Praxmarer waren einmal viel reicher gewesen und hatten in den Franzosenkriegen großen Schaden gelitten. Deswegen hatte aber der verstorbene Vater der Emerenz doch behaupten können, daß er recht gut durch die Welt kam.

An den Nußbaum im Anger knüpften sich die ältesten Familientraditionen. Es hieß, mit ihm lebe und sterbe das Glück des Hauses. Nun stand er noch ebenso stolz da und sollte heute den Zusammenbruch des lange vererbten Besitztums erleben und einen neuen Herrn bekommen.

Es war schon halb zehn Uhr vormittags. Eine Menge Leute hatte sich bereits auf dem Anger eingefunden, zum größten Teil wohl Neugierige. Auf den Bänken saßen aber auch einige behäbige Bauern, die dem Anschein nach an der Versteigerung teilnehmen wollten. Die Gerichtsherren ließen lange auf sich warten. Endlich kam der Adjunkt mit dem Gerichtsschreiber und einem dicken Amtsdiener, der einen großen Aktenpack hinterdrein schleppte. Die Emerenz war nirgend zu sehen. Den „Herren“ stellte eine Magd vom Hofe einen Liter roten Wein samt Gläsern auf den Tisch. Die zwangsmäßige Versteigerung konnte beginnen.

Unter den letzten, die sich eingefunden hatten, befand sich der Kramer Luis. Er ging großthuerisch zum Tische, an dem die Gerichtsherren saßen, und nahm dort neben dem dicken Amtsdiener Platz. Für ihn war kein Glas aufgestellt worden. Er hätte daher auch keinen Wein bekommen, wenn ihn nicht sein Nachbar eingeladen hätte, Bescheid zu thun.

Nach Verlesung der üblichen Formalitäten begann das Aufgebot.

Der Luis hatte die Verlesung des Gerichtsadjunkten mit boshaftem Grinsen begleitet. Dann ließ er seine Augen wie musternd an dem Bauernhof hinauf- und heruntergleiten, sah auf den Anger hinaus und blieb schließlich mit seinen Blicken an dem alten Nußbaum haften. Ein teuflisches Lächeln zuckte über sein häßliches Gesicht. Er versicherte sich mit einem Griff, ob eine schwere Axt, die er mitgebracht hatte, noch neben seinem Stuhl lehne. Krampfhaft umfaßte er den Stiel der Axt. Das seltsame Gebahren des Kramers war mehreren aufgefallen. Keiner konnte sich eine Erklärung dafür geben. Doch nahm jetzt das Aufgebot das ganze Interesse der Anwesenden so sehr in Anspruch, daß man dem Kramer Luis keine besondere Aufmerksamkeit mehr schenken konnte.

Das erste Aufgebot erzielte nichts. Auch ein Angebot unter dem Schätzungswert blieb ohne Erfolg. Waren wirklich nicht die richtigen Kauflustigen vorhanden oder sollte der Hof infolge einer vorherigen Verabredung möglichst im Preise heruntergedrückt werden? Kurz, es rührte sich niemand. Der Adjunkt begann schon ungeduldig zu werden und machte Anstalt, das Besitztum dem ersten Hypothekargläubiger zuzuschlagen.

Der Kramer Luis schien das kaum erwarten zu können. Er rückte unruhig auf seinem Stuhle hin und her. Jetzt sprang er empor. „Habt’s alle mitanander koa Schneid’, ös Fretter?“ schrie er. „Aber i hab’ a Schneid’ mitbracht – und dös a gehörige! dabei schwang er die blitzende Axt mit beiden Fäusten in die Höhe. Er war eilfertig zu dem alten Nußbaum gegangen. Man wußte sich sein Beginnen nicht zu erklären. Etliche mochten wohl glauben, der Kramer sei plötzlich „überg’schnappt“.

„Mein g’hört der Hof! Dös könnt’s mir glauben!“ keuchte der Luis. „I bin der neuche Herr auf dem Gut da! I hab’ anz’schaffen! Vor allem muß mir der Baum weg. Der nimmt mir zu viel Licht im Haus. Hahaha!“ Der Luis schlug eine grelle Lache auf. „Wollen sehen, wie lang’ das Glück der Praxmarer noch lebt und wie lang’ der Stern der Praxmarer noch sein’ letzten Glanz behalt’t. Soll ja alles z’sammen stehen und fallen mit dem alten Baum da! Und fallen soll’s! Alles z’sammen! Der Baum und das Glück!“

Mit einer Kraft, die man dem Luis gar nicht zugetraut hätte, führte er einen mächtigen Hieb gegen den Baumstamm, daß die Holzsplitter nur so davon sprangen. „Und wenn i ihn ganz allein fällen sollt’! Um muß er! I hab' mir’s g’schworen!“ Und wieder fuhr die Axt in den Stamm.

Das lähmende Erstaunen, das die letzten Augenblicke auf den Zuschauern lag, löste sich jetzt, da die Axt in das Holz einhieb. Laute Entrüstungsrufe ließen sich vernehmen. Man hatte allgemein das Gefühl, daß hier ein unerhörter Frevel geschehe, daß ein Heiligtum ruchlos verletzt werde.

Bevor aber die Anwesenden zu irgend einer That schreiten konnten, hatten sich die Ereignisse der nächsten Minuten schon entwickelt. Alles ging blitzschnell.

Als der erste Axthieb fiel, hörte man von der auf den Anger führenden Hinterthüre des Hofes einen schrillen Aufschrei, die Emerenz war in die Thür getreten und hielt sich krampfhaft an den Pfosten derselben, um nicht zu Boden zu sinken.

Gleich darauf wurde sie zur Seite geschoben. Ein kräftiger Bursch sprang durch die Thüre auf den Anger und hatte in wenigen Sätzen den Nußbaum erreicht. Man sah ein kurzes Ringen mit dem Kramer. Dann flog die Axt in weitem Bogen in den Anger hinaus und ihr nach eine ganz beträchtliche Strecke weit der Kramer Luis, laut schreiend und sich mehrfach überkugelnd.

Man erkannte den Romedi. Laute Beifallsrufe erhoben sich. Der Luis hatte sich inzwischen wieder „aufgekrallt“. Reden konnte er noch nicht. Nur einige kreischende unartikulierte Laute brachte er hervor.

Der Romedi war plötzlich ganz ruhig geworden und wendete sich spöttisch an den Kramer. „Hoi! Mannderl! Gelt, das is nit so schnell gangen als du dir’s hast tramen lassen! Um den Baum umz’hauen, müssen Leut’ kommen und keine Heuschrecken!“

„Fangt’s den Lumpen! Liefert’s ihn ins Zuchthaus!“ zeterte jetzt der Luis, der wieder näher gekommen war, sich aber noch immer in respektvoller Entfernung von den Fäusten des Romedi hielt. „Den Stoandlnarr, den verruckten! Legt’s ihm Ketten an!“

Man ließ den Wütenden schreien. Der Romedi hatte sich inzwischen an den Gerichtsadjunkten gewendet, lüpfte seinen Hut und meinte so gleichmütig, als ob nichts vorgefallen wäre und es sich höchstens vielleicht um ein frisches Krügel Bier handeln. „Nix für ungut, Herr G’richtsherr, daß i a bisserl rauh zugriffen hab'. Aber es wär’ um jedes weitere Spandl von dem Baum schad’ g’wesen. Und da hab’ i halt die ganze Sach’ a bisserl kurz abmachen müssen!“

Der Adjunkt, der den Romedi gut kannte, ein großer Naturfreund war und mit dem „Stoandlnarr“ schon öfters „Handelschaften“ gehabt hatte, mußte über diese „kurze Abmacherei“ herzlich auflachen.

„Was soll denn nachher die ganze G’schicht’ kosten?“ fragte der Romedi nach einer kleinen Pause.

„Was für eine G’schicht’?“. entgegnete der Adjunkt.

„Na ja, die Hypothek oder wie man’s heißt,“ meinte der Romedi „I kann’s und will’s amal nit zugeben daß der Hof da vergantet wird. I bin zehn Jahr lang Knecht g’wesen beim Praxmarer und alleweil guat g’halten worden. Jatz will i mi halt auch erkenntlich zeigen.“

[871] „Ja, mit einer Kleinigkeit ist da nicht mehr g’holfen. Bist du denn auch im Besitz der erforderlichen Mittel?“ erwiderte der Adjunkt, während sich ein Kreis von Neugierigen um die beiden sammelte.

„Vielleicht langt’s,“ klopfte der Romedi auf seine Brusttasche. „Kaiserlich’s G’schloß darf’s freilich kein’s kosten. Dös kann so a armer Stoandlnarr nit erschwingen!“

Der Kramer Luis hatte sich jetzt ebenfalls ganz in die Nähe der Unterhandelnden gewagt und schoß tückische Blicke nach dem Romedi. Der Adjunkt nannte die Summe der Hypothek.

„Sakra! Sakra!“ kratzte sich der Romedi hinter den Ohren „da wird’s völlig nit langen! Jatz müßt’s schon a bisserl Geduld haben, Herr Grichtsherr,“ wandte er sich wieder an den Adjunkten, „bis i mein Gersterl gezählt hab’.“ Er brachte umständlich eine große lederne Brieftasche zum Vorschein entnahm ihr einen stattlichen Pack Banknoten und ein abgegriffenes Sparkassabuch und reichte beides dem Adjunkten hin. Dieser nahm eilig Einsicht in den Besitzstand des Romedi, meinte jedoch bedauernd „Zur Deckung der ganzen Hypothek reicht das freilich nicht. Aber vielleicht läßt der Gläubiger den Rest noch auf dem Hof stehen?“

„Nix lass’ i stehen, gar nix! Alles muß auszahlt werden!“ zeterte der Luis, der gleich den übrigen, die sich um den Tisch geschart hatten mit wachsendem Erstaunen die erhebliche Summe betrachtete, die der Romedi dem Gerichtsbeamten übergeben hatte.

Der Romedi erwiderte auf den Einwurf des Kramers kein Wort. Nur einen kurzen Pfiff ließ er hören, nahm seine Banknoten und das Buch wieder in Empfang, steckte beides in die Brieftasche, band die Schnur darum fest, legte die Brieftasche auf den Tisch und setzte sich selbst breitspurig auf sein Eigentum, die Füße von der Tischkante baumeln lassend und dem ganzen wohllöblichen Gericht den Rücken zukehrend.

Eine Weile herrschte Schweigen. Der Romedi musterte seine Umgebung, übersah jedoch den Luis absichtlich, der ihn ängstlich beobachtete, als wenn er nichts Gutes ahnen würde.

„Lass’ mich amal trinken, bevor i red’!“ kehrte sich der Romedi auf dem Tisch mit einer halben Wendung nach dem Amtsdiener um, der ihm bereitwillig ein Glas voll Wein bot.

„Gar kein übler Tropfen!“ meinte der Bursch, indem er den Wein gleichmütig austrank und sich dann wieder zu den Bauern wandte, die ihn, neugierig auf das, was nun kommen werde, umstanden. „Jatz frag’ i enk g’rad’“, meinte dann der Romedi mit der größten Seelenruhe, „ob unter enk alle, wie’s da seid’s, kein einziger ehrlicher Mensch mehr z’finden is! Daß der da“ – er deutete mit dem Daumen der rechten Hand auf den Luis – „a Haderlump is, den der Teufel auf der Wanderschaft verloren hat, weiß i. Daß ös aber noch dem Lumpen helft’s, hätt’ i mir nit im Traum einfallen lassen!“ Er kam in Eifer. „A Schand’ is ’s und a Schmach! I kenn’ nit nur ein’ unter enk, dem, wie’s ihm knapp gangen is, der alte Praxmarer auf die Füß’ g’holfen hat mit Geld und Gutsteh’n! Und iatz hat’s ja völlig ’s Herschauen, als ob’s ös alle miteinander es nit erwarten könnt’s, daß die leibliche Tochter von demselben Praxmarer mit’m Bettelsack auf’m Buckl außi zieht von demselben Hof, wo so mancher von unserm Dorf a Sackl voll Geld außi tragen und damit seine Schulden zahlt hat! Schamt’s enk alle miteinander! Pfui Teufel!“

Ein Murmeln ließ sich unter den Umstehenden vernehmen. Es war eher für den Romedi als gegen ihn. Er war durch den „Tschüppel“ Banknoten, den er hatte sehen lassen, offenbar in der Achtung der Bauern bedeutend gestiegen.

„Recht hat der Romedi eigentlich schon und brav g’red’t hat er auch!“ ließ sich jetzt der Zirmer Jörg, ein Kleinhäusler vom Berg droben, vernehmen, den der Kramer schon einmal wegen einer kleinen Schuld hatte auspfänden lassen. „Aber unsereinem darf man’s nit für übel haben, Romedi, wann er sich nit rührt. I hab’ die Stuben voll Kinder und nix als die klare Not. Und was von derer noch übrig bleibt, mußt dem Steuerboten geben. Da is ’s g’hupft wie g’sprungen. Z’ Neujahr is halt dann der Geldbeutel wieder ak’rat so leer wie der Magen!“

„Von dir verlangt’s auch niemand!“ erwiderte der Romedi. „Aber von mir kann’s auch unmögli wer verlangen, daß i um a paar Tausender mehr ausbrüt’, wenn i noch länger da auf meiner Brieftaschen hock’!“

„Hol’ mich der und der!“ ließ sich da auf einmal die Stimme eines alten Bauern vernehmen, der bisher im Hintergrund verweilt hatte und sich jetzt zu dem Tisch durchdrängte. Es war der Hochlechner, Altvorsteher und gegenwärtig noch Kirchpropst, einer der angesehensten Bauern im Dorf. Jetzt stand er vor dem Romedi und schüttelte ihm kräftig die Hand. „Du bist a braver Mensch!“ meinte er. „Bei Gott und die vierzehn Nothelfer, i laß’ es nit g’schehen, daß sich der alte Praxmarer vor Kummer noch im Grab umdrehen muß! Wenn dir mit dei’m Antrag Ernst is, Romedi, so komm’ i für'n Rest auf – und guat is ’s, daß ’s wahr is!“ Dabei hieb der alte Hochlechner mit der geballten Rechten zur Bekräftigung seiner Worte derart auf den Tisch, daß die Tinte aus dem Geschirr und der Wein aus den Gläsern spritzte.

Der Romedi war vom Tisch heruntergerutscht und steckte seine Brieftasche wieder ein, während der Kramer Luis den Altvorsteher krampfhaft am Aermel zerrte. „Aber Hochlechner, du wirst doch nit dein gutes Geld in den über und über verschuldeten Hof stecken!“

Der Bauer riß sich mit einem unwilligen Ruck von dem Zudringlichen los und meinte spöttisch: „Is ’s etwa nit mein Geld? Oder bin i dir vielleicht auch was schuldi, daß dir so an mei’m Geld liegt?“

„Beileib’ nit!“ versicherte der Luis eifrig. „Aber dös hätt’ i mir nie denkt, daß du auf deine alten Tag’ noch leichtsinnig wirst!“

„Besser leichtsinnig als so a zacher Höllenbraten wie du!“ erwiderte der Bauer. „Uebrigens liegt mir jetzt mein Geld beim Praxmarerhof sicher g’nug, seitdem i eing’sehen hab’, daß du das ganze Anwesen nur aus elendiger Bosheit hast auf die Gant bringen wollen. Oder war’s vielleicht koa Bosheit nit, daß du dich mit dem Anbot vom Romedi nit hast z’frieden geben wollen? A jeder von uns wär auf dös bare Geld drauf tappt. Ang’sehen hat’s dich freilich. Dös hat man schon aus deine Augen kennt, aus denen der Geizteufel außi schaut. Aber die Bosheit hat dich nit lassen! Und siehst, Kramer, derer Bosheit dreh’ i jatz justament ’s G’nack um! Justament!“

„Thua’s nit! Thua’s nit!“ eiferte der Luis, dem der helle Angstschweiß auf die Stirn trat, da er sein Beginnen vereitelt sah. „Schau’, Altvorsteher i mein’ dir's gut!“

„Du und gut meinen!“ lachte der Bauer verbissen. „Weißt was, Kramer, den besten rauch’ i ohne dem schon lang’ nimmer gegen dich. Wenn du mir jatz aber noch ein einziges Wörtel sagst, nur noch ein einziges Wörtel, dann -,“ der Hochlechner holte mit der Rechten aus, während sich der Kramer furchtsam einige Schritte zurückzog.

Der Romedi schlug dem Altvorsteher auf die Schulter, daß es nur so „krachte“, und rief: „Hochlechner, heut’ bist du mir der liebste Mensch im ganzen Tiroler Land. Gern hab’ i dich alleweil g’habt, weil i g’wußt hab’, daß d’ a Herz im Leib hast. Siehst, und heit’ versprech’ i dir was! Paß’ gut auf: Wenn’s einen von uns zwei amal in’n Himmel treffen sollt’ und den andern noch auf a paar Jahrlen ins Fegfeu’r – und i wär der eine, der a bequem’s Platzerl im Himmel erwischt hat, meiner Seel’, i machet dir glei’ Platz, Altvorsteher, und ging’ für dich ins Fegfeu’r, deine Zeit drunten aberhocken!“

Die Umstehenden lachten. Der Altvorsteher meinte gemütlich: „Hoffentlich laßt uns der Peterl beide eini, bald wir amal daher tscholdern.“

Wenige hatten während der letzten Unterhandlungen auf die Emerenz acht gegeben. Sie war von ihrem Posten an der Thüre nicht gewichen – sie hatte alles mit angehört. Ihr Atem flog, und sie bebte am ganzen Körper, da sich ihr Schicksal jeden Augenblick entscheiden sollte. Es drängte sie mehrmals, dem Romedi zu Füßen zu stürzen. Dann schämte sie sich wieder, es hier vor allen Leuten zu thun. Wie würde er sie wohl aufnehmen? Wenn er sie hart zurückstieß? – Doch jetzt war ihr Schicksal entschieden. Sie brauchte nicht mehr hinaus ins Elend. Es litt sie nicht mehr länger an ihrem Platz. Mit wankenden Knieen ging sie auf ihren Retter zu. (Schluß folgt.)


[872]

Tragödien und Komödien des Aberglaubens.

Klopfgeister.
Zum fünfjährigen Jubiläum des Tischrückens und des Geisterklopfens. Von Rudolf Kleinpaul.

Ein junger Schiffsarzt, der kürzlich von einer Reise nach Kamerun zurückkam, erzählte unter anderem auch von dem merkwürdige Fernsprechverkehr, in dem die dortigen Neger seit alten Zeiten stehen. An jedem Orte befindet sich eine Art Trommel, die aus einem hohlen Baumstamme gefertigt ist. Auf dieser Trommel wird mit zwei Stöcken förmlich gesprochen. Man hört die Schläge eine halbe Stunde weit, und so kann in kurzer Frist durchs ganze Land getrommelt und eine wichtige Nachricht weitergegeben werden. Die Könige erhalten dadurch ihre Meldungen und erteilen ihre Befehle auf weite Entfernungen. Die jungen Dualla lernen die Trommelsprache, wie die deutschen Kinder Englisch und Französisch, und zwar mit ebensoviel Mühe, denn sie ist keineswegs leicht. Diese geheimnisvolle Verständigung, von der man sich gelegentlich auf den Völkerwiesen in den Zoologischen Gärten überzeugen kann, existiert bei vielen Negerstämmen. In der Nähe haben sie noch andere Zeichen, die sie sich dadurch geben, daß sie sich auf die aufgeblasenen Backen klopfen.

Wir klopfen an die Thüre. Was ist da weiter zu verwundern? – Die Kameruner haben nur eine Sprache ohne Worte ausgebildet, die am Ende auch andere Leute besitzen und tagtäglich neben der gewöhnlichen anwenden. Es sind Lärmzeichen oder akustische Signale, wie sie im Militärdienst ebenfalls sehr häufig mit der Trommel, der Trompete und dem Horn gegeben werden; auf dem Turme bedient man sich der Glocke, im Hause der Klingel, im Hotel des Tamtams, an der Thüre eines eisernen Ringes oder Hammers – im gewöhnlichen Leben behilft man sich oft auch ohne Instrumente, man pfeift nur oder klatscht oder pocht mit dem Finger an. Auch glaube man nicht, daß wir diese einfachen Zeichen nicht ebenfalls entwickelt und zu einer mehr oder minder vollkommenen Sprache ausgebildet hätten.

Verweilen wir einmal bei einer so elementaren Kundgebung, wie das Anklopfen eine ist. Es kann sehr wohl bekannt sein wie einer klopft, es kann sehr wohl ausgemacht werden, wie einer klopfen soll. Weltberühmt ist das Wort Beethovens, mit dem er den ersten Satz der c-moll-Symphonie selbst charakterisiert hat: So klopft das Schicksal an die Pforte. Gemeint sind die vier Noten, welche kurz und bündig wie Hammerschläge in das Leben hereinhallen:

Das Motiv soll dem Komponisten eine Goldammer im Walde zugetragen haben, das klingt höchst unwahrscheinlich. Das Motiv konnte Beethoven vielmehr an jedem Thor hören, wenn er wollte. In Wien haben noch einzelne alte Paläste ihre eisernen Thürklopfer, in Rom und in London sieht man einen „Knocker“ an jedem Hause. In Rom klopft man soviel mal an die Hausthüre, als die Familie, die man sucht, Stock hoch wohnt; in London sind die Schläge in Häusern, die nur von einer Familie bewohnt werden, genau geregelt, so daß man den Stand des Besuchers daran erkennt. Ein Hausierer, ein Diener hat nur einmal zu klopfen. Ein Gentleman klopft zweimal, er macht den herkömmlichen Double-Knock, das heißt, zwei kräftige Schläge, zwischen die mehrere kurze Noten wie ein Tremolo eingeschoben werden.

Wenn man einen Besuch machen will und diese zarte Andeutung unterläßt, so kann es vorkommen, daß man warten muß. Der Bäcker klopft dreimal. Der Briefträger bringt, sobald er die Post in den Kasten geworfen hat, einen Jambus, das heißt, einen Versfuß hervor, der aus einer kurzen und einer langen Silbe besteht, also etwa so:

Dieser postalische Klopf, den auch der Telegraphenbote braucht, ist unter der Bezeichnung the Postman’s Knock bekannt und beliebt. Das Klopfen begünstigt eine solche Geheimsprache noch mehr als das Klingeln, obgleich auch die elektrische Klingel zu eingehenden Mitteilungen verwendet werden kann und wird.

Auch im Aberglauben spielt das Klopfen eine wichtige Rolle. Zu den verschiedensten Zeiten und bei den verschiedensten Völkern glaubte man, daß die Geister, wenn sie sich mit den Menschen auf Erden verständigen wollen, vorzugsweise dieses Mittel wählen. Auch die Geister sollen ja klopfen und uns damit von ihrer Anwesenheit wie ein Fremdling, der draußen steht, unterrichten.

„Wenn man einen Verstorbenen, der jetzt im Geistereiche weilt,“ sagt der amerikanische Spiritist Davis, „inbrünstig anruft und befragt, so erhält man eine Antwort, die geklopft wird. Durch eine willkürliche Entladung magnetischer Ströme sind die Geister imstande, ein Klopfen hervorzubringen. Das Klopfen erfolgt wie beim Telegraphen nach den Buchstaben des Alphabets.

Die Leute, die mit den Geistern verkehren und die Klopfsprache verstehen, nennt man in Amerika Spirit-rappers, wörtlich Geister-klopfer (to rap, klopfen). Wir drehen die Sache herum und reden rationeller von Klopfgeistern , wie wir von Poltergeistern reden.

„Geklopft“ hat es, wenn man den Gelehrten glauben will, schon im grauen Altertum. Aber verstanden worden ist die wunderbare Sprache erst vor fünfzig Jahren in Nordamerika, daher wir in der Zeit der Denkmäler und der Jubiläen willig das Jubiläum des Geisterklopfens feiern!

In dem Dorfe Hydesville in der Grafschaft Monroe wohnte ein gewisser Michael Weckman. Er hatte sich eben spät abends nach harter Arbeit zur Ruhe gelegt und gedachte gerade einen langen Schlaf zu thun, als er plötzlich wieder aufwachte. Es hatte geklopft. War jemand da? – Keine Menschenseele. Er ging also wieder zu Bett. Da klopfte es abermals und stärker. Wieder sah er hinaus, und wieder fand er niemand, auf der Straße war alles still. Und immer klopfte es wieder. Nun achtete der Mann nicht mehr darauf. Das ging eine Zeit lang so fort, er wurde das Gepoche nachgerade gewohnt und hörte es gar nicht mehr, doch wurde ihm die Sache am Ende unbequem. Und da auch sein Töchterchen einmal des Nachts entsetzlich zu schreien anfing, weil ihm eine kalte Hand übers Gesicht gefahren war, so kündigte Michael Weckman das Logis und zog aus.

Achtzehn Monate lang stand das Haus leer; dann wurde es an eine deutsche Familie, die Familie Fox vermietet, die es im Dezember 1847 bezog. Es waren Methodisten, Vater, Mutter und drei Töchter, der Mann hieß eigentlich Voß, er hatte sich aber verengländert und nannte sich Fox, was immer noch nicht so schlimm war, als wenn sich Herr Vogel in Amerika 'Bird' Herr Bernstein 'Amber' und Herr Feuerstein 'Flint' nannte, denn Fox ist ganz derselbe Name wie Voß, beides nur eine andere Form von Fuchs. Mit Fuchses ging nun das Klopfen eigentlich erst recht los, aber sie wußten es besser zu nehmen. Sie zeigten sich für etwas Höheres empfänglich. Es war im März des Jahres 1848, wiederum spät abends, die Eltern wollten sich eben zu Bett begeben, die Mädchen lagen schon drin, da klopfte es von neuem. Die drei „Grazien“ wurden aufmerksam, sie schnipsten mit den Fingern. Sieh da! es schnipste wieder. Sie fingen an, in die Hände zu klatschen und Eins, Zwei, Drei zu zählen – der Teufel zählte mit.

Nun fand die Frau Mutter für gut, von der Sache Notiz zu nehmen. „Zähle einmal bis Zehn, du lieber Geist!“ sagte Mrs. Fox zu dem unsichtbaren Dinge. Es klopfte zehnmal. „He, weißt du auch, wie alt meine Tochter Kitty ist?“ – Dreiundzwanzig Klopfer. Es stimmte aufs Haar. „Und Fanny, wie alt ist die?“ – Einundzwanzig Klopfer. „Cecilia?“ – Neunzehn Klöpflien, dazu noch ein Ansatz, als ob das Ding hätte sagen wollen, daß morgen der Geburtstag der Jüngsten sei. Das ging doch ins Aschgraue!

„Aber, wer in alter Welt bist du denn eigentlich? Nennt man dich ein menschliches Wesen?“ – Keine Antwort. „So bist du wohl ein Geist? Ist es an dem, so klopfe vernehmlich zweimal!“ – Und es klopfte wirklich zweimal.

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Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.
Orientalin.
Nach dem Gemälde von N. Sichel.

[874] Durch vieles Hin- und Herfragen brachte Frau Fuchs nun auch noch den Namen des Klopfgeistes heraus. Es war Charles Ryan, der Hausierer, den ein Schneidergeselle vor ein paar Jahren ermordet hatte und der damals eine Frau und fünf Kinder hinterließ; die Frau war ihm inzwischen in die Ewigkeit nachgefolgt. Die Fuchs vergewisserte sich nun noch, ob sie die Nachbarn holen dürfe, damit diese mit dem interessanten Fremdling auch Bekanntschaft machten. Der Geist hatte nichts dagegen. Der nächste Morgen sah nun ganz Hydesville um das Haus der Familie Fox versammelt, wo der Verkehr mit dem Jenseits eröffnet war. Auch andere Verstorbene fanden sich ein und beantworteten klopfend die vorgelegten Fragen, die merkwürdigsten Enthüllungen wurden gemacht, man seufzte und betete, doch gelang das Orakel nicht immer – natürlich, die Sache war noch zu neu.

Darüber zog nun die Familie Fox nach der Hauptstadt der Grafschaft Monroe, nach der Stadt Rochester, aber nicht ohne die befreundeten Geister mitzunehmen, welche sich vielmehr an ihre Fersen hefteten und im Möbelwagen folgten. Auch in der neuen Wohnung klopfte es aus den vier Wänden, aus dem Fußboden, von der Decke, kein Mensch wußte, wie das zuging, man konnte fragen was man wollte, ja, man konnte die Frage nur in Gedanken stellen, so erhielt man eine Antwort, und die Antwort traf, wenn sie sich kontrollieren ließ, regelmäßig den Nagel auf den Kopf. Rochester stand vor einem Wunder, einem unergründlichen Geheimnis; die besten Familien steckten die Köpfe zusammen, ein Komitee wurde ernannt, die Sache zu untersuchen, den Klopflauten auf die Spur zu kommen und das Rätsel zu lösen. Alles vergebens. Die drei Grazien mußten mit bloßen Füßen, an Armen und Beinen gefesselt, auf ein weiches Kissen treten, so daß an Bewegungen irgend welcher Art, geschweige denn an ein Pochen, gar nicht zu denken war; dennoch ging das Unwesen weiter wie eine Klappermühle. Das Klappern hörte man, aber die Mühle, die Mühle, wo steckte sie? – Das Komitee mußte gestehen, es könne den Vorgang nicht begreifen, aber ein Betrug sei ausgeschlossen. Mit den Zehen habe gewiß niemand geklopft. Das Gutachten wurde zu Protokoll genommen und in New York durch eine Flugschrift bekannt gemacht.

Inzwischen trat der spiritistische Fernsprechverkehr in eine neue Phase. Man stand bei Fuchsens um einen runden Tisch herum dieser klopfte jetzt. Wenn die rechten Personen die Hände darauf legten, durch Berührung der kleinen Finger eine Kette bildeten und in die andere Welt hinüber fragte, so hob der Tisch aus, kippte nach hinten und tippte dann wieder mit dem Fuße auf den Boden. Einmal, zweimal, dreimal tippte er, das war das Table-tipping, wie es hieß. Indem der Tisch am Ende ein eigenes Leben bekam und drehend wurde wie ein Schaf und vorwärts raste wie ein Besessener, schloß sich daran das magische Tischrücken oder das Table-turning. Was bedeutete das? – Offenbar eine andere Art zu sprechen, ein Sprachorgan, dessen sich die Seelen der Verstorbenen jetzt greifbar und sichtbarlich bedientem sie wohnten in dem Tische wie Gottheiten in einem Fetisch, waren in ihn wie Dämonen hineingefahren und regierten ihn wie ein Werkzeug. Zugleich kam der Möbeltischler Isaak Port, der den Tisch geliefert hatte, stolz auf sein Fabrikat, auf den Gedanken, dem Tische das Alphabet herzusagen und ihm ein besseres Ausdrucksmittel an die Hand zu geben. Jedesmal wenn der richtige Buchstabe drankomme, sollte der Tisch so gut sein und ein Zeichen geben und klopfen – auf diese Weise konnte er mittelbar in menschlicher Sprache reden und ganze Worte und Sätze zusammenklopfen. Das ging, welch eine herrliche Entdeckung! Damit war die Umwandlung der Klopfsprache in das Englische vollzogen! – Nur ging es, weil jedesmal das ganze Alphabet von neuem hergesagt und dann der richtige Laut ausgewählt werden mußte, ziemlich langsam.

Eine Erleichterung des etwas schwerfälligen Verfahrens und eine wahrhaft epochemachende Neuerung verdankten die „Füchse“ einem Hasen, nämlich dem Herrn Doktor Hase oder (englisch) Hare, der ihnen den Psychographen oder das Spiritoskop erfand. Das war eine Erfindung, wie die der Taschenuhren. Hare, ein Mathematiker, konstruierte eine Art Zifferblatt, auf dem die Buchstaben des Alphabets und die Ziffern von Eins bis Zehn im Halbkreise angegeben waren, im Mittelpunkte brachte er eine Welle an, die einen Zeiger trug. Nun mußte jemand da sein, der mit Geistern umzugehen verstand und Glauben hatte. Legte dieser seinen Finger auf die Stelle, so drehte sich der Zeiger und wies auf einen Buchstabe nach dem anderen hin, so daß man das Orakel nun im Nu zusammenstellen konnte wie der Telegraphenbeamte das Telegramm. Es handelte sich nur noch darum, aufzupassen und genau abzulesen, was die Geister, die in dem Finger des Sekretärs wirksam waren, gleichsam andeutungsweise schrieben; denn direkt schrieben sie noch nicht. Der Tisch war ganz beseligt.

Am Ende ließ sich aber auch noch der Psychograph beseitigen. Der Geist konnte auch gleich die Hand des Sekretärs selber nehmen und wie einen Federhalter gebrauchen, indem er die Feder oder den Bleistift anfaßte und schrieb. Das ward anfänglich so gemacht: man steckte an ein Tischchen, an die sogenannte Planchette, einen Bleistift, einer der Anwesenden mußte die Hand auf das Tischchen legen, und nun wartete man, bis die Person in die Verzückung, in den sogenannten Transitus, englisch: Trance, verfiel. Trat dieser der Hypnose ähnliche Zustand ein, so stand der Kundgebung der Geister nichts mehr entgegen; der Apparat setzte sich in Bewegung, der Bleistift begann zu schreiben, magische Figuren und Chiffren zu entwerfen, der Geist stand gleichsam wie ein Schreiblehrer hinter dem Medium und führte ihm die Hand, vermittelst der Hand das Tischchen und vermittelst des Tischchens den Bleistift. Allmählich ward dann das Tischchen ausgeschaltet und die Geister schrieben nur noch mit der Hand des Mediums, wie sie vorher geklopft hatten mit den Medien. Der letzte Fortschritt war, daß die Geister auch noch das Medium ausschalteten und höchst eigenhändig schrieben und zeichneten.

Direkte Geisterschriften erschienen zur Zeit der spiritistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten auch in Stratford, im Hause des Dr. Phelps, wo außerdem die Messer und die Gabeln, die Tische und die Stühle wie Federn herumzufliegen pflegten, indem seine beiden Kinder berühmte Medien waren. Zu Guadalupe in der südamerikanischen Republik Uruguay erschien eine spannende, auf dem Psychographen hergestellte Novelle mit dem Titel Hannchen (Juanita). Sie war von einem Stuhl verfaßt, also einem Medium von oben her eingegeben worden. In den Vereinigten Staaten allein gab es damals an dreißigtausend Medien.

Solche Personen, deren sich die Geister zu ihren Aeußerungen bedienen, nennt man nämlich Medien, daher auch der Spiritismus in dem gelehrten Deutschland vielfach Mediumismus heißt. Ein Medium, ein gut arbeitendes Medium, ein Schreibmedium, ein Klopfmedium braucht man zur Vermittelung der spiritistischen Phänomene, nur so erstehen die mediumistischen Manifestationen neu. Der Begriff ist ebenfalls von Amerika ausgegangen, aber nachgerade üppig ins Kraut geschossen. Das Medium ist das wunderbare, sensitive Wesen, das den Verkehr mit dem Jenseits einleitet und die Geister zum Sprechen bringt. Die Fräulein Fox waren Medien gewesen, und so oft sich seitdem ein junges Ding empfänglich zeigte und als ein überirdisches, unfaßbares, luftförmiges Geschöpf entpuppte, erteilte man ihm den pompösen lateinischen Titel eines Mediums. Bekanntlich bedarf es im städtischen Telephonverkehr eines Vermittelungsamtes, mitdem die einzelnen Teilnehmer zunächst verbunden sind und in dem dann die Leitungen untereinander verbunden werden. Das Vermittelungsamt muß man anrufen, wenn man mit jemand sprechen will, das Vermittelungsamt trennt die beiden Leitungen wieder, wenn das Gespräch beendigt ist. So sollten nun auch die beiden Welten, die Lebendigen und die Toten, miteinander nur verkehren können, wenn zwischen beide ein Medium eingeschaltet ist; es stellt die Verbindung her, in ihm laufen die Drähte der Ober- und der Unterwelt zusammen, es reicht wie ein Riese mit der einen Hand in die Kette der Anwesenden mit der andern in den Ring der Unsterblichen und läßt für einen Augenblick das Jenseits hinein ins Diesseits ragen, bis es, zu guter letzt, die Leitungen wieder trennt! Man sieht in der Sache, wenn sie auch Wahnsinn hat, steckt doch Methode.

Die Unterhaltung mit den Geistern beruht auf Selbsttäuschung, die sich mitunter bis zum Irrsinn steigern kann. Und wie viel auch die Geister geklopft und geschrieben haben mögen, die ewigen Rätsel des Jenseits sind durch diese Mitteilungen für den Unbefangenen nicht im geringsten gelöst worden.


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Blätter und Blüten.

Gartenlaube-Kalender für das Jahr 1898. Die „alten“ Kalender für das Jahr 1897 werden bald ihren Zweck erfüllt haben und bereits am Jahresschluß tritt der „neueste“ in sein Recht. Da möchten wir unsere Leser auf den „Gartenlaube-Kalender“ aufmerksam machen, der sich schon seit einer Reihe von Jahren, wie seine Verbreitung beweist, einer großen Beliebtheit im deutschen Hause erfreut. Wie seine Vorgänger erscheint im Verlage von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1898 als ein schmales Bändchen Er bietet nicht nur die notwendigen kalendarischen Daten, sondern auch belehrende Notizen wie Post- und Telegraphietarife, statistische Notizen für das Deutsche Reich, Genealogie der europäischen Regentenhäuser u.s.w. Dabei sorgt er auch in ausgiebigem Maße für Unterhaltung, bringt fesselnde Novellen, lustige Scherze und auch interessante Artikel. Die allbeliebte Erzählerin W. Heimburg ist mit einer spannenden und sinnigen Erzählung „Großmutters Kathrin“ vertreten, dieselbe reiht sich als eine neue Perle an die Serie von Novellen „Aus meinen vier Pfählen“, die seit dem Jahre 1888 in dem „Gartenlaube-Kalender“ erscheint. Fritz Bergen hat diese neueste Erzählung W. Heimburgs mit reizenden Illustrationen geschmückt. Außerdem enthält unser Kalender noch folgende Novelle: „Der Seefahrer“, eine Reisegeschichte von Eva Treu mit Illustrationen von A. Liebing, und „Die Heimat“ von Ludvika Blütter mit Bildern von E. Liebich. Sehr interessant und zeitgemäß ist die Abhandlung „Ist Radfahren gesund?“ von Dr. med. Fr. Dornblüth. einen praktischen Kern birgt die postalische Plauderei: „Was von einer richtigen Adressierung abhängt“, während die Beiträge „Bierstudien“ von Dr. Emil Jung und „Rettungs-Apparate für Schiffbrüchige von M. Hagenau der Belehrung Rechnung tragen Dr. Hermann Diez liefert einen gedrängten „Tagesgeschichtlichen Rückblick“ für das verflossene Jahr. Aus dem reichen Bilderschmuck seien noch die Kunstblätter von E. Rau, A. Müller-Lingke und C. Schweninger hervorgehoben. – Dank dieser Mannigfaltigkeit wird auch der neue „Gartenlaube-Kalender“ unsern Lesern willkommen sein. Die gut ausgewählten litterarischen Beiträge geben ihm einen höheren Wert, der über die Jahresfrist hinausdauert. Nachdem das Bändchen als Kalender seinen Dienst gethan, bildet es eine Bereicherung der Hausbibliothek.

Ein alpiner Pflanzenhort. Es giebt einige Tierarten die längst ausgestorben wären, wenn die Menschen sie nicht unter besonderen Schutz gestellt hätten. Wir erinnern nur an das Auerwild, das unter der Obhut der Kaiser von Rußland in der Bialowiezer Heide ein Asyl gefunden hat, und an den Steinbock, für dessen Erhaltung in den Alpen die Könige von Italien gesorgt haben. Bei gleicher Gefahr wie jene Tierarten wird auch eine Anzahl der alpinen Pflanzen bedroht. Diese Tatsache läßt bei dem Naturfreunde den Wunsch rege werden, für diese gefährdeten Pflanzen Zufluchtsstätten zu schaffen, einen alpinen Hort zu gründen, in dem sie gehegt und gepflegt werden können. In den „Mitteilungen des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins“ giebt Eduard Sacher in Krems a. d. D. eine Anregung, die sehr beachtenswert ist und eifrige Unterstützung verdient. Da die Alpenpflanzen je nach ihrer Art einen bestimmte Hintergrund und eine bestimmte Höhenlage verlangen, könnte der Pflanzenhort räumlich nicht an eine Stelle gebunden sein, sondern müßte mehrere Räume in verschiedenen Höhenlagen umfassen. Einige der Anlagen müßten in den Centralalpen, andere in den Kalkalpen und andere wieder im dem Schiefergebirge gelegen sein. Jede Anlage sollte außerdem Stationen in verschiedenen Höhen von 600, 1100, 1600 und 2200 m haben. Außer der Fürsorge für die Erhaltung gefährdeter Pflanzenarten würden diese Horte noch andere wissenschaftliche Aufgaben verfolgen. Man könnte mit ihnen auch praktische Zwecke verbinden. Ein solcher wäre z. B. der Anbau von Getreide und anderen Samen in größeren Höhenlagen zum Zwecke der Abhärtung der Samenkörner, da solche erfahrungsgemäß, später in tiefere Regionen gebaut, sehr günstige Erträge liefern. Einen ganz besonderen Nutzen würden die Pflanzenhorte noch bringen, wenn man in ihnen Studierzimmer für Botaniker einrichte wollte, in welchen Gelehrte und Fachleute für einige Tage oder Wochen ihre Studien ablegen und gegen entsprechende Bezahlung Unterkunft und Verpflegung finden könnte. Ueberhaupt sollten die Pflanzenhorte zu botanischen Versuchsstationen ausgestaltet werden, sollten ein Gegenstück zu den an Tieresufern bereits vorhandenen Zoologischen Stationen bilden. Als vor Jahren Dohrn die erste Zoologische Station in Neapel gründete, konnte er selbst nicht wissen, daß sie im Laufe eines Vierteljahrhunderts die wichtigste Stätte zur Förderung der Zoologie werden würde. Der alpine Pflanzenhort kann vielleicht hinsichtlich der Botanik Aehnliches leisten. In erster Linie sind die Alpenvereine dazu berufen, die praktische Ausführung dieser Idee zu versuchen. Sie werden in ihrem Vorgehen sicher von Regierungen und landwirtschaftlichen Vereinen unterstützt werden, aber auch von privater Seite könnte dieser gewiß nützliche Plan eine wesentliche Förderung erfahren. Wiederholt haben hochherzige Stifter wissenschaftliche Institute, astronomische Observatorien etc. gegründet; in den Alpen bietet sich ihnen ein neues Feld zu einer solchen gemeinnützigen Thätigkeit.

Auf dem Eise. (Zu dem Bilde S. 861.) Glückliche Primaner! Fern zurück liegt die „Jungenzeit“, da man von dem weiblichen Publikum der Eisbahn übersehen und von dem männlichen als Verkehrshindernis aufgefaßt wurde, jetzt ist man erwachsen, beachtenswert und in der bunten Mütze konkurrenzfähig mit Studenten und Lieutenants – ein herrliches Bewußtsein! Und siehe, da nahen auch schon die jungen Damen im halbkurzen Röckchen, deren Gedächtnis gleichfalls nicht weit zurückzureichen braucht, um sie an Schneeballwürfe auf das Schulränzchen und hohnvolle Zurufe derselben jungen Herren zu erinnern, welche heute als angehende Kavaliere eifrig nach Anschluß und Zusammenfahren trachten. Der Kühnste wagt bereits die Anrede an die sich noch heftig „genierenden“ Fräulein – und bald wird die junge Gesellschaft, welche der Künstler hier mit humoristischem Behagen darstellt, als lustige Kette über das Eis hinfliegen! Bn.     

Vor Paris nichts Neues! (Zu dem Bilde S. 869.) „Nichts Neues vor Paris“, so lautet die Meldung, die der Patrouillenführer seinem Vorgesetzten erstattet, und dieser lakonische Bericht rückt die Scene, die der Künstler darstellt, sofort in die entsprechende historische Beleuchtung. Es ist eine Episode aus jener großen Zeit, da deutsche Heere die französische Hauptstadt mit eisernem Ring umklammert hielten, und auch über die augenblickliche Kriegslage, soweit sie nicht auf dem Bild selbst zum Ausdruck kommt, giebt uns diese Meldung erwünschten Bescheid.

Der Kampfesmut der Belagerten, die seit Monaten in größeren und kleineren Ausfällen gegen die eherne Umarmung ankämpften und die Kantonnements unsrer Vorposten mit einem Hagel schwerster Geschosse überschütteten ist in der Hauptsache gebrochen. Noch einmal, am 30. November 1870, hatte der Feind sich zu einem gewaltigen Stoß gegen die seine Ostfront bewachenden Sachsen und Württemberger aufgerafft. Jener Uebermacht war es gelungen, deren Vortruppen aus ihren exponierten Stellungen in Brie und Champigny zu verdrängen und sich auf dem Höhenrand des linken Marneufers festzusetzen. Aber jeder weitere Vorstoß scheiterte an dem Heldenmut der Verteidiger von Villiers und Noisy le Grand, und als nach dreitägigem Kampf das erwartete Entsatzheer von der Loire noch immer nicht eintraf, da sah sich der tapfere General Duerot, der sich beim Auszug aus Paris vermessen hatte, nur als Sieger oder als Leiche dorthin zurückzukehren gezwungen, als ein Besiegter seine gänzlich erschöpfte Armee hinter die schützenden Wälle der Hauptstadt zurückzuführen.

Freilich waren auch auf deutscher Seite die Opfer dieses Kampfes keine geringen gewesen, und so mancher gute Kamerad fehlte in Reih’ und Glied, als die tapferen Schwaben wieder in ihre alten Vorpostenstellungen am Ufer der Marne einrückten. Wohnlicher war es gerade auch nicht geworden in dem kleinen schon vorher hart mitgenommenen Champigny, wo jetzt vollends kein Dachgiebel mehr heil war und die durchlöcherten Mauern von der Wut des überstandenen Kampfes zeugten. Da galt es denn, sich unter den Ruinen, so gut es eben ging, einzurichten für die Feldwache; irgend einen Raum, der wenigstens einigermaßen Schutz gegen die Unbilden der Witterung, wenn auch nicht gegen die feindlichen Granaten bot, für den Führer einen Tisch und einen Stuhl ausfindig zu machen und sodann vor allem den Gegner durch Posten und Patrouille scharf im Auge zu behalten, falls er etwa eine neue Ueberrumpelung beabsichtigen sollte. Allein daran dachten die Franzosen um diese Zeit nicht, sie hatten an der alten noch genug, und wenn auch ihre Forts noch von Zeit zu Zeit die üblichen Grüße herübersandten, bei den Vorposten draußen blieb es ruhig. „Nichts Neues vor Paris“, das war die ständige Meldung auf der ganzen Linie, und damit mußte sich auch die besorgte und ungeduldige Seele in der Heimat zufrieden geben – aber nur kurze Zeit, nicht ganz zwei Monate vergingen, da gab es vor Paris eine große Neuigkeit, die größte und herrlichste, die der Verlauf des Krieges mit sich brachte, und das war, als man im Königsschloß von Versailles König Wilhelm zum Deutschen Kaiser ausrief. C. Hecker.     

Die rote Tasche des Zugführers. Wie die preußische rote Mütze als Auszeichnung für den diensthabenden Stationsbeamten ihren Eroberungszug durch die mitteleuropäischen Staaten – Frankreich ausgenommen – machte, so fängt nunmehr auch die rote Tasche unserer Zugführer an, sich außerhalb der schwarz-weiß-roten-Grenzpfähle einen Platz zu sichern, zunächst in Oesterreich. Dort sind seit einiger Zeit sämtliche Personenzugführer ähnlich wie im Deutschen Reiche, mit einer Diensttasche aus rotem Leder ausgerüstet, die, an einem roten breiten Tragbande befestigt bandelierartig umgehangen wird. Als Verzierung ist auf der Tasche ein großes versilbertes Flügelrad, bei der Staatsbahn auch noch eine Kaiserkrone, und auf dem Tragbande eine große versilberte Schnalle angebracht. – Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Abzeichens ist längst erwiesen. Durch dasselbe ist der Zugführer als höchste Dienstperson auf dem fahrenden Zuge für jedermann weithin sichtbar gekennzeichnet und legitimiert. Im Deutschen Reiche hat sich die Einrichtung denn auch seit vielen Jahren bewährt, und die Reisenden haben sich daran gewöhnt. Durch die Einführung in Oesterreich ist nunmehr neben der roten Kopfbedeckung ein zweites internationales „Eisenbahner-Abzeichen“ geschaffen, für welches die deutsche Einrichtung vorbildlich war. Seine Annahme in den übrigen mitteleuropäischen Ländern ist wohl nur eine Frage der Zeit. Reinh. Brand.     

[876] Das Oesterreicher-Denkmal auf dem Schänzel bei Edenkoben. (Mit Abbildung.) Etwa 8 Kilometer von der Stadt Edenkoben im Bezirksamt Landau des bayrischen Regierungsbezirkes Pfalz liegt eine Berghöhe (664 Meter) das sogenannte Schänzel. In der Schanze Nr. I befindet sich ein Denkstein zur Erinnerung an den dort am 13. Juli 1794 im Kampfe gegen die Franzosen gefallenen preußischen General von Pfau. Auf derselben Kuppe fand am 13. Dezember 1795 ein blutiges Gefecht zwischen österreichischen Truppenteilen von der Clerfaytschen Armee und Franzosen unter den Generälen Renaud und Simon statt, das mit der vollständigen Niederlage der letzteren endete. Um das Gedächtnis an jene letzte Schlacht und Wacht der Oesterreicher am Rhein festzuhalten, wurde auch ihnen bei der hundertjährigen Wiederkehr jenes Tages in Schanze Nr. I ein würdiges Denkmal errichtet. Es besteht aus zwei übereinander getürmten mächtigen Felsblöcken von denen der obere mit dem heraldischen österreichischen Kaiseradler geschmückt ist, während den unteren ein umkränztes Kriegsschwert ziert. Darunter steht „Zur Erinnerung an die siegreichen Kämpfe der österreichischen Armee in diesen Bergen am 13. Dezember 1795.“ Erstürmung des Schänzels, Rückzug der Franzosen und Räumung des deutschen Gebietes, Waffenstillstand. Seitwärts ist in schwungvollen Zügen zu lesen „Ehre den Tapfern allezeit!“ Nach Anregung und Idee des Oberlandesgerichtsrats Kuby in Edenkoben fertigte Drumm-München den Entwurf

Das Oesterreicher-Denkmal auf dem Schänzel bei Edenkoben.

des Denkmals, den Kleindienst in Edenkoben ausführte. Zu den von dem Edenkobener und dem Pfälzischen Verschönerungsverein durch private Sammlungen in den Gemeinden Edesheim und Edenkoben aufgebrachten Mitteln hat auch Kaiser Franz Josef in freigebiger Weise beigesteuert. Das vortrefflich zu der umgebenden Natur passende Monument gemahnt an eine ernste und schwere Zeit und an Zustände, die nicht wiederkehren können, solange das in treuer Bundesgenossenschaft mit Oesterreich-Ungarn vereinte neue Deutsche Reich den sicheren Schutz unserer nationalen Wohlfahrt bildet.

Der höchstgestiegene Luftdrache. Wir haben neuerdings (vgl. S. 659 dieses Jahrganges der „Gartenlaube“) mitgeteilt, daß man in Amerika Luftdrachen zur Anstellung meteorologischer Beobachtungen in höheren Luftschichten verwendet, und daß dieselben, am Klavierdraht emporgelassen, in der That beträchtliche Höhen erreichen. Wir tragen heute noch die Beschreibung eines interessanten Aufstieges nach, die in dem Observatorium von Blue Hill veranstaltet wurde. Man ließ den Drachen gegen Mittag aufsteigen. Fünf Stunden lang hielt er sich in einer Höhe von 1500 m über dem Observatorium, dann stieg er zu der gewaltigen Höhe von 2860 m empor. Dieselbe wurde nicht nur vom Observatorium aus trigonometrisch berechnet, sondern auch durch das Registrierbarometer, das sich an dem Drachen befand, angezeigt; sie ist die höchste, die bis jetzt ein Drache jemals erreicht hat. Der Klavierdraht, den der Drache mit emporgenommen hatte, war 6500 m lang und es bedurfte einer Arbeit von zwei Stunden, bis man vermittelst einer Dampfwinde den Draht wieder aufrollte und den Drachen zur Erde niederbrachte. Während des Versuches betrug die Lufttemperatur am Erdboden 17,2°, in der Höhe von 2860 m nur 3,3°. Was die Luftfeuchtigkeit anbelangt, so zeigte es sich, daß verschiedene Luftschichten, die der Drache beim Emporsteigen durchschnitt, verschieden beschaffen waren: die Feuchtigkeitsmesser zeigten bald mehr, bald weniger Feuchtigkeit an. Der Himmel war während des Aufstiegs klar. Auf der Erde wehte ein Südwind von 12 m Geschwindigkeit in der Sekunde, aber in den höchsten Schichten, zu denen der Drache sich erhob, herrschte Westwind. Wir ersehen daraus, wie interessant sich derartige Versuche gestalten und wie viel die Drachen im Dienste der Meteorologie nützen können.

Quittung über Gaben für die Wettergeschädigten. Als im Hochsommer dieses Jahres weite Gebiete unseres Vaterlandes von schweren Wetter- und Wasserkatastrophen heimgesucht wurden, haben wir an unsere Leser einen Aufruf zur Mildthätigkeit gerichtet. Als Centralsammelstelle für die Annahme von Beiträgen haben wir die Städtische Hauptstiftungskasse in Berlin (Rathaus) angegeben, uns aber zugleich bereit erklärt, auch die geringste Gabe entgegenzunehmen und darüber seiner Zeit in der Gartenlaube Quittung zu leisten. Wir kommen hiermit unsrer Verpflichtung nach, indem wir das nachfolgende Verzeichnis der Geber veröffentlichen:

Es gingen ein: 10 Mk von F. Schwarz in Lippehne; 3 Mk von J. Harthun, Brenner in Rahm b. Dortmund; 14 Mk. von A. S. in Zingst; 2 Mk. von Hugo Gennerich in Hamburg; 3 Mk. Von E. Podlech in Hannover; 10 Mk. von M. Ernst in Marktbreit; 2 Mk. von Regierungssekretär Schulze in Arnsberg; 5 Mk. von A. v. F. in Rotterdam; 3 Mk. von A. Haßfurther in Mainz; 5 Mk. von Max Heller in Ampfurth b. Oschersleben; 2 Mk. von S. E. Neissen, Lehrerin in Stendal; 10 Mk. von Brunotte in Stuttgart; 5 Mk aus Constancia (Portugal); 1 Rubel = 2 Mk. 10 Pf. Von Friedr. Amann in Riga; 117 Mk. 80 Pf. gesammelt von dem Leseverein in den Gemeinden Echzell, Gattenau, Hof-Schwalheim; 100 Mk. von „W. J. H. Petersburg“; 20 Lire = 15 Mk. 30 Pf. von L. F. (Italien); 10 Mk. aus Halberstadt (Chiffre unleserlich); 3 Mk. von A. D. C. in Leipzig; 10 Mk. von einem Abonnenten aus Niederboiritz; 10 Mk. von Max H. in Leipzig; 82 Mk. 46 Pf. von C. F. Leiding in Oakland, Kalif.; 206 Mk. 17 Pf. von C. F. Leiding in Oakland, Kalif.; 3 Mk. 5 Pf. von K., Abonnent der „Gartenlaube“ in Stettin; 20 Mk. von zwei Straßburgerinnen, mit dem Motto „Wenig – aber von Herzen“; 5 Mk. von N. N. in Dömitz; 2 Mk. „Wenig, aber von Herzen“; 5 Mk. von Emy Duden in San Francisko; 1 Dollar = 4 Mk. 10 Pf. von einem in der Ferne lebenden treuen Deutschen S.S. in Los Angeles, Kal.; 334 Mk. 2 Pf. Verlagshandlung der „Gartenlaube“. Summa: 1000 Mark.

Wir haben diese Summe an die obengenannte Centralsammelstelle abgeführt und schließen hiermit die Sammlung mit dem herzlichsten Dank an die Geber. Die Redaktion der „Gartenlaube“.     


manicula      Hierzu Kunstbeilage XXVII: „Die Madonna des Bürgermeisters Meyer.“ Von Hans Holbein d. J.

[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht transkribiert.]



[Nicht zu übersehen! ... Verlagsmitteilung, hier nicht transkribiert, da entsprechend den Einstellungen vor Ende des 1., 2. und 3. Quartals.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.