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Der Drache im Dienste der Wissenschaft

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Bw.
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Titel: Der Drache im Dienste der Wissenschaft
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 659
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[659] Der Drache im Dienste der Wissenschaft. Die Meteorologie, welche bisher zur Erforschung der Witterungsfaktoren in bedeutenden, von Bergerhebungen nicht beeinflußten Höhen nur das Mittel der kostspieligen Ballons besaß, fängt jetzt an, zu diesem Zwecke sich der Luftdrachen zu bedienen. In Amerika hat W. Eddy, vom Blue Hill Observatorium aus, Drachen von besonderer Größe und Konstruktion steigen lassen, die über 1000 m Höhe erreichten und mittels eines mit hinaufgezogenen Instrumentenkorbes schöne meteorologische Daten ermittelten. Freilich hat es einige Zeit gedauert, bis das neue Verfahren seine Kinderkrankheiten überstand. Die Windstärken sind beim Durchmessen verschiedener Höhenschichten sehr wechselnd. Wandte man nun leichte Drachen an, die selbst bei schwachem Winde stiegen, so hatten stärkere Windstöße immer Neigung, sie zu zerbrechen. Große und kräftige Drachen dagegen blieben bei flauem Wind gern liegen; trat dann aber oben einmal ein ordentlicher Stoß ein, so gab es mitunter einen Knall, die Leine riß und Drachen nebst Instrumenten waren auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wenn man nicht gelegentlich ihre Scherben auf den Feldern fand. Jetzt wendet man meist mehrere, ja bis zu sechs Drachen an, die übereinander an derselben Schnur befestigt werden. Jeder einzelne hat Festigkeit genug, starken Windstößen zu widerstehen, alle zusammen aber entwickeln eine so bedeutende Tragkraft, daß sie einschließlich der haltenden Leine schon mehr als einen halben Centner gehoben haben. Als Leine wird meistens Klavierdraht verwendet, wovon ein ganzes Kilometer erst 3½ kg wiegt und noch nicht 2 Mark kostet. Mit diesen Mitteln gelang es auf Blue Hill schon vor mehr als Jahresfrist, Drachen, die mit ihren Instrumenten 1½ kg wogen, 1200 m hoch in die Luft zu senden, was bei der Anwendung von Fesselballons schon beträchtliche Kosten verursacht. Zum Einziehen solcher Drachen gehört übrigens schon eine ziemliche Kraft, da sie einzeln einen Zug von 10 bis 15 kg ausüben und meist zu mehreren übereinander angewandt werden. Das Einbrechen kalter oder warmer Witterung wurde von solchen Drachen mitunter 6 bis 12 Stunden früher angezeigt, als es am Boden zu spüren war. Mittlerweile wurden die Instrumente noch weiter vervollkommnet und am 8. Oktober 1896 erlebte der Urheber des Verfahrens den Triumph, ein System von 9 Drachen, die an einem Draht zogen und einen Beobachtungsapparat trugen, volle 2800 m sich erheben zu sehen. Die Drachen hatten eine Gesamtfläche von 16 Quadratmetern und trugen während des Versuches ein Stahldrahtgewicht von 23 kg. Das sind glänzende Erfolge, denn sie ermöglichen es, von allen größeren Wetterwarten aus nahezu kostenlos häufige Beobachtungen in Höhen von 1000 bis 2000 m zu machen, was für die Erforschung der meteorologischen Verhältnisse unabsehbaren Nutzen bringen muß. Aber hiermit noch nicht zufrieden, haben neuerdings Hargrave in Amerika und Powel in England Versuche gemacht, die Tragkraft der Drachenflieger sogar dem Menschen dienstbar zu machen. Der Apparat des Lieutenant Powel von der schottischen Garde besteht aus fünf sechseckigen, an einer Leine übereinander befestigten Drachen, mit denen er sich im Christchurchpark zu Ipswich etwa 15 m hoch heben ließ. Ueber dem Korb, in welchem der Beobachter saß und der an dem untersten Drachen hing, war zur Sicherung bei einem Unglücksfall ein Fallschirm angebracht. Die Versuche Hargraves wurden mit einem Apparat von anderer Form angestellt, scheinen aber noch nicht soweit wie diejenigen des Schotten vorgeschritten zu sein. Bw.