Die Gartenlaube (1885)/Heft 26
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No. 26. | 1885. | |
Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Im Saale versammelte sich still die kleine Hochzeitsgesellschaft,
die Mutter, Arthur, Jenny, die Tante Stadträthin und Onkel
Heinrich; zwei junge Kousinen in weißen Tüllkleidern boten den
einzigen lichten Anblick unter dem düsteren Schwarz.
„Um Gotteswillen, macht nicht so trostlose Gesichter!“ bat Onkel Heinrich, der aussah, als wäre ihm die Hochzeit wieder auf den Magen gefallen, „’s ist schon trübselig so wie so –“
Nun öffnete sich die Thür, der alte Prediger trat herein, und Onkel Heinrich ging zu ihm hinüber und begrüßte ihn sehr laut, dann verschwand er mit ganz ungewohnter Eile, um das Brautpaar zu holen. – Der Schein der Nachmittagssonne fluthete voll in das reiche Gemach und überstrahlte die Kerzen auf dem Kronleuchter und den Kandelabern, und diese Strahlen schimmerten und webten auch um das Paar vor dem Altare. Mild und klar scholl die Stimme des Geistlichen: Im Gotteshause hätten sie sich zum ersten Male in die Augen gesehen, sagte er, sichtbarlich habe der Herr sie zusammen geführt, und was Er so geeinet, das solle der Mensch nicht scheiden. Von der Liebe sprach er, die Alles erduldet, erhofft und erträgt. Trudchen hatte sich den Text selbst gewählt.
Dann wechselte der Geistliche die Ringe; sie knieeten nieder zum Segen, und nun waren sie Weib und Mann.
Sie traten zur Mutter hinüber. Franz Linden ging es wie Trudchen vorhin, er sah Alles anders in dieser Stunde. Er streckte die Hand aus, und weil er keine Worte fand, wollte er mit diesem Händedruck geloben, die ihm eben Angetraute zu schützen, zu halten wie seinen Augapfel sein Leben lang. Aber Frau Baumhagen küßte die junge Frau zierlich auf die Stirn, legte einen Moment ebenso zierlich die Finger in seine ausgestreckte Rechte und wandte sich dann zu dem Prediger, der ihr glückwünschend nahte. Das junge Paar sah sich an, und als er in ihre bangen Augen blickte, drückte er den Arm fester, der in dem seinigen lag, und da ward sie ruhig, fast heiter.
Onkel Heinrich hatte, wie nicht anders zu erwarten war, das Hochzeitsdiner angeordnet. Im Eßzimmer, das nach Norden gelegen, waren die Vorhänge geschlossen und die Lichter angezündet, der ganze Silberschatz des Hauses blitzte und funkelte auf der Tafel. Der alte Herr verstand es; er hatte in der letzten Zeit zwar schlaflose Nächte darum gehabt, aber dafür war das Menu auch raffinirt, wie er sich ausdrückte. Schade nur, daß er, die Tante Stadträthin und Arthur die Einzigen waren, die es zu würdigen verstanden, nach seiner Meinung. Man kam doch nicht über die frostige Stimmung hinaus, nicht einmal bei Onkel Heinrich’s Toast, nicht einmal beim Sekt; der alte Egoist verzweifelte fast.
Als man sich zum Kaffee erhob, suchte Trudchen ihr Zimmer auf. Nach einer Viertelstunde trat sie in anderer Toilette in den Flur; dort stand er, ihrer wartend. Von drinnen scholl nur das gedämpfte Sprechen der Tischgesellschaft heraus, hier war es lautlos still. Sie blickte sich nochmals um und nickte der alten Dielenuhr zu. „Adieu Sophie!“ sagte sie dann, als sie an seinem Arme die Treppe hinunter schritt und die Alte
[418] sich plötzlich weinend über das Geländer beugte, „grüß’ sie Alle noch tausendmal!“
Hell erleuchtete Fenster schimmerten ihnen entgegen, als Franz sie in Niendorf aus dem Wagen hob und die Stufen hinaufführte. Wolkenverhangen war der Himmel und wunderbar weich und duftig die frühe Lenzluft.
„Tritt ein!“ bat er und öffnete die altersbraune Hausthür.
„O, soviel Rosen!“ kam es entzückt von ihren Lippen. – Das Geländer der Treppe, die Thürrahmen, die Ketten, an welchen die Lampe hing, Alles wär verschwenderisch mit Rosen geschmückt, und bei dem matten Lichte glühten und leuchteten sie aus dem dunklen Grün in lebendiger Pracht. Gute Tante Rosa!
Und Hand in Hand stiegen sie die Treppe empor und schritten den Korridor entlang; es waren nur Gipsfliesen, aber ganz mit duftenden Tannen bestreut.
„Und hier unser Wohnzimmer, Trudchen, bis das Deine eingerichtet ist.“
Sie war auf die Schwelle getreten und sah hinein mit neugierigen Augen. Uneudlich traut und heimlich lag es vor ihr, das niedrige Gemach, freundlich erhellt vom Lampeschein, und winselnd vor Freude sprang der schöne Jagdhund an seinem Herrn empor, den er heute den ganzen Tag entbehren mußte. Sie trat hinein an seiner Hand in banger Glückseligkeit.
„O, der schöne Hund! Und dort Dein Schreibtisch, da die Bücherschränke, und welch liebes altes Frauengesicht im Goldrahmen – Deine Mutter, Franz? Ja, so mußte sie aussehen, so habe ich sie mir gedacht! Und wie wunderhübsch der Theetisch mit den zwei Kouverts! Ach Liebster!“ Und das verwöhnte stolze Kind des Reichthums lag weinend an seiner Brust. „Hier – so soll es bleiben Franz, hier ist’s warm und hell, hier kann kein bitteres Wort gesprochen werden!“
„Denke nicht mehr daran,“ tröstete er. „Alles Böse ist hinter uns geblieben. Hier haben wir das Hausrecht und dulden nur Frieden und Freundlichkeit.“
„Ja,“ sagte sie, unter Thränen lachend, „Du hast Recht, was geht uns die Welt da draußen an!“
Sie standen zusammen vor seinem Schreibtische; dort prangte eine Majolikaschale voller Frühlingsblüthen. „Der köstliche Veilchenduft!“ flüsterte sie tiefathmend und wand sich aus seinen Armen. Eine Visitenkarte lag in den Blumen; Beider Hände streckten sich danach aus.
„Die herzlichsten Glückwünsche zur Vermählung sendet
C. Wolff, Agent.“
lasen sie.
„Woher kennst Du ihn? Wie kommt er dazu?“ fragten ihre Augen.
Aber er warf die Karte achtlos auf den Tisch und küßte sie auf die Stirn.
Es ist köstlich, mit seinem Glücke dem Lenz entgegen zu
gehen. Blatt um Blatt trieben die Bäume im Niendorfer Garten,
wie grüne Schleier hing es über dem sprossenden Walde und
überall blühten die Veilchen, in Trudchens ganzem Revier duftete
es nach den blauen Frühlingskindern. Wie Lerchenschlag drang
die Stimme der jungen Frau durch das alte Haus, und wenn
Franz sonnenverbrannt vom Felde heimkehrte, flatterte oben aus
den blinkenden Fenstern ein weißes Tuch, und kam er auf den
Hof, so flatterte es auf der obersten Treppenstufe in ihrer Hand.
„Liebster, da bist Du!“ sagte sie dann innig.
Und die Spaziergänge im Walde, die Abende, wenn er vorlas, und dann die Einrichtung des Hauses! Wie süß war es, zusammen zu berathen, auszuwählen, einzukaufen, und wie freuten sie sich Beide, wenn sie just das Nämliche gedacht!
So putzte sich allmählich das Haus, Tapezierer und Handwerker schafften darin, nur Taute Rosa’s Zimmer blieb unbehelligt und das traute Stübchen des Hausherrn, in dem sie ihre glücklichsten Wochen verlebt hatten.
Und heute war Alles fertig, gemüthlich und wohnlich, aber ohne jegliche Prätension. Die niedrigen Räume eigneten sich nicht zur Schaustellung kostbarer geschnitzter Möbel – so hatten sie Beide im richtigen Gefühl nur einfache Sachen gewählt.
„Wenn wir uns später ein neues Wohnhaus bauen, Trudchen,“ meinte er, und sie nickte. „Erst die Wirthschaft, Franz; uns gefällt es ja so gut in den lieben Räumen.“
Der Gartensaal war zum Speisezimmer umgeschaffen; daneben ein Salon mit dunklen Tapete und weichen Teppichen, an der Längswand das Hochzeitsgeschenk Onkel Heinrich’s, zwei große Oelbilder – eine sonnendurchleuchtete Waldlandschaft und eine Seeküste bei Gewitter. Hinter grünen üppigen Blattpflanzen leuchtete eine edle schöne Hermesbüste. Sofas, Sessel und Sesselchen überall, und wo es irgend anging, befand sich eine gefüllte Blumenschale.
Oben neben des Hausherrn Gemach war das der jungen Frau hergerichtet, dort stand jetzt des Vaters Bild hinter dem Nähtischchen am Fester. Die Thür, die die Gemächer verband, stand offen, und bunte, türkischgestreifte Vorhänge, weit zurückgeschlagen, ließen Trudchen von ihrem Fensterplätzchen just den Schreibtisch sehen, an dem er arbeitete. Und aus dem Fenster konnte der Blick hinausschweifen über den grünenden Garten zu den bewaldeten Bergen, und weit und weiter bis dort, wo sich der ferne Brocken in Wolken verhüllte.
Die junge Frau hatte alle Spinde eingeräumt, in der Küche war das letzte Stückchen des neuen Geschirres an die Haken gehängt und blinkte und glitzerte in dem hereinfallenden Sonnenstrahl, als wäre Alles eitel Gold. In der Speisekammer standen Büchsen und Töpfe in Reih’ und Glied, und mit glücklichem Lächeln drehte sie den Schlüssel im Schlosse und that ihn in das fuukelnagelneue Körbchen an ihrem Arme. „Komm, Franz,“ sagte sie, nachdem er diese Herrlichkeit hatte bewundern müssen, „nun wollen wir noch einmal durch alle Stuben gehen!“
„Es sind nicht viele, Trudchen,“ lachte er.
„O, genug für uns, Franz, wir brauchen nicht mehr.“
Und sie gingen durch den Gartensaal und freuteu sich über das stattliche Buffet und über die Lampe aus polirtem Messing, die über dem großen Eßtische schaukelte. Sie traten in den Salon und freuten sich wieder an den Bildern, welche die Sonne so schön beleuchtete, und dann blieben sie stehen, sahen sich in die Augen und küßten sich.
„Das ist Alles so, wie ich es gern habe, Franz,“ sagte sie, „einfach und gediegen; nur nichts Falsches, nichts Nachgemachtes. Ich hasse den Schein. es soll Alles echt sein, so echt und wahr wie meine Liebe und wie Dein Herz, Du großer lieber Mensch. – Und in der Wirthschaft ist jetzt Alles komplet,“ fuhr sie fort und nahm ein Fäserchen vom Teppich auf, „gar nicht zum Wiederkennen, es ist das schmuckste kleine Gut weit und breit. Franz, sieh, und das Alles hat noch lange nicht soviel gekostet, wie Jenny’s Aussteuer und Hochzeitsreise.“
Sie waren in die offene Saalthür getreten und der junge Mann sah mit leuchtenden Augen über den Garten hinweg und zu den Wirthschaftsgebäuden hinüber, die ihr schadhaftes Ziegeldach mit bläulich glänzendem Schiefer vertauscht hatten.
„Du hast Recht, Trudchen, es ist ein hübscher Anblick, wir wollen oft hier sitzen. – Und übermorgen beginnt der Bau der neuen Scheune; sie soll fertig sein, wenn wir den ersten Roggen einfahren.“
„Du,“ fragte sie neckend, „denkst Du noch immer so wie damals, acht Tage nach unserer Hochzeit, als wir zum ersten Male dieses Thema besprachen und Du Dich recht kindisch betrugst und absolut nichts von dem nehmen wolltest, was Dir von Gottes- und Rechtswegen zukommt? Und es lieber den Kühen in den Futtertrog regnen lassen wolltest und den Knechten in die Betten?“
„Nein,“ sagte er, „nicht mehr, Trudchen.“
„Warum, Du Eisenkopf?“
„Weil wir uns lieben, namelos lieben.“
„Das Beiwort ist gar nicht nöthig,“ tadelte sie.
„Glaubst Du nicht, daß man namenlos lieben kann?“ fragte er scherzend.
„Es klingt wie eine Phrase!“
Er lachte jetzt hell und zog sie an die Brüstung der Veranda. „Unser Heim,“ sagte er, „komm, laß uns durch den Garten und ein Stückchen in den Wald gehen!“
Und andern Tages öffnete Trudchen die Fenster der Logirstube und rüstete dort Alles aufs Beste. Festlich gedeckt stand die Tafel im Saale, und Franz fuhr mit der neuen Equipage nach der Stadt, um den Amtsrichter vom Bahnhofe abzuholen. Sie freute sich, ihn kennen zu lernen, Franz hatte ihr soviel erzählen müssen von dem Freunde, sie hatte sich königlich amüsirt [419] über die drollige Personalbeschreibung, wie er in den Gesellschaften mitunter nicht so recht vom Flecke komme und in der Absicht, ein Kompliment zu sagen, häufig eine wunderbare Grobheit herausbrächte zu seinem eigensten Erstaunen. Sie wollte sich ganz besonders für diese „Seele“ von einem Menschen, wie Franz ihn nannte, putzen; sie steckte eine Spitzenrosette ins Haar; das hatte Franz gern, es sah so frauenhaft aus, beinahe wie ein Häubchen. Als sie mit dem graziösen Attribut ihrer jungen Würde an den Toilettentisch trat, um in den Spiegel zu schauen, sah sie dort einen Maiblumenstrauß und um seinen Stiel gewunden ein Zettelchen.
„Von ihm, von Franz,“ flüsterte sie und würde roth vor Freude. Er hatte ihr so lächelnd „Adieu!“ gesagt. Eilig wickelte sie das Papier von den Blumen und las:
„Ich hab’ Dich ‚namenlos‘ geliebt!
Was schaust Du mich verwundert an?
Und warum fragst Du schier betrübt,
Wieso ich dieses Wort ersann?
Weil lieben schon so herrlich sei,
Daß es des Beiworts nicht bedürfe?
Es wär’, als ob man in dem Mai
Noch mit gemachten Blüthen würfe?
Du hast wohl Recht; doch gieb die Hand
Und hör’, wie mir die Worte kamen,
Als mir Dein Blick ins Herz gebrannt,
Da kannt’ ich längst nicht Deinen Namen.
Ich sah nur Deiner Augen Paar,
So süß, wie ich sie heute kenne,
Und wußt’ es gleich, daß Dein ich war,
Und wußte nicht, wie ich Dich nenne,
Noch wo Dein Haus, und wer die Deinen,
Und wer davon mir Kunde giebt!
Will Dir das Wort so recht erscheinen?
Ich hab’ Dich ‚namenlos‘ geliebt!“
„So redet er sich heraus,“ flüsterte sie mit seligen Blicken und drückte das Papier an die Lippen. „Ja freilich, das ist richtig, ‚namenlos‘!“ –
Es war ja ihr Lieblingsgespräch, daß sie sich schon gern gehabt, ehe sie wußten: woher, wohin? Sie war doch eine sehr glückliche Frau!
Und sie steckte die Maiblumen an die Brust, den kleinen Zettel in die Tasche, nahm den Schlüsselkorb und ging noch einmal im Speisezimmer musternd um die Tafel, und weil sie weiter nichts vorhatte im Moment, klopfte sie an Tante Rosa’s Thür, die nur durch einen schmalen Flur vom Saale getrennt war.
Die alte Dame saß am Fenster und „machte“ Rosen; es sollte eine Hochzeit im Dorfe sein um Pfingsten. Ihr gegenüber hatte ein kleiner Herr Platz genommen, der jetzt die eintretende junge Frau mit einer tiefen Verbeugung begrüßte.
„Bitte tausendmal um Entschuldigung, gnädige Frau – ich wollte Ihren Herrn Gemahl sprechen – höre, daß er ausgefahren ist, da hat mir das Fräulein gestattet, hier zu warten.“
„Was sagt er, Frau Gertrud?“ fragte die alte Dame, ihr die Hand reichend, „ich habe ihm gar nichts erlaubt, er kam herein – und da ist er.“
„Mein Name ist ‚Wolff‘, gnädige Frau,“ stellte sich der Agent vor.
„Müssen Sie meinen Mann heute nothwendig sprechen? Wir haben Besuch zu Mittag, es paßt sich schlecht; kann ich es nicht ausrichten?“ erkundigte sich Trudchen.
„O nein! Nein!“ wehrte er entschieden ab mit neuen Verbeugungen. „Ich muß Herrn Linden selbst sprechen, kann aber wiederkommen, ’s ist ja nicht so umständlich, bin früher täglich den Weg gegangen. Ich empfehle mich, wünsche den Damen ‚Guten Morgen‘!“
„Was er nur gewollt hat, Tantchen?“ forschte die junge Frau, als er gegangen.
„Nun, was er bei mir wollte, kann ich Ihnen sagen – ausfragen wollte er mich; am liebsten hätte er durch die Schlüssellöcher geguckt, um zu wissen, wie es aussieht bei Euch drüben. Aber setzen Sie sich doch, junges Frauchen!“
Die Beiden verstanden sich ganz gut. Zuweilen trank die alte Dame bei Trudchen Kaffee, und dann mußte sie viele Fragen beantworten. Ganz zufällig war es da herausgekommen, daß sie eine Schulkameradin von Trudchens Großmutter gewesen aus der engen Gasse. Unterweilen gingen sie auch zusammen spazieren, und Trudchen lernte die Dorfleute kennen, erfuhr, wo es Arme gab, und ein wenig von der Chronik des Ortes. Tante Rosa zeichnete in etwas schroffen Strichen, es gefiel ihr nicht leicht Jemand, dafür war aber Linden, nächst einer jungen Nichte, ihr Abgott. „Er ist so anständig,“ pflegte sie ihn zu loben, „ist galant, auch gegen die Alten.“ Und Trudchen vergalt ihr dies Kompliment und erklärte, sie könne sich das Haus gar nicht ohne Tante Rosa denken.
Heute litt es die junge Frau nicht lange in dem Rosenstübchen; es war sonderbar, sie ängstigte sich um ihren Mann. Wenn ihm nur nichts mit den neuen Pferden passirt, dachte sie und trat auf die Veranda. In Blüthenpracht lag der Garten unter der Mittagssonne vor ihr, einsam und still allenthalben. Dann flog ein Schatten über ihre Züge; dort hinten, unter den Kastanien, wo die Sonnenstrahlen wie goldene Flocken durch das Blättergewirr brachen, ging ein Mensch. Kein Zweifel – er war es, der aus Tante Rosa’s Stübchen. Wie kam er dazu, in den Garten einzudringen? Wo hatte sie doch seinen Namen schon gehört? Sie schreckte empor, als hätte sie etwas Unangenehmes berührt. „Wolff“ – der Name stand auf der Visitenkarte, die dem Blumenkorbe beigegeben war, der am Hochzeitsabend – – ja freilich! Aber sie hatte den Mann auch schon gesehen – wo doch gleich? Vielleicht bei Arthur, draußen in der Fabrik? Es konnte sein.
Sie hob den Kopf, und ihre Augen leuchteten wieder; dort bog der Wagen in das Gitterthor; er lenkte die Pferde, und im Fond des leichten Gefährts saß, neben dem erwarteten Freunde, Onkel Heinrich und schwenkte sein rothes Taschentuch.
Die Herren waren in allerbester Stimmung; es wurde eine lebhafte Begrüßung. „Jetzt sieht’s hier anders aus, Franz,“ sagte der kleine Amtsrichter und klopfte Linden auf die Schulter und schüttelte der jungen Frau die Hand; er war so vergnügt, daß er sich sogar nach Tante Rosa erkundigte.
„O, siehst Du, Kind,“ entschuldigte Onkel Heinrich sein Kommen, „ich wäre nicht schon wieder hier, aber der Wirth im ‚Deutschen Hause‘ ist gestorben hente früh – ich kann da nicht essen, ’s ist mir nicht möglich! Du hast doch Spargel?“
„Wird nichts verrathen, Onkelchen!“ Sie legte eben ihren Arm in den des alten Herrn und schritt zwischen ihren Gästen die Stufen hinauf. Oben wandte sie den Kopf zurück und trat dann rasch an die Brüstung der Veranda.
Dort stand dieser Wolff wie hingezaubert vor ihrem Manne, den Hut devot in der Hand, und sein Gesicht war eitel Lächeln.
„O, la la!“ sagte Onkel Heinrich, „wo kommt Der her, Trudchen?“
Der Amtsrichter sah unter seiner blauen Brille hervor mit gespannter Aufmerksamkeit auf die beiden Herren. Jetzt winkte Linden kurz mit der Hand, und sie schritten den Weg entlang, der nach dem Gittertore und zum Hofe führte; Wolff immer eifrig spreched.
Trudchen bog sich weit über das Eisengeländer; es kam ihr vor, als ob Franz unwillig sei. Nun standen sie still, Franz öffnete die Gitterthür und wies plötzlich mit einer nicht mißzuverstehenden sehr energischen Geberde hinaus. Herr Wolff zögerte, er sprach wieder; da noch einmal, noch heftiger die stumme Geberde, und wie ein Blitz verschwand der kleine Mann. Klirrend fiel die Thür ins Schloß und Franz kam zurück, aber langsam, als müsse er sich erst sammeln, und dunkelroth, wie nach heftigem Aerger.
Sie ging ihm entgegen, aber fragte nicht; vor den Gästen wollte sie ihn nicht zum Reden bringen. Sie drückte nur verstohlen seine Rechte und sprach heiter über die Freude, Besuch zu haben.
„Charmant!“ sagte er zerstreut, „aber bitte, Trudchen, unterhalte Dich mit Onkel Heinrich – Richard – komm einen Augenblick – ich muß – ich will Dir Deine Stube zeigen.“ Und die beiden Freunde gingen zusammen hinaus.
„Weißt Du auch, daß Du Nachmittag noch mehr Gäste bekommst?“ fragte der alte Herr, sich behaglich im Salon niederlassend. „Deine Mutter und Fredrichs; sie sind gestern früh zurückgekehrt. Tausend Wetter, sieht Frau Jenny fesch aus! Und, Gott sei Dank, ist auch das Milchgesicht, der Arthur, ein bischen von der Sonne angebräunt.“
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[421] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [422] „Ja,“ sagte Trudchen, „er war noch vier Wochen mit ihnen an den italienischen Seen.“ Und als besinne sie sich jetzt erst: „Wie es mich aber freut, daß Mama gleich herauskommen will! Ach Onkel, wenn sie sich doch mit Franz aussöhnte!“
„I Was, Trudchen, sorge Dich nicht, wird sich schon machen; er ist auch nicht der Mann, der sich was gefallen läßt.“
„Was nur dieser Wolff von ihm wollte?“
„Hm! Wo, um Himmelswillen! bleiben sie denn aber?“ fragte ungeduldig der Onkel.
„Hungert Dich?“ erkundigte sie sich zerstreut.
„Hungern? Wie kann man so plebejisch fragen! Für den Hunger thut’s ein Gericht Schweinefleisch mit Rüben. Ich habe Appetit, mein Kind!. O, la la – der Spargel wird schlecht werden, wenn die Beiden so lange bleiben.“ –
Es war ein sehr behagliches Bild, das sich der Frau Baumhagen darbot, als sie nebst Jenny und Arthur vor den Stufen der Veranda anlangte. Man saß eben noch beim Nachtisch und Onkel Heinrich, die Serviette im Knopfloch, das erhobene Champagnerglas in der Hand, rief ihnen an der Saalthür ein kräftiges „Willkommen!“ entgegen, während das junge Paar eilig die Stufen hinabschritt; Trudchen mit purpurrothen Wangen. Sie war so stolz, so glücklich.
Frau Baumhagen sah erstaunt auf ihr Kind. Das blasse stille Mädchen war aufgeblüht wie eine Rose; „es sind noch die Flitterwochen,“ sagte sie sich, und unablässig folgten an diesem Tage ihre Augen der jüngsten Tochter.
Unter der Kastaniengruppe stand der Kaffeetisch, es war ein köstliches Fleckchen. Neben den grünen Rasenflächen, an prächtig belaubten Bäumen vorbei schweifte der Blick zu dem gemüthlichen alten Wohnhause hinüber mit seinem epheubewachsenen Dache und dem hohen Giebelfeld. Die Thüren des Gartensaales standen offen, an der Fahnenstange flatterte lustig ein schwarz-weißer Wimpel.
„Ein Idyll, wie eine Idylle von Voß!“ lachte der kleine Amtsrichter.
Der junge Hausherr führte galant die Schwiegermutter durch die Gartenwege; jede Wolke war von seiner Stirn geschwunden, er war heiter und liebenswürdig.
„Aber sehr sicher!“ raunte Frau Jenny ihrer Mutter später zu, „er fühlt sich als Wirth und Hausherr.“
Das unbehagliche Gefühl, das ihn sonst seiner Schwiegermutter gegenüber nicht verlassen hatte, war gewichen; zu ihrem Erstaunen erlaubte er sich, ihr ein paarmal ganz ruhig zu widersprechen, das hatte Arthur nie gewagt. Und Trudchen, wie lächerlich! Während sie in ihrer ruhigen Weise am Kaffeetisch waltete, flogen ihre Augen beständig zu ihm hinüber, sobald er sprach. „Wie Du willst, Franz !“ – „Was meinst Du dazu, Franz?“ Und auf eine Einladung der Mutter, Trudchen möge doch am morgenden Geburtstage der Tante Stadträthin als Gratulantin nicht fehlen, fragte sie lieblich bittend: „Erlaubst Du, Franz? Kann ich den Wagen bekommen?“
„Sicher, Trudchen!“ war die Antwort.
Da legte Frau Baumhagen ihre zierliche Kaffeeserviette auf den Tisch und lehnte sich weit zurück in den Gartensessel; das Kind war wohl nicht recht gescheit! Das ging über alle Begriffe! Arthur Fredrich aber klatschte lebhaft Beifall; „Trudchen,“ rief er über den Kaffeetisch hinweg, „sprich hier zu dieser –“, er faßte die Hand seiner Frau, die sie ihm ärgerlich zu entwinden suchte, „wie sagt doch Käthchen als liebenswürdige Ehefrau zu ihrer Schwester? ‚Dieselbe Treue und Ergebenheit, wie sie der Unterthan dem Fürsten zollt, die schuldet auch das Weib dem Eheherrn.‘ Ist’s nicht so? Ach, es klingt so süß für unser Einen, wie eine Botschaft aus der bessern Welt!“
„Gewiß!“ lachte Trudchen, nicht im mindesten verletzt von dem ironischen Tone, „‚der Gatte ist der Herr und der Erhalter, das Licht, das Haupt, der Fürst; er sorgt für Dich, giebt seinen Leib mühsel’ger Arbeit preis, wenn Du im Hause warm und sicher ruhst, und fordert zum Ersatz nicht andern Lohn als Liebe, freundlich Blicken und Gehorsam. Zu kleine Zahlung für so große Schuld!‘ Du siehst, Arthur, ich habe meinen Shakespeare im Kopfe.“
Frau Baumhagen hob urplötzlich den gemüthlichen Kaffeetisch auf; sie schien echauffirt, denn sie wehte sich heftig Kühlung zu mit dem Taschentuche.
„Gertrud, Du mußt uns noch die Einrichtung zeigen!“ erklärte sie. „Komm, Jenny, wir wollen die Herren allein bei ihren Cigarren lassen!“
„Gern, Mama,“ sagte die junge Frau unbefangen. Sie führte Mutter und Schwester durch Küche und Keller, durch die Zimmer, durch däs ganze Haus. Im Gartensaal war eine junge hübsche Frau in blendend weißer Schürze beschäftigt die Tafel abzuräumen. Trudchen gab ihr im Vorbeigehen leise einen Befehl.
„Das ist ja die Johanne, deren Mann damals verunglückte!“ sagte Jenny.
„Ja,“ bestätigte die Schwester, „ich habe sie als ‚Mamsell‘ engagiert. Sie ist sehr tüchtig und ich möchte gern ein bekanntes Gesicht um mich haben.“
„Mit dem Kinde?“ fragte spöttisch die Mutter.
„Das versteht sich,“ erwiderte die junge Frau. „Sie wohnt im Seitengebäude; ’s ist eine Lust, wie der kleine Kerl hier draußen gedeiht.“
„Wer wohnt auf dieser Seite des Hauses?“ erkundigte sich Jenny weiter.
„Die Tante Rosa.“
„Barmherziger! Wohl eine Art Schwiegermutter?“ rief die Schwester erschreckt.
Trudchen schüttelte den Kopf.
„Nein, sie ist eine ganz harmlose Person, ein altes Hausinventar – so zu sagen. Aber ich möchte gern, daß Franz seine Mutter hernimmt; die alte Frau ist so allein und es geht ihr recht kümmerlich.“
Jenny lachte hell auf, Frau Baumhagen aber rauschte so heftig in das nächste Zimmer, daß alle Schleifen ihrer etwas jugendlich arrangierten Trauertoilette flatterten und wogten.
„Trudchen!“ rief Jenny, „Du wirst doch nicht so von Sinnen sein?“
Die junge Frau antwortete nicht. Sie öffnete gelassen eine Schrankthür im Korridor und sagte: „Das ist die Gesindewäsche, Jenny; wir müssen viel haben auf dem Lande; dort die Spinde für andere Wäsche und für Porcellan, hier ist mein Zimmer. Bitte, Mama!“
„Hätte etwas weniger einfach sein können,“ bemerkte die Mutter, die ihr Gleichgewicht wiedergefunden; nur die Röthe der Erregung lag noch auf dem runden Gesicht.
„Ich wollte nicht so sehr abstechen von Franz, und der hat seine alten Möbel behalten; wir sind ja überhaupt nur ganz kleine Gutsbesitzer, Mamachen, und haben eben erst angefangen.“
Die Frau Mama räusperte sich und nahm Platz in einem der kleinen Fauteuils. Jenny ging im Zimmer umher und beschaute die Nippes und Bilder, wobei sie leise vor sich hinsummte. Trudchen aber stand gedankenvoll vor der Mutter, und wie Eis legte es sich um ihr Herz. Es war das alte Gefühl von Fremdsein, das sie immer und immer wieder zurückdrängte von Mutter und Schwester; Nichts war ihnen gemeinschaftlich. Es that ihr noch immer so unendlich leid, aber sie empfand nicht den herben Schmerz wie früher. Langsam senkte sich ihre Hand in die Tasche des Kleides und faßte leise ein knisterndes Papier: „Ich hab Dich namenlos geliebt!“ Ach, es war ein Ersatz für Alles, Alles, und fröhlich hob sie den Kopf. „Aber Ihr habt mir noch gar nicht erzählt von Eurer schönen Reise, und Eure Briefe waren so kurz.“
„Ja,“ sagte Jenny gähnend und nahm eine Terrakottafigur in die Hand, sie von allen Seiten betrachtend, „es war himmlisch in Nizza; man fühlt so recht, in welch kleinen Kreisen man vegetirt, nun man zurück ist – es leben die deutschen Kleinstädte!“
„Nächstes Jahr gehen wir wieder hin, so Gott will,“ fügte Frau Baumhagen hinzu, „nur möchte ich von Arthur’s Begleitung absehen; er war genau so kindisch, wie seiner Zeit Euer Vater. Jenny sollte dies nicht thun und jenes nicht thun, hier nicht hingehen und dort nicht stehen bleiben, er kehrt bei solchen Gelegenheiten den richtigen deutschen Spießbürger heraus, als ob wir Frauen nicht ganz von selbst das Rechte fänden.“
Frau Jenny setzte sich ebenfalls. „Laß nur gut sein, Mamachen, er büßt noch immer für seine Albernheiten. Die Scene, die er uns in Monte Carlo machte, habe ich ihm noch lange nicht vergessen.“
„O ja, die Stimmung zwischen Euch ist eine äußerst angenehme, das weiß Gott!“ erklärte die Mutter. „Uebrigens,“ sie [423] nahm die kleine kostbare Uhr aus dem Gürtel, „ich glaube, es wird Zeit, Jenny, daß wir heimfahren; wir wollen Deinen Mann holen; kommt!“
Die drei Damen kehrten in den Garten und an den Tisch zurück, wo die Herren jetzt bei einem Glase Bier und Cigarren sehr behaglich plauderten. Franz war in eifriger Unterhaltung mit Tante Rosa, die in ihrem herrlichsten Putz auf dem Platz thronte, den kurz zuvor Frau Baumhagen verlassen hatte. Trudchen beeilte sich, Mutter und Schwester der alten Dame vorzustellen. Es ging nicht anders, man mußte anstandshalber noch ein wenig Platz nehmen; Frau Baumhagen mit gelangweilter Miene, Jenny mit kaum verhehltem Amusement über die wunderliche kleine Alte.
„Trudchen,“ begann Franz, „Tante Rosa kam, um uns mitzutheilen, daß sie Besuch erwartet.“
„Es stört doch hoffentlich nicht?“ wandte sich die alte Dame an die Hausfrau; „meine Nichte hat mich bis jetzt jedes Jahr besucht. Sie wissen ja von mir, daß das Kind Wald und Berge leidenschaftlich liebt und mich Alte ein wenig aufheitert.“
„Das hübsche kleine Fräulein, von dem Sie uns schon so oft erzählten, Tante Rosa?“ fragte Trudchen liebenswürdig; und als jene eifrig nickte, fuhr sie fort: „O, sie ist von Herzen willkommen, nicht wahr, Franz? Wann trifft denn der Gast ein, und wie heißt sie eigentlich?“
„In den nächsten Tagen erwarte ich sie, und Adelheid Strom heißt sie,“ berichtete Tante Rosa; „‚Heidchen‘ nenne ich sie immer.“ Und nun begann sie eine Verwandtschaftserklärung, wobei der ganzen Gesellschaft schwindlig wurde. „Meiner Mutter Schwester hatte einen Strom, und deren Stiefsohn ist der Vetter von Adelheid’s Großvater –“
Wieder erhob sich Frau Baumhagen sehr geräuschvoll. „Ich muß heim,“ sagte sie, das Gespräch unterbrechend, „es ist die höchste Zeit.“
Jenny, die hinter ihres Gatten Sessel getreten war, legte die Hand auf seine Schulter: „Bitte, den Wagen bestellen!“
„I, was fällt Dir denn ein, Kind?“ sagte er ärgerlich, „wir sind ja eben erst gekommen!“
„Aber Mama wünscht es!“
„Mama? Warum denn?“ fragte er kurz, „wir sind hier in der gemüthlichsten Unterhaltung.“
„Bleiben Sie doch zum Abend, gnädige Frau,“ bat Franz seine Schwiegermutter höflich.
„Ich habe etwas Kopfweh,“ war die Antwort.
Herr Arthur griff sich verzweifelt in seine blonden Haare. Dieses „Kopfweh“ war ja die Keule, mit der beständig jede Vernunftsvorstellung zu Boden geschmettert wurde.
„Gut, so fahrt!“ murmelte er ingrimmig, „ich komme schon mit Onkel Heinrich nach Hause.“
„Ja wohl, ja wohl, lieber Neffe!“ rief der alte Herr vergnügt, „ist mir sehr angenehm, daß Du bleibst; wir wollen den Mosel probiren; wie, Franz?“
„Der Onkel hat mir zur Hochzeit den Weinkeller eingerichtet,“ erklärte der junge Hausherr, indem er sich erhob, um den Wagen zu bestellen.
„Und so kostbar!“ fügte Trudchen hinzu.
„O la la!“ Der alte Herr war aufgestanden und half mit etwas asthmatischer Höflichkeit seiner Schwägerin beim Umlegen des Mantels. „Es war purer Egoismus, Ottilie; nur damit man seinen gewohnten Tropfen kriegt, wenn man hier wegmüde und durstig anlangt.“
„Trudchen,“ flüsterte Jenny und zog die Schwester etwas abseits, „wie kannst Du so thöricht sein und Dir ein junges Mädel ins Haus schmuggeln lassen? Ich sage Dir, es ist geradezu fürchterlich, überall sind sie, immer wissen sie sich bemerkbar zu machen, überall wollen sie helfen und stets sind sie von einer rührenden Aufmerksamkeit gegen den Hausherrn. Es ist wirklich rücksichtslos von der Alten, daß sie Dir dies zumuthet; erfinde doch irgend etwas, daß das Mädel nicht kommt. Ich spreche aus Erfahrung, Herzchen; Arthur hatte einmal eine Kousine eingeladen, Du weißt ja; Herr Gott, ich bin bald gestorben vor Aerger!“
Trudchen lachte.
„Ach Jenny,“ sagte sie kopfschüttelnd. Dann eilte sie ihrer Mutter nach, die bereits im Wagen saß. „Kommt bald einmal wieder,“ bat sie freundlich, als auch Jenny Platz genommen.
„Ich erwarte zunächst Euren Besuch,“ war die Antwort; „Ihr werdet wohl überhaupt daran denken müssen, ein paar Besuche zu machen in der Stadt.“
„Wir haben in der That noch nicht daran gedacht,“ erwiderte Trudchen heiter.
„Bitte, sorge, daß Arthur nicht erst in sinkender Nacht zurückkehrt. Onkel Heinrich sitzt, wo er sitzt,“ schalt Frau Jenny ärgerlich.
Und fort rollte der Wagen.
Natürlichkeit und Affektation.
Sei doch nicht so affektirt, benimm Dich ganz einfach, natürlich!“
Wie oft hört man das als Ermahnung oder mit seufzendem Tadel rufen! Aber liebe Mutter, Tante oder Erzieherin, weißt du auch, welche unerfüllbare Forderung du mit diesem Wort an das arme junge Geschöpf stellst? Es wird sich freilich jetzt aus Leibeskräften bemühen, „natürlich“ zu sein, dabei aber sicherlich nichts erreichen, als einen noch höheren Grad der Geziertheit.
Natürlich, unbefangen natürlich in jeder Lage des Lebens und den verschiedensten Personen gegenüber, kann nur eine ausgebildete Natur, ein fertiger Charakter sein. So lange aber das junge Wesen sich beständig beobachtet, ermahnt oder getadelt weiß, wird es niemals frei aus sich heraus gehen und sich so geben, wie es wirklich ist. Die jedem jungen Mädchen eigene Befangenheit wird sich stets in gezwungenen Manieren äußern, wenn sie nicht, in einer Art von Verzweiflungsparoxysmus, zum andern Extrem überspringt und, in völlig unnatürlicher Ungezwungenheit, tolle Lustigkeit heuchelt. Das eine wie das andere tadeln wir dann als „Affektation“.
Eine alte Gouvernante sagte mir einst, die höchste Stufe der Erziehungskunst sei, ein – natürliches Benehmen bei der Jugend zu erreichen, und dieser Ausspruch hat mir damals viel zu denken gegeben. Ich prüfte darauf hin jene jungen Damen, deren heiter natürliches Plaudern man so reizend fand, deren naiv kindliche Bemerkungen für so entzückend galten, und siehe da, ich kam richtig dahinter, daß der ganze Zauber dieser sogenannten „Natur“ nichts weiter war, als die höchste Vollendung der „Kunst“. Eines jener Mädchen, dessen schelmisches Lächeln, dessen gesellige Anmuth und Liebenswürdigkeit als unerreichbare Muster galten, entpuppte sich gar bald daheim, im unbeobachteten Zustande, als das launischste, unerträglichste Geschöpf, welches Mutter, Schwestern und Dienstleute in gleich schonungsloser Art tyrannisirte und nie eine freundliche Miene oder gar eine Gefälligkeit für einen der Hausgenossen hatte. All ihre bezaubernden Eigenschaften waren nichts als ein Gesellschaftsputz, den sie mit dem andern bunten Flitter daheim wieder ablegte und im Kasten aufbewahrte bis zur nächsten Einladung.
Es scheint also in Wahrheit möglich zu sein, auch diese reizende „Natürlichkeit“ zu erlernen und einzuüben, wie etwa ein Klavierstück, um damit bei passenden Gelegenheiten zu prunken. Seit ich dies weiß, bin ich etwas mißtrauisch geworden jenen „Backfischchen“ gegenüber, die ein gar zu festes unbefangenes Auftreten haben. Nur in den seltensten Fällen wird dieses Wesen der ungekünstelten Natur entspringen, nur sehr wenige junge Mädchen können schon so früh jene Reife des Gefühles und Verstandes besitzen, die ein solches Benehmen bedingt, und gar oft sind die gerühmten „natürlichen“ Mädchen eben nur fein dressirte. Die „unschuldigen“ Blicke, das schüchterne Niederschlagen der Augen, das naive Erschrecken, das bescheidene Schweigen im rechten Moment, das aufmerksam gespannte Anhören von langweiligen Gesprächen, dies Alles ist dann sorgsam studirt, und nicht ein Funke von „Natur“ wagt es, durch die dicke Schminke der Dressur hindurch zu blitzen.
Viel mehr in der eigenthümlichen Natur des Weibes begründet ist jene anscheinende „Geziertheit“ oder „Affektation“, die man in einem gewissen Alter bei so vielen jungen Mädchen auftreten sieht. Sie kommt ganz von selbst, wie Masern oder Keuchhusten, und muß eben so ruhig ausgehalten und abgewartet werden, wie andere Kinderkrankheiten. Bei dem einen Mädchen [424] zeigen sich schon im zwölften Jahre die ersten Symptome, beim anderen vielleicht erst im fünfzehnten, aber eine bestimmte Periode der „Affektation“ haben die meisten unserer Töchter durchzumachen, und sie werden dieselbe um so rascher und glücklicher überstehen, je weniger wir Mütter uns bemühen, dabei hilfreich einzugreifen. Das kostbare „Werden lassen“, dieses goldene Wort für die Erziehung, hat auch hier seine volle Kraft und Bedeutung. Nur grobe Verstöße gegen die geselligen Formen rüge man in ruhig ernster Weise und vermeide dabei allen Spott, der beim Erziehungswerke Gift ist; sonst aber darf man nur indirekt auf die Entwickelung dieser Krisis einzuwirken suchen. Doch wir müssen zunächst die Krankheit selbst genauer kennen lernen, bevor wir Heilmittel gegen dieselbe verordnen.
Sie beginnt stets mit dem Zeitpunkt, wo das junge Wesen anfängt, sich beachtet zu sehen. Mit dem ersten langen Kleid, mit dem ersten Kompliment, das ihr ein Geck zuflüstert, beginnt diese Periode der Ziererei. Das Mädchen fühlt sich als Erwachsene; es sieht plötzlich alle Spiele und Beschäftigungen, die es noch gestern herrlich unterhielten, als unter seiner Würde an, vermag aber doch noch nicht, den Unterhaltungen und Gesprächen der Erwachsenen überall zu folgen. So entsteht eine gewisse leidige Zwischenzeit, in welcher sich das arme junge Wesen sehr unbehaglich fühlt. Ganz natürlich hält es nun Umschau und beobachtet das Benehmen der älteren, geübten Genossinnen. Dies ist der kritische Augenblick!
Irgend eine der älteren Freundinnen imponirt dem „Backfischchen“, das nunmehr deren Ansichten und Manieren möglichst getreu zu kopiren sucht. Es bemüht sich, auch so zu sprechen, zu gehen, zu lächeln und sich zu verbeugen wie dieses Ideal. Selbstverständlich fallen diese Versuche oft sehr unglücklich aus, und Niemand fühlt das deutlicher, als die junge Novize der Gesellschaft selbst. Da hört sie vielleicht das Lob einer andern beliebten Dame singen, deren Wesen zufällig sehr verschieden ist von dem des ersten „Ideals“. Bewußt oder unbewußt versucht sie nun, dieser Andern nachzuahmen. Hat sie sich vielleicht einige Wochen lang durch unnatürlichen Ernst hervorgethan, so springt sie jetzt plötzlich zu sprudelnder Lebhaftigkeit über. Die Mutter aber steht entsetzt vor dem räthselhaften Wesen ihres Kindes und kränkt sich unaufhörlich über die unbegreifliche „Affektation“, die dem Mädel angeflogen ist, man weiß gar nicht wie und woher! Jetzt stürmt sie mit Klagen, mit Ermahnungen auf das Töchterchen ein, und dieses – ein gutes gehorsames Kind – will ja gern der Mutter gefällig sein. Es bemüht sich also nach besten Kräften „natürlich“ zu werden, es denkt bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung an diese neueste Aufgabe, und – o Jammer! – nun wird erst die allergräulichste Zierpuppe zu Tage gefördert.
So quälen sich Mutter und Kind fort, ein paar Jahre lang. Auf einmal ändert sich die Sache ganz von selbst. Der Entwickelungskampf der jungen Seele ist ausgekämpft, die Kinderschuhe sind abgestreift – ach leider! die lieben Kinderschuhe, die man nie wieder anziehen darf! – und der junge Mensch steht fertig vor Dir, mit seinen Tugenden und Fehlern, wie er nun eben geworden ist, aber affektirt wenigstens ist er nicht mehr. Das ist der gewöhnliche Gang der Dinge bei gesund veranlagten Naturen, die in gesunden Verhältnissen reifen.
Freilich giebt es auch eine gleichsam chronische Affektation, die nie wieder heilt, aber sie ist kaum mehr mit diesem Namen zu nennen. Wer nach dem zweiundzwanzigsten Jahre immer noch affektirt bleibt, dem ist wohl dieser Zustand zur andern Natur geworden. Es sind dies arme, geistesbeschränkte Wesen, die wir nur bedauern müssen und mit jenen kränklichen Menschen vergleichen können, welche von einer Kinderkrankheit für ihr ganzes Leben eine Schwäche behalten haben. Denn wie aus Kinderkrankheiten meist nur durch Vernachlässigung chronische Leiden entstehen, so entstehen auch bleibende Gemüths- oder Charakterfehler größtentheils nur aus falsch geleiteter Entwickelung in der Jugendzeit. Und in der That bedürfen unsere jungen Mädchen in jener Periode, wo sie „affektirt“ werden, der sorgenden Mutterhand vielleicht mehr noch, als während des Scharlachfiebers.
Ist die kritische Zeit gekommen, in der sich das Kind nach „Vorbildern“ umsieht, so muß die Mutter seinen Umgang sehr genau überwachen und darauf sehen, daß – wenn schon nachgeahmt werden muß – wenigstens nichts Schlechtes, nichts Unrechtes dabei angestrebt werden mag.
Laß dein Töchterlein immerhin die Handschuhe nach der Art jener Dame dort aus- und anziehen; kränke dich nicht darüber, wenn sie heute etwas sentimental erscheint und morgen wieder bedauert, nicht „ein Mann“ zu sein, um mit zu Felde ziehen zu können, das Alles sind nur leichte Blasen der Phantasie, die bald genug wieder in Nichts zerspringen.
Aber sollte sich berechnende Koketterie bei ihr anmelden, oder sollten egoistische, lieblose Aeußerungen fallen, dann sei auf deiner Hut und halte scharfe Umschau, woher dieser Lufthauch geblasen kommt. Kein Opfer sei dir dann zu groß, keine Rücksicht zu zwingend, um die junge Seele deines Kindes vor solchem Pesthauche zu schützen!
Daß auch die Lektüre in diesem Stadium der Entwickelung einer besonders strengen Kontrolle bedarf, versteht sich von selbst. Sind es doch nicht nur lebende Vorbilder, sondern ebenso oft die Heldinnen ihrer Bücher, welche unsere jungen Mädchen sich als „Ideal“ zur Nacheiferung erwählen. Fast ist in dieser Beziehung eine gewisse Sorte von „Jugendschriften“ gefährlicher, als wirklich gute, klassische Lektüre. Es giebt eine Unzahl von Büchern mit Pensionsgeschichten, die mir nicht recht behagen. Es treten darin junge Damen auf, die oft recht affektirte Gänschen sind und vom Autor dennoch als Muster hingestellt werden. Solche Vorbilder sind aber sehr leicht zu kopiren, und darin liegt die Gefahr.
Eine Jungfrau von Orleans, eine Walter Scott’sche Heldin erwärmt das Gefühl weit mehr und reizt nicht halb so sehr zu affektirter Nachahmung.
Hauptaufgabe der Erziehung aber bleibt es, das junge mit sich selbst ringende Gemüth unmerklich auf jene Bahnen zu lenken, wo der Kampf ein würdiger, der Sieg ein lohnender ist. Ohne die äußeren Formen des feinen Benehmens hintan zu setzen oder gar zu verachten, müssen wir doch stündlich durch eigenes Beispiel zu lehren suchen, wie viele Dinge es giebt, die unendlich höher stehen, als diese Formen.
Es ist mir oftmals rührend gewesen, zu beobachten, wie eine Schar affektirter junger Pensionsfräulein im Eifer eines anregenden Gespräches, in der Fröhlichkeit eines geistvollen Spieles ganz unvermerkt ihre Geziertheit ablegte; wie bei Erzählung einer schönen großen That die lieben Augen aufleuchteten und – unberechnet – warmer Beifall tief aus den bewegten Herzen brach; oder wie bei anderer Gelegenheit solche junge Mädchen im Eifer werkthätigen Helfens freudig zugriffen, die ganze Wichtigkeit der eigenen kleinen Person vergessend.
Da wären wir denn nun bei der eigentlichen Lösung unserer Frage angelangt: „Das Selbstvergessen ist der Tod jeder Art von Ziererei, und so wie sie im ersten Selbstbewußtsein ihre Entstehung fand, geht sie mit Eintritt des Selbstvergessens unfehlbar unter.“
Die schönste und vollständigste Art dieses Selbstvergessens bringt uns die erste – Liebe. In ihr liegt der naturgemäße und beglückendste Ausgang für alle in diesen Zeilen geschilderten Kämpfe der jungen Seelen. Läge es in unserer Macht, jedem jungen Mädchen zur rechten Zeit diese wirksamste Seelenarznei zu verschaffen, wahrlich, wir bedürften keiner andern! – Da es nun aber nicht in menschliche Willkür gegeben ist, dieses einfachste und sicherste Heilmittel anzuschaffen, so können wir dasselbe nur von einer gütigen Vorsehung für unsere liebe Jugend erbitten und müssen uns bemühen, das unerläßliche „Sichselbstvergessen“ auch auf andere schon angedeutete Weise zu erreichen. Gute, gewählte Lektüre, eben solcher Umgang, viel ernste gediegene Arbeit, an deren Erfolg das junge Mädchen Freude haben kann, liebreiches Eingehen auf ihre Interessen, die man aber allmählich, ihr unbemerkt, von den rein äußerlichen Dingen abzulenken sucht, das sind die Mittel, welche jene edle, wahre „Natürlichkeit“ zeitigen, die niemals gelehrt und anerzogen werden kann, weil sie nur aus dem eigenen klaren, mit sich selbst und der Welt einigen Gemüth entspringt. Es giebt nichts Erbärmlicheres, nichts Kleinlicheres, als eine affektirte Frau, aber ein etwas affektirtes junges Mädchen braucht uns weder ärgerlich noch besorgt zu machen. Nur: „Abwarten“ und: „Werden lassen“, so breitet auch der Schmetterling, der unter dieser Hülle verborgen liegt, bald genug seine Schwingen aus. C. Michael.
[425]
Deutschlands große Industrie-Werkstätten.
Die alten Buchdrucker können sich noch auf jene Zeiten besinnen, da an heiteren, windstillen Tagen die dumpfen Druckereisäle verlassen wurden und die Jünger Gutenberg’s fröhlich vor die Thore der Stadt zogen, um „Farbe“ zu bereiten. Da prasselte lustig in einem Erdloche das Feuer, darüber stand auf einem Dreifuß die kupferne birnförmige Blase, in der das Leinöl kochte, und Jung und Alt tauchte in dasselbe an Holz gespießte Semmeln und Schwarzbrotstücke, die, später mit Salz bestreut, ein beliebtes Druckerfrühstück bildeten und zum kräftigen Schluck vortrefflich mundeten. Der Meister sah es nicht ungern, daß seine Leute auf diese Weise ihr Brot fett machten, denn aus dem Leinöl sollte man Firniß sieden, und da entzogen jene Semmeln und Brotstücke dem siedenden Oele die flüssigeren Fetttheile und brachten es rascher zum Eindicken. Vorsicht mußte dabei freilich geübt werden, denn das Oel durfte nicht aufbrausen und überlaufen, sonst ging die ganze Herrlichkeit in Rauch und Flammen auf.
War nun diese Arbeit glücklich vollendet und der Firniß gehörig abgekühlt, dann begann ein mühseliger Proceß, der zweite Theil der Farbebereitung. Aus den mitgebrachten Säcken wurde Ruß in den Firniß hineingerührt, bis nach der Meinung des Meisters die Masse schwarz genug war, um sie selbst für den Druck von Prachtwerken zu verwenden. Also bereiteten die früheren Buchdrucker ihre Buchdruckfarbe nach einer Methode, die schon vor Gutenberg’s Zeiten bekannt war, da es noch die sogenannten Blockbücher gab, deren in Holz geschnittene Bilder- oder Typentafeln mit schwarzer Farbe gedruckt wurden. Manche Leute finden diese ursprüngliche Bereitungsart „romantisch“, was wir nicht leugnen wollen, wenn wir uns die kochende Schar an einer alten Stadtmauer postirt denken und im Geiste den Feuerschein auf alten Giebeln und Erkern spielen sehen, aber praktisch war sie nicht. Alles schickt sich nicht für Jeden, und so war auch mancher guter Drucker ein schlechter Farbemacher; darum finden wir auch in so vielen alten Büchern unsaubere Buchstaben mit gelben Oelringen, die noch nach Jahrhunderten von mangelhaft bereiteter Druckerschwärze zeugen. Trotzdem wurde die alte Einrichtung beibehalten, denn von der lieben Gewohnheit konnten sich auch die Buchdrucker nicht trennen, bis sie im Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Macht der Verhältnisse zum Verzicht auf die Farbebereitung gezwungen wurden.
Die von Friedrich Koenig erfundene Schnellpresse begann damals ihren großen Siegeslauf um die Welt. Sie wirkte reformirend und belebend auf den Buchdruck. Spielend wurden jetzt die höchsten Auflagen bewältigt, die Tagespresse wuchs mit überraschender Schnelligkeit zu einer neuen Macht heran und scheute weder Papier noch Buchdruckfarbe, um überall ihren Einfluß geltend zu machen. Da konnte die Farbenblase der alten Buchdrucker den immer wachsenden Bedarf an guter Druckerschwärze nicht mehr decken, und auch auf diesem Gebiete mußte endlich das große Princip der Theilung der Arbeit zur Geltung gelangen.
Es entstanden bald besondere geschäftliche Unternehmungen zur Anfertigung der Druckerschwärze, Buchdruckfarbefabriken im vollsten Sinne des Wortes, und England, in dem die Schnellpresse ihre ersten Triumphe gefeiert hatte, ging auch nach dieser Richtung bahnbrechend vor. Lange Zeit hindurch versorgte es die Völker des Kontinents mit seinen zu hohen Preisen verkauften Erzeugnissen, und erst in späteren Jahrzehnten, nachdem die Wunden, die uns die lange Kriegszeit geschlagen, geheilt waren, konnte Deutschland daran denken, die englische Konkurrenz aus eigenem Lande zu verdrängen. Heute ist die Zeit jener Abhängigkeit von fremder Industrie längst überwunden, und der gute Ruf der deutschen Buchdruckfarbe auf dem Weltmarkte fest begründet.
Aus kleinen Anfängen erwuchsen bei uns jene großartigen Etablissements, unter denen die Fabrik der Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann in Hannover als eine Musteranstalt hervorgehoben zu werden verdient. Wir wollen gerade ihr einen Besuch abstatten, denn hier lernen wir am besten, wie tadellose Buchdruckfarbe den Anforderungen der Zeit entsprechend hergestellt wird.
Ruß und Leinöl sind noch heute die Hauptrohmaterialien, mit denen unser Farbefabrikant rechnen muß. Von ihrer Güte hängt die Vollkommenheit der Druckerschwärze ab, und darum muß seine Sorge in erster Linie darauf gerichtet sein, besten Ruß und bestes Leinöl zu erhalten.
Der Buchdrucker bezog früher seinen Ruß aus gewöhnlichen Rußbrennereien, deren Produkt oft von zweifelhaftem Werthe war; der moderne Fabrikant hat die Erzeugung desselben selbst in die Hand genommen. Mit den alten Rauchkanälen und Rußkammern hat er längst gebrochen, der dort erzeugte Ruß mag für Stiefelwichse gut sein, für die Farbe, mit der die besten Holzschnitte gedruckt werden sollen, ist er viel zu roh.
Um feineres Produkt zu erzielen, hat man darum zunächst zu den Oellampen gegriffen, und wir finden jetzt in den Farbefabriken weite Säle, in welchen Hunderte von Lampen brennen, denen sämmtlich eine Eigenschaft innewohnt, die sonst nicht gerade zu den Vollkommenheiten einer Lampe zählt: sie rauchen alle gründlich – ist es doch hier ihr Beruf zu rauchen, nicht zu leuchten! Das Ergebniß ihrer Berufsthätigkeit, der Lampenruß, wird dann sorgfältig durch Rohre in lange senkrecht hängende Säcke geleitet, aus denen man ihn durch vorsichtiges Klopfen entfernt und sammelt. Um ein gleichmäßiges Brennen der Lampen in diesen Rauchsälen zu erreichen und dabei das zeitraubende Nachfüllen des Oels zu ersparen, sind Vorkehrungen getroffen, daß dasselbe einer jeden durch Zuteilungen von selbst und regelmäßig zufließe. Ja, man ging noch weiter. Sorgfältige Experimente ergaben, daß die [426] Flamme gewisser aus besonderen Oelen hergestellter Gase noch besseren Ruß giebt, und auf Grund dieser Erfahrung schuf die Fabrik von Gebrüder Jänecke und Schneemann die übermodernste Rußgewinnung, die sogar an Reinlichkeit und Eleganz nichts zu wünschen übrig läßt. Aus der Gasanstalt der Fabrik, in der die Mineralölgase bereitet werden und die wie alle ähnlichen Anstalten mit Retorten, Gaswaschapparaten, Gasometern etc. ausgestattet ist, führen weitverzweigte Röhrenleitungen in zwei große „Rußsäle“, die in der ersten unserer Abbildungen wiedergegeben sind. Gewaltige Reihen sinnreich konstruirter Apparate treten uns hier entgegen. Ueber den zahllosen mit dem oben erwähnten Gase gespeisten Brennern schweben gußstählerne Scheiben, die sich fortwährend in horizontaler Lage drehen. Die Flammen lecken die nach unten gekehrten glatten Flächen und lagern dort ihre unverbrannten Kohletheilchen, den Ruß ab, welcher durch einen scharf an die Scheibe gestellten Schaber abgestrichen und in die unten stehenden Cylinder, die sogenannten Sammelkammern, geleitet wird. Damit nun diese künstlichen Rußfänge (der Techniker nennt sie Batterien) sich nicht erhitzen, sind sie von einem ganzen Geäst von Eisenröhren überspannt, aus denen fortwährend kaltes Wasser auf ihre nach oben gekehrte Fläche herniederträufelt.
Hat man nun endlich den Ruß erlangt, so ist er doch noch nicht sofort verwendbar: er muß noch calcinirt, d. h. ausgeglüht werden, wobei Alles, was nicht reiner schwarzer Färbstoff ist, verbrennt. Dieses Calciniren geschieht in eisernen Cylindern in eigens hierfür gebauten Oefen, und zwar ein- bis dreimal, je nach dem Grade der Feinheit, welchen der Ruß erlangen soll.
Mit so viel Umständen wird hier der schwarze Geselle behandelt, der sonst in der weiten Welt, unter Menschen, verhaßt ist, gegen den die Hygieniker donnern, wenn er in schwarzen Rauchmantel ganze Städte einhüllt, über den sich unsere lieben Frauen so gewaltig ärgern, wenn er in kleinen Flocken unsichtbar in der Luft wirbelt und sich auf die glänzend weiße, zum Trocknen aufgehängte Wäsche heimtückisch niederläßt. Hier in der Fabrik zeigt er sich uns von seiner bessern Seite, er soll ja mit dienen und mit helfen im Werke der Bildung und Aufklärung.
Mit derselben Sorgfalt wählt und behandelt der vorsichtige Fabrikant sein zweites Rohmaterial, das Leinöl. Er sammelt es zunächst in großen viele Hunderte von Centnern Oel fassenden Cisternen, in denen dasselbe lange Zeit ruhig lagern und alle Unreinigkeiten absetzen kann. Aus diesem alten abgelagerten Oel muß er dann Firniß sieden, in kupfernen Blasen, wie in alter guter Zeit. Das Sieden erfolgt aber nicht mehr unter blauem Himmel, und auch von fetten Brötchen ist dabei keine Rede mehr. In massiven rauchgeschwärzten Gewölben reiht sich Blase an Blase, strenge Ordnung herrscht überall, und ein großer Feuerlöschapparat steht immer bereit da, mit dessen Hilfe eine bei den vorzüglichen Einrichtungen aber kaum noch vorkommende Feuersgefahr sofort beseitigt werden kann.
Aus den Siedeblasen gelangt der fertige Firniß durch Röhrenleitungen in Bassins, um dann je nach Bedarf in große Mischbottiche gebracht zu werden, wo durch Dampf getriebene Rührwerke den Ruß in denselben hineintreiben. Die Druckfarbe erlangt hierdurch etwa den Grad des Fertigseins, welchen ihr die Drucker von ehedem mittels ihres primitiven Verfahrens zu geben vermochten. Heute beginnt hier erst der Raffinirproceß, in welchen uns unser zweites, ebenfalls der Jänecke und Schneemann'schen Fabrik entnommenes Bildchen einen Blick thun läßt. Ein großer Saal – ein drei Mal so großer ist im Bau eben vollendet – ist ganz gefüllt mit Reibwerken, die zwei, drei oder auch vier Stahlwalzen besitzen, die zu verarbeitende Schwärze wird in einen Trichter gebracht und fließt aus diesem auf die Walzen, um bei oft vielfach wiederholtem Durchgange zwischen denselben durch scharfe Verreibung den erforderlichen Grad von Feinheit zu erlangen. Beiläufig sei bemerkt, daß bei ganz feinen Druckfarben, namentlich bei bunten, deren Reinheit eine längere Berührung mit der metallischen Oberfläche der Reibwalzen ungünstig beeinflussen könnte, geschliffene Marmorwalzen das Geschäft des Verreibens besorgen. Ist dies geschehen, so wird das fertige Fabrikat in Fässer, in Blechbüchsen, oder – bei allerfeinsten Sorten – in Malertuben gefüllt und wandert sodann entweder ins Lagerhaus oder wird dem Käufer zugesandt.
An diese Hauptwerke reiht sich in großen Buchdruckfarbefabriken noch ein beträchtlicher Nebenapparat, der dann dem Ganzen den Anstrich einer Industriestätte ersten Ranges verleiht. So finden wir z. B. in der etwa 25 Gebäude umfassenden Fabrikanlage zu Hannover eine 40pferdige Dampfmaschine, neben welcher jetzt sogar eine von 100 Pferdekraft aufgestellt ist, die auch die Kraft für die elektrische Beleuchtung der Fabrik liefert, ferner vier Dampfkessel und einen Gasmotor, eine eigene Böttcherei zur Anfertigung der Versandfässer und eine Klempnerwerkstatt zur Erzeugung von Blechbüchsen, ein chemisches Laboratorium, Druckerpressen zur praktischen Prüfung der Farben, große Expeditions- und Komptoirräume etc. All das sind Dinge, von denen sich wohl die wenigsten unserer Leser hätten träumen lassen bei Betrachtung des Tüpfelchens über dem i, dessen unwägbarer Schwärzegehalt doch all die hier kurz geschilderten Processe durchgemacht, den ganzen weitläufigen und kostspieligen Apparat in Bewegung gesetzt hat, bevor er auf das Papier gelangen konnte.
Solchen Musteranlagen verdankt die Buchdruckerkunst einen nicht
geringen Theil ihrer heutigen Vollendung. Mit Hilfe der hochfeinen
theueren Druckfarbesorten ist es möglich geworden, jene mit den vollendetsten
Holzschnitten geschmückten Prachtwerke herzustellen, die den Stolz und die
Ehre unseres Buchhandels bilden.G.
[427]
Romeo und Julia in der Garnison.
Von Karl Hecker.
(Schluß.)
Der Karneval ging seinem Ende entgegen, ohne daß es die Gesellschaft in X. bei der in ihr herrschenden Spaltung zu einer größeren Festlichkeit gebracht hätte. Da trat ein Ereigniß ein, das wie ein Blitzstrahl auf die stagnirenden Gewässer eines Sumpfes wirkte. Ein Prinz hatte ganz unvermuthet das Kommando der beiden Regimenter übernommen, und seine erste Amtsthätigkeit war die telegraphische Ankündigung seines Besuchs behufs näherer Bekanntschaft auf dem Weg einer Besichtigung. Noch am gleichen Abend, da die Botschaft eintraf, ward zwischen den beiden Officierkorps der übliche Waffenstillstand geschlossen und andern Morgens hielten auch schon die Damen gemeinsamen Rath, was ihrerseits zur Verherrlichung des erlauchten Gasts zu geschehen habe. Auch hier ward nach lebhafter Debatte eine Einigung erzielt und die Veranstaltung eines kostümirten Balls zum Beschluß erhoben.
Dem sofort gebildeten engeren Fest-Komité trat auf allgemeinen Wunsch Sternau, der Unentbehrliche, als einziges männliches Mitglied bei. So war denn ganz von selbst die verhaßte Schranke gefallen, auch Julia saß im Komité, das nun bei der Dringlichkeit des Gegenstandes von früh bis spät in die Nacht hinein tagte.
Sternau befand sich hier in seinem Element, aber niemals noch hatte man ihn sich einer Sache mit solchem Feuer, solcher Hingebung annehmen sehen. Ein Menuet von Rittern und Edelfräulein und ein türkischer Tanz sollten die Glanzpunkte des Festes bilden, Christen und Türken sich zum Schluß in einer malerischen Gruppe vereinigen, welche symbolisch auf die Kriegslorbeern eines Vorfahrs des Gefeierten anspielte.
Die Rollen wurden vertheilt, Sternau bat für das Menuet um Julia’s Hand, die ihm von der Eigenthümerin freudigst gewährt, von den übrigen trotz einigen Nasenrümpfens Dank seiner Unentbehrlichkeit nicht bestritten wurde. So mußte sich Herr von Hagedorn wohl oder übel – er ließ es an Protesten nicht fehlen – mit dem Rang eines Paschas von mehreren Roßschweifen abfinden lassen. Auch der ganz unberechtigte Widerstand, den einige Damen dem Schleier der Türkin entgegensetzten, ward glücklich gehoben und die Proben begannen.
Wer schon dabei gewesen, wird es bezeugen, wie in diesen der Hauptreiz für alle Betheiligten liegt, welcher darin besteht, daß der gemeinsame künstlerische Zweck auch dem gegenseitigen Verkehr eine gewisse künstlerische Freiheit verleiht und das sonst übliche Ceremoniell aufhebt. Wenn dies für alle gilt, mögen sie sich im Leben noch so fern stehen, wie viel mehr für die beiden Hauptpersonen dieser Erzählung, deren Herzen doch bereits ein geheimes Band umschlang. Wohl brannte Herr von Hagedorn vor innrer Wuth, wenn er Sternau, den Montague, den Windhund, der ihm seines schöngeistigen Wesens halber von der ganzen Familie der verhaßteste war, seine künftige Braut, wie er meinte, umtänzeln und mit seinem faden Geschwätz ennuyiren sah, während er selbst an eine ältliche Türkin von der andern Seite gebunden war. Allein, ob er gleich bittere Rache brütete, mußte er sich doch für den Augenblick zur Geduld zwingen. Sternau war nun einmal der Leiter des Spiels, alle fügten sich seinen Anordnungen, und überdies hatte der Regimentskommandeur im Hinblick auf den erwarteten hohen Besuch das ganze Officierkorps und den Lieutenant von Hagedorn insbesondere unter Androhung strengster Strafe zu einem friedfertigen und einträchtigen Betragen gegenüber den Dragonerkameraden ermahnt.
Herr von Helmkron verstand keinen Spaß in solchen Dingen, das wußte Hagedorn, und darum wagte er es auch nicht, das Glück der beiden Liebenden durch eine offene Feindseligkeit zu stören, und für diese wurden die Tage vor dem Fest zu einer Probezeit in des Worts tieferer Bedeutung.
Ja sie schien ihnen fast zu kurz, denn noch ehe die Mannschaften über die unzähligen Ziffern und Punkte des Erlasses, der ihr Verhalten regeln sollte, genügend instruirt, ehe sämmtliche Tänzer und Tänzerinnen ganz taktfest waren, traf auch schon Seine Hoheit ein und geruhte in feierlicher Audienz, die ihr von den beiden Kommandeurs nebst Gattinnen angebotene Einladung zum Ballfest auf den nächsten Abend gnädigst anzunehmen. Ein Glück war’s, daß Romeo und Julia bis dahin alle Hände voll zu thun hatten, so daß ihnen keine Zeit zum Nachdenken blieb, wie sich ihr Geschick wohl vollenden werde, wenn nach gelungenem Fest der Waffenstillstand ablief und die Feindseligkeiten wieder begannen. Der von den Sternen so auffallend begünstigte Anfang ihres Unternehmens ließ sie dessen Schwierigkeiten vergessen und blind dem Glück vertrauen, dessen Unzuverlässigkeit ihnen doch gerade das traurige Ende jenes Liebespaars nahelegen mußte, das sie sich zum ominösen Vorbild erkoren hatten. – –
Schneeflocken wirbelten, der Winter hatte sich plötzlich auf seine lang vernachlässigte Pflicht besonnen. Stimmte ihn die Ankunft des Prinzen so diensteifrig? Fürchtete er vielleicht, ein höheres Kommando könnte nächstens einmal ebenso überraschend die Jahreszeiten besichtigen? – Die Vorderseite des Gesellschaftshauses in X. war mit den Fahnen aller Nationen geschmückt und darunter stand, mehr durch die Empfindung der Kälte, als den Mangel an Raum zusammengedrängt, die neugierige Menge derer, welche in X. sonst nicht unter den Fahnen standen, denn die Truppen waren der Ordnung wegen in den Kasernen konsignirt. Wagen um Wagen rollte über den knarrenden Schnee und entledigte sich vor dem Portal, das zwei bärtige Landsknechte bewachten, seiner kostbaren Fracht. Dicke Mäntel und Pelze verhüllten die Gestalten, nur zwischendurch glitzerte hier und dort ein Stück Goldborde oder ein Ordensstern, wie die glühende Lava durch die Ritzen eines geborstenen Vulkans, und wer in die Herzen hätte sehen können, würde wohl auch da etwas von der in solchen Feuerbergen herrschenden Gährung bemerkt haben. Im großen Saal, zu dessen Dekoration Zeug- und Treibhaus ihre Trophäen geliefert hatten, wogte es von Rittern und Türken, Odalisken und Edelfräulein; Sternau schärfte ihnen allen mit lebhaftem Geberdespiel nochmals ihre Rollen ein. An der Thür standen die beiden Kommandeusen gleichfalls im Kostüm und am Fuß der Treppe die Kommandeurs in Uniform, des erlauchten Gasts harrend. Jetzt erschollen gedämpfte Hochrufe auf der Straße, plötzliche athemlose Stille herrschte im Saal, dann folgte eine tiefe, allgemeine Verbeugung. Er war da!
Von den beiden Obristinnen umrahmt, deren Gatten ehrerbietig etwas zurückstanden, nahm der Prinz auf der teppichbehängten Estrade Platz; sofort setzte die Musik ein und das Menuet begann.
Es würde diese wahrhafte Geschichte ungebührend verlängern, wollte ich mich auf eine Schilderung des nun folgenden Schauspiels einlassen, ich begnüge mich daher, zu sagen, daß es dem künstlerischen Ruf des Helden alle Ehre machte. Der Prinz war von allem, namentlich aber von der Schlußapotheose, deren Symbolik ein von Sternau verfaßtes und von Julia gesprochenes Gedicht erläuterte, höchlichst befriedigt. Er gab dies allen Mitwirkenden zu erkennen und ließ sich mit jedem einzelnen in ein ebenso kurzes, als huldreiches Gespräch ein, aus dem jeder einzelne wieder eine besondere, speciell für ihn berechnete Artigkeit heraushörte. Man ging nun zur zweiten Nummer des Programms, dem Souper über, das in einem kleineren Nebensaal servirt war. Der hohe Gast mit einem kleineren Häuflein Auserlesener saß an einer besonderen Tafel, an einer andern vereinigten sich die Künstler, und wie, den Umständen angemessen, dort eine friedliche, so herrschte hier eine überaus heitere Stimmung, die ganz allein Hagedorn nicht theilte. Finster und wortkarg saß er neben seiner Türkin, die es gleichwohl an Aufmunterung nicht fehlen ließ, und schleuderte grimmige Blicke nach dem entgegengesetzten Ende der Tafel, wo Sternau in der ihm eigenen lebhaften Art seine Dame bediente und unterhielt, ohne daß beide den Zorn ihres Beobachters im geringsten zu bemerken schienen. Einige scherzhafte Anspielungen der Tischgenossen steigerten diesen noch und das überhastete Hinunterstürzen von Getränken, die der Koran seinen Bekennern verbietet, trug nicht dazu bei, ihn zu beruhigen. Er hatte sich schon stark gegen das Verbot versündigt, als das [428] Geräusch bei Seite geschobener Stühle die Aufhebung der Tafel verkündete und die fast gleichzeitig wieder einfallenden Klänge der Musik zu einem flotten Walzer einluden. Aber nicht freudig wie die andern folgte er der Ladung, sondern zögernd und mißmuthig, und nachdem er seine Tänzerin ein paarmal im rasendsten Tempo herumgeschwungen, gab er sich aufs neue seiner finsteren Beobachtung hin. In dem Gewühl, das wie ein Wirbelwind an seinem erregten Blick vorbei flog, sah er Romeo und Julia bald schneller, bald langsamer in anmuthig schaukelnder Bewegung dahin gleiten, verschwinden, wieder auftauchen und, ganz dem Vergnügen des Tanzes hingegeben, nur selten ruhen. Unwillkürlich ballten sich seine Fäuste bei dem Anblick und die dolchscharfen Schnurrbartspitzen knirschten zwischen den sie unbarmherzig zermalmenden Zähnen. Er sah ordentlich unheimlich aus.
Nun plötzlich war ihm das Paar verschwunden und blieb’s, so sehr er darnach forschte; keine neue Woge brachte es wieder.
„Wo sind sie?“ Laut stieß er diese Worte hervor und blieb die Antwort auf das freundliche – „Wie meinten Sie?“ seiner Dame schuldig. Länger vermochte er sich nicht zu halten, die ganze Eifersucht des Moslem, dessen Gewand er trug, erfüllte seine Brust. Zwar glaubte er, einem Rest ruhiger Vernunft zu gehorchen, indem er sich mit seiner Frage an Frau von Helmkron wandte, aber da kam er schlimm an. Diese, in gespannter Ermartung, ob ihr der Prinz zum zweiten Mal die Ehre eines Tanzes, welche ihrer Kollegin eben zu Theil ward, gewähren werde, hatte kein Ohr für ihren Schützling; nur ein zorniger Blick sagte ihm, daß sie heute nicht Kousine, sondern Vorgesetzte für ihn war. Durch diese Behandlung aufs Aeußerste gebracht, vergaß Herr von Hagedorn alle guten Rathschläge seines Obersten und nur seinem hitzigen Temperament folgend, beschloß er, sich selbst die gewünschte Auskunft zu verschaffen. –
Sternan hatte seine von der Schwüle des Saals angegriffene Dame in ein kühleres und zur Zeit ganz verlassenes Nebengemach geführt, wo man die Musik nur gedämpft vernahm und auch keine allzu grellen Lichteffekte die Ruhe störten, zu welcher ein bequemer, von Blattpflanzen überschatteter Eckdivan die tanzmüden Glieder einlud. Nachdem er sie durch eine Limonade gestärkt, glaubte er, den Augenblick gekommen, das entscheidende Wort, das ihm längst auf den Lippen brannte, auszusprechen. In der That war es dazu die höchste Zeit, denn nach drei weiteren Tanznummern ging der Ball zu Ende und wer weiß, ob sich ihm je wieder so günstig die Gelegenheit bot, sein übervolles Herz auszuschütten. Er that es in der bekannten schwungvollen Weise, aber dieses Ueberschwängliche, das die andern für ein Kunstprodukt hielten, war Julien völlig neu und wirkte daher auf sie wie die ungeschminkteste Natur. Ohnehin hatten die Erregung des Tanzes, die Anwesenheit des Prinzen, die Einsamkeit des Orts, die gedämpfte Musik, endlich das Kostüm, dem der berühmten Veroneserin so ähnlich, wie Sternau’s dem des Romeo, ihr empfindsames Gemüth noch besonders auf diesen Fall vorbereitet. Eine süße Mattigkeit war über ihr ganzes Wesen ergossen, in traumartigem Zustand, von Palmen umfächelt, von Quellen ummurmelt, lauschte sie den glühenden Schwüren ihres Anbeters, wie dem bezaubernden Gesang eines Vogels, und dieser, von einer ähnlichen Sinnentäuschung befangen, ward immer kühner, immer feuriger. Vor ihr stehend hatte er, ohne daß sie’s wehrte, ihre beiden Hände erfaßt, seine Kniee beugten sich, seine Lippen neigten sich zu den ihrigen und sie regte sich nicht, „wie Heilige pflegen, wenn sie zugestehn.“ Sternau aber, in dem sich auch in diesem erhabenen Moment der Künstler nicht verlengnete, deklamirte begeistert die Worte des Romeo:
„Entweihet meine Hand verwegen Dich,
O Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen,
Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich,
Den herben Druck im Kusse zu versüßen.“
Da – es ist nie ganz aufgeklärt worden, wie weit die beiden Pilger auf ihrer Wallfahrl gelangt waren – erhob sich plötzlich zwischen den beiden die riesige Gestalt eines Muselmanns und Hagedorn’s Stentorstimme unterbrach den sanften Fluß Shakespeare’scher Verse:
„Gnädiges Fräulein, Ihre Frau Mama wünscht mit Ihnen zu sprechen!“
Ein heller, markdurchdringender Schrei und Julia lag ohnmächtig auf den Polstern des Divans.
Vergebens suchte Sternau den wüthenden Rivalen zu beruhigen, den seine Demuth nur noch rasender machte, so daß auch er die Geduld verlor. Ein heftiger Wortwechsel entspann sich. Gleichzeitig aber verstummte draußen die Musik, Damen und Herren stürzten in das Gemach, wie eine Verzweifelnde warf sich Frau von Helmkron, ihrer Mutterrolle plötzlich eingedenk, über die Tochter, der Prinz kam und erkundigte sich nach der Veranlassnug des bedauerlichen Vorfalles; aus den Reden der beiden Gegner jedoch war kein Aufschluß zu erlangen. Ein Arzt kam, die Herren wurden gebeten, das Zimmer zu verlassen; frisches Wasser und stärkende Essenzen riefen Julia ins Leben zurück. Es war ein schreckliches Erwachen, und sie fühlte sich so erschöpft, daß sie schleunigst nach Hause verlangte. Frau von Helmkron begleitete sie, und um ihren mütterlichen Schmerz nicht durch Fortsetzung des Balls zu entweihen, sprach der Prinz nochmals seinen Dank und sein Bedauern aus und entfernte sich gleichfalls. Im Weggehen jedoch ersuchte er die beiden Kommandeurs, ihm morgen genauen Bericht über den störenden Zwischenfall und seine Ursachen zu erstatten. So schloß das so schön begonnene Fest mit einem schrillen Mißton. Zwischen den Lieutenants von Sternau und von Hagedorn fand in einem einsamen Kasernenraume eine weitere Auseinandersetzung mit blanken Waffen statt, und noch ehe die Sonne Aurorens Bettvorhang ganz weggezogen, hatte der unselige Bruderzwist bereits ein neues blutiges Opfer gefordert, kein geringeres, als die Nasenspitze des Herrn von Hagedorn.
„O, ich Narr des Glücks!“ seufzte Romeo, als er beim Tagesgrauen nach Hause kam. – –
Die Sonne ging an diesem Morgen sehr spät auf und beleuchtete einen trüben Tag. Noch trüber sah es in der Brust unseres Freundes aus. Er hatte sich halbentkleidet aufs Bett geworfen, aber der Schlaf floh ihn, und als er ihn eben zu erhaschen dachte, wurde er durch eine Ordonnanz zum Regimentskommandeur beschieden. Nach einer längeren sehr lebhaften Unterredung kehrte er gegen Mittag wieder in seine Wohnung zurück. Er berührte nichts von den Speisen, die ihm sein Bursche auftrug, wie ein Verzweifelter schritt er im Zimmer auf und nieder, er lud seine Pislolen. In seinen Ohren gellte das Wort „Versetzung“ – schlimmer als der Tod. Gab es eine Welt außerhalb X.? Keine Philosophie brachte ihn darüber weg.
Da klirrten neuerdings Tritte die Treppe herauf, zwei sehr bestimmte Schläge erschütterten die Thür, und hereib trat, ordengeschmückt, die Czapka in der Hand, mit strenger feierlicher Miene, der Oberst von Helmkron.
„Ich habe,“ begann er, noch ehe sich Sternau von seiner Verblüffung erholt hatte – „von Ihrem Herrn Kommandeur die Erlaubniß zu diesem gegen die Vorschrift verstoßenden Besuche erbeten, den mir der gestrige Vorfall zur Pflicht macht. Herr von Hagedorn hat mich von Allem unterrichtet. Schwerlich werden Sie dagegen etwas vorzubringen haben.“
„Ich gestehe, Herr Oberst, die Leidenschaft –“
„Lassen Sie mich, bitte, ausreden. Sie haben meine Tochter öffentlich kompromittirt, ich kann und will nicht annehmen, daß Sie das muthwillig gethan, und frage Sie daher: Lieben Sie Fräulein von Helmkron?“
„Ich liebe sie, ach, längst –“
„Genug, es gab zweifellos richtigere Wege, diesem Gefühle Ausdruck zu geben, als den Sie gewählt. Indessen bin ich nicht hier, Ihnen Vorwürfe zu machen, auch muß ich zugeben, daß das Ungewöhnliche unserer gesellschaftlichen Zustände Ihre Schuld einigermaßen mildert. Dieses Mißverhältniß endet jedoch mit dem heutigen Tage. Seine Hoheit, der Prinz, von der Sachlage längst unterrichtet, ist über den jüngsten Vorgang und seine Folgen aufs Tiefste empört, er wird solche Zustände auch nicht einen Tag länger dulden, wir beide Kommandeurs haben ihm die Versöhnung unserer Regimenter in die Hand gelobt. Selbstverständlich habe ich auch mit meiner Tochter gesprochen, auch sie ist Ihnen geneigt und erwartet ihr Lebensglück von einer Verbindung, die zugleich die einzig vernünftige Lösung der höchst kritischen Situation ist. Meine Gattin und ich, obwohl wir uns bezüglich Juliens mit anderen Plänen trugen, wollen ihrem Glücke nicht im Wege stehen, wir geben unsere Zustimmung. Wenn irgend Etwas im Stande ist, dem Prinzen den schiefen Eindruck, den er vom gestrigen Abend empfangen, zu mildern, ja zu verwischen, so ist
[429][430] es die Anzeige der Verlobung meiner Tochter mit Ihnen, die ich Seiner Hoheit heute noch vor der Abreise vertraulich erstatten werde, Ihr Einverständniß vorausgesetzt.“
Hier vergaß Sternau alle Subordination, und er wäre seinem Vorgesetzten sicher um den Hals gefallen, wenn dieser ihn nicht rechtzeitig bei den Händen erwischt hätte.
„Julia, meine Braut!“ rief er, „und heute noch! Welches Glück! Wie soll ich Ihnen danken!“
„Gemach, gemach, junger Mann,“ beruhigte ihn der Oberst, „ich habe nur gesagt, daß ich heute noch Seiner Hoheit vertraulich die Anzeige erstatten werde, für die übrige Welt hat es damit nicht solche Eile, und zunächst haben Sie ja, mein lieber Herr Lieutenant, sofern ich recht berichtet bin, einen achttägigen Stubenarrest abzusitzen.“
„Freilich,“ seufzte Sternau „ich hatt’ es vergessen.“
„Nun, beruhigen Sie sich, die Strafe ist noch recht gelind, und länger soll auch Ihre Verlobung kein Geheimniß sein. Aber noch eines möchte ich Ihnen sagen. Wenn meine Zustimmung auch scheinbar eine erzwungene ist, so hab’ ich mich doch nicht so ungern zwingen lassen. Sie sind ein tüchtiger Officier und tragen den Namen eines alten edlen Geschlechts. Ich habe Ihren seligen Herrn Vater wohl gekannt und stehe in freundschaftlichen Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern Ihrer Familie. Ich weiß, daß Ihre Vermögenslage keine glänzende ist, aber Juliens mütterliches Erbe, über das sie schon heute frei verfügt, wird Ihnen beiden ein anständiges Auskommen sichern. Von Ihnen verlange ich nur, daß Sie mir Ihre Verhältnisse offen darlegen und auch das mehr, weil es einmal so Sitte ist, als weil ich an Ihrer Ordnung zweifelte. Dazu finden Sie in Ihrer achttägigen Abgeschlossenheit mehr als genügend Muße, und den Ueberschuß mögen Sie zu einem Briefwechsel mit Ihrer Braut verwenden. Machen Sie Julien glücklich und werden Sie es durch sie! Wenn sich dieser Wunsch erfüllt, dann will ich den gestrigen Vorfall nicht nur nicht beklagen, sondern mich herzlich darüber freuen, daß er zwei Menschen glücklich und dem unnatürlichen Haß zwischen zwei gleich ehrenwerthen Regimentern ein Ende gemacht hat. Und nun, mein künftiger Herr Schwiegersohn, leben Sie wohl, lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden! In acht Tagen auf Wiedersehen!“
Damit verabschiedete sich Herr von Helmkron. In welcher Stimmung Sternau zurückblieb, mit welcher Ungeduld er seiner Befreiung entgegenschmachtete, was er in Versen und Prosa im Verkehr mit der entfernten Geliebten leistete, das zu beschreiben, bekenne ich gern mein Unvermögen.
Der Prinz reiste noch am gleichen Abend, durch die ihm gewordene Aufklärung völlig befriedigt, nach der Residenz ab.
Acht Tage später war solennes Verlobungsfest, dem die Officiere beider Regimenter beiwohnten und wo der Friede endgültig besiegelt wurde. Als guter Patriot hoffe ich, daß ihn kein Unfall in der Zukunft mehr stören werde.
Hagedorn allein, der sich auf die Anhänglichkeit seiner Nasenspitze noch nicht ganz verlassen konnte, fehlte dabei. Aber auch er zeigte sich mit dem Gang, den die Ereignisse genommen, ausgesöhnt. Die Fechtkunst seines Gegners hatte ihm gewaltig imponirt. Mochte dieser auch seine Schwächen haben, in den Terzen war er ihm überlegen, das stand fest.
Nach weiteren vier Wochen kam das sehnlichst erwartete Verordnungsblatt. Es brachte den beiden Kommandeurs hohe Orden, Sternau und Hagedorn die Beförderung zum Rittmeister, und zwar – darin vermuthete man den Einfluß des Prinzen – Sternau bei den Ulanen, Hagedorn bei den Dragonern. Auch damit waren sie aus verschiedenen Gründen einverstanden. Frau von Helmkron hatte den Trost, Vorgesetzte geblieben zu sein.
Noch ehe der Lenz seinen Einzug hielt, waren Romeo und Julia ein Paar, der Prinz selbst erwies ihnen die Ehre, sich als Trauzeuge in das Register eintragen zu lassen.
So endete dieser Liebesroman nicht wie eine Tragödie, sondern wie eine richtige Komödie zu allgemeiner Befriedigung mit einer Heirath und
„Niemals gab es ein so süßes Los,
Als Juliens und ihres Romeo’s.“
Ein Ausflug nach Budapest.
Die Ungarn feiern jetzt in ihrer Hauptstadt eine Reihe von Festen, welche zwar äußerlich an die Landesausstellung anknüpfen, aber in Wahrheit eine politische Bedeutung haben. Sie haben zuerst den Wiener Gemeinderath und dann den Wiener Journalistenverein „Concordia“ eingeladen, um ihnen ihre neuen Herrlichkeiten zu zeigen, und was dabei an Banketten, Toasten und Verbrüderungsreden absolvirt wurde, das übersteigt bei Weitem das übliche Maß der Freundschaftskundgebungen, welche anderwärts bei solchen Gelegenheiten ausgetauscht zu werden pflegen. Es war, als ob man sich gegenseitig für den zu erneuernden Ausgleich präpariren wolle, bei dem es sich bekanntlich weniger um Toaste und Diners, als um sehr handgreifliche finanzielle Leistungen und Gegenleistungen zu Ehren der dualistischen Staatsgemeinschaft handelt. Die Magyaren sind ein politisches Volk, das den ihm angeborenen gastlichen Sinn doppelt gern bethätigt, wenn dabei ein nationales Interesse im Spiele ist. Man hat den Eindruck, als ob sie, da es an den Ausgleich geht, lieber mit den Deutschen als mit den Slaven in Cisleithanien sich vertragen möchten, und man denkt unwillkürlich bei diesen Festen, die sie jetzt zur Feier ihrer Landesausstellung den Deutschen veranstalten, an die alte Volksliedstrophe:
„Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb,
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief.“
Den Pfingstausflug der „Concordia“ habe ich mitgemacht. Wir trugen weder Attila noch Cfismen, als wir von Wien abfuhren und zwei Stunden vor Pest auf ein Dampfschiff stiegen, um uns auf dem Rücken des schönen Donaustromes zu früher Morgenstunde nach der magyarischen Hauptstadt hinabtragen zu lassen. Aber wir riefen lustig Eljen, als wir mit Reden in ungarischer Sprache empfangen wurden, obwohl wir kein Wort von denselben verstanden, und galant wie sie sind, erwiderten die Arpadsöhne unsere deutschen Reden mit noch lauteren Hochs. Das war das erste Zeichen der Verbrüderung. Der Ungarwein, mit dem man in dem Lande, wo er wächst, nicht karg ist, that dann ein Weiteres, die Zigeunermusik auf dem Schiffsdeck ließ sich auch nicht lumpen, und noch ehe wir die große Kettenbrücke zwischen Pest und Ofen, die Denkmäler von Szechenyi und Eötvös in Sicht bekamen, war der eigentliche politische Zweck erfüllt: in den Armen lagen sich Beide und weinten Thränen der Freude. Der Magyar ist wie alle Enthusiasten leicht befriedigt. Wenn er aus dem Munde des Fremden Komplimente für sein Land, für seine Hauptstadt, für seine Ritterlichkeit vernimmt, wenn namentlich nicht von Pest, sondern von Budapest gesprochen wird – Pest ist ihm eine unliebsame Erinnerung an die verhaßte vordualistische Zeit, Budapest der Ausdruck der wiedergewonnenen politischen Selbständigkeit – wenn endlich die Namen Petöfi, Munkacsy, Jokai in die Unterhaltung hereinklingen, so blitzen seine dunklen Augen in patriotischem Feuer und über sein braunes Antlitz gleitet ein Zug träumerischer Selbstvergessenheit, der ein Erbtheil seiner orientalischen Herkunft zu sein scheint. Wir fuhren die Donau hinab, deren Ufer, je mehr man sich der Hauptstadt nähert, den Rheinufern ähnlich sehen; rechts auf steilem Felsen über dem Strome ragen die Trümmer der Burg von Visegrad, in der einst Matthias Corvinus seinen Hof hielt; dichtbelaubte Inseln erheben sich aus der Wasserfläche; malerische Bergzüge wandern zu beiden Seiten mit dem Auge mit, warme Quellen in ihrem Schoße führend, deren Verwendung für die leidende Menschheit bis jetzt nur deßhalb noch nicht bewerkstelligt ist, weil man in Ungarn vorläufig noch Wichtigeres zu thun zu haben glaubt, bevor man von der Politik zur Hygiene sich wenden kann.
In der That, die Politik ist im Guten wie im Schlimmen die Quelle aller magyarischen Entwickelung seit anderthalb Jahrzehnten. Gustav Freytag hat, wenn ich nicht irre, die Politik eine Hexe genannt, und wer sehen will, was diese Hexe vermag, [431] der muß nach Pest zu Gaste gehen. Das Bild von der öden, traumumfangenen Puszta mit dem Csikos und den himmelaufragenden Cisternenschwengeln, wie es uns Lenau und Karl Beck überlieferten, ist antiquirt; der „arme Bursche“ streift nicht mehr mit dem Rechte der Ernährung auf fremde Kosten und fremde Gefahr die ländlichen Gehöfte ab; die Csarda hat sich civilisirt, und selbst die Zigeuner sehen sich fast wie moderne Menschen an. Das hat der rastlose Nationalsinn bewirkt, der, von der Centralisationsgewalt des Ministeriums Bach befreit, sich wunderbar zusammenraffte und in einem Decennium nachholte, was durch ein halbes Jahrhundert versäumt worden war.
Noch vor nicht allzu langer Zeit geschah es, daß dem Pester Gemeinderathe eine Petition zuging, eine der hauptstädtischen Straßen mit Bäumen zu bepflanzen. „Bäume,“ lautete die Antwort des ehrbaren Stadtkollegiums, „gehören aufs Land, nicht in die Stadt.“ Heute ist Budapest mit seinen reizenden Quais, mit seinem lauschigen Stadtwäldchen, mit der unvergleichlichen Margarethen-Insel, den Villen im Auwinkel und auf dem Schwabenberge, seinem Asphaltpflaster eine durchaus modische Stadt. Ein wenig engherzig ist freilich dieser Nationalsinn der Magyaren; man bekommt dies auf Schritt und Tritt zu spüren. Man ist als Deutscher ohne magyarischen Führer an der Seite in Pest wie verloren; die Schilder an den Straßenecken und über den Kaufläden sind ungarisch, die Droschkenkutscher verstehen kein deutsches Wort.
Sentimentale Staatsmänner mit idealistischen Zielen haben die Magyaren nie hervorgebracht. Die einzige Ausnahme etwa bildet Joseph Eötvös, in den sich der Patriot mit dem Poeten theilte. Er hat den „Dorfnotär“ geschrieben und über die „leitenden Ideen des 19. Jahrhunderts“ reflektirt, daneben aber auch das Unterrichtswesen in seinem Vaterlande mächtig gehoben. Von Julius Andrassy aber, nach dem seit wenigen Tagen die prachtvolle Radialstraße in Pest den officiellen Namen „Andrassy-Straße“ führt, von Franz Deak und Koloman Tisza weiß man, daß in ihnen der praktische Sinn vor allen anderen Anlagen überwiegend zur Geltung kam. Franz Deak war ein schlichter, wortkarger Mann, ohne den leisesten Funken von Himmelsstürmerei, aber er begriff, was seinem Volke noththat. Und Andrassy war unter den europäischen Diplomaten recht eigentlich der Repräsentant des natürlichen Verstandes, den besser als alles Andere das Wort charakterisirt: „Man darf auf Spatzen nicht mit Kanonen schießen.“ Koloman Tisza endlich, der heute Ungarn lenkt, ist klug wie die Schlangen mit einem Instinkt für das Erreichbare begabt, der ihn wie einen Nachtwandler unversehrt über alle Klippen hinwegführt. Hält man aber neben die magyarische Staatskunst die magyarische Dichtung, so empfängt man den Eindruck, als ob auch sie bei allem Temperament, bei aller Gluth und Leidenschaft mit der Klugheit des Lebens geölt wäre. Das ist keine ungarische Musikkapelle, die nicht ihre Produktion mit dem Rakoczy-Marsche beginnt und mit dem Rakoczy-Marsche beschließt. Und das ist auch kein echter Tablabiro, der nicht auf den Grundsatz schwört: „Nullum vinum nisi hungaricum.“ Aber wenn dem nationalen Bedürfnisse die Libation dargebracht ist, mit einem funkelnden Glase Tokaier, mit einem wilden Csardas, mit einem betäubenden Eljen auf den „König“, dann werden Temperament und Melancholie hübsch bedachtsam in das Futteral gesteckt und an ihre Stelle tritt das kluge, nüchterne Raisonnement. Dieses merkwürdige Nebeneinander von Ungestüm und Berechnung, von Naivetät und Zwecksinn findet sich bei Petöfi nicht minder wie bei Moriz Jokai, welcher als Buch-Industrieller mit 300 Bänden seiner Dichtungen in der Originalsprache und in Uebersetzungen die Ausstellung beschickt hat.
Es war am 2. November 1825, als Graf Stephan Szechenyi die Gründung der ungarischen Akademie der Wissenschaften anregte und zu diesem Zwecke einen Theil des Jahresertrages seiner Güter spendete. Man kann von diesem Tage den Beginn der neuen Entwickelung Ungarns datiren, aber Halbasiaten zu sein haben trotz Petöfi und Kossuth und Klapka die Magyaren doch erst seit dem Jahre 1867 aufgehört. Die Geburtsstunde des Dualismus war zugleich die Geburtsstunde des modernen Ungarn. Die Exilirten von 1848, die Andrassy, Pulszky und ihres Gleichen, waren aus der Fremde ins Land zurückgeströmt, an Kenntnissen und Erfahrungen bereichert, die tönende avitische Beredsamkeit der Paul Nyari, Balthasar Horvath wurde von umfassender Sachkenntniß abgelöst, der Sinn für wirthschaftliche Segnungen kam zur Geltung. Man schlug einander auch später noch bei den Wahlen todt und Rosza Szandor’s Schatten schlich schreckhaft durch die Komitate, aber Koloman Tisza, der heutige Ministerpräsident und „steifnackige Calvinist“, legte seinen Schlapphut ab und bereitete sich zur Regierungsfähigkeit vor; es entstanden Assekuranz-Gesellschaften und Sparkassen, kurzum, der Uebergang vom Asiaten zum Europäer war vollzogen. Am deutlichsten prägte sich dies in der Physiognomie der Hauptstadt aus. Die Bauten welche vom Jahre 1868 bis zum Jahre 1882 sich erhoben, repräsentirten ein Baukapital von 68 Millionen Gulden. Im Jahre 1871 dekretirte allem Widerspruche zum Trotz der damalige Ministerpräsident Andrassy eine Straßenlinie mitten durch die jüdische Theresienstadt, zu deren Bebauung er von Staatswegen eine Anleihe von 25 Millionen aufnahm, und heute bildet diese Straße – ehedem die Radialstraße, jetzt die Andrassy-Straße genannt – das Juwel von Pest. Ich weiß in keiner europäischen Hauptstadt eine schönere Avenue.
Daß der Magyar angesichts solcher Riesenfortschritte in der Selbstverherrlichung nicht blöde ist, wird man ihm gerechtermaßen nicht verargen dürfen. Umgekehrt kann er es einem Deutschen nicht verübeln, wenn dieser findet, daß der magyarischen Physiognomie etwas mehr Toleranz gegen Nichtmagyaren vortheilhaft anstände. Denn wie Vieles auch Ungarn als selbsterzeugte Herrlichkeit zu präsentiren hat, es ist doch noch lange nicht in der Lage, des befruchtenden Kultureinflusses, der von Westen kommt, entrathen zu können. Es hat seinen eigenen Wein, seinen Betyar und seinen Fokos, seine geborenen Redner und Politiker, seinen Franz Liszt und Munkacsy, aber sein Baustil, seine Industrie, seine Landkultur, ja sogar sein Antisemitismus sind importirt. Und zwar weniger aus Paris, obzwar der Ungar ein leidenschaftlicher Franzosenfreund ist, als aus Wien und Berlin, obwohl er für den Deutschen nur mäßige Sympathie hegt. Die Andrassy-Straße ist, architektonisch betrachtet, ein Stück Wiener Ringstraße und ein Stück Berliner Thiergarten. Der Nachahmungstrieb zeigt sich an dem Operngebäude, an den vier Kasernen des Waizner Boulevards, und kommt man in die Ausstellung, so glaubt man auf den ersten Blick eine Miniaturkopie der Wiener Weltausstellung vom Jahre 1873 vor sich zu haben. Erst allmählich gewinnt man den Eindruck, daß in diesen 105 prächtigen Pavillons auch Manches geborgen ist, was sich als ungarische Specialität bezeichnen darf.
Moriz Jokai, den ein überschwänglicher Festredner den magyarischen Victor Hugo nannte, hat dies selbst in einem Trinkspruche, den ich von ihm hörte, zugestanden und die lauten „Haljuks (Hört!)“, die dabei von seinem ungarischen Auditorium ertönten, schienen zu beweisen, daß auch weitere Kreise in Pest sich bisweilen von der landesüblichen Selbstvergötterung zu emancipiren vermögen. Völker, die im Begriffe sind, aus dem Rohen heraus sich zur Civilisation emporzuarbeiten, haben immer die Neigung, ihre hervorragenden Männer an den bedeutenden Männern fortgeschrittener Nationen zu messen, ihre Leistungen mit denjenigen der anderen nationalen Gemeinschaften zu vergleichen. So haben die Russen ihren „russischen Lessing“ (Belinski) und ihren „russischen Byron“ (Puschkin), die Magyaren ihren „ungarischen Victor Hugo“. Man braucht sie darob nicht zu belächeln. Moriz Jokai ist nach Art und Bedeutung so verschieden von dem großen französischen Dichter, wie etwa Budapast von Paris verschieden ist; aber ein liebenswürdiger, phantasievoller Dichter ist er sicherlich und in seiner schlanken Gestalt, mit seiner milden Physiognomie, seiner fast schüchternen Haltung macht er den Eindruck eines Mannes, der, mehr noch innen als mit der Außenwelt lebend, gar nicht hineingehört in diesen resoluten, daseinsfrohen magyarischen Wirbel, der ihn umbrandet. Er steht wie eine übrig gebliebene Säule aus den Tagen vor der Revolution, in denen er mit Petöfi das ärmliche Zimmer theilte, begeistert an Ludwig Kossuth’s beredtem Munde hing und zum Stuhlrichter wie zu einem höheren Wesen emporblickte. Der Athem der Gegenwart hat freilich auch ihn – und ihn mehr als die Andern – gestreift, denn wofür wäre er ein Poet, wenn nicht sein Herz empfänglicher, sein Sinn offener wäre für die Wendungen der Geschichte, als dies bei anderen Menschenkindern der Fall zu sein pflegt? Aber wenn er so die Andrassy-Straße daherwandelt, wenn er in der Ausstellung feinste Majolika ungarischer Herkunft, bewunderungswürdiges Produkt [432] ungarischer Kunstschlosserei prüfend betrachtet, so muß sich in seinem phantasievollen Geiste doch wohl das Bild zweier Welten wundersam vermischen, das Bild des asiatischen Ungarn, aus dem er herausgewachsen, mit dem Bilde des europäischen Ungarn, in das er hineinwachsen mußte. „Ungarn war nicht, es wird sein,“ sagte Graf Szechenyi, den die Ungarn den „Vater der Nation“ nannten. Wer, wie und was wird es sein? das ist eine Frage.
Viel eigene Arbeit, vor Allem politische, haben die Magyaren geleistet, um sich emporzuraffen aus der nationalen Selbstgenügsamkeit von ehedem. Aber mehr noch haben dabei fremdes Muster und fremder Beistand für sie gethan. Wenn sie heute eifersüchtig darauf sind, daß nicht von Oesterreich, sondern von Oesterreich-Ungarn gesprochen werde, so müssen sie dabei eines Deutschen gedenken, der den Dualismus verwirklichte. Auch die Kettenbrücke zwischen Ofen und Pest, ein Wunderwerk der Technik, hat keinen Magyaren zum Urheber, sondern einen Engländer. Der Friede, der den Ungarn gestattete, sich während der letzten anderthalb Jahrzehnte politisch und ökonomisch emporzuschnellen, ist der Politik Deutschlands und dem deutsch-österreichische Bündnisse zu verdanken. Sagt man sich das in Pest, wie man es sollte, um nicht in den verhängnißvollen Fehler der Selbstüberhebung zu verfallen? Man hat Augenblicke der richtigen Erkenntniß, aber es fehlt noch viel dazu, daß man sich mit ihr durchdringe. Die Landesausstellung, so interessant sie in manchen Stücken sein mag, ist für Nichtmagyaren, für Deutsche zumal, fast ungenießbar, denn es lernt nicht Jeder im Handumdrehen Ungarisch, um sich von den Magyaren darthun zu lassen, was sie in Handel, Industrie, Gewerbe und Kunst zu leisten vermögen. Ungarisch aber sind die Aufschriften, ungarisch die Kataloge. Und was hätte man denn dem Glanze der Stephanskrone vergeben, wenn man der benachbarten deutschen Weltsprache, der Sprache des Volkes, dem man soviel verdankt, die Ehre angethan hätte, sie neben dem heimischen Idiom als Führerin fungiren zu lassen? …
Dem wißbegierigen deutschen Pilger, der mit offenen Augen und offenem Sinne durch die Ausstellung schreitet, mag es verziehen sein, daß derartige Gedanken ihm den Eindruck stören. Er bewundert das Mastvieh des magyarischen Agrikulturstaates, die Lederindustrie des uralten Reitervolkes, er hält dankbar in der Weinkosthalle Rast, wo schmucke Szeklerinnen ihm den feurigen Trunk kredenzen. Und wenn er die Ausstellung verläßt und die Gassen von Budapest durchwandert, wenn er am Donaukai in der bezaubernden landschaftlichen Perspektive schwelgt, so unterdrückt er nicht die Freude darüber, daß da ein schönes Stück Erde in raschem Siegesschritte der modernen Kultur gewonnen wurde. Aber während ihm die alten Geschichten durch den Sinn gehen von dem tapferen Hunyady, von Matthias Corvinus und Zriny, von Stephan Bathory und von Ludwig Kossuth, von Türkennoth und Kriegsjammer, vermag er sich schwer zusammenzureimen, warum das magyarische Königskind mit dem deutschen Königskinde so schwer zusammenkommt. Ist die Leitha wirklich „viel zu tief“? Am Ende sind es ja doch gute deutsche Namen, welche die beiden Bürgermeister von Budapest führen – Rath und Kammermeyer heißen sie – und das deutsche Geburtsattest der Donau kann selbst der verstockteste aller Magyaren nicht anfechten.
Im Ohre klingt mir der fremdartige Ton des Cymbal, halb Melancholie und halb verzweifelte Lustigkeit. Ich sitze in dem wunderschönen Kiosk am Donaukai, der Mond scheint hell auf die Silhouette des mächtigen Redoutehauses nieder, vom Strome klagt leise die Welle herauf, wie Abschied nehmend, bevor sie sich weit zum Pontus hinabwälzt, welcher den Alten als der „unwirthliche“ gegolten. Drüben ragt unheimlich der Blocksberg mit der Citadelle zum Himmel, und die Königsburg schließt das herrliche Nachtbild ab, das Keiner vergißt, der es einmal gesehen. Als Knabe, wenn ich verstohlen ein Gedicht von Lenau oder Karl Beck las, als Jüngling, wenn ich wallenden Blutes an der Sturmpoesie Petöfi’s mich erregte, habe ich mich – wie oft! – nach der Melancholie der Puszta gesehnt. Nun liegen zwei erlebnißreiche Tage hinter mir, ich habe die Herrlichkeiten der magyarischen Hauptstadt genossen, die schönen ungarischen Frauen bewundert mit ihren dunkelblitzenden Augen, den heißen Ungarwein in seiner Heimath gekostet, die schwermüthigen magyarischen Volksweisen gehört von der Blaha, welche als die ungarische Diva gepriesen wird. Aber stillbewegt sehne ich mich wieder zurück nach deutschem Wort und deutschem Lied. Großes mag der magyarische Nationalsinn leisten, jedoch er leistet es nur für sich. Uns Deutsche hat Moriz Jokai in einem Toaste „Piloten der Kultur“ genannt, und bei Gott, wir erkennen erst, daß wir es sind, wenn wir fremde Art und fremdes Wesen beobachten. Was wir für die Civilisation, für die Kultur, für die Freiheit erarbeiten, erarbeiten wir nicht blos für uns, sondern auch für Andere. Halb zaghaft und halb erbittert wendet sich der Ungar ab, wenn er den Namen Vilagos hört; Vilagos ist das magyarische Jena. Aber was er seit seinem nationalen Unglückstage gelernt, ist nicht Opferwilligkeit für Alle, welche an ihrer Freiheit und Wohlfahrt leiden, sondern nur Opferwilligkeit für sich. Vielleicht bedeuten die Feste, welche jetzt die Ungarn in ihrer blühenden Hauptstadt zu Ehren der Landesausstellung veranstalten, daß die Aera des nationalen Egoismus vorüber ist und diejenige der Kulturverbrüderung mit den anderen Nationen beginnt. Eine schöne Anekdote läßt die Ungarn auf ihrem Reichstage zu Preßburg die Sporen zusammenschlagen, die Schwerter emporheben und der jugendlichen Maria Theresia, welche ihre Hilfe begehrt, enthusiastisch zurufen: „Moriamur pro rege nostro!“ Es giebt aber heutzutage auch noch andere Dinge, für welche ein Volk lebt und stirbt. Die Arbeit im Dienste der Menschheit ist von diesen Dingen das höchste. „Ungarn ist nicht, es wird sein.“ Das Wort Stephan Szechenyi’s ist noch immer wahr. Und es wird so lange wahr bleiben, bis man in Budapest erkennt, daß der Egoismus in der Politik nur berechtigt ist, wenn er der Selbstlosigkeit der Humanität als Folie dient.
Westwärts durch die weitgedehnte Donau-Ebene braust der Orient-Expreßzug. Aus bunten Träumen weckt mich der Ruf des Kondukteurs. Wir sind in Wien. Deutsch die Sprache, deutsch der Geist, und in dem Leben ringsumher der Pulsschlag der Welt. Wird Budapest jemals eine Weltstadt werden?
Reitochsen in Südwest-Afrika.
Noch innerhalb des Bereiches der portugiesischen Kolonie Angola erhebt sich das westafrikanische Küstenland mit zwei Staffeln zu einem 1000 Meter hohen Plateau empor, welches ostwärts fast bis zum Indischen Ocean sich erstreckt. Zahllose Wasseradern durchlaufen diesen mächtigen Körper. Grüne Savannen, zusammengesetzt aus langhalmigen Gräsern, Gebüsch und knorrigem Baumwuchs, bedecken seine Oberfläche, in den Thälern gedeihen üppige, von Lebenskraft strotzende Wälder.
So beschaffen, ist das Hochland Südafrikas für die Zucht von Rindvieh geeignet wie kaum ein anderes Gebiet unserer Erde, und ein gutes Stück der kulturellen Zukunft seiner Bewohner wird an diesen beinahe gänzlich kostenlosen Erwerbszweig geknüpft sein, wie ja schon jetzt der ganze Reichthum der südlichsten Negerstämme in ihren zahlreichen Rinderheerden besteht.
Aber während man noch im Bereich von Angola, soweit die Europäer oder doch wenigstens ihre Einflüsse herrschen, kein Dorf ohne feiste Heerde antrifft, entbehrt das ganze ungeheuere Gebiet des freien Inneren östlich des Koango, welches Millionen von Rindern ernähren könnte, derselben fast völlig. An dieser Thatsache ist weiter nichts schuld, als die großartige Indolenz der schwarzen Souveräne, welche die Schwierigkeiten der Weiterverbreitung des Rindes nicht zu überwinden vermag, verbunden mit ihrer Verschwendungssucht, die sie bei festlichen Gelegenheiten aller Rücksicht auf die Zukunft vergessen und oft ihren ganzen langsam angesammelten Viehbesitz zu einer einzigen Mahlzeit abschlachten und aufzehren läßt.
Wenn nun auch heutzutage in jenen fernen Landstrichen das Rind noch nicht jenen Nutzen abwirft, der bei fortschreitender Kultivation aus ihm zu gewiunen sein wird, so ist ihm dort doch schon seit mehr als zweihundert Jahren eine Rolle zugefallen, die man ihm in Europa nicht auferlegt, nämlich die eines Reitthieres. Wahrscheinlich haben schon die ersten portugiesischen [433] Ansiedler, darauf hingewiesen durch schlechte Erfahrungen mit Pferden, die das Klima nicht vertrugen, angefangen, an ihrer Statt Reitochsen abzurichten und zu besteigen. Oben auf dem kühleren und deßhalb etwas gesünderen Hochplateau kann man der zur Beförderung von Reisenden dienenden Hängematte „Tipoya“, die in den schwülen Küstenniederungen so beliebt ist, leichter entbehren, und so trifft man denn oben jeden einigermaßen wohlhabenden Mann europäischer, schwarzer oder gemischter Rasse im Besitz eines Reitochsen „Boi cavallo“ (wörtlich „Pferde-Ochs“).
Auch an mich trat auf meiner ersten afrikanischen Forschungsreise die Nothwendigkeit heran, einen solchen „Boi cavallo“ zu kaufen und mich in der landesüblichen Art beritten zu machen. Ich muß gestehen, daß ich zwar anfänglich einige Vorurtheile gegen dieses sonderbare Transportmittel hatte, kann jedoch nicht umhin, auf Grund der gemachten Erfahrungen mich sehr befriedigt darüber auszusprechcn, zumal es mir glückte, in meinem „Malukku“, den ich von einem bankerott gewordenen Mulatten um 32 Milreis (etwa 140 Mark) erwarb, einen ganz vorzüglichen Vertreter seines Geschlechtes kennen zu lernen. Obgleich mein Kabindabursche André in dem komischen Kabinda-Englisch, das er redete, ihn höchst respektwidrig „the cow“ (die Kuh) nannte, war er doch ein richtiger Stier, kein Ochse, wie der geläufigere Ausdruck „Reitochse“ glauben lassen möchte.
Die afrikanische Luft hat diesen Thieren die Gefährlichkeit ihrer europäischen Vettern fast gänzlich benommen. Allerdings ist ihnen auch dort niemals recht zu trauen, und es empfiehlt sich immerhin, vorsichtig im Umgang mit ihnen zu sein. Die Abrichtung des jungen Stierleins, dem das Loos zufiel, ein „Boi cavallo“ zu werden, beginnt schon vor dem Ende seiner Entwickelung, noch ehe es vollkommen ausgewachsen ist.
Zunächst fängt man es aus der Heerde heraus, indem man ihm mittelst langer Stangen etliche Schlingen um den Kopf und um die Füße legt, und wirft es zu Boden. Dann wird ihm mit einem Messer die Nasenscheidewand durchbohrt, ein Strick durchgezogen und hinter den Ohren zusammengebunden. Später steckt man meistens durch das mittlerweile heil gewordene Loch eine halbkreisförmig gebogene Eisenstange (vergl. Abbildung S. 434), welche an beiden Enden Ringe zum Einschnallen des jenen Strick ersetzenden Backenriemens und der einfachen Zügel trägt.
An jedem der vier Füße und zu beiden Seiten der Nase ein langes Gängelband und geführt von sechs Mann, muß nun das junge Thier lernen, sich nach fremdem Willen zu richten und die ersten ruhigen, ordnungsmäßigen Schritte zu thun. Ist das erreicht, so legt man ihm einen Sattel auf, der links und rechts mit Sandsäcken beschwert ist, und ist nach und nach die Gewöhnung auch hieran eingetreten, so setzt sich schließlich ein besonders muthiger Negerjunge selber darauf. Jede dieser drei Stufen des Unterrichts kostet einen neuen Kampf. Das Stierlein spreizt die Beine, bockt, springt und will nicht von der Stelle. Im Bogen, wie von einer Feder emporgeschnellt, fliegt der Reiter immer wieder herab, so oft er aufsteigt, aber leicht und elastisch, wie so ein Negerjunge ist, nimmt er dabei keinen sonderlichen Schaden und läßt sich nicht abschrecken, das lustige Schauspiel der unfreiwilligen Saltos, das meistens ein zahlreiches applaudirendcs Publikum herbeigelockt hat, abermals zum Besten zu geben. Das kleine eigensinnig bockende Thier, das vier Mann an den Beinen und zwei an der Nase herumziehen, mit dem Reiter, den es, kaum daß er oben ist, durch einen kurzen Stoß des Rückgrats aus dem Sattel hebt, liefert auch in der That die gelungensten komischen Scenen.
Wenn ich auch nicht behaupten möchte, daß ein Ochsenkavalier sich mit einem Pferdekavalier messen kann, so wäre es doch falsch, den afrikanischen Reitsport nach dem plumpen ungeschlachten Hornvieh Europas zu beurtheilen. Das Angolenser Rind ist viel gracileren schlankeren Baues als das unserige und demgemäß beweglicher. Die Rückenbreite erreicht in der Regel kaum die eines mittleren Pferdes. Als Sitz wird ganz ebenso wie bei jenem ein gewöhnlicher englischer oder portugiesischer Sattel mit Steigbügeln aufgelegt. Mit meinem Malukku, dieser Perle seines Geschlechtes, konnte ich traben und galoppiren, über Gräben setzen, in jeder Gangart Volten und Achtertouren ausführen. Er ging, allein oder in Gesellschaft, wohin ich wollte, auf gebahntem Wege oder durchs Dickicht. Im Inneren leistete er mir gar oft vortreffliche Dienste, wenn es ersprießlich schien, gegen widerspenstige Träger attakirend [434] einzusprengen. Nur beim Aufsteigen war er immer etwas schwierig. Da mußten meine Burschen ihn stramm an der Nasenstange festhalten, bis ich im Sattel war. Losgelassen, schoß er dann jedesmal ein paar Galoppsprünge vorwärts, fiel aber gleich darauf in ein ruhigeres Tempo, um fortan ganz ausgezeichnet zu gehorchen. Außerdem hatte er die üble Gewohnheit, gegen Neger, die Furcht vor ihm zeigten, mit den Hörnern loszugehen. Daher auch sein Name, den meine Leute ihm gaben. „Maluco“ (sprich Malukku) ist ein portugiesisches Wort, bedeutet ursprünglich „närrisch“ oder „verrückt“ und wird in Angola meistens im Sinne von „böse“ oder „wild“ gebraucht. Ja, Malukku ist auch noch dadurch merkwürdig, daß er eigentlich ein viel größerer Afrikareisender geworden ist, als ich selbst, indem er, nach meiner Rückkehr aus Lunda in die Hände meines berühmten Freundes Wißmann übergegangen, bis in die Nähe von Nyangwe gelangte.
Die Ochsenreiterei nimmt unter den vielen legitim gewordenen Grausamkeiten, die sich der Mensch den dienstbar gemachten Kreaturen gegenüber erlaubt, eine hervorragende Stelle ein.
Nur bei ganz zahmen und schwächlichen Ochsen kann man des oben beschriebenen Naseneisens entbehren und sich mit einem einfachen durch die Nase gezogenen und hinter den Ohren zusammengebundenen Stricke begnügen, um an diesem links und rechts die Zügel zu befestigen. In solcher lotterigen Weise pflegen z. B. die Neger ihre elenden, kleinen Thiere aufzuzäumen. Bei kräftigen und etwas wilden Ochsen, wiez. B. mein Malukku einer war, ist das Naseneisen unumgänglich nöthig. Bei Malukku mußte man in der ersten Viertelstunde die Zügel immer fest anziehen, damit er stets in Fühlung mit der ihn bändigenden Vorrichtung blieb, sonst erlaubte er sich, mit den Hörnern nach rückwärts zu stoßen.
Sowohl Schritt wie auch Trab und Galopp sind bedeutend langsamer, als beim Pferde. Der Tritt aber ist viel sicherer. Die kurzen massigeren Knochen und die breiteren Gelenke des Rindes nehmen nicht so leicht Schaden auf den schlechten steinigen Wegen und auf dem rauhen löcherreicheu Boden der Savannen. Die vielen ausgedehnten Sümpfe würde ein Pferd nie überstehen.
Das Traben der Ochsen ist im Anfange unangenehm, indem man dabei beständig um seine Längsachse hin und her gedreht wird. Im Galopp wird man lebhaft vorwärts geworfen und hat das Gefühl, als müsse man auf die zuweilen sehr spitzen Hörner stürzen. Portugiesische Ochsenreiter, seien sie nun weiß oder schwarz oder braun, dahin galoppiren zu sehen, ist gewöhnlich ein heiterer, aber selten eleganter Anblick. Arme und Beine klappen im Takte der Gangart flügelartig auf und nieder. Die meisten Ochsen beginnen nach kurzer Zeit scharfen Reitens laut zu keuchen, sodaß man daran allein schon die Annäherung eines Kavaliers gewahr wird, ehe dieser selbst zwischen dem hohen Grase auftaucht. Denkt man sich dazu noch das johlende Geschrei hintendrein laufender Diener, das Bellen von Hunden und das häufige Klatschen der Peitsche, so hat man einen kleinen Begriff der lustigen Stimmung, die so eine Ochsenkavalkade mit sich bringt.
Es giebt natürlich Reitochsen der verschiedensten Qualität, und ihr Preis schwankt dementsprechend zwischen 17 bis 170 Mark.
Außer Malukku besaß ich noch einen zweiten Reitstier, welcher zwar minder vorzüglich war, aber doch noch zu der besseren Klasse gehörte. Während Malukku schön emporstrebende Hörner besaß, trug dieser sie abwärts gebogen, was, im Verein mit einer gewissen stumpfsinnigen Sanftmuth, den Namen „Mboffo“ oder „Boffo“, ein Negerwort, welches soviel bedeutet wie „unbewaffnet, unmännlich“, zur Folge hatte. Malukku und Boffo haben mir, ohne jemals krank zu werden, zwei Jahre lang auf meinen Reisen gedient, und mit ihnen waren mein Schicksal und meine Arbeiten ebenso lange innig verknüpft.
Den großen Vortheilen, welche das Berittensein auf einer Reise gewährt, stehen freilich auch manche Nachtheile zur Seite, die hauptsächlich in der großen Schwierigkeit liegen, die Reitochsen über die Sümpfe und Wasserläufe zu bringen. Es ist oft erstaunlich, wie tief diese Thiere in morastigen Boden einsinken und wie häufig sie stecken bleiben, wo der mit hundert Pfund belastete Träger noch ziemlich gut durchkommt. Meistens müssen sie vollständig abgesattelt werden, und nicht selten kostet es stundenlange Anstrengungen, bis eine Sumpfstrecke, vielleicht nicht breiter als hundert Meter, die noch dazu gar nicht schlimm aussieht, passirt ist. Namentlich mein phlegmatischer Boffo machte uns bei solchen Gelegenheiten viel zu schaffen. Er hatte ein merkwürdiges Talent, in Morastlöcher zu gerathen, und zeigte sich dann jedesmal in seiner ganzen Unmännlichkeit, indem er verzweiflungsvoll stecken blieb, ohne einen Versuch zu machen, wieder herauszukommen, während Malukku, der Streitbare, voller Aufregung alle Kraft aufwendete, sich durchzuarbeiten. Ganz dieselbe Scene, die man bei uns um gefallene Droschkenpferde sich abspinnen sieht, umgab dann auch Boffo.
Noch schwieriger waren zuweilen die Flußpassagen. Wo man nicht mehr durchwaten kann, muß für die Karawane entweder eine Brücke gebaut werden oder man bedient sich der Kähne eingeborener Häuptlinge zum Ueberfahren. Da aber in jenen Theilen Afrikas, von denen hier die Rede ist, sowohl die Brücken als auch die Kähne so mangelhaft beschaffen sind, daß sie kaum für die zweibeinigen und vernunftbegabten Menschen einige Sicherheit gewähren, so läßt man die Ochsen am besten schwimmen, indem man sie ins Wasser treibt und durch das Knallen der Peitsche, durch Steinwürfe und durch Geschrei so lange beunruhigt, bis sie sich entschließen, dem anderen Ufer zuzusteuern. Ist drüben das Ufer günstig zum Landen, so geht diese Arbeit leicht und ohne Anstand von statten. In der Regel jedoch ist hüben und drüben der Fluß von dichten Waldlinien eingesäumt, die über und unter dem Wasserspiegel eine Menge sperriger Aeste vorstrecken. Dann heißt es oft, lange nach einer besseren Stelle suchen und diese erst einigermaßen von Hindernissen, die niemals ganz fehlen, säubern. Wo der stachelige Rotang mit seinen Widerhaken tragenden Ranken in größerer Zahl das Uferdickicht durchsetzt, kostet diese Pionierarbeit manches Stück Haut und Kleidung.
Ist schließlich alles fertig, so vereitelt nicht selten das theure Rindvieh selber den Erfolg der sorgsamen Vorbereitung. Während Boffo immer ziemlich gerade dem jenseitigen Ufer zusteuerte, ließ sich Malukku, der sonst so Vortreffliche, oft von der Strömung erfassen und tiefer hinabtreiben, als wir berechnet hatten. Konnte er dann nicht landen, so schwamm er zurück, wurde noch weiter hinabgetrieben und verschwand uns einmal sogar gänzlich, sodaß wir ihn bereits für verloren hielten. Wo es angeht, läßt man die Ochsen deßhalb am besten neben dem Kahne her schwimmen und nimmt sie mittels des Naseneisens in seine Gewalt.
Die angedeutete Schwierigkeit des Rindviehtransportes im uncivilisirten Innerafrika erklären genugsam das fast gänzliche Fehlen von Rinderheerden. Nur zwei Potentaten habe ich kennen gelernt, die deren besaßen. Muatiamwo, der große Lundakönig, erfreute sich des seltenen Reichthums von sechs Stieren und einer Kuh. Die Stiere erkannte man an ihren durchlöcherte Nasescheidewänden sofort als ehemalige „Bois cvallos“, die Muatiamwo durch verschiedene schwarze Händler aus den Küstengebieten erhalten hatte. Die Kuh brachte ihm vor vier Jahren ein Kiokohäuptling zum Geschenk. Der vorige Muatiamwo soll mehr als vierzig Rinder besessen haben, aber nach seinem Tode, während des Interregnums allgemeiner Trauer und Gesetzlosigkeit, das in der Regel solchen Ereignissen folgt, wurden sie insgesammt aufgefressen. Der andere Potentat, bei dem ich Rinder antraf, ist der Lundafürst Kahungula. Dieser hat gleichfalls nur eine einzige Kuh neben fünf Stieren. Im nördlichen Mataba waren diese Thiere so gänzlich unbekannt, daß nicht einmal ein eigenes Wort für sie existirte. Die Eingeborenen, die dort herbeikamen, um Malukku und Bosso anzustaunen, nannten dieselben „große Ziegen“.
Den Europäern bleibt es somit vorbehalten, den Segen des Rindes, jenes Urkapitals der Menschheit, auch über Südafrikas Tropenstriche immer mehr auszubreiten. Wenn dereinst künftige Generationen die Ebenen Südamerikas für den Getreidebau in Anspruch nehmen, dann wird mittlerweile der dunkle Kontinent in den Stand gesetzt sein, statt ihrer die Rolle des großen Fleischlieferanten auszufüllen.
[435]
Jagfische und Seehasen.
Die Tiefen des Meeres waren seit jeher der bevorzugte Sitz märchen- und sagenhafter Wesen, welche sich die Phantasie der Völker schuf. Schönes und Häßliches, Meergöttinnen und Ungeheuer, fanden eine sichere Zufluchtsstätte in dem kühlen Grunde, in den das Auge der Sterblichen niemals dringen konnte. Manchmal nur tauchten sie empor, um Verderben den Wesen zu bringen, die da athmeten in rosigem Licht.
Als später die Zeit nahte, in der die Wissenschaft emporblühen sollte, da wurden zwar die Sagen ihres poetischen Gewandes entkleidet, aber auch die ersten „Gelehrten“ waren redlich bemüht, auf Grund flüchtiger Beobachtungen und falscher Berichte Fabeln zu schmieden, die lange in den Köpfen der Nachwelt spukten.
So berichteten die Römer von einem Fische, der im Stande sein sollte, sich an Schiffe anzuheften und dieselben in ihrem Laufe aufzuhalten, und spätere Reisende, wie Colombo, Dampier, Geßner und Andere wußten dieses schöne Geschichtchen noch interessanter zu gestalten. Da erzählt z. B. der Letztgenannte: „Nicht anderst dann wie man bey uns die Hasen auff weitem Feld sähet mit jagdhunden, Item die vögel mit dem Habich oder Stoßvogel, also sahen auch etliche Völcker in frembden Inßeln die Fisch des weiten Meers, durch andre Fisch so zu solcher arbeit genaturt und gewönet sind.“ Diese interessante „Jagd“ sollte nun auf die Weise ausgeübt worden sein, daß man den „Jagfisch“ an einem Seile festband und ihn auf Fische und Schildkröten losließ. Sofort packte das Ungeheuer seine Beute und ließ sie nimmer los, sodaß es mit derselben heraufgezogen werden konnte. Ich las vor Kurzem ein neu herausgegebenes kleines Handbuch der Zoologie, in dem dieses Märchen aufgewärmt wird, obwohl Brehm in seinem klassischen „Thierleben“ längst gegen dasselbe geeifert hat.
Den „Jagfisch“ jener „etlichen Völcker in frembden Inßeln“ kennen wir nicht, denn Niemand hat ihn gesehen, wohl aber denjenigen Fisch, von dessen Kraft die Alten Wunder berichteten und der noch heute den ihm gar nicht zukommenden Namen „Schiffshalter“ trägt. Er wird nicht groß, höchstens dreißig Centimeter lang, und ist von allen seinen Klassenverwandten leicht zu unterscheiden durch eine sonderbar geformte Scheibe, die auf seinem Kopfe wie ein Deckel aufliegt. Vermittelst dieser Scheibe kann er sich an allerlei feste Gegenstände, andere Fische, Schiffe, Holzstücke etc. ganz fest „ansaugen“ und bewerkstelligt dies in folgender Weise: Seine „Saugscheibe“ besteht aus vielen Querrunzeln, die mit feinen Zähnchen besetzt sind. Ihren glatten Rand preßt nun der Fisch an die Fläche, an der er haften will, fest an, erhebt dann die einzelnen inneren Querblättchen, bildet so zwischen der Scheibe und dem Schiffskörper oder Holzstück einen luftleeren Raum und wird durch den Druck des Wassers an den betreffenden Gegenständen festgehalten.
Mit ähnlichen Vorrichtungen sind auch andere Fische, namentlich die Scheibenbäuche, ausgerüstet, zu deren vornehmsten Repräsentanten die originellen Lumpfische oder Seehasen zählen. Dem interessanten Treiben dieser recht humoristisch ausschauenden Geschöpfe kann jetzt auch der Bewohner des Festlandes in aller Muße folgen, da sie zu ständigen Gästen unserer großen Aquarien gehören.
Ihre Saugscheibe führen sie nicht auf dem Kopfe, sondern unten am Bauche, wie dies auf unserer zweiten Abbildung angedeutet ist, auf der ein Seehase dargestellt ist, der an der Scheibe des Aquariums haftet. Die Heimath der Seehasen sind alle nördlichen Meere, namentlich aber die Nord- und die Ostsee. Sie erreichen eine Länge von etwa 60 Centimeter, wiegen in der Regel drei bis vier, in seltenen Fällen sechs bis sieben Kilogramm.
Wenn der Name immer für den Träger desselben charakteristisch wäre, so müßte man glauben, daß die Seehasen sich unter den vielen Bewohnern des nassen Elementes durch besondere Beweglichkeit auszeichnen. Das ist aber nicht der Fall; im Gegentheil, der Seehase macht seinem Namen keine Ehre, er ist ein schlechter Schwimmer und ein träges, faules Geschöpf. Mögen andere nach Nahrung schwimmen, ihm fällt das nicht ein; er straft das Sprichwort Lügen und läßt sich die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Fest klebt er an einem Orte und sperrt den Rachen auf, um an ihn herankommende kleinere Thiere zu verschlucken; wochenlang sitzt er still, bis ihm selbst Tangranken auf der Stirn anwachsen und seinem possirlichen Gesichte einen gar phantastischen Schmuck verleihen. Nur wenn die Strömung ihm keine Nahrung zuführen will, schleicht er sich langsam an einen anderen Fisch oder Krebs heran, saugt sich an dem Rücken desselben fest und durchreitet wohlgemuth die Gründe des Oceans, von Zeit zu Zeit das hungrige Maul aufsperrend.
Es giebt aber noch einen Trieb, dem selbst der Seehase nicht widerstehen kann und unter dessen Einfluß er gar lebendig wird. Mit dem Eintritt der wärmeren Jahreszeit, gegen den Monat März hin, da ändern sich Färbung und Wesen der Seehasen. Der sonst schwarzgräuliche Fisch schimmert in röthlichem Glanze; er hat sein Hochzeitskleid angethan.
Nun ziehen die Liebespärchen an geeignete Küstenorte, um den Laich niederzulegen und das Ausschlüpfen der jungen Brut abzuwarten. Fruchtbar sind sie unter den Fischen, wie unsre Landhasen unter den Säugethieren, denn man berechnet die Masse der von einem Weibchen gelegten Eier auf Hunderttausende. Und besser sind sie, was den Familiengeist anbelangt, als ihre Namensvettern in Feld und Flur, denn der Seehase schützt seine Brut und kämpft, von Vaterliebe entflammt, selbst mit dem grimmigen Seewolfe. In wenigen Wochen ist das Brutgeschäft vollendet; die ausgeschlüpften Jungen setzen sich auf dem Rücken des Vaters fest, der sich nunmehr mit der theueren Ladung nach tieferen und sichereren Gründen begiebt.
Feinde, die ihm nachstellen, hat auch der Seehase, denn wer hätte sie nicht in diesem irdischen Leben, in dem der Kampf ums Dasein unaufhörlich seine Opfer fordert. Der große Thiervertilger, der Mensch, stellt ihm allerdings wenig nach, da nur bei den Isländern das gesalzene Fleisch dieses Fisches als Leckerbissen gilt. Dafür reißt der Seehund tiefe Lücken in den Reihen der Seehasen, sodaß man auf Grund des zufälligen Wortspiels wehmüthige Betrachtungen anstellen könnte über das traurige Schicksal der Familie „Lampe“ zu Lande und zu Wasser. –i.
Blätter und Blüthen.
Alfred Meißner †. (Mit Portrait S. 417.) Es war ein glückliches Dichter-Kleeblatt, das der Bodensee um die Mitte der siebziger Jahre verband. Im Jahre 1869 hatte Alfred Meißner Bregenz zum ständigen Wohnort erwählt; 1872 schlug Viktor von Scheffel seinen Sitz in Radolfszell auf, und zwei Jahre später ließ Gustav von Meyern-Hohenberg sich in Konstanz nieder. Der Letztere pries mir mehrmals die Freuden ihrer Zusammenkünfte, und leider mußte er der Erste sein, dessen Blatt abbrach; im Jahrgang 1879 hatte die „Gartenlaube“ dem Dichter des „Heinrich von Schwerin“ und des „Teuerdank“ das Grab zu schmücken. Und jetzt ist das zweite Blatt gefallen: am 29. Mai starb Alfred Meißner. Nun weht nur noch eins der drei Dichterblätter am Bodensee, das jüngste und doch auch schon hart am sechzigsten Jahr. Möge ihm noch lange wohl sein!
Wir haben Alfred Meißner in Bild und Wort schon 1867 (S. 68) unseren Lesern vorgeführt, und im vorigen Jahrgange (S. 550 und 556) das Wesentlichste aus seinem jüngsten Werk „Geschichte meines Lebens“ [436] mitgetheilt. Als unsern Beitrag zur Feier seines Andenkens fügen wir zu dem Portrait von 1867, welches den mittleren Vierziger darstellte, heute das Bildniß des Dreiundsechzigers, als welcher er heimgegangen.
Alfred Meißner hat eine erfahrungsreiche Jugend verlebt und eine wohlgefüllte Mappe voll von Erinnerungen und Erlebnissen mit zu der Stätte gebracht, an welcher er endlich Herd und Werkstatt gründete. Er war einer der österreichischen Flüchtlinge unter Metternich’s Censur- und Polizeigewalt, die damals, wie Karl Beck, Moritz Hartmann, Ignaz Kuranda, Johannes Nordmann, Eduard Mautner, Hermann Rollet etc. in Sachsen, namentlich in Leipzig schwärmten und hier unter milderer Censur in ihren poetischen Erstlingen den Seelensturmseufzern nach Freiheit den Lauf ließen; denn nur ein Graf Auersperg konnte es damals wagen, im Lande selbst die österreichische Volksfrage laut auszusprechen: „Darf ich so frei sein, frei zu sein?“ – Die Freiheit, die sich die Flüchtlinge hier nahmen, trug den meisten später in Oesterreich saure und bittere Früchte. Nachdem Meißner das erste Bändchen seiner Gedichte und sein berühmtestes Werk, das Epos „Ziska“, in Leipzig herausgegeben, drohte auch ihm das Metternich’sche Freiheitshonorar, dem er klug nach Paris entging.
Das Jahr 1848 führte Meißner nach Frankfurt am Main, die Reaktion trieb ihn wieder nach Paris und auch nach London, wo er viele der hervorragendsten Flüchtlinge verschiedener Nationen und ihre Schicksale kennen lernte. Reich an Schätzen des Geistes und Herzens kehrte er in die ihm so liebe böhmische Heimath zurück. Ehe er aber die schaffende Feder von Neuem ergreifen konnte, hatte er ein schweres Opfer zu bringen. Wie sein „Ziska“ ein Hochgesang der Freiheit im Kampf gegen die Tyrannei war, so hatte er zu gleicher Verherrlichung zwei neue Heldengedichte: „Georg von Podiebrad“ und „Die Weißenberger Schlacht“ nahezu vollendet. Als er aber erkannte, daß das während seiner Abwesenheit erstandene Czechenthum seine Dichtungen in dem nationalen Kampfe als deutsch-feindliche Waffen benutzen könne, übergab er seine Werke den Flammen. Diese That verdiente die Ehre, die sie dem Dichter auf seinem letzten Wege eintrug.
Nach seinen epischen Arbeiten hatte Alfred Meißner sich der dramatischen Poesie zugewandt, und zwar ebenfalls mit Erfolg. Er schrieb drei Stücke: „Das Weib des Urias“ (1851), „Reginald Armstrong, oder die Welt des Geldes“ (1852) und „Der Prätendent von York“ (1857); weil aber das letztere bei seiner Aufführung auf dem Burgtheater nicht die erwartete Auszeichnung gefunden, warf Meißner die dramatische Feder für immer weg und begann die lange Reihe seiner Romanschöpfungen, deren vollständige Aufzählung wir unterlassen müssen. Als besonders beachtenswerth ist zu nennen: „Der Sohn des Atta Troll“ (1850), „Novellen“ (1864 und 1876), „Seltsame Geschichten“ (1859), „Charaktermasken“ (1862), „Dichtungen“ (1862), „Zeitklänge“ (1870), ferner verschiedene Reise-Erinnerungen und Memoiren. Seine gesammelten Werke füllen 18 Bände, und aller größter Werth ist ihr deutscher Geist.
Diesem galt auch die öffentliche Theilnahme bei der Bestattung des Dichters am 31. Mai. Nicht blos die städtischen Behörden, Anstalten, Vereine und Gesellschaften aller Art von Bregenz folgten dem von zahlreichen Kränzen geschmückten Sarg, auch die Wiener „Concordia“, das Prager „Deutsche Kasino“, die deutsch-böhmischen Reichstagsabgeordneten und der Deutsche Schulverein waren vertreten und die ganze Bürgerschaft schloß dem Zuge sich an, denn Niemand mochte bei der letzten Ehre eines Mannes fehlen, dessen Freundschaft ein Glück und dessen Bekanntschaft schon eine Auszeichnung war. Fr. Hfm.
Beim Wirth „Zur goldnen Sonne“. (Mit Illustration S. 420 und 421.) Hier ist gut sein, hier laßt uns den Reisestab an die Wand lehnen und rasten! Ein lauschiger Waldwinkel und ein sonniger Tag, dazu ein Leben unter den alten Bäumen, wie es nur vor einem Wirthshaus möglich ist, das an der Heerstraße liegt und weit und breit im lockenden Rufe steht. Wir haben große Lust, uns unter die lustige Gesellschaft zu mischen, finden aber leider, sie näher betrachtend, daß von all den fröhlichen Menschen, die wir hier versammelt sehen, schon lange keinem ein Zahn mehr weh thut, daß wir so ein anderthalb hundert Jährchen zu spät gekommen sind, um uns noch mit diesen Herrschaften des Lebens zu freuen. Der Künstler des Bildes, Herr J. F. Hennings, verräth uns, daß es Liechtenstein-Kürassiere, natürlich Kaiserliche, gewesen, welche, ein halbes Dutzend, sich allda eingefunden und Rast gehalten.
Wir erkennen auf dem Bilde, daß schon damals zweierlei Tuch den Frauenzimmern ganz besonders wohlgefallen, ferner, daß dem Grünrock, der zur Pürsch ging, vom Erker aus ein Weidmannsheil zugewinkt wurde, und endlich, daß, wenn zwei vornehme Gäste am Kaffeetisch politisiren, der behäbige Wirth ein neutrales Publikum dazu vorstellt. Und über dies Alles sind schon hundert Jahre dahin gegangen! Freilich munkelt man, das Ganze wäre eitel Dichtung, die herrlichen Bäume und die stattlichen Gebäude hätten nirgends anders existirt, als im Kopfe unseres Malers. Wir glauben das nicht: eine solche Gelegenheit ist viel zu schön, zu reizend, um nicht irgendwo in Oesterreichs Wälderpracht vorhanden zu sein. Das Eine freilich wird auch dann zutreffen: unter den rauschenden Aesten und unter dem gastlichen Dache haben sich Tausende erfreut, von denen keine Spur mehr zeugt, und Wald und Haus stehen noch, und dazu ist’s ein wahres Sprüchlein:
„Wie viel hier Zecher mancherlei
Gejubelirt beim Schmause,
Das ist den Bäumen einerlei
Und auch dem alten Hause.“
Fr. Hfm.
Rathgeber für Kosmetik. Kein Schwindel blüht so üppig, wie der mit werthlosen Haartinkturen und Barterzeugern getriebene. In dem Kampfe gegen den Geheimmittelschwindel, den die „Gartenlaube“ seit Jahrzehnten führt, haben wir unsere Leser unzählige Male vor Ausbeutung und Schaden warnen müssen. Dem ewigen Warnen möchten wir diesmal eine kleine Empfehlung entgegensetzen und die Leser auf eine Quelle hinweisen, von der aus sie mit reeller Waare bedient werden.
Der Apotheker Georg Kühne in Dresden-Neustadt und Hofrath Dr. Krug, praktischer Arzt in Chemnitz, haben sich seit einigen Jahren zu dem Zwecke vereinigt, auf dem Gebiete der Kosmetik einem wahren Bedürfnisse abzuhelfen. Der Arzt half bei der Abfassung einer kleinen Broschüre „Georg Kühne’s Rathgeber für Kosmetik“, in der gute Rathschläge für die Pflege der Zähne, der Haut und der Haare gegeben werden; der Apotheker dagegen nahm den Vertrieb guter von ärztlichen Autoritäten empfohlener Mittel in die Hand. Wir haben eine ganze Reihe günstiger ärztlicher Urtheile über dieses Unternehmen vor uns und schließen uns denselben an, indem wir auf jene klar und sachlich geschriebene Broschüre empfehlend hinweisen. – i.
Mit Illustration S. 429.
Wie so schnell im Südwindhauch
Sprang der Knospen zarte Hülle!
Blüthenpracht und Duftesfülle
Weht und webt um Baum und Strauch.
Gestern, zitternd und verstohlen,
Träumten Rosen und Violen
Schlummernd noch im Kelchesgrün.
Heut, auf leisbewegten Zweigen,
Welch ein Prangen, welch ein Neigen,
Welch ein Glühn und Farbensprühn!
Scheu verstummt vor all der Pracht
Ist der Ruf der Nachtigallen
In des Haines Säulenhallen. –
Aber Falter über Nacht
Lernten ihre goldbeschneiten,
Feingewebten Schwingen breiten. –
Auf der Lilie schlankem Schaft
Brennt die reine, wundersame,
Silberweiße Blüthenflamme,
Dustgetränkt und märchenhaft.
Still ward in der Juniruh
Auch dein Herz, du Mädchenblüthe,
Das der Sehnsucht Weh durchglühte!
Selig-still bist nun auch du!
Mit der Nachtigallen Werben
Mußte all dein Klagen sterben:
Denn berauschend, süß und rein,
Wie der Lilie keusches Prangen,
Ist die Lieb dir aufgegangen
In des Sommers Sonnenschein.
Frida Schanz.
Sternschnuppen und ihr Einfluß auf das Gewicht der Erde. Dr. Kleiber und Dr. Keller in Petersburg haben vor Kurzem Beobachtungen über die Zunahme der Erdmasse durch Meteoriten angestellt und sind zu folgenden Resultaten gelangt:
Ein aufmerksamer und geübter Beobachter vermag durchschnittlich zehn Sternschnuppen in der Stunde zu erblicken. Da nun eine Person bei derartigen Beobachtungen nur 23/100 des Himmelsgewölbes auf einmal überschauen kann, so berechnete man, daß durchschnittlich 450000 Sternschnuppen in der Stunde auf die ganze Erde niederfallen. Nimmt man als Durchschnittsgewicht einer Sternschnuppe fünf Gramm an, so ergiebt sich, daß die Erde stündlich gegen 2000 Kilogramm fremder Stoffe aus dem Welträume erhält. – i.
Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 25: Siebenschläfer.
Kleiner Briefkasten.
Ein Konkurrent in Berlin. Ihr Wunsch, die Kompositionen, welche auf unser in Nr. 15 dieses Jahrganges enthaltenes Preisausschreiben eingelaufen sind, „nach Mottos in einer der nächsten Nummern zu registriren“, verlangt Unmögliches. Wohlgezählt 738 Tondichtungen haben wir den Herren Preisrichtern vorgelegt! Wollten wir für jedes Motto durchschnittlich nur vier Zeilen rechnen, so würden die von Ihnen gewünschte Veröffentlichung etwa 40 Spalten, also eine und eine halbe Nummer der „Gartenlaube“ füllen.
F. H. in Wien, K. K., Schmerzensruf einer Oesterreicherin, Frühlingsgruß: Nicht geeignet.
E. S. in K. und H. Pf. in Wiesbaden. Solche Rathschläge kann nur der Arzt geben, der den Kranken persönlich untersucht hat.
Reckann. Die Unterschrift Ihres Briefes ist nicht zu entziffern.
Inhalt: Trudchens Heirath. Von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 417. – Natürlichkeit und Affektation. Von C. Michael. S. 424. – Deutschlands große Industrie-Werkstätten. Die Fabrikation der Buchdruckerschwärze. S. 425. Mit Illustrationen S. 425 und 426. – Romeo und Julia in der Garnison. Aus den Memoiren eines Lieutenants. Von Karl Hecker (Schluß). S. 427. – Ein Ausflug nach Budapest. Von Wilhelm Goldbaum. S. 430. – Reitochsen in Südwest-Afrika. Von Max Buchner. S. 432. Mit Illustrationen S. 433 und 434. – Jagfische und Seehasen. Mit Illustrationen S. 435. – Blätter und Blüthen: Alfred Meißner †. S. 435. Mit Portrait S. 417. – Beim Wirth „Zur goldnen Sonne“. S. 436. Mit Illustration S. 420 und 421. – Rathgeber für Kosmetik. – Sommer. S. 436. Mit Illustration S. 429. – Sternschnuppen und ihr Einfluß auf das Gewicht der Erde. – Allerlei Kurzweil: Buchstaben-Räthsel. – Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 25. – Kleiner Briefkasten. S. 436.