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Die Gartenlaube (1878)/Heft 11

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1878
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[175]
Um hohen Preis.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)
Nachdruck verboten und Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Als der Freiherr auf den wichtigen und verantwortungsreichen Posten in R. berufen wurde, fand er dort sehr schwierige Verhältnisse vor. Der Sturm, der vor einigen Jahren das ganze Land erschütterte, hatte zwar ausgetobt, aber verschiedene Anzeichen verriethen, daß er nur zurückgedrängt, nicht bewältigt worden war. In der -schen Provinz besonders gährte es noch überall, und die Provinzialhauptstadt, das große und volkreiche R., stand an der Spitze der Opposition, die sich gegen die Regierung richtete. Verschiedene hohe Beamte, die rasch auf einander gefolgt waren, hatten es vergebens versucht, diesen Zuständen ein Ende zu machen; es fehlte ihnen entweder die nöthige Entschiedenheit oder die nöthige Vollmacht, und sie beschränkten sich auf Vermittelungen, welche die augenblicklichen Differenzen zwar beilegten, den Zwiespalt selbst aber in seiner vollen Schärfe bestehen ließen. Da wurde Raven zum Chef der Verwaltung ernannt, und Stadt und Provinz mußten es bald genug empfinden in wessen Hand die Zügel jetzt lagen. Der neue Gouverneur ging mit einer Energie, aber auch mit einer Rücksichtslosigkeit vor, die einen wahren Sturm gegen ihn entfesselte. Widerspruch, Proteste, Klagen bei der Regierung jagten einander förmlich, aber die letztere wußte zu gut, was sie an ihrem Vertreter hatte, um ihn nicht mit voller Macht zu stützen. Ein Anderer hätte wahrscheinlich die grenzenlose Unpopularität gescheut, die ihm aus diesem Vorgehen erwuchs, oder wäre den endlosen Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten gewichen, die man ihm in Folge dessen bereitete – Raven blieb auf seinem Posten. Er war ein Mann, der in jeder Lebenslage den Kampf eher aufsuchte, als daß er ihn mied, und seine im Grunde despotisch angelegte Natur fand gerade hier volle Gelegenheit zu ihrer Entfaltung. Er kümmerte sich nicht viel darum, ob seine Maßregeln in den gesetzlichen Schranken blieben, und setzte all den gegen ihn geschleuderten Vorwürfen von Willkür und Gewalt sein unerschütterliches „Es bleibt dabei!“ entgegen. Damit erzwang er denn auch in der That die Unterwerfung der widerstrebenden Elemente. Stadt und Provinz sahen endlich ein, daß sie den Kampf mit einem Manne nicht durchführen konnten der nicht ihre Rechte, sondern seine Macht zur Richtschnur seines Handelns nahm; zum offenen Widerstand war die Zeit nicht angethan. Die eben mit voller Macht hereinbrechende Reactionsperiode unterdrückte ihn im Keime, man fügte sich also, zwar grollend und widerwillig, aber man fügte sich doch, und der Gouverneur, dem seine Aufgabe so vorzüglich gelungen war, wurde mit Auszeichnungen überhäuft.

Seitdem waren Jahre vergangen; man hatte sich schließlich an das despotische Regiment des Freiherrn gewöhnt, und Dieser hatte sich die Achtung erzwungen, die einem energischen, consequenten Charakter nie versagt wird, selbst wo man ihn als Feind betrachtet. Ueberdies verdankte man ihm eine ganze Reihe von Verbesserungen und Reformen, denen selbst seine Gegner den Beifall nicht vorenthalten konnten. Der in politischer Hinsicht so viel gehaßte und angefeindete Mann wurde auf anderem Gebiete der Wohltäter der ihm anvertrauten Provinz, ihr unermüdlicher Vertreter, wo es galt, gemeinnützige Einrichtungen in’s Leben zu rufen oder durchzuführen. Seine mächtige Thatkraft, so verderblich auf der einen Seite, wirkte auf der andern entschieden segensreich. Er trat überall ein, wo es galt, die Industrie, den Landbau, den Wohlstand überhaupt zu heben, und knüpfte dadurch eine Menge von Interessen an seine Person, die in ihm ihren eifrigsten Förderer sahen und ihn mit der Zeit einen Anhang schufen, der fast so groß war, wie die Zahl seiner Gegner. Seine Verwaltung war ein Muster von Ordnung, Unbestechlichkeit und strenger Disciplin, und seine neue Schöpfungen, mit praktischem Scharfblick entworfen und mit fester Hand durchgeführt, blühten überall mächtig empor.

Der Gouverneur lebte auf großem Fuße, da ihm außer seinem Einkommen noch ein bedeutendes Vermögen zur Seite stand. Sein verstorbener Schwiegervater war sehr reich gewesen und nach dessen Tode fiel das Vermögen an seine beiden Töchter, Frau von Raven und die Baronin Harder. Die Ehe des Freiherrn war eines jener Convenienzverhältnisse, wie man sie oft in der großen Welt findet. Raven hatte sich bei seiner Wahl einzig und allein von der Berechnung leiten lassen, aber er vergaß es nicht, daß diese Verbindung ihm seine Laufbahn geöffnet, und seine Gemahlin hatte sich nie über einen Mangel an Artigkeit und Rücksicht von seiner Seite zu beklagen; die Neigung, welche so vollständig fehlte, vermißte sie nicht. Frau von Raven war eine geistig sehr untergeordnete Natur, die wohl überhaupt keine Neigung einflößen konnte; sie hatte dem Günstling ihres Vaters, von dem sie täglich hörte, daß ihm eine bedeutende Zukunft bevorstehe, ihre Hand nicht versagt, und da sich diese Vorhersagung erfüllte, so blieb ihr nichts zu wünschen übrig. Der Gemahl erfüllte freigebig all ihre Ansprüche an einen glänzenden Haushalt, prachtvolle Toilette und hohe Lebensstellung, also kam es auch niemals zu einer Differenz zwischen ihnen, und im Uebrigen lebten sie auf vornehmen Fuße, so getrennt und fremd wie nur

[176] möglich. Die in den Augen der Welt musterhafte, aber kinderlose Ehe hatte vor sieben Jahren mit dem Tode der Frau von Raven ihr Ende gefunden, und der Freiherr, dem laut Testament das ganze Vermögen zufiel, schritt zu keiner zweiten Vermählung. Der stolze, immer nur mit seinen ehrgeizigen Plänen beschäftigte Mann hatte niemals Empfänglichkeit für die Liebe und die Freuden der Häuslichkeit gehabt und hätte wahrscheinlich nie geheirathet, wäre die Heirath ihm nicht eine Staffel zum Emporsteigen gewesen. Da dieser Grund nun fortfiel, dachte er nicht daran, sich von Neuem zu fesseln, und jetzt, wo er am Ende der Vierzig stand, war ja überhaupt keine Rede mehr davon.

Es war am Morgen nach der Ankunft der Baronin Harder und ihrer Tochter, als die Erstere sich mit ihrem Schwager in dem kleinen Salon ihrer Wohnung befand. Die Baronin zeigte noch Spuren einstiger Schönheit, war aber bereits vollständig verblüht. Die Menge der aufgewendeten Toilettenkünste mochte vielleicht noch Abends beim Kerzenschein ihre trügerische Wirkung thun, das helle Tageslicht aber enthüllte die Wahrheit unbarmherzig dem Auge des Freiherrn, der ihr gegenüber saß.

„Ich kann Ihnen die Auseinandersetzung nicht ersparen, Mathilde,“ sagte er, „wenn ich auch begreife, wie peinlich sie Ihnen ist, aber einmal wenigstens muß die Sache zwischen uns erörtert werden. Auf Ihren Wunsch habe ich es unternommen, den Nachlaß des Barons zu ordnen, so weit sich das von hier aus thun ließ. Es war ein Chaos, das ich kaum mit Hülfe Ihres Rechtsanwaltes bewältigen konnte; jetzt endlich ist es geschehen. Ich habe Ihnen das Resultat bereits nach der Schweiz gemeldet.“

Die Baronin drückte ihr Taschentuch an die Augen. „Ein trostloses Resultat!“

„Aber kein unerwartetes! Es ist leider nicht möglich gewesen, Ihnen auch nur einen geringen Theil des Vermögens zu retten. Ich gab Ihnen den Rath, auf einige Zeit in’s Ausland zu gehen, denn es wäre für Sie doch zu demüthigend gewesen, den Verkauf Ihres Hotels und die Auflösung Ihres ganzen Haushaltes in der Residenz mit ansehen zu müssen. Ihre Entfernung ließ diesen Act der Nothwendigkeit mehr als freien Entschluß erscheinen, und ich habe dafür gesorgt, daß man in der Gesellschaft so wenig wie möglich von der Lage der Dinge erfuhr. Jedenfalls ist die Ehre des Namens gewahrt, den Sie und Gabriele tragen, und Sie brauchen nicht zu fürchten, daß er von einem der Gläubiger an den Pranger gestellt wird.“

„Ich weiß, welche große persönliche Opfer Sie gebracht haben,“ sagte Frau von Harder. „Mein Rechtsanwalt hat mir ausführlich geschrieben – Arno, ich danke Ihnen.“

Es war wohl eine Aufwallung wirklichen Gefühls, mit dem sie ihm die Hand hinstreckte, aber die abwehrende Bewegung des Freiherrn war so eisig, daß jede wärmere Empfindung davor erstarb.

„Ich that nur, was das Andenken meines Schwiegervaters mir zur Pflicht machte,“ entgegnete er. „Seine Tochter und seine Enkelin haben unter allen Umständen Anspruch auf meinen Schutz, und ihr Name mußte um jeden Preis rein gehalten werden. Diesen Rücksichten habe ich die Opfer gebracht, nicht Gefühlsregungen, zu denen ich keine Ursache hatte, denn Sie wissen, der verstorbene Baron und ich waren alles Andere, nur nicht Freunde.“

„Ich habe diese Entfremdung stets tief beklagt,“ versicherte die Baronin. „Mein Gatte suchte in den letzten Jahren vergebens eine Annäherung. Sie waren es, der sich völlig unzugänglich zeigte. Konnte er Ihnen einen höheren Beweis seiner Achtung, seines Vertrauens geben, als den, sein Theuerstes Ihren Händen anzuvertrauen? Er ernannte Sie auf seinem Sterbebette zum Vormunde Gabrielens.“

„Das heißt, nachdem er sich ruinirt hatte, überließ er die Sorge für Weib und Kind mir, den er im Leben bei jeder Gelegenheit angefeindet. Ich weiß, wie hoch ich diesen Beweis des Vertrauens zu schätzen habe.“

Die Baronin nahm wieder ihre Zuflucht zu dem Taschentuche. „Arno, Sie wissen nicht, wie grausam Ihre Worte sind. Haben Sie denn keine Schonung für die Gefühle einer schwergebeugten Wittwe?“

Statt aller Antwort glitt der Blick des Freiherrn langsam über das elegante graue Seidenkleid der Dame hin. Sie hatte pünktlich mit Ablauf des Wittwenjahres die Trauer abgelegt, da sie wußte, daß Schwarz sie sehr unvorteilhaft kleidete. Der unverkennbare Spott, der in dem Blicke ihres Schwagers lag, rief aber doch eine leichte Röthe des Aergers oder der Verlegenheit auf ihrem Antlitz hervor, als sie fortfuhr:

„Ich fange jetzt erst an nach der furchtbaren Katastrophe wieder aufzuathmen. Wenn Sie ahnten, welche Sorgen und Demüthigungen ihr vorangingen, welche Verluste von allen Seiten auf uns einstürmten – es war entsetzlich.“

Um die Lippen des Freiherrn zuckte es wie bitterer Sarkasmus. Er wußte sehr gut, daß die Verluste des Barons am Spieltisch entstanden waren und daß die Sorgen seiner Gemahlin darin bestanden, mit ihrer Toilette und ihren Equipagen alle übrigen Damen der Residenz zu verdunkeln. Die Baronin hatte bei dem Tode des Ministers das gleiche Vermögen empfangen, wie ihre Schwester; es war bis auf den letzten Rest verschwendet worden, während das der Frau von Raven sich noch unangetastet in den Händen ihres Gatten befand.

„Genug!“ sagte er abbrechend. „Lassen wir diesen unerquicklichen Gegenstand fallen! Ich habe Ihnen mein Haus angeboten und freue mich, daß Sie den Vorschlag annahmen. Seit dem Tode meiner Frau habe ich mich mit Freunden behelfen müssen, die wohl dem Haushalte vorstehen, aber doch nicht den Ansprüchen genügen konnten, die man an die Dame des Hauses stellt. Sie verstehen und lieben die Repräsentation, Mathilde, und ich habe gerade in dieser Beziehung viel vermißt. Unsere beiderseitigen Interessen begegnen sich also, und ich denke, wir werden mit einander zufrieden sein.“

Seine Worte klangen sehr kalt und gemessen. Freiherr von Raven schien durchaus nicht geneigt, in der Rolle eines Retters und Wohlthäters seiner Verwandten, der er in der That war, zu glänzen, er behandelte die Sache durchaus geschäftsmäßig.

„Ich werde mich bemühen, Ihren Wünschen nachzukommen,“ versicherte Frau von Harder, indem sie dem Beispiele ihres Schwagers folgte, der sich erhob und an das Fenster trat. Er richtete noch einige gleichgültige Fragen an sie, ob die Einrichtung, die Bedienung nach ihren Wünschen sei, ob sie irgend etwas vermisse, aber er hörte kaum auf den Schwall von Worten, mit denen die Dame beteuerte, daß sie alles entzückend finde seine Aufmerksamkeit war auf etwas ganz Anderes gerichtet.

Unmittelbar unter dem Fenster befand sich ein Gärtchen, das zur Wohnung des Castellans gehörte, dort promenirte Fräulein Gabriele, oder vielmehr, sie jagte sich mit den beiden Kindern des Castellans umher, denn diese Wendung hatte die Promenade schließlich genommen. Als die junge Dame dann den Morgenspaziergang unternahm, um sich mit den neuen Umgebungen vertraut zu machen, wie sie ihrer Mutter sagte, interessirte sie sich zunächst nur für einen gewissen Theil dieser Umgebungen. Sie wußte, daß Georg Winterfeld täglich das Regierungsgebäude betrat; es galt also die Möglichkeit einer öfteren Begegnung ausfindig zu machen, von der Georg behauptete, daß sie äußerst schwierig sei. Gabriele theilte diese Ansicht durchaus nicht, und ihre Recognoscirung war daher vorläufig nur auf die Entdeckung gerichtet, wo die Kanzlei des Freiherrn, in welcher der junge Beamte arbeitete, denn eigentlich liege. Dabei kamen ihr aber der kleine siebenjährige Knabe des Castellans und dessen Schwesterchen in den Weg, mit denen sie sofort Bekanntschaft machte. Die lebhaften, munteren Kinder erwiderten die Freundlichkeit der jungen Dame mit großer Zutraulichkeit, und bei der letzteren drängte die neue Bekanntschaft bald jeden Gedanken an ihren Entdeckungszug, und leider auch an den, dem er galt, in den Hintergrund. Sie ließ sich von den Kleinen in das Gärtchen ziehen, das hinter der Castellanswohnung, getrennt vom eigentlichen Schloßgarten, lag, sie bewunderte mit den Kindern die Gesträuche und Blumenbeete und wurde immer vertrauter mit ihnen; nach kaum einer Viertelstunde war bereits ein mit dem nöthigen Lärm versehenes Spiel im Gange, bei dem Fräulein Gabriele genau ebenso viel leistete, wie ihre kleinen Spielgefährten. Sie sprang ihnen nach über die Beete und neckte sie auf alle nur mögliche Weise. So unpassend das nun auch für ein siebenzehnjähriges Fräulein und für die Nichte des Gouverneurs sein mochte, so reizend war der Anblick für einen unbefangenen Beobachter. Jede Bewegung des jungen [177] Mädchens war von einer unbewußten, natürlichen Grazie; die schlanke Gestalt in dem weißen Morgenkleide gaukelte wie ein Lichtstrahl zwischen den dunklen Bäumen auf und nieder. Die eine der schweren, blonden Flechten hatte sich bei dem übermüthigen Spiel gelöst und sank in ihrer ganzen reichen Fülle über die Schulter, während das frohe Lachen und der Jubel der Kinder bis hinauf zu den Fenstern des Schlosses drang.

Die dort stehende Baronin entsetzte sich freilich über diese Formlosigkeit, und das um so mehr, als sie sah, daß der Freiherr die Scene dort unten unverwandt beobachtete. Was mußte der stolze, etiquettenstrenge Raven von der Erziehung einer jungen Dame denken, die sich vor seinen Augen solche Freiheiten herausnahm! Die Baronin fürchtete jeden Augenblick eine der gewohnten scharfen Aeußerungen ihres Schwagers vernehmen zu müssen und bemühte sich, den üblen Eindruck so viel wie möglich zu verwischen.

„Gabriele ist bisweilen noch unglaublich kindisch,“ klagte sie. „Es ist ganz unmöglich, ihr begreiflich zu machen, daß sich dergleichen Kindereien für eine junge Dame ihres Alters nicht schicken. Ich fürchte beinahe ihren Eintritt in die Gesellschaft, der durch den Tod des Vaters noch um ein Jahr hinausgeschoben wurde. Sie ist im Stande, dergleichen Zwanglosigkeiten auch auf das Salonleben zu übertragen.“

„Lassen Sie doch dem Kinde seine Unbefangenheit!“ sagte der Freiherr, ohne den Blick von der Gruppe abzuwenden. „Sie wird noch früh genug lernen, Weltdame zu sein; jetzt wäre es wirklich schade darum – das Mädchen ist ja der verkörperte Sonnenstrahl.“

Die Baronin horchte auf. Es war das erste Mal, daß sie einen wärmeren Ton von den Lippen ihres Schwagers hörte und in seinem Auge etwas Anderes sah, als eisige Zurückhaltung. Er fand offenbar Wohlgefallen an dem Uebermuthe Gabrielens, und die lange Frau beschloß, das sofort zu benutzen, um über einen Punkt in’s Klare zu kommen, der ihr sehr am Herzen lag.

„Mein armes Kind!“ seufzte sie mit gut gespielter Rührung. „Es eilt noch so sorglos durch das Leben und ahnt nicht, welche ernste, vielleicht traurige Zukunft ihm aufbehalten ist. Ein armes Fräulein! Das ist ein bitteres Loos, doppelt bitter, wenn man, wie Gabriele, mit Hoffnungen und Ansprüchen an das Leben erzogen ist. Sie wird es bald genug empfinden lernen.“

Das Manöver glückte wider alles Erwarten. Der sonst so unzugängliche Raven schien augenblicklich in ungewöhnlich nachgiebiger Stimmung zu sein, denn er wandte sich um und sagte rasch und bestimmt:

„Was sprechen Sie denn von einer traurigen Zukunft, Mathilde? Sie wissen ja, daß ich kinderlos und ohne eigene Verwandte bin. Gabriele ist meine Erbin, und da kann von Armuth füglich nicht die Rede sein.“

Ein Blitz des Triumphes leuchtete in den Augen der Baronin, als sie endlich die so lang ersehnte Gewißheit erhielt.

„Sie haben sich bisher noch nie über diesen Punkt ausgesprochen,“ bemerkte sie, mühsam ihre Freude verbergend, „und ich wagte ihn begreiflicher Weise nicht zu berühren. Die ganze Sache lag mir überhaupt so fern – “

„Sollten Sie wirklich noch niemals den Fall meines Todes und mein Testament in den Kreis Ihrer Erwägungen gezogen haben?“ unterbrach sie der Freiherr – er ließ seinen vorhin unterdrückten Sarkasmus jetzt vollständig den Zügel schießen.

„Aber, bester Schwager, wie können Sie so etwas nur glauben!“ rief die Dame mit beleidigter Miene.

Er beachtete den Empörungsschrei nicht im Geringsten, sondern fuhr ruhig fort:

„Hoffentlich haben Sie nicht mit Gabriele darüber gesprochen“ – er wußte nicht, daß dies beinahe täglich geschah – „ich wünsche nicht, daß ihr jetzt schon gelehrt wird, sich als reiche Erbin zu betrachten, und noch weniger wünsche ich, daß das siebenzehnjährige Mädchen mein Testament und mein Vermögen zum Gegenstand von Berechnungen macht, die ich von – anderer Seite sehr natürlich finde.“

Die Baronin stieß einen Seufzer aus. „Immer und ewig finde ich bei Ihnen Mißdeutungen. Sie verdächtigen sogar die Regungen der Mutterliebe, die ohne eigenen Wunsch nur für die Zukunft ihres einzigen Kindes bangt.“

„Durchaus nicht,“ sagte Raven ungeduldig und offenbar gelangweilt von dem Gespräche. „Sie hören ja, daß ich diese Regungen für sehr natürlich halte, und deshalb wiederhole ich Ihnen meine Zusicherung. Da das gesammte Vermögen von meinem Schwiegervater stammt, so soll es auch dereinst an seine Enkelin fallen. Wenn sich Gabriele, wie es wahrscheinlich ist, noch bei meinen Lebzeiten vermählt, so werde ich für die Mitgift Sorge tragen; nach meinem Tode – sie ist, wie gesagt, meine alleinige Erbin.“

Der Nachdruck, mit dem er das Wort hervorhob, zeigte der Baronin, daß sie für ihre Person nichts zu hoffen habe; indessen war mit der Zukunft der Tochter ja auch die ihrige gesichert und damit ihr Hauptzweck erreicht. Die kaum durch äußere Höflichkeitsformen verschleierte Verachtung, mit welcher der Freiherr sie behandelte und die der feine Instinct Gabrielens sogleich beim ersten Empfange herausgefunden, wurde von der Mutter entweder nicht gefühlt oder nicht beachtet. Sie war sich bewußt, ihrem Schwager ebensowenig Sympathie entgegen zu bringen, wie er ihr, und sie beugte sich nur der Nothwendigkeit, wenn sie seine Schroffheit mit der äußersten Liebenswürdigkeit vergalt, aber die Aussicht, an der Spitze eines so glänzenden Haushaltes zu stehen, wie der Gouverneur ihn führte, als seine Verwandte hier in R. die erste Rolle zu spielen und in allen Cirkeln den Vortritt zu haben, söhnte sie einigermaßen mit dieser Nothwendigkeit aus.

Als Raven einige Minuten später durch das Vorzimmer schritt, dessen Fenster nach derselben Seite hin lagen, hielt er noch einen Augenblick inne und warf einen flüchtigen Blick hinab.

„Daß das Kind auch solchen Eltern und solcher Erziehung anheimfallen mußte! sagte er halblaut. Wie lange wird es dauern, so ist Gabriele eine Kokette, wie ihre Mutter, die nichts weiter kennt, als Toilette, Intriguen und Salonklatschereien – schade um das Kind!“

Die Regierungskanzlei, nach welcher der Gouverneur sich jetzt begab, lag, wie schon erwähnt, im unteren Stockwerke des Schlosses. Er pflegte die meisten Sachen zwar in seinem eigenen Arbeitszimmer zu erledigen, betrat aber sehr oft die Kanzlei und die übrigen Verwaltungsbureaux. Die dort arbeitenden Beamten waren nie sicher vor dem stets plötzlichen und unerwartete Erscheinen ihres Chefs, dessen scharfen Augen nie die geringste Unregelmäßigkeit entging. Wer sich auf einer solchen betreffen ließ, mußte, gleichviel, ob seine Stellung hervorragend oder untergeordnet war, die schärfste Zurechtweisung von Seiten des Chefs hinnehmen, der Alles so viel wie möglich persönlich leitete und die eiserne Disciplin, welche seine Verwaltung auszeichnete, auch auf seine Bureaux übertrug.

Die Bureaustunden hatten längst begonnen, und die Beamten waren sämmtlich auf ihren Plätzen, als der Freiherr eintrat und mit leichtem Grüßen durch die Räume schritt. Einzelne der Abtheilungen überflog er nur mit einem kurzen, prüfenden Blicke; bei anderen blieb er stehen, warf hier eine Frage, dort eine Bemerkung hin und ließ sich hin und wieder ein Schriftstück reichen. Sein Verkehr mit den Untergebenen war gemessen, aber höflich, und doch sah man es den Gesichtern der Herren an, wie sehr sie das Stirnrunzeln des Chefs fürchteten. Als dieser das letzte Zimmer betrat, erhob sich ein älterer Herr, der dort allein arbeitete, ehrfurchtsvoll von seinem Pulte.

Es war eine lange, hagere Gestalt mit steifer Haltung und einem faltenreichen, sehr würdevollen Gesichte. Das graue Haar war mit größter Sorgfalt geordnet, und dieselbe peinliche Sorgfalt verrieth sich auch in dem feinem schwarzen Anzuge, der nicht das geringste Fältchen oder Stäubchen zeigte, während eine hohe weiße Halsbinde von ganz ungewöhnlichen Dimensionen ihrem Träger etwas ungemein Feierliches gab.

„Guten Morgen, lieber Hofrath!“ sagte der Freiherr mit mehr Freundlichkeit, als sonst in seiner Art lag, während er zugleich mit einer Handbewegung den Genannten aufforderte, ihn in das seitwärts liegende Cabinet zu folgen, wo er gewöhnlich die einzelnen Beamten empfing. „Ich bin froh, daß Sie wieder zurück sind; ich habe Sie in den wenigen Tagen Ihrer Abwesenheit recht vermißt.“

Hofrath Moser, der Chef der Bureauverwaltung, nahm mit sichtlicher Genugthuung dieses Zeugniß seiner Unentbehrlichkeit hin.

[178] „Ich habe die Rückkehr so viel wie möglich beeilt,“ entgegnete er. „Excellenz wissen ja, daß ich den Urlaub nur erbat, um meine Tochter aus dem Kloster abzuholen. Ich hatte bereits die Ehre, sie vorzustellen, als wir Excellenz gestern in der Gallerie begegneten.“

„Mir scheint, Sie haben das junge Mädchen zu lange in der geistlichen Obhut gelassen,“ warf Raven hin, „sie macht ja jetzt schon den Eindruck einer Nonne. Ich fürchte, die Klostererziehung hat sie vollständig verdorben.“

Der Hofrath zog die Augenbrauen in die Höhe und blickte mit dem Ausdrucke starren Entsetzens seinen Chef an. „Wie meinen Excellenz?“

„Ich meine, für die Welt verdorben,“ verbesserte der Freiherr, auf dessen Lippen ein kaum bemerkbares Spottlächeln erschien, als er dieses Entsetzen gewahrte.

„Ah so! Ja freilich, da haben Excellenz Recht –“ der Hofrath ließ nie eine Gelegenheit vorbei, den Titel seines Chefs zu nennen, und wenn er ihn dreimal in einem Satze hätte wiederholen sollen. „Aber der Sinn meiner Agnes war von jeher dem Weltlichen abgewendet, und in Kurzem wird sie sich vollständig davon lossagen. Sie hat sich entschlossen, den Schleier zu nehmen.“

Der Freiherr hatte einige Papiere zur Hand genommen und durchflog dieselben, während er zugleich ruhig das Gespräch mit dem Beamten fortsetzte, der sich allein von allen übrigen einer größern Vertraulichkeit bei ihm zu erfreuen schien.

„Nun, das ist gerade nicht überraschend, bemerkte er. Wenn man ein junges Mädchen vom vierzehnten bis zum siebenzehnten Jahre im Kloster läßt, muß man auf solche Entschlüsse gefaßt sein. Sind Sie denn damit einverstanden?“

„Es wird mir schwer, mein einziges Kind für immer zu entbehren,“ sagte der Hofrath feierlich, „aber fern sei es von mir, einer so heiligen Bestimmung hindernd in den Weg zu treten. Ich habe eingewilligt, meine Tochter wird noch auf einige Monate in mein Haus und in die Welt zurückkehren, um dann ihr Noviziat in dem Kloster anzutreten, wo sie bisher Pensionärin gewesen ist. Die hochwürdigste Frau Aebtissin wünscht, daß auch der geringste Schein des Zwanges vermieden wird.“

„Die Frau Aebtissin wird ihres Zöglings wohl sicher sein,“ meinte der Freiherr, mit einer Ironie, die seinem Zuhörer zum Glück entging. „Wenn es übrigens der eigene Wunsch und Wille des jungen Mädchens ist, so läßt sich nichts dagegen einwenden. Ich bedauere nur Sie, der Sie in der Tochter eine Stütze Ihres Alters zu finden hofften und sie nun den Nonnen abtreten müssen.“

„Dem Himmel!“ berichtigte der alte Herr mit einem frommen Aufblick, „und davor müssen die Rechte des Vaters natürlich zurücktreten.“

„Natürlich! – Und jetzt zu den Geschäften! Liegt irgend etwas von Bedeutung vor?“

„Die Meldung des Polizeidirectors –“

„Ich weiß. Man erhebt in der Stadt unglaublichen Lärm über die neuen Maßregeln. Man wird sich fügen. Was giebt es noch?“

„Den bereits besprochenen ausführlichen Bericht an das Ministerium. Wen bestimmen Excellenz dazu?“

Raven dachte einen Augenblick nach. „Den Assessor Winterfeld.“

„Assessor Winterfeld?“ wiederholte der Hofrath in sehr gedehntem Tone.

„Ja, ich wünsche ihm Gelegenheit zu geben, sich auszuzeichnen oder doch wenigstens bemerkbar zu machen. Er ist trotz seiner Jugend einer der fähigsten und tüchtigsten Beamten.“

„Aber nicht loyal, Excellenz, durchaus nicht loyal genug! Er hat eine ausgesprochen liberale Richtung und neigt sich der Opposition zu, die jetzt –“

„Das thun die jüngeren Beamten alle,“ fiel der Freiherr ein. „Die Herren sind sämmtlich Weltverbesserer und halten es für charaktervoll, hin und wieder zu opponiren, aber das giebt sich mit der Beförderung. Schon mit dem Rath pflegt es gewöhnlich aufzuhören, und Assessor Winterfeld wird darin keine Ausnahme sein.“

(Fortsetzung folgt.)



     Der Christbaum im März.

Rings umhaucht von Frühlingslüften
In des Gartens fernstem Winkel,
An den Bretterzaun gelehnt,
Steht im März der alte Christbaum.

Der vordem in Weihnachtstagen
Hell gestrahlt im Lichterscheine,
Kahl nun längst und bar des Schmuckes
Trauert er im Sonnenlichte.

Seltsam fremd schaut hin der Arme
Auf das junge Blüthenleben;
Knospen schon treibt der Hollunder;
Ihm zu Füssen blüh’n die Primeln.

Die ihn fröhlich einst umtanzten
Im Decembermond, die Kinder,
Würd’gen spielend keines Blick’s ihn,
Und der Gärtner stößt ihn seitwärts.

Selbst die Spatzen, die im Winter
Schutz gesucht in seinen Zweigen,
Schau’n verächtlich auf ihn nieder,
Und wie Hohn erschallt ihr Zwitschern.

Und er denkt: o ständ’ ich wieder
Einmal noch im grünen Walde,
Dürft’ ich blühen mit den Brüdern
Und wie sie im Winde rauschen!

Eitler Wunsch! Erkenntniß sagt ihm:
Seine Zeit ging längst vorüber,
Ueberflüssig und vergessen,
Ist er längst sich selbst zur Last.

Und er wünscht: Mitleid’ge Hand
Machte rasch der Pein ein Ende,
Bräch’ ihn ganz und ließ in Flammen
Ihn empor zum Himmel lodern.

     Albert Moeser.




Auf vulcanischem Boden.
Von Ferdinand Hey’l.

Von kräftigen Ruderschlag getrieben, flog der leichte Rheinkahn am Städtchen Andernach vorüber. Der oft irrthümlich als Römerwerk bezeichnete Rundthurm am oberen Ende des Ortes warf seinen Schatten über den Spiegel des gletscherblauen Wassers und ließ jenes Meisterstück mittelalterlicher Befestigung, dem, wie leider fast allen älteren rheinischen Bauwerken, die Spuren der Sprengversuche französischer Kriegskunst anhaften, noch gewaltiger erscheinen. Die Spitzen und Thürme der Pfarrkirche zur heiligen Maria, jener ganz aus Tuffstein erbauten spätromantischen Pfeilerbasilikia, die Reste der ehemals erzbischöflichen Burg, der schon im sechszehnten Jahrhundert erbaute, nicht uninteressante Rheinkrahnen vervollständigten das charakteristische, oft durch Stift und Pinsel wiedergegebene Bild des malerischen, wenn auch wenig belebten Rheinstädtchens. Unsere Fahrt galt dem Brohlthale und dessen Endziel: dem größten der rheinischen Maare, dem Laacher See.

Hinter uns durchfurchte die Fluth der majestätische „Wilhelm, Kaiser und König“, einer der stattlichsten Dampfer des Rheines. Stolz und gebietend beschrieb er seinen Weg, wie sein Taufpathe gewaltig den „deutschesten“ Strom beherrschend. Gegenüber der ehemaligen Reichsfeste Hammerstein, die droben am rechten Stromufer auf dunklem Grauwackegestein

[179]

Das Weinfelder Maar auf der Eifel.
Nach der Natur aufgenommen von Emmerich Reichmann.

[180] thront, kam das mächtige Schiff uns zur Seite. Welch’ eine Wandlung der Zeit! Auf eben jener Burg Hammerstein, wohl einer der ältesten am Rhein, suchte der fliehende Kaiser Heinrich der Vierte ein Asyl; hier verwahrte sein Sohn die Kleinodien des deutschen Reiches, und heute – trägt unten das stolze Schiff, wie ein sichtbares Merkmal neuerer und besserer Reichszustände, den Namen des Herstellers deutscher Reichsherrlichkeit durch die klaren Wellen hinunter zum Meer. Links gesellt sich der kleine Brohlbach – im Frühjahre nicht immer ein sanfter Geselle – dem Hauptstrome, und nahe der Mündung desselben, dicht am malerischen Rheindörfchen Brohl, lenkt unser Steuer dem Ufer zu.

Unsere Wanderung beginnt. Schon am Gestade des Stromes bemerken wir hochaufgestapelte Tuffsteine, Erzeugnisse der nur diesem kurzen Landesstriche eigenthümlichen Montan-Industrie. Unser Fuß berührt ausgedehnte Lager des als Bimsteintuff bekannten und des unter dem Namen Traß nicht minder gesuchten Baumaterials.

Das ganze Brohlthal setzt sich aus jenem eigenthümlichen vulcanischen Gebilde zusammen. Die Gegend, bis hoch hinauf auf die Eifel ist bezüglich ihrer geognostischen Verhältnisse eine der merkwürdigsten Landesstrecken am ganzen Rheine. Erloschene Vulcane, abenteuerlich geformte Bergspitzen und die in den ausgebrannten Kratern zusammengelaufenen Gebirgsseen, Maare genannt, sind Ursache, daß dieser Landesstrich, nach einem Ausspruche Leopold’s von Buch, „seines Gleichen nicht auf der Welt hat“. Aus dem hier gewonnenen seltsamen Baumateriale, den Tuffsteinen, sind die Kirchen zu Sinzig, Andernach, Laach, Bonn und anderer Orte am Rheine errichtet, und weit stromab nach Holland führen die schwer befrachteten Schiffe den gemahlenen Tuffstein, jenes hellgelbe und weißgraue, ausnehmend poröse, häufig mit Bimstein gemischte Gestein, welches unter dem Namen Traß (holländisch Tyras-Kitt), mit einer Mischung von Kalk versehen, dort unten im Niederlande vornehmlich zu Wasserbauten verwendet wird. Zu beiden Seiten der Straße stehen die Mündungen der Tuffsteinbrüche an. Traßmühlen klappern, vom Brohlbach getrieben, unverdrossen ihren melancholischen Tact.

So erreichen wir, an der Netzermühle vorbei, die alte Schweppenburg, ein vielfenstriges, nicht eben baulich interessantes Burghaus aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts, ehedem im Besitze derer von Metternich. Auf kleinem Bergkegel erhebt sich inmitten des Thales jenes Feudalschloß, das zu dem tapferen Kriegsführer Schweppermann indessen – trotz der Meinung Einzelner – niemals in Beziehung gestanden. Und doch hatte die vor dem Jahre 1680 auf demselben Platze stehende Winneburg später auch ihren Schweppermann. Um 1794 vertheidigte ein Burgwart ganz allein die Burg gegen mehrere andringende französische Mordbrennerhaufen. Er verrammelte die Thür, warf Steine auf die Andringenden herab, feuerte, soviel er allein vermochte, in die stürmenden Haufen und mußte sich freilich wohl endlich der Uebermacht ergeben. Vor den General Lefèbre als Gefangener geführt, rettete er sein Leben durch die einfachen Worte: „General, ein guter Commandant verteidigt seine Festung, so lange er kann.“ –

Hinter der Schweppenburg, die im Jahre 1630 in ihrer jetzigen Gestalt erbaut wurde, verengt sich das freundliche und ziemlich belebte Thal. Ueppige Waldungen krönen die Höhen zu beiden Seiten. Mineralquellen (Säuerlinge) finden sich hin und wieder. Leichte Bimsteinstaubwolken kennzeichnen an heißen Sommertagen die sonst treffliche Straße. Zwei Wege stehen uns zur weiteren Wanderung offen. Der unten im Thale führt dicht an den Tuffsteinbrüchen vorbei; der links abzweigende leitet zunächst nach den Heilbrunnen – einer medicinisch angewendeten Quelle, nun welche sich in neuerer Zeit einige Gebäulichkeiten angesiedelt haben – und führt dann unter einem Laubdache von Buchen hin nach dem Bade Tönnistein.

Schon im 16. Jahrhundert als Heilquelle bekannt, erwecken hier die Reste eines ehemaligen Carmeliterklosters Antoniusstein nebst einer Brunneninschrift mittelalterliche Erinnerungen, während wir schon an der Schweppenburg Gelegenheit hatten, durch einen dort aufgefundenen römischen Altar und einzelne Votivsteine der einstigen Römerherrschaft in diesen Gegenden zu gedenken. An den freundlichen Restaurationsgebäuden des Bades vorüber, steigt unsere Straße leicht bergan. Links oben grüßt der spitze Kirchthurm des Dorfes Kell, und bald sind wir im Dörfchen Wassenach. Tief sinkt der Fuß in den Bimssteinsand ein, und ermüdend wird der Weg. Der vulcanische Kegel des Veitskopfs, mit einem noch heute erkennbaren breiten Lavastrome, winkt rechts herüber. Wie die Sanddüne der Meeresküste liegt ein Wall von vulcanischen Gebilden, zerbröckelt in die verschiedensten und wunderlichsten Formen, vor uns. Ein Kranz von Bäumen umgiebt den hier noch immer unsichtbaren See, bis plötzlich ein freier Durchblick die Rundschau auf die stille, unheimlich schwermüthige Wasserfläche freigiebt.

Im Hintergrunde spiegelt sich die stattliche Abtei mit ihrem umfassenden Gebäuden in dem dunklen Gewässer, und das Hôtel „Maria-Laach“ – ein Gasthausname, den die fromme Nachbarschaft entschuldigen mag – liefert zur ideellen Beschauung den irdischen Gegensatz. Keine Bewegung zeigt sich auf dem weitgestreckten eirunden Seebecken; tief dunkel erscheint die Wasserfläche; kein Kahn durchfurcht den wunderlichen Spiegel dieses Eifelmaars. Alle jene Seebecken der Eifel – und hierhin zählt auch der Laachersee – führen den Namen Maar im Volksmunde, nur Laach (lacus, und darum eigentlich richtiger: Lach genannt) hat sich die Bezeichnung „See“ bewahrt.

Entstanden durch vulcanische Thätigkeit, zeigt der Laachersee nirgends einen natürlichen Zu- oder Abfluß, und man vermuthet deshalb, daß sich Quellen in seinem Boden finden, da aber der Spiegel desselben oft bedenklichen Schwankungen unterworfen und die Klosterkirche häufig Ueberschwemmungen ausgesetzt war, ließen schon im 12. Jahrhundert die Mönche der Abtei einen Stollen zum Abfluß des Wassers in die südliche Uferseite treiben. Auch später noch (1845) wurde seine Wasserfläche künstlich verringert und beschränkt. Trotzdem erreicht keines der anderen Eifelmaare die Ausdehnung des Laachersees, der über drei Quadratkilometer groß, immerhin seine zwei Stunden im Umfange mißt. Seine Tiefe wird in der Mitte auf zweihundert Fuß angegeben; die Tradition im Volke behauptet: er habe überhaupt keinen ergründlichen Boden. Der tüchtige Forscher von Dechen bezeichnet dieses Seebecken als den Mittelpunkt der vulcanischen Thätigkeit der ganzen Gegend. Das Wasser des Sees ist kalt und hart, von Geschmack widerlich und der Uferrand von einem schwärzlich flimmernden Sande bedeckt, der zum Theil von Magnet angezogen wird. Selten friert der ziemlich fischreiche See zu. Alle rheinischen Dichter haben dem romantisch-ernsten Wasserspiegel ein Weihelied gesungen. Friedrich Schlegel, Simrock, Stolterfoth, Wolfgang Müller, J. B. Rousseau und viele Andere flochten ihm ein poetisches Erinnerungsblatt zum Ehrenkranze. Und er verdient es. Wo breitet anderwärts eine duftigere Sage, als jene der heiligen Genoveva, ihren romantischen Schleier über eine ganze Gegend, und wo schließt sich die Landschaft, in gleicher Weise der Sage entsprechender an? In friedlicher Waldeinsamkeit erhebt sich eine überraschend stattliche Abteikirche, dicht am Ufer einer unheimlich stillen und mächtigen Wasserfläche, ein Bild, welches dem Geisterglauben volle Nahrung giebt.

„Wahr ist’s, es hausen Geister da unten wundervoll,“ singt Friedrich Schlegel, und mag der Forscher hier ein noch so reiches Gebiet finden, dem Wanderer wird’s fast noch weniger an poetischem Eindrucke fehlen.

„Bei Andernach am Rheine liegt eine tiefe See;
Stiller wie die ist keine unter des Himmels Höh’. –
Da find’t nicht Grund und Boden der Schiffer noch zur Stund’,
Was Leben hat und Odem, ziehet hinab der Schlund.“ –

Wenn wir auch der naheliegenden Versuchung widerstehen, den eigenthümlichen mineralogischen Verhältnissen des ganzen Seegebietes und der Eifel einen größeren Raum zu widmen, so darf doch die unfern unseres Weges liegende Mofette (Bergschwadem) nicht ganz übersehen werden, vielleicht gerade vornehmlich deshalb nicht, weil ihr mehr nachgesagt wird, als sie verdient. Aus einer kleinen Vertiefung in der Nähe unseres Weges entsteigen dem Boden kohlensaure Gase, welche Insecten zu betäuben und wohl auch zu tödten vermögen. Weiter bringt’s die Mofette nicht, und die Erzählungen von getödteten größeren Vögeln, Eichhörnchen etc. gehören, wie manches Andere dieser Gegend, der Sage an. Wir haben weder jetzt noch jemals früher jene Behauptung als Thatsache erweisen können.

Wir aber wandern „weiter die Straße entlang“ – links [181] bleibt der See uns zu Seite - und erreichen das stattliche Gebäude der Benedictiner-Abtei und das dicht daranstehende - Gasthaus. Zum Bedauern des Wirthes hat das Letztere seit Aufhebung der „Erziehungs-Anstalt“, wie das hier etablirte „Jesuiten-Pensionat“ noch vor Kurzem sich zu nennen pflegte, wesentlich in seinen Einnahmen gelitten. Wie mancher Vater suchte und besuchte hier den „geistlichen Sohn“, der „in guter Schule aufgewachsen“ sich zu seinem wichtigen Amte vorbereitete.

Ein Graf von Schaesberg in Aachen erstand von der Familie Delius im Jahre 1863 die Klostergebäude. Der Kauf war entweder nur ein Scheingeschäft, denn die frommen Väter Jesu nahmen alsbald von den Gebäuden Besitz, oder der Käufer überließ sein Eigenthum bis zur Einführung des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872 dem frommen Zwecke. Heute ist das Besitzthum wieder an den genannten Käufer zurückgefallen.

Pfalzgraf Siegfried, der Gemahl der sagenhaften Genoveva, soll den Bau der Abtei wesentlich gefördert haben, und oft lag uns bei früheren Besuchen, wenn mehr als hundert schwarz gekleideter Novizen des Instituts im abgeschlossenen Klostergarten ernst und gesenkten Hauptes dahinschritten, der Gedanke nahe, daß auch unter ihnen gar mancher „Schmerzensreich“ sich finden dürfte, den elterliches Gebot oder Abhängigkeit anderer Art an diese Stätte der „Frömmigkeit“ gebannt.

„Es blickt in ruhiger Beschaulichkeit
Das ernste Kloster durch die grauen Schlüfte;
Die Kirche, welche ein Jahrtausend weiht,
Ragt vielgethürmt in einsam stille Lüfte;
Ihr Glockenschall klingt nicht in’s Land hinaus;
Der ernste Ton verhallt in nahe Klüfte.“

Die Benedictiner-Abtei Laach war einst eines der reichsten Klöster in Deutschland. Sie wurde muthmaßlich von Heinrich dem Zweiten, Pfalzgraf bei Rhein, und dessen Gemahlin Adelhaid (um 1090) gegründet. Des Stifters Grabmal befindet sich in der Kirche. Wir haben nicht viele Kirchen im deutschen Vaterlande, die in der Außenseite so mannigfaltige architektonische Wirkungen bieten. Auch das Innere, obwohl zur Zeit kahl und öde, besonders die Vorhalle, die sich aus drei Säulengängen zusammensetzt, ist im höchsten Grade beachtenswerth, ersteres sowohl durch reich entwickelte Säulencapitäle, wie durch treffliche Wölbung.

Erwähnen wir noch drei Merkwürdigkeiten der Kirche: der beiden polirten lichtbraunen Säulen am Grabmal des Stifters, die aus Kalksinter gefertigt sind, welcher sich in dieser festen Gestalt in einer römischen Wasserleitung abgelagert hatte, die von Trier nach Köln führte, sodann der dreischiffigen Krypta mit einem alten Grabstein und der trefflichen, beispiellos starken Akustik, wie sie sich vielleicht in keinem anderen Kirchengebäude wiederfindet, so können wir getrost das Freie wiedergewinnen, um am Ufer des Sees noch ein Stündchen zu verträumen. -

Sie wußten, wo es geraten war die stillen Wohnplätze aufzuschlagen, die frommen Väter früherer Zeiten. Der ehedem sehr fischreiche See half angenehm über die schmalen Fasttage hinweg, und an beschaulicher Ruhe mag es den frommen Herren hier schwerlich gefehlt haben. Und sonderbar - so oft auch unsere Wanderungen uns zum Laacher-See und seiner Abtei getragen, niemals wollte weder bei uns, noch bei unseren Freunden, die echt rheinische heitere Stimmung hier aufkommen. Ist’s die Einsamkeit der Umgebung, ist’s die Nähe der ernst hinausschauenden Abteikirche, ist’s die todtenhafte Stille des Seespiegels? Ueben die Sage von der verstoßenen Pfalzgräfin oder die Schwermüthigkeit aller jener Verse, die dem Laacher-See gesungen, auf uns und jeden Besucher ihre Wirkungen?

Nicht weniger ernst stimmen den Beschauer die übrigen Maare des Eifellandes, vor Allem wohl das sogenannte Weinfelder Maar, welches wir heute durch eine treffliche Abbildung den Lesern der „Gartenlaube“ vorführen. Hoch über dem Orte Schalkenmehren, welcher selbst an einem Maar gelegen sattelt sich jener einsame Kratersee zwischen Schlackenwänden ein, in gerader Richtung kaum hundert Schritte von dem tief drunten liegenden Schalkenmehrer Maar entfernt. Kein sichtbarer Zusammenhang verbindet diese beiden Wasserflächen, droben aber gemahnt nichts an menschliche Spuren, als das kleine Kirchlein auf der Höhe, der letzte Rest eines abgegangenen Dorfes, jetzt der Begräbnißplatz des eine halbe Stunde entfernten Ortes Schalkenmehren. Raben fliegen kreischend über uns dahin; hier und da wirft ein muthwilliger Bewohner des Maars runde Linien über den Wasserspiegel; kein menschlicher Laut tönt zu uns herauf; kein Wandergenosse kreuzt unseren Weg. Der Charakter des Laacher-Sees findet sich hier durchaus wieder.

„Schau dort in’s Thal! Wir sind am Laacher-See.
Ob rings die Höh’n auch grüne Wälder krönen:
Hier wohnt ein tiefes, unnennbares Weh;
Klag’lieder hörst du durch die Buchen tönen.
Man sagt, daß er vor Zeit ein Krater war,
Feu’r spie die Erde hier mit grausem Stöhnen;
Jetzt liegt er still, tiefblau, durchsichtig, klar;
Das hohe Schilf umflüstert rings das Ufer,
Und drüber fliegt der Wasservögel Schaar.
Ein ferner Hirt ist hier der einz’ge Rufer.“
                         Wolfg. Müller.

Und wie hier an den Eifelmaaren durch die überall unheimliche Stille die Sage reiche Nahrung findet, so sind auch alle Ueberlieferungen des Volkes dem Ernste der Gegend angepaßt. Das Bild der Zerstörung ist auch in Schlegel’s Ballade vom Laacher-See wiedergegeben:

„Einst lag auf einer Insel mitten darin ein Schloß,
Bis krachend mit Gewinsel es tief hinunter schoss.“

Der Schrecken der Landleute waren jene Ritter des sagenhaften Schlosses, von denen nach der Volksüberlieferung der eine einen frommen Waldbruder getödtet, nachdem dieser sich geweigert ihm die Absolution für sein sündiges Treiben zu ertheilen.

Und liegt auch nahe dem Kloster, am südlichen Ufer des Sees, die im 8. Jahrhundert durch die Pfalzgrafen von Aachen gegründete Altenburg schon lange in Trümmern, verkünden auch nur geringe Spuren heute noch ihre ehemalige Größe, so wird die für Erhaltung der Bauwerke früherer Zeiten so besorgte Mitwelt in diesem Falle doch des Dichters Wort nicht in Erfüllung gehen lassen, welches der Abtei Laach dereinst verkündete:

„Bald vielleicht beglänzt des Mondes Schimmer
Deiner stolzen Thürme letzte Trümmer,
Und der Dom, erhöht durch kühnen Muth,
Sinkt geborsten in die nahe Fluth.“




Sturz, der Menschenfreund.

Jeder Menschenfreund wird zum Erlöser. Dieses Wort hat eine glänzende Bestätigung erfahren durch das Leben des edlen Mannes, welcher vor Kurzem von uns schied. Noch seh’ ich ihn vor mir, den alten Herrn mit der Haltung des echten Gentleman und den blauen, germanischen Augen, welche so viel Herzensgüte und Sanftmuth verriethen. Es lag unendlich viel Milde und Bescheidenheit in seinem Wesen, und Niemand, der oberflächlich mit ihm verkehrte, konnte wissen, welch’ ein starkes Herz in seiner Brust schlug. Und doch war sein langes Leben ein heißer Kampf, und jede Falte in seinem Gesichte konnte als Narbe gelten, welche die Zeit ihm geschlagen. Da, wo es galt, die Schwachen vor Vergewaltigung zu schützen, wo die besten Güter der Menschheit in Gefahr kamen durch die Uebergriffe der Gewinnsüchtigen und Gewissenlosen, da stand Consul Sturz in der vordersten Reihe, da erwachte in der Brust des Friedfertigen ein heiliger Zorn und dröhnend schlug er auf den Amboß. Für die gute Sache setzte er Alles ein: Vermögen, Familienglück, und wenn es hätte sein müssen, das Leben selbst. Hier führte er nur einen Wahlspruch im Munde, den er in die Dialektform seiner Heimath kleidete: „W’r misse durch.“

Sehen wir zu, was dieser Mann mit dem tapferen Herzen angeregt, gefördert und im Leben durchgefochten hat.

Johann Jacob Sturz war im Jahre 1800 geboren und zwar im alten Kaiserpalast zu Frankfurt, welcher dem Vater seiner Mutter gehörte. Sein Vater starb früh. Im Hause

[182] seiner Mutter verkehrten Männer wie der Philosoph Schelling und der Geograph Ritter; der Letztere wurde des Knaben Lehrer und trug viel zur Erweckung seiner kühnen Unternehmungs- und Reiselust bei.

Sturz widmete sich zuerst dem Kaufmannsstande und ging früh in geschäftlichen Aufträgen nach Mexico. Auf dieser ersten großen Reise bestand er ein Abenteuer, welches am besten seine Energie und rasche Entschlossenheit zu illustriren vermag. Nach einer beschwerlichen Seereise landete Sturz in Vera Cruz und wurde, da ihm ein Empfehlungsschreiben vorausgegangen, von dem Träger eines berühmten spanischen Namens empfangen. Der Mexicaner führte ihn in seinen alten Palast und ließ, trotz allen Widerstrebens, auch das Gepäck des Reisenden dahin nachbringen. Vor den Augen des gefälligen Wirthes schloß Sturz seinen Koffer auf, entnahm daraus einen Theil seiner Baarschaft, um Zurüstungen für die Reise nach dem Innern des Landes zu treffen und schloß denselben wieder. Bei einem Gange durch die Stadt machte der junge Deutsche die Wahrnehmung, daß das gelbe Fieber unter der mexicanischen Bevölkerung furchtbar aufräume, denn ein Leichenwagen nach dem andern begegnete ihm auf den Straßen. Kein Wunder, daß er sich bei der Rückkehr in das Haus des Gastfreundes empört fühlte, als er sah, daß dieser mit einigen Freunden und Freundinnen ein lustiges Gelage feierte.

Seine Empörung aber verwandelte sich in Schrecken, als er aus dem Zimmer, das man ihm angewiesen, die Entdeckung machte, daß sein Koffer erbrochen und sein Reisegeld gestohlen sei. In wenigen Augenblicken wurde es dem Beraubten klar, daß der Mexicaner mit dem altadeligen Namen, welcher die Gefühlsrohheit besaß, im Angesicht aller Schrecken der Epidemie sich Ausschweifungen hinzugeben, der Dieb sei. Ohne Zögern trat Sturz in den Speisesaal, richtete die Mündung seines Pistols plötzlich nach den Kopf des Schuldigen und rief, daß er ihn niederschießen werde, wenn er nicht sofort den Raub aushändige oder wenn einer seiner Freunde Miene mache, ihm beizustehen. Der kühnen Entschlossenheit des jungen Deutschen gegenüber gab sich der Mexicaner gefangen und legte die geraubte Summe, so weit er sie noch besaß dahin, wo er sie hergenommen.

Nach dieser mexicanischen Reise schon dämmerte in Sturz die Erkenntniß auf, daß die Abkömmlinge der spanischen und portungiesischen Eroberer unfähig seien, in Amerika die Träger einer Culturmission zu werden. Er kehrte nach Europa zurück, wo er sich in kurzer Zeit zum Techniker ausbildete, dann wandte er sich nach Brasilien, dessen weite Territorien und großer Bodenreichthum ihn mächtig anzogen. Hier hoffte er das geeignetste Arbeitsfeld für seine rüstige Thatkraft zu finden. Schon im Jahre 1825 befand sich Sturz in Brasilien, und das Schicksal der deutschen Ansiedler, welche vergebens bemüht waren, in Rio und anderen Provinzen mit heißem Klima sich eine behagliche Existenz zu erringen, ging ihm sehr zu Herzen.

Im Alter von dreißig Jahren stand der Unternehmungslustige als Chef-Ingenieur an der Spitze eines großen Silberbergbau-Betriebs, bei welchem etwa fünfhundert Negersklaven beschäftigt wurden. Ein großer Erfolg stand hier seiner Wirksamkeit zur Seite; er trug unendlich viel zur Entwickelung der industriellen Thätigkeit in Brasilien bei und erlangte Einfluß in den Regierungskreisen. Jene Periode seines Lebens ist bereits durch die philanthropischen Bestrebungen ausgezeichnet, welche später einen so großartigen Charakter annahmen. Er erleichterte nicht nur das Loos der Schwarzen, welche unter seiner Obhut standen, soviel seine Kraft es irgend vermochte, sondern er setzte auch eine lebhafte Agitation für die Abschaffung der Sclaverei in’s Werk, die leider an dem fanatischen Widerstand der Großgrundbesitzer und Klerikalen scheiterte.

Als der Strom deutscher Einwanderung sich immer mächtiger über die weiten Territorien Brasiliens ergoß, suchte Sturz denselben nach Kräften in die südlich gelegenen Provinzen mit gemäßigtem Klima zu lenken. Er hatte die Ueberzeugung gewonnen, daß in den heißen Länderstrichen Brasiliens nur der Neger die harten Arbeitslasten in den Pflanzungen, ohne Schaden zu nehmen, bewältigen könne, während der Deutsche nach kurzer Zeit zu Grunde gehe. Mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, wirkte er dahin, daß seine deutschen Landsleute sich in den gesunden Provinzen Rio Grande do Sul und Santa Catarina niederließen, wo denn auch in kurzer Zeit unter seiner Anleitung und Hülfe viele deutsche Ansiedlungen entstanden und zu hoher Blüthe gelangten.

Die brasilianische Regierung erkannte wohl den gewaltigen Einfluß, welchen Sturz auf ihre wirthschaftliche und industrielle Entwickelung ausübte, und damit derselbe noch energischer wirken könne, sandte sie ihn in den vierziger Jahren als Generalconsul nach Deutschland. Er hatte die Aufgabe erhalten, deutsche Auswanderer und namentlich wichtige Techniker nach Brasilien zu senden. In derselben Zeit jedoch, als Sturz in der alten Heimath seine Thätigkeit entfaltete, fand in Brasilien ein großer Umschwung der Verhältnisse statt. Die Engländer, welche dem Sclavenhandel in den eigenen Colonien ein Ende machten, gestatteten es auch nicht mehr, daß fremde Nationen Neger von den afrikanischen Küsten fortführten. So schnitten englische Kriegsschiffe auf der atlantischen See die Zufuhr von schwarzen Arbeitskräften für brasilianische Sclavenmärkte ab, und die Pflanzer der heißen Länderstriche sahen sich in der Ausbeutung ihrer großen Ländereien gehindert. Diese Großgrundbesitzer verfielen nunmehr auf den Gedanken, deutsche Arbeiter durch Landversprechungen in ihre Districte zu locken und sie dann durch harte Sclavenarbeit auszubeuten. Sie ließen durch deutsche Agenten freie Ueberfahrt anbieten und stellten den Auswanderern durch die sogenannten Parceria-Verträge Landbesitz in Aussicht. Die Unglücklichen, welche solchen Verlockungen folgten, gingen fast alle auf den heißen Plantagen des Nordens zu Grunde. Zur Schande des deutschen Namens müssen wir bekennen, daß es in den freien Hansestädten Schiffsrheder und Senatoren gab, welche diesen ruchlosen Absichten der brasilianischen Sclavenbarone den mächtigsten Vorschub leisteten, ja es fanden sich sogar unter den deutschen Gelehrten – einer von ihnen ist heute Professor der Staatswissenschaften – Männer, welche durch lügenhafte Berichte ihre armen Mitbürger in’s Elend locken halfen.

Einer aber duldete es nicht, daß man die deutschen Auswanderer durch die Schlinge der Parceria-Verträge in’s Sclavenjoch spannte, und das war der brasilianische Generalconsul. Sturz versuchte erst die Regierung seines Adoptivvaterlandes zu bewegen, daß sie dem Treiben der Sclavenbarone ein Ziel setze, allein die Letzteren hatten sich indessen thatsächlich der Gewalt bemächtigt, und seine Bemühungen waren fruchtlos.

Jetzt stand der Generalconsul mit einem Male vor der Alternative, entweder das abscheuliche Treiben ungehindert seinen Lauf nehmen zu lassen und seine einträgliche Stellung zu behalten, oder die letztere in die Schanze zu schlagen und sich für das Recht gegen die eigene Regierung zu stemmen. Sturz zauderte keinen Augenblick; das Recht mußte siegen, und sollte er selber darüber zu Grunde gehen. Er nahm sofort den Kampf gegen die Sclavenbarone auf und wurde von der brasilianischen Regierung aus seiner Stellung entlassen.

Der Kampf, auf den er sich eingelassen, war ein verzweifelter: er stand allein und verfügte über geringe Hülfsmittel; ihm gegenüber befand sich ein Heer von gedungenen Preßagenten und anderen Werbern, welche aus den reichen Fonds der brasilianischen Regierung die freigebigste Unterstützung fanden. Sturz zeigte, daß einem starken Herzen nichts unmöglich ist. In einer Unzahl von Broschüren und Zeitungsartikeln legte er die Lügen der brasilianischen Preßagenten bloß, warnte in beredten Worten vor der entsetzlichen Gefahr, welche dem deutschen Auswanderer durch den Parceria-Vertrag drohe, zählte die Auswanderer auf, welche in den Zucker- und Kaffeeplantagen zu Grunde gegangen, und schreckte so Tausende vor einem Schritt zurück, der sie unfehlbar dem größten Elend und sicheren Untergang entgegengeführt hätte.

Der glühende Eifer, welcher Sturz beseelte, riß auch Andere mit fort. Bald fanden sich einzelne, dann mehrere Journale, welche seine Sache zu der ihrigen machten, und endlich trat die deutsche Regierung für ihn ein. Den brasilianischen Agenten wurde das Handwerk gelegt, und seit zehn Jahren gelingt es nur in seltenen Fällen, deutsche Arbeiter in die Netze brasilianischer Großgrundbesitzer zu ziehen.

Dieser Kampf kostete Sturz nicht nur die beste Kraft seines Lebens, sondern auch ein bedeutendes Vermögen. Mit etwa neunzigtausend Dollars bezahlte er das Bewußtsein, Tausende von deutschen Landsleuten vor Elend, Schmach und sicherem Untergang bewahrt zu haben. Es währte lange, bis die deutsche [183] Nation zum Bewußtsein dieser dankenswerthen That gelangte, als dies aber geschah, brachte sie durch öffentliche Subscription eine Summe auf, welche geeignet gewesen wäre, die letzten Lebensjahre des edlen Mannes vor Entbehrungen zu schützen, wenn dieser das Nationalgeschenk für sich und seine Familie verwendet hätte. Daran aber dachte Sturz zu allerletzt. Ehe er an die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ging, tauchte er hinab in die Schichten der geistig und leiblich Verarmten und kam zurück mit dem Alarmruf: „Hier thut Hülfe Noth.“

Von all den Resultaten, welche seiner schöpferischen und rastlosen Thätigkeit zu danken sind, wollten wir nur wenige herausheben: zunächst die, welche uns Deutsche direct angehen, dann jene, welche ein allgemeines Interesse haben.

Sturz war es, der vor mehreren Jahren in Schrift und Wort auf die Verarmung der Strandbewohner an unserer Nordseeküste hinwies und Vorschläge zur Abhülfe der Nothlage machte. Er that vor Allem dar, daß englische und holländische Fischer das deutsche Fischereigebiet ausbeuteten, und auf seine Anregung hin ergriff die Regierung Maßregeln, um die fremden Fischerboote von der deutschen Nordseeküste fern zu halten. Unsere Kanonenboote schützten das Fischereigebiet der deutschen Küstenbewohner vor fremder Ausbeutung, und der preußische Landtag bewilligte die nöthigen Mittel zur Anlegung von Austerbänken und Hebung der Fischzucht.

Da Sturz den Anlaß zu den letzteren Maßregeln auch gegeben, wurde ihm in socialdemokratischen Kreisen der Vorwurf gemacht, er leiste der Völlerei der Capitalisten Vorschub. Der Menschenfreund konnte dies lächelnd hinnehmen; er dachte nicht an die Genüsse der Gourmands, sondern an die Hülfe, welche den armen Fischern durch die Austernzucht wurde. Weiterhin machte Sturz eine Reihe praktischer Vorschläge, um den Transport und raschen Absatz der Seefische zu fördern, deren Verwirklichung den Fischern so gut Vortheile bringen mußte, wie den Bewohnern der großen Städte.

Eine andere Agitation brachte dem Berliner Schlachtvieh Erlösung von argen Qualen. Sturz war nicht nur ein Menschen-, sondern auch ein Thierfreund und beherzigte wohl das gute Wort: Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes. Nun schnitt es ihm in die Seele, wenn er sah, wie rohe Schlächter die Kälber knebelten, sie wie leblose Waare auf den Karren schleuderten und während einer langen Fahrt arge Qualen erdulden ließen. Ebenso roh und abscheulich fand er es, daß man das Schlachtvieh mit Hülfe kläffender und beißender Hunde durch die Straßen hetzte. Diesen Thierquälereien mußte gesteuert werden, und er machte energisch gegen die Brutalität Front. Dies war bei Weitem kein so leichtes Unterfangen, wie es jetzt vielleicht den Anschein hat, denn anfangs fanden es viele Mitglieder der Polizei und eine gute Anzahl von Journalisten einfach komisch, daß ein ehemaliger Generalconsul sich zum Anwalt der geknebelten Kälber mache. Allein Sturz war eine viel zu sittliche und wahrhaft religiöse Natur, als daß er sich hätte durch Spott von seinem Vorhaben abbringen lassen. Er organisirte ein kleines Beobachtungscorps von Berliner Straßenjungen, welches er besoldete, um den Viehhof und die Schlachthäuser überwachen zu lassen. Erblickten seine Posten einen Wagen mit geknebelten Kälbern, so riefen sie Sturz herbei und dieser ließ die Namen der Thierquäler durch den Schutzmann feststellen. Diese Bestrebungen trugen dem Thierfreunde manche Mißhandlung ein, welche tausend Andere abgeschreckt hätten. Viele Schlächter zielten vom Wagen herab mit der Peitsche nach seinem Gesicht, und ein roher Patron soll ihn gar mit der Faust angegriffen haben. Sturz verdoppelte nach all diesen Vorkommnissen seine eifervollen Bemühungen und blieb erfolgreich. Heute erfährt das Schlachtvieh in Berlin eine menschliche Behandlung, und die Fleischer stehen sich nicht um ein Haar schlechter dabei.

Johann Jacob Sturz.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Sturz war stets auf’s Eifrigste bemüht, die Thiere gegen Rohheiten zu schützen, und noch in den letzten Tagen seines Lebens gab er auf seine Kosten ein kleines Bilderbuch heraus, welches er in allen Schulen zu verbreiten gedachte, das den Kindern Liebe zu den Thieren einflößen und sie durch allerlei Sprüche zur Schonung und Milde ermahnen sollte. Vielen wird dieser Zug als unbedeutend erscheinen, aber sicher denen nicht, welche Werth auf die Erziehung der Jugend und den sittlichen Charakter eines Volkes legen.

Damit wäre Einiges, aber bei Weitem nicht Alles aufgezählt, was Consul Sturz in Deutschland im Interesse unserer Wohlfahrt und der Humanität wirkte. Seine Thätigkeit beschränkte sich nicht auf die Grenzen des Vaterlandes, sie ging weit über dieselben hinaus.

Sturz war ein echter deutscher Patriot, der, selbst als Vertreter eines fremden Staates, in den Zeiten kleinstaatlicher Misere keinen innigeren Wunsch kannte, als die Herstellung eines einigen Deutschlands. Als Beleg dafür mag nur eine Thatsache sprechen: Württembergische Bauern, welche sich in Palästina niedergelassen, erfuhren Bedrückungen seitens türkischer Beamten und wandten sich, da ein Vertreter ihrer Regierung fehlte, an das preußische Consulat um Beistand. Trotz aller Drohungen richtete der preußische Consul nichts aus, sobald sich aber der englische der Sache annahm, fanden die Deutschen Gehör und Abhülfe. Friedrich Wilhelm der Vierte sprach über den Fall mit dem Generalconsul Sturz und beklagte es, daß das starke Preußen im Auslande noch so wenig Ansehen genieße.

Sturz, dem jede Menschenfurcht fremd war, antwortete hierauf dem Könige: „Das wird auch niemals anders werden. Erst wenn statt der preußischen Flagge die deutsche sich in den Häfen fremder Länder zeigt, gelangen wir zu Ansehen, und nicht eher, als bis hinter den deutschen Auswanderern auch ein einiges starkes Deutschland steht, fällt diesen ein besseres Loos zu, als jenes, der Culturdünger für fremde Staaten zu sein.“

Bei dieser innigen Liebe zu seinem Vaterlande blieb ein starker kosmopolitischer Zug seines Wesens nicht ausgeschlossen. Wie er annahm, daß die Bürger eines Staates sich unter einander beistehen müßten, damit die Bedrängten nicht zu Grunde gingen, so glaubte er auch an die Solidarität der Nationen unter einander. Oft hat er es ausgesprochen, daß die Völker, welche sich der Segnungen einer weit vorgeschrittenen Cultur erfreuten, die moralische Verpflichtung hätten, denen beizuspringen, welche unter dem Fluche der Uncultur oder widriger Verhältnisse [184] seufzten. Ihm war es dabei gleichgültig, welcher Race jene angehörten, die im Elende schmachteten; er wollte einfach, daß Jammer und Noth, so weit es möglich, aus der Welt geschafft würden. Von diesen edlen warmherzigen Anschauungen geleitet, nahm er sich jener unglücklichen Kulis an, die von gewinnsüchtigen Peruanern zu Tausenden nach den Guanoinseln und Plantagen geführt und durch die drückendste Sclavenarbeit und die roheste Behandlung zu Grunde gerichtet wurden. Sturz spürte in Peru, auf Cuba und den chinesischen Häfen alle Gräuelthaten auf, welche an den armen Kulis begangen wurden; er brandmarkte in einer Anzahl von Flugschriften die Sclavenhändler, welche sich durch den Schweiß und das Blut dieser Unglücklichen mästeten, und setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um diesem schändlichen Handel ein Ende zu machen. Daß der Kulihandel fast ganz unterdrückt wurde, ist zum guten Theile den eifervollen Bemühungen unseres Sturz zuzuschreiben. Er machte zudem der englischen und chinesischen Regierung den wohlgemeinten und praktischen Vorschlag, den Strom der chinesischen Auswanderung vorzugsweise nach dem menschenleeren Australien zu leiten.

In seinen letzten Lebensjahren trat Sturz noch mit glühendem Eifer für die Ausschließung Centralafrikas ein. In Wort und Schrift vermahnte er die Regirungen der Culturstaaten, daß etwas geschehen müsse, um dem entsetzlichen Menschenraub, den Livingstone, Nachtigal und viele andere Afrikareisende in solch’ erschütternder Weise geschildert hatten, ein Ende zu machen. Er erlebte noch die Freude, daß die Menschenfreunde Englands und der König von Belgien die Initiative ergriffen, um die Segnungen der Cultur auch in das Herz von Afrika hineinzutragen.

Als die Beschlüsse der Brüsseler Conferenz bekannt wurden, fühlte Sturz sein Herz derart von Freude bewegt, daß er dem König von Belgien in warmen Worten für den Dienst dankte, welchen er der Humanität zu leisten im Begriffe stehe. Mit keinem Worte erwähnte er in diesem Briefe des eigenen Verdienstes um die Sache. Selbstlosigkeit war eines der hervorragendsten Merkmale seines Charakters.

Viele, und vorzugsweise die, welche sich in einem kleinen Kreise bewegen, warfen Sturz vor, daß er ein Idealist sei, der seine Ziele zu weit stecke, und daß er mehr seiner Phantasie als der nüchternen Berechnung folge. Die so über ihn urtheilten, vergaßen, daß sein Blick weiter ausschaute als der unsere, sie vergaßen, daß ohne eine kräftige Phantasie Keiner im Leben Großes erreicht, und vergaßen endlich, daß Sturz nicht zu denen gehörte, die sich von Schwierigkeiten entmuthigen ließen. Er beugte sich dem Sturme nie; er wollte siegen und war in der Regel erfolgreich. Im Kampfe für die Unterdrückten, für die Ausbreitung der Cultur trug er die Waffen, bis die Hand schwach wurde, bis seine Kraft erlahmte.

„Ach,“ sagte er eines Tages mit trübem Blick zu mir, „ich fühle, daß mir die Fähigkeit abhanden kommt, Unternehmungen zu organisiren; ich muß mich damit begnügen, das Material zu sammeln und herbeizuschleppen.“ Und das that er redlich, bis der Tod ihn abrief.

Und nun darf ich wohl dem Leser gestehen, daß es mir selber eine große Befriedigung gewährt, dem Andenken des edlen Menschenfreundes dieses Blatt widmen zu dürfen, denn ich erfülle damit einen Herzenswunsch, den der Dahingeschiedene kurz vor seinem Hingang aussprach. In den Herbsttagen traf ich mit ihm am Saume des Thiergartens zusammen, und als er mir klagte, daß die lecke Maschine dem Willen nicht mehr gehorchen wolle, warf ich die Bemerkung hin, es wäre eine lohnende Aufgabe, sein reichbewegtes Leben in einem Buche zu schildern.

„O nein,“ erwiderte er bescheiden, „so viel ist mein Leben nicht werth, aber der Gedanke könnte mir die letzten Tage meines Daseins verschönen, daß irgend Jemand nach meinem Tode in der ‚Gartenlaube‘ in Kürze das schilderte, was ich für die Schwachen und Schutzlosen erreichte und anstrebte. Die ‚Gartenlaube‘ wird in allen Theilen der Welt gelesen und Viele werden sich finden, welche die Ziele zu erreichen streben, die für mich in weiter Ferne liegen.“

Johann Jacob Sturz ruht heute im Grabe, allein der menschenfreundliche Geist, welcher ihn beseelte, lebt fort, denn es giebt keine guten Handlungen, welche nicht den Anfang bildeten zu einer unabsehbaren Kette von guten Folgen. Er zeigte, was ein starkes Herz vermag; er war ein edler Charakter und blieb in allen Lagen des Lebens sich selber treu.

Sturz, der Menschenfreund, hat seine erlösende Mission erfüllt.[1]

     Berlin, 15. December 1877.

R. Elcho.


Bei Renthieren auf der Tundra.

Erlebnisse aus der Bremer Forschungsreise nach Westsibirien, mitgetheilt vom früheren Chef derselben Dr. O. Finsch.

Auf unserer Tour durch die Steppe Südsibiriens und Nordturkestans hatten wir das Trampelthier oder zweibucklige Kameel kennen und schätzen gelernt; kaum zwei Monate später, fünfzehn Breitengrade nördlicher, trafen wir mit einem anderen, von jenem zwar sehr verschiedenen, doch nicht minder beachtenswerthen Thiere im Dienste des Menschen zusammen: dem Ren.

Wir waren sechs Tage von Samarowa, einem stattlichen Dorfe unweit der Mündung des Iritsch in den Ob, mit unserer „Lotka Bismarck“, welche die deutsche Expedition der Fürsorge des dortigen Kaufmanns Semzow zu verdanken hatte, den letzteren Strom herabgerudert und hielten am 12. Juli vor Parawatsky-Jurti, nur noch hundert Werst von Obdorsk, dem nördlichsten festen Platze längs dem Ob, entfernt. Parawatsky-Jurti ist eine ostiakische Sommerstation und besteht aus etwa zwölf sauberen Holzhäusern, die sich in einer Lichtung des sanft aufsteigenden rechten Ufers, umgeben von mächtigem Nadelwalde, anmuthig gruppiren. Sie ist zugleich eine der stattlichsten, welchen wir am Ob begegneten, denn wir fanden hier die Zeichen einer Regsamkeit und Thätigkeit, die uns vollständig überraschte. Aber noch Anderes, Lebendes, erregte unsere Aufmerksamkeit besonders. Dort an jener Hütte schweelte ein Feuer, und unter dem Schutze seines mächtige Rauches lagerte, von der Qual der Mücke befreit, Renthiere, die ersten, welche wir in Sibirien sahen. Nach den Erfahrugen in Lappland, wo die Kleidung eines Europäers genügt, um eine ganze Renheerde zu wilder Flucht zu veranlassen, erwartete wir hier natürlich Aehnliches, fanden uns aber getäuscht. Bei unserer Annäherung erhoben sich zwar die Thiere, starrten uns verwundert mit ihren großen Augen an, aber sie erschraken nicht, sondern trotteten, unter dem eigenthümlichen Geknister ihrer Hufe, sorglos dem nahen Walde zu. Und was waren es für stattliche Geschöpfe im Vergleiche mit den lappländischen!

Ungefähr drei Wochen später sollten wir die Bekanntschaft, aber nicht blos vorübergehend, erneuern, freilich unter ganz anderen Verhältnissen, in einer ganz verschiedenen Gegend. – Wir hatten uns in Obdorsk nur so lange aufgehalten, wie unumgänglich nothwendig war, denn es galt hier den Proviant zu vervollständigen und vor allen Dingen eine Mannschaft für unsern „Bismarck“ zu engagiren. Und dies ist in Obdorsk während des Sommers eben nicht leicht, denn um diese Zeit erscheint der kleine Ort, dessen Gesammtbevölkerung nur fünfhundert Seelen zählt, wenigstens was männliche Wesen anbelangt, wie ausgestorben. [185] Ist dies doch die Erntezeit der Fische, in der sich Alles, vom ersten Popen bis zum letzten Ostiaken, wie man hier zu sagen pflegt, „unten“ befinden das heißt weiter stromabwärts, wo die reichsten Fischgründe, sogenannte Sandbänke (Peski) sind.

Nachdem glücklich vier Mann gemiethet worden waren, gingen wir wohlgemuth unserem Ziele entgegen, dem Hechtfluß, wie die Uebersetzung aus dem russischen „Schtschutschja“, dem samojedischen „Pere-ja“ und dem ostiasiatischen „Sort-johan“ übereinstimmend lautet. Es ist dies der nördlichste linke Nebenfluß des Ob, der im Ural entspringt, nicht weit von den Quellen eines anderen Flusses, der Podarata (auf den Karten meist irrthümlich als Baidarata bezeichnet), die sich aber nördlich dem karischen Meerbusen zuwendet. Vor uns war dieses Gebiet zoologisch nur 1772 durch Sujef untersucht worden.

Wir hatten uns elf Tage lang mit Rudern und Ziehen, selten durch Segelwind unterstützt, die unzähligen und ermüdenden Schlangenwindungen des Hechtflusses hinaufgearbeitet und waren an dem Punkte angelangt, wo Untiefen und Stromschnellen dem weiteren Vordringen der „Lotka“ Halt geboten. Wir lagerten auf der offenen Tundra des linken Ufers, und unsere eingeborenen Führer berieten über die weitere Fortsetzung der Reise. Nach fast zwei Stunden hatten sie sich dahin geeinigt, daß Kundschafter auf die Tundra nach Renthieren geschickt werden sollten, die irgendwo hier herum weiden mußten. Aber Keiner wußte über das Wo und Wann nur annähernd sichere Kunde zu geben, selbst nicht Haiwai, ein lebhafter samojedischer Bursche von Sadapai, jenseits der Podarata her, der Einzige, welcher neben dem alten Dschumschi über die Gegend und die einzuschlagende Route einigermaßen unterrichtet war. Da als bestimmt angenommen wurde, daß wir auf dem Wege nach der Podarata Renthierheerden begegnen müßten, so entschlossen wir uns insgesammt aufzubrechen und traten, elf Mann hoch, nur auf neun Tage mit den nothdürftigsten Lebensmitteln versehen, den Marsch über die Tundra an. Dieses der siranischen Sprache entlehnte Wort, welches so viel wie „baumloser Ort“ bedeutet, ist sehr bezeichnend, denn in der That charakterisiren sich diese Einöden der arktischen Zone vor Allem durch gänzlichen Mangel an Baumwuchs. Da bei verschiedenen Völkern die Begriffe auch in Bezug auf Gegend sehr verschieden sind, so haben Samojeden und Ostiaken ebenso wenig Unrecht, die Tundra „Sawoja“ respective „Jandaja“, das heißt „guter Ort“ zu nennen. Man muß die Tundra selbst gesehen haben, um sich von ihr ein richtiges Bild zu machen. So weit das Auge reicht, hat es nichts als eine unendliche ockerbräunliche oder weißfahle Moosfläche vor sich, oder die farblos grünen Felder der mit Zwergbirken bewachsenen Strecken, jenem krüppelhaften, am Boden hinkriechenden Pflanzengebilde, das man kaum Strauch, geschweige Baum nennen kann. Kahle grauliche oder gelblichfahl scheinende Hügelreihen stimmen mit dieser Einöde so recht überein, die übrigens nicht alles Reizes bar ist. Denn öfters begegnet man kleinen oder größeren Teichen und Seen mit tiefblauem Wasserspiegel, während weiter nördlich die am Horizonte auftauchende Kette des Ural mit ihren schneebedeckten Schluchten und Schlünden der Landschaft einen erhöhten Reiz verleiht.

Noch bedeutend schneller als das Auge ermüdet der Schritt des Wanderers, denn es werden ihm hier Zumuthungen gemacht, die selbst der an größere und beschwerliche Fußtouren Gewöhnte sich nicht vorstellen kann. Nirgends findet der Fuß sicheren Halt; überall sinkt er, meist bis über die Knöchel, ein oder muß sich aus den Verschlingungen der Zwergbirkenranken mit Gewalt losreißen. Es gilt bei jedem Schritte das Bein ungewöhnlich hoch zu erheben, und diese Gangart ermüdet in ganz außerordentlicher Weise. Oft giebt es weite Sumpfstrecken zu überqueren, auf denen man bis über die Kniee einsackt, oder man hat mühsam von einem Klumpen Büschelgras auf den anderen überzuspringen, kurzum, die Beschaffenheit des Terrains bietet überall so viel Schwierigkeiten, daß man sich wie auf einem Trottoir vorkommt, wenn man stellenweise die kahlen Höhenzüge mit ihrer festen Unterlage benutzen kann. Zu alledem gesellt sich eine andere Plage, eine wahrhaft entsetzliche, die der – Mücken, welche nur Derjenige zu begreifen versteht, der von dieser charakteristischen Erscheinung thierischen Lebens des arktischen Sommers aus eigener Erfahrung sprechen kann.

So hatten wir uns zwei Tage lang fortgequält, als die Nachricht, daß Dschums, das heißt Zelte der Eingebornen, zu sehen seien, Leben in die Gesellschaft brachte. Da unsere große Zahl die Leute erschrecken und möglicher Weise verjagen konnte, so wurden zwei im Verkehr mit den Eingebornen bewährte Männer als Kundschafter abgesandt, denen wir später folgten. Gegen Abend sahen wir mit dem Glase auf einem Hügel weidende Renthiere, was natürlich zu vermehrter Eile antrieb, denn unsere Leute schmatzten schon im Vorgefühl der reichen Mahlzeiten mit den Lippen. Leider sollten die Hoffnungen, welche wir auf diese erste Begegnung mit Renthieren gesetzt hatten, nur zum kleinsten Theil erfüllt werden, denn ein böser Feind war vor uns hier eingezogen: die Seuche. Dzäungiä, ein reicher Ostiak und der Heerdenbesitzer, kam uns mit zwei Schlitten entgegen, um uns in’s Lager abzuholen, und wir genossen das erste Mal den Anblick schnellfahrender Renthiergespanne, ein Anblick, der nicht nur wegen seiner Neuheit, sondern auch der Originalität wegen außerordentlich imponirt.

Schon auf der kurzen Strecke bis zum Lager hatten wir Gelegenheit, die verheerenden Folgen der Seuche kennen zu lernen, denn wir zählten etliche siebenzig todte Thiere. Bei weitem entsetzlichere Bilder bot das Lager selbst. Ueberall todte oder mit dem Tode ringende Renthiere, blutige Cadaver der abgehäuteten Kälber, an denen schlecht aussehende spitzartige Köter nagten. Weiber waren mit dem Abbruch der Zelte beschäftigt, banden Schlitten zusammen und beluden sie mit den wenigen Habseligkeiten; andere spannten Renthiere ein; kurzum es wurde aufgebrochen. So zogen wir denn, diesmal als Fahrgäste, mit in der langen Reihe hinter einander gekoppelter Gespanne und überzeugten uns, wie gut es sich im Sommer mit Schlitten fährt. In der That ist die Beschaffenheit der Tundra, sei es nun sumpfige Niederung, weiche Moosdecke oder das Gestrüpp der elastischen Zwergbirken, ganz geeignet, den Schlitten auf weicher Unterlage gleiten zu lassen, und das Renthier das einzige für solche Gegenden passende Zugthier. Nach kurzer Fahrt hielten wir auf einem Hügel, und fast ebenso schnell, wie sie abgebrochen worden waren, wurden die Dschums von den Weibern wieder aufgebaut. Dzäungiä ließ sogleich zu unserer Ehre einen prächtigen selten Renochsen schlachten, und wir genossen, wenn auch nicht sein Fleisch, doch den Anblick einer Mahlzeit, wie man sich dieselbe unter Cannibalen nicht gräßlicher ausmalen kann. Kaum war nämlich das Thier abgehäutet und ausgeweidet, was ebenso geschickt wie schnell ging, so begann auch schon das Blutmahl, an dem sich selbst unsere Siranen und Russen mit sichtlichem Behagen betheiligten. Die geöffnete Leibeshöhle des Schlachtopfers war einer riesigen Schüssel zu vergleichen, die anstatt Sauce rauchendes, warmes Blut enthielt, in welches die Essenden lange Fleischstücke eintauchten, um sie roh und blutig zu verschlingen. Als besondere Delicatessen galten die Luftröhre, die mit Fett besetzte Ohrmuschel, der Gaumen, die inneren Theile und vor Allem die Markknochen.

Nachdem wir uns in Dzäungiä’s Dschums eingerichtet hatten, wo es noch immer besser und wärmer war als im Freien, konnten die Verhandlungen mit ihm beginnen, denn erst als er nackend in seinem Pelze am Feuer saß, fühlte er sich in seiner ganzen Würde als Dschum- und Heerdenbesitzer. Freilich war dieses Besitzthum unter den obwaltenden Verhältnissen ein gar precäres, und die Nachrichten Dzäungiä’s lauteten auch für uns wenig erfreulich. Er erzählte uns, daß er von jenseits der Podarata heimkehre und daß ihm von zweitausend Renthieren kaum noch dreihundert übrig geblieben, die anderen alle der Seuche erlegen seien. An einem Tage hatte er an fünfhundert verloren. Unter solchen Umständen fand ich es begreiflich, daß er auf den Vorschlag, uns mit seiner Heerde nach der Podarata zu begleiten, nicht eingehen konnte; besaß er doch kaum noch Fahrthiere genug für seine eigne Habe. So war ich froh, daß er nach mehrstündigen Verhandlungen einwilligte, uns wenigstens neun Reb (à sechs Rubel) und drei Schlitten zu verkaufen, mit denen wir andern Tags in nordwestlicher Richtung weiter zogen. Damit war immerhin Erleichterung geschaffen, denn mußten wir auch nach wie vor zu Fuße gehen, so konnten doch die Leute von den schweren Bürden, wenigstens theilweise, erleichtert werden.

Auf unserer ferneren vierzehntägigen Tundrawanderung begegneten wir allenthalben den Verwüstungen, welche die Seuche angerichtet hatte, und erlebten Scenen, die uns für immer unvergeßlich

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Renthierseuche auf der Tundra Sibiriens.
Für die Gartenlaube nach der Natur gezeichnet von O. Finsch. Auf Holz übertragen von M. Hoffmann.

[187] bleiben werden. Wahrhaft erschreckend ist der furchtbar rapide Verlauf der Krankheit. Anscheinend völlig gesunde kräftige Thiere bleiben stehen, fangen an zu keuchen, zu schnauben und zu zittern, kreuzen die Vorderbeine, fallen um und sind todt. Dies geschieht oft in kaum mehr als drei Minuten, meistens aber dauert es länger, oft bis eine Stunde. Die Thiere rennen zuweilen, wie von innerer Angst gequält, umher, suchen selbst in die Zelte einzudringen, stürzen, erheben sich wieder, versuchen der Heerde zu folgen und verenden unter schaurigen convulsivischen Zuckungen der Extremitäten, oder ganz ruhig, sodaß nur der mächtig arbeitende Leib und das heftige Röcheln noch Leben verrathen. Bejammernswerth ist es die Kälber zu sehen, welche unter ängstlichem Grunzen wild unter der Heerde umherrennen, um ihre Mutter zu suchen, oder an dem todten Körper derselben noch zu saugen versuchen. Das beigegebene Bild, welches ich an Ort und Stelle für die „Gartenlaube“ zeichnete und aus dem jede einzelne Figur. z. B. das mit erhobenem Kopfe zur Rechten liegende todte Ren, der Wirklichkeit entnommen wurde, wird besser als alle Beschreibung einen Begriff von einem so trostlosen Anblick geben. Zugleich kann es als wahrheitsgetreue Illustration einer Tundralandschaft dienen; die Gebirgskette im Hintergrunde stellt die genauen Contouren des nördlichen Ural dar.

Als wir die Podarata, ein klares, schnellfließendes, aber seichtes Gebirgswasser glücklich erreichten, führte uns der Zufall abermals eine Renthierheerde zu, in der die Seuche wüthete. Sanda, ein ostiakischer Renthierhirt, hatte aber nicht allein bereits viele seiner Thiere, sondern auch zwei Gefährten und zwei Kinder verloren, und zwar in Folge des Fleischgenusses von einem erkrankten Renthiere, welches der Geiz des Besitzers noch zu verwerthen versuchte. Auch aus unseren Reihen sollte bald darauf der Tod ein Opfer fordern. Unser braver Ostiak Hat, den ich nicht ohne Ueberredungskünste vermocht hatte, uns von der Mündung des Hechtflusses zu folgen, klagte plötzlich über Unwohlsein, namentlich heftige Leibschmerzen und Frost. Diese Krankheitssymptome nahmen trotz einiger gereichten Mittel aus meiner Taschenapotheke stetig zu, und nach Verlauf von drei Tagen war Hat eine Leiche. Jedenfalls hatte er sich beim Abziehen gefallener Renthiere durch eine Verletzung angesteckt. Wir begruben ihn nach der Sitte seines Volkes, denn er war noch ungetauft, was uns die traurige Gelegenheit verschaffte, ein Begräbniß nach heidnischem Ritus kennen zu lernen. Zugleich wurde es uns klar, was es heißen will, ohne geeignete Geräthschaften eine Grube in einem Erdreich zu graben, das bereits bei einundeinhalb Fuß Tiefe zu Eis erstarrt ist. Und damit lernten wir einsehen, daß die Eingeborenen Recht hatten, über die weisen Rathschläge der gelehrte Fremden zu lächeln, welche ihnen als Hauptmittel, der Seuche zu steuern, das schleunigste Verscharren der gefallenen Thiere und die strengste Absonderung der übrigen Heerde anempfahlen, denn Beides ist eben unter den Verhältnissen, welche in der Tundra gebieten, unmöglich. – Die Krankheit, um welche es sich hier handelt, ist nämlich Milzbrand, jene schreckliche Epidemie, welche auch bei uns schon öfters furchtbare Verheerungen unter Hausthieren anrichtete. Den neuesten Forschungen zufolge entsteht dieselbe durch eine pathogene Bakterie oder mikroskopischen im Blute schmarotzenden Pilz (Bacillus anthracis). Die Lebensfähigkeit der Keime desselben soll so enorm sein, daß sie nicht einmal langandauerndes Eintrocknen zu zerstören vermag, und daß sie selbst in diesem Zustande, durch einen Zufall, mittelst Wunden und dergleichen, in die Blutbahn gebracht, sofort auf’s Neue ihre zerstörende Wirkung beginnen. Dagegen sollen sie, in die Verdauungsorgane eingeführt, ansteckungslos sein. Beides widerspricht eben so sehr unseren Erfahrungen, wie die Annahme, daß hauptsächlich Fliegen und Mücken die Träger des Ansteckungsstoffes seien. Denn wären diese Erklärungen richtig, so würde eben kein einziges lebendes Wesen auf der Tundra existiren können. Wir selbst, die wir doch unausgesetzt in einer Atmosphäre lebten, die von Sporenmassen des Bacilus anthracis erfüllt sein mußte, die täglich von Hunderten von Mücken gestochen wurden, welche unmittelbar von milzkranken Renthieren auf uns übergingen, wären ja sämmtlich unrettbar verloren gewesen. Und daß Menschen am Genuß vom Fleische milzkranker Renthiere sterben, weiß jetzt fast Jeder auf der Tundra, wie wir dies als Thatsache nur bestätigen können.

Jedenfalls liegen also andere noch unaufgeklärte Ursachen zu Grunde; dafür spricht das unerwartete periodische Auftreten der Seuche, wie ihr verhältnißmäßig neues Erscheinen, soweit es die von uns besuchten Gebiete Nordwest-Sibiriens betrifft. Nach den Aussagen der Eingeborenen trat die Seuche im Obgebiet nämlich zuerst vor etwa zwanzig Jahren auf und soll durch Heerden der Siranen jenseits des Ural eingeschleppt worden sein. Damals kannten Ostiaken und Samojeden noch nicht, wie leicht sich die Seuche auch auf den Menschen überträgt, und viele von ihnen starben an dem Genusse gefallener Thiere. Nach Sidoroff raffte 1865 die Seuche zwischen Petschara, Ob und Jenissé hundertfünfzigtausend Renthiere dahin, und es läßt sich denken, daß dadurch unzählige Tundrenbewohner verarmten. Wir selbst lernten verschiedene kennen, die, vorher reiche Heerdenbesitzer, jetzt arme Schlucker waren; so der Ostiakenfürst Iwan Taisin, der früher siebentausend Renthiere besaß und jetzt kaum so viele hunderte. Wenn nach den mir von amtlicher Seite gewordenen Mittheilungen der District Obdorsk nur an fünfzigtausend Renthiere zählt, so sieht es allerdings bedenklich aus, denn ein solcher Bestand kann ja einem einzigen Seuchenjahre zum Opfer fallen, und damit würde der Wohlstand des größten Theiles der Bewohner Nordwest-Sibiriens gefährdet sein. Glücklicher Weise scheinen aber, unerklärbar, wie die Seuche selbst, Verhältnisse zu walten, die wenigstens ein völliges Aussterben verhindern. So durchzogen zu derselben Zeit Renthierheerden jene Gebiete, auf denen wir nur dem Tode begegneten, ohne ein einziges Stück zu verlieren.




Aus dem Papierkorbe eines Achtundvierzigers.
2. Spree-Piraten.

Die Commilitonen der Berliner Studentenschaft aus dem Jahre 1848! Wohin sind sie durch den Trieb der eigenen Neigung oder durch die Macht des Verhängnisses geführt und verschlagen worden? Viele durch Kerkermauern hindurch nach Amerika, Australien und sonstigen fernen Gegenden; wenige haben sich zu einflußreicheren Stellungen emporgehoben. Die größere Hälfte aber ist verschollen, verdorben, gestorben; Mancher hat das Jahr 1870 nicht mehr gesehen, nicht diese Verkörperung seines schönsten Jugendtraumes, ein durch Einigung stark und mächtig gewordenes, von dem Lichte freier und volksthümlicher Institutionen durchstrahltes Vaterland.

Noch sehe ich die prächtigen Jünglingsgestalten mit dröhnendem Schritte über das Pflaster Spree-Athens schreiten, die schwarz-roth-goldene Mütze auf langgelocktem Haupte, den klirrenden Säbel nachschleppend, trotz einem Dragonerofficier, den Kopf voll unreifer, himmelanstürmender Gedanken, in dem Traume schwelgend, eine Hauptrolle zu spielen auf der Bühne einer großen Bewegung, von deren Wesen sie doch kaum eine dunkle Ahnung hatten. Was waren alle die armen Geschlechter der Erde, verglichen mit uns, den von den Wogen der Volksgunst hochgetragenen Musensöhnen? Wo war ein Philister aus der Bürgerwehr, der nicht pflichtschuldigst Front machte vor der „Rotte Korah“, weithin kenntlich durch die rothgeschmückte Straußenfeder auf schwarzem Calabreser? Welcher Kneipwirth hätte sich unterfangen, einer ausgesendeten „Bier-Patrouille“ des Studentencorps den schuldigen Tribut zu versagen? In den verschiedensten Theilen der weiten Hauptstadt trat das fliegende Corps der Studenten als hochgeachtete Vermittelungsmacht auf, jeden drohenden Conflict zwischen Arbeitern und Bürgern im Keime zu ersticken. So begann es im April; so blieb es im Mai. Es war anstrengender Dienst. Generalmarsch fast jede Nacht in dieser bewegten Zeit; oft nur wegen einiger eingeworfenen Laternen oder einer der damals ganz besonders zur Nachtordnung gehörigen Katzenmusiken.

Versetzen wir uns aber zurück in die Tage jenes Studententhums, das zu den geschichtlichen Thaten reifer Männer sich berufen

[188] glaubte, so steigt vor unserer Erinnerung eine ganze Reihe von Bildern und Scenen auf, von verschollenen und wenig bekannten Vorgängen, die nicht blos an sich selber interessant, sondern immerhin auch charakteristisch sind für manche Seite der gewaltigen Ereignisse. In meiner ersten Skizze habe ich ein düsteres Ereigniß aus den ersten Stunden der jungen Freiheit geschildert. Was ich dagegen in dem Nachfolgenden erzähle, das wird eher wie ein humoristisch-idyllisches Märchen klingen aus längst entschwundener Vergangenheit. Nichts destoweniger war es einst volle, von mir selbst erlebte Wahrheit.




Am letzten der schönen Maitage jenes wunderholden Frühlings von 1848 waren längst alle Knospen gesprungen; der Thiergarten strahlte in reichster Blätter- und Blüthenpracht; in seinen Gebüschen jubelte der Fink, flötete die Amsel, und in dem Ufergesträuch gen Moabit klagte die Nachtigall, ungestört von dem wuchtigen Gedröhne des nahen Borsig’schen Dampfhammers. Ich wandelte die große Charlottenburger Chaussee entlang nach dem Brandenburger Thore zu. Männer der Bürgerwehr lehnten dort als Wachtposten an den dorischen Säulen. In dem bunten Wogen und Treiben Unter den Linden und in den Gesichtern der Vorübergehenden fesselte heute wieder einmal ungewöhnliche Aufregung meinen Blick, je weiter ich diese stolzeste und prächtigste aller Straßen herabkam. Am Ende derselben wälzte sich in heftigen Zorngeberden und wirrer Declamation ein dichter Menschenknäuel um die Ufer des Kupfergrabens, wo derselbe unter der Schloßbrücke den Lustgarten vom Zeughause scheidet. „Verrath!“ „niederträchtige Hinterlist!“, „das darf das Volk nicht dulden,“ „Unsere Waffen!“ – so schwirrten die Rufe hin und wieder.

In der Mitte der verschiedensten dichtgedrängten Gruppen halten Jünglinge und Männer der fliegenden Corps, Studenten, Handwerker und Bürgerschützen, von lautem Beifallssturme oder tosendem Wuthgeschreie begleitete Redeübungen. Bald war ich von der Thatsache unterrichtet, welche die mit Recht mißtrauisch gewordene Menge zu so stark sich äußernder Wuth aufgestachelt hatte, und ich selbst war in meinem neunzehnjährigen Studentenherzen gleichfalls auf das Tiefste entrüstet. Bei Nacht und Nebel, unter dem Schleier des tiefsten Geheimnisses und ohne die Erlaubniß des Volkes einzuholen, hatte man sich nämlich „von oben her“ unterfangen, das Zeughaus auszuräumen und Gewehrladungen auf Spreekähnen nach Spandau zu verschiffen. Die Absicht lag für alle hier Versammelten klar zu Tage: Berlin sollte entwaffnet, bei dem im Bunde mit den Russen geplanten Feldzuge wehrlos den conservativen Hinterpommern in die Hände fallen. Das Geheimniß aber war von den wachsamen Augen der „Revolution“ entdeckt worden. Da lag ja nun der jedes Zweifels spottende Beweis vor Aller Blicken. Hundert und aber hundert schwielige Hände entladen mit Ameisengeschäftigkeit einen großen Spreekahn, der unter unverdächtiger Hülle von Brennholz die kostbare, zur Abfuhr schon während der Nacht vorbereitete Fracht barg. Und schon waren mehrere Kähne mit gleicher Ladung – so lautete die Mär – die Spree abwärts geschwommen. Schnell mußte dieser Gefahr durch die Entschlossenheit des Volkes gesteuert werden, und ein „Verräther“ und „Reactionär“ wäre ja Derjenige gewesen, welcher in jenen Monaten einem zufällig gerade zusammen gelaufenen aufgeregten Haufen hätte bestreiten wollen, daß er „das Volk“ und zum eingreifenden Handeln und Verfügen berechtigt sei. Also auf denn zur That!

Fünf Studenten von der „Rotte“, der anzugehören ich die Ehre hatte, unter ihnen der hochgewachsene, urkomische „Qualm“, der jetzt von seinen Heldenthaten auf einer einsamen Landpfarre träumt, daneben ein Dutzend büchsenbewaffnete Männer des Schützencorps vertheilten sich in schnell requirirten Booten. Ein jeder von uns übernahm die Führung und das Commando eines solchen Nachens, und bald schwamm diese Flotille, jedes Fahrzeug außer dem Capitain mit acht bis zehn Arbeitern, „Bassermann’schen Gestalten“ aus den Reihen der sogenannten „Rehberger“, bemannt, unter kräftigen Ruderschlägen und dem Zujauchzen des Pöbels einem merk- und denkwürdigen Abenteuer entgegen.

O, es war eine Fahrt voll tollsten poetischen Jugendübermuthes, nur begreiflich aus der Zeit, die sie überhaupt möglich machte. Nicht der leiseste Zweifel an der vollen Rechtmäßigkeit ihres Mandats, nicht die geringste Besorgniß vor etwaiger polizeilicher Hinderung ihres wahnwitzigen Unternehmens trübte den Eifer und heiteren Thatendurst dieser modernen Spree-Piraten, die auszogen, um auf offenem Wasser an „königlichem Gute“ sich zu vergreifen. Am Garten des Schlosses Monbijou verließ die Flotille den Kupfergraben und tauchte in die Fluthen der Spree. Auf den Brücken innerhalb der Stadt wimmelte es von Bürgern und Bürgerinnen, die mit wehenden Tüchern Gruß und Ermunterung winkten. Schon am Unterbaume eröffnete sich der Schauplatz unserer Thaten. Hier trafen wir die ersten Spreekähne, die sich träge durch die dicken, mit Grundsuppe gesättigten Gewässer des dortigen Flusses schleppten. Wie elend war es damals noch in jener jetzt so hocheleganten Gegend! Noch gemahnte dort keine Alsen-, keine Sadowabrücke, noch keine Moltke-, Roon- und Bismarck-Straße an die herrlich entfaltete Kraft des deutschen Vaterlandes.

„Halt!“ und nochmals „halt!“ donnerte es aus unseren Booten hinter den verdutzt aufschauenden Schiffern, denen wegen der Neuheit des Falles die langen Stoßruder im Schlamme stecken blieben. Diese bekanntlich sonst durchaus nicht gefügigen Menschen sahen sich umzingelt und gehorchten wirklich in ihrer Verblüffung.

„Zwei Studenten und sechs Bürger an Bord! – Habt Ihr Waffen geladen?“

„Nee – Kartoffeln.“

„Das kennen wir schon – dort Holz und hier Kartoffeln. Noch zwölf Bürger an Bord! Die Kartoffeln umgeschippt!“

Man schippte und schippte. „Qualm“, mein theurer Stubenbursche, Contreadmiral bei dieser nautischen Expedition, durchstöberte die Kajüte und die Kojen, kroch in den Kielraum, untersuchte den Mast, den er für eine kolossale Bonbonhülse zu halten schien – Alles umsonst. Die Fracht war und blieb die prosaische Kartoffel, für unsern romantischen Heißhunger eine gar magere Kost. „Alle Mann in die Boote, vorwärts!“

Ein anderes Schiff in Sicht – neue Untersuchung; wieder fruchtlos. Noch eine Zille, wieder ein Spreekahn. Der Maitag und die Arbeit waren heiß, alle Mühe verschwendet. Kartoffeln, Holz und Kohlen, Heu, Ziegelsteine, sogar eine Ladung getragener und verschlissener Kleidungsstücke, überall gehorsame Schiffer und nirgends eine Spur von Waffen! Trotz allen fruchtlosen Suchens aber und des immerhin etwas heikeln Geschäfts glitten wir in heiterster Laune die Spree weiter abwärts, den „Zelten“ im Thiergarten vorüber und den Geländen des Thiergartens. Bald spiegelte sich Schloß Bellevue in der schon etwas geklärten Fluth; unter der Brücke Moabits glitten wir hinweg, und hell leuchtete in der Ferne die Kuppel des Charlottenburger Schlosses mit ihrem als Wetterfahne sich drehenden heiligen Michael oder Gabriel.

Nichts hatte bis zu dem Weichbilde dieser kleinen Nachbarresidenz unseren Frohsinn und Muth gebeugt; doch als wir die Brücke passirten, welche aus der Stadt neben dem Schloßgarten zur Moabiter Chaussee führt, da tauchte zum ersten Male eine leise Ahnung in unserem Geiste auf, daß wir uns nicht mehr in Freundesland, ja kaum noch auf neutralem Boden bewegten. Auch diese Brücke war von einer dichten Volksmenge besetzt, aber kein Tücherschwenken, kein Jubelgeschrei empfing hier die Flotille wie in Berlin. Mit düsterem Schweigen sah man uns erscheinen und weiterziehen. Der letzte der herrlich belaubten Baumriesen, die lauschigen Schattenwege des Schloßgartens lagen hinter uns; vor uns zur Linken tauchte der „Spandauer Bock“, das wohlbekannte Wirthshaus auf der Höhe, zur Rechten der lange Saum der sanftaufsteigenden Jungfernhaide hervor, und in sonniger Ferne, inmitten der wasserreichen Wiesen, ragte drohend und warnend – ein böses Omen – die Citadelle von Spandau. Dicht vor derselben, noch sehr weitaus, durchfurchten einige Schiffe mit gespannt sich bauschenden Segeln die Fluth, doch bis zum „Bock“ hin und noch weiter hinaus zeigte sich kein Fahrzeug den nach Beute spähenden Blicken. Heißer und heißer brannte die Nachmittagssonne; weit hinter uns lag das Schutz und Hülfe gewährende Berlin, das jedes Haar auf unserem Haupte gezählt hätte – in unseren Seelen dämmerte leise eine Ahnung auf.

Da sprengte ein Reiter auf schäumendem Roß, dem Abzeichen [189] nach ein Mann von der „berittenen Bürgerwehr“, an das linke Ufer: „Heda! halt! was quält Ihr Euch bei die Hitze? Ich reite voraus nach Spandau und rapportire, ob die Waffenschiffe noch zu erreichen sind; in einer Viertelstunde bin ich zurück.“ Der Vorschlag fand Beifall; vertrauensvoll und in blöder Jugendeselei gingen wir in eine plumpe Falle. Winkte zur Linken doch gastlich das alte Schützenhaus, gegenwärtig und zwar schon seit zwanzig Jahren eine Zündspiegelfabrik. Mit Hurrah wurde gelandet; die Boote wurden auf den Strand gezogen. Bald sprudelte schäumend der heißersehnte Gerstensaft in den vor uns stehenden Gläsern, und es rollten die Kugeln, aber nicht aus der friedlich an der Wand lehnenden Büchse, sondern auf der staubigen Kegelbahn. Unsere biederen „Rehberger“ schliefen nach saurer Arbeit im Grase den Schlaf des Gerechten, und bald war niedere und höhere Politik, bald waren auch die Waffenschiffe sammt Berlin und der ganzen Welt vergessen. Der Wonne des Augenblicks hingegeben, genügte es den Jünglingen, Freunde unter Freunden, des Lebens Unverstand in holdem Leichtsinn zu genießen. Sie beachteten gar nicht, daß Viertelstunde auf Viertelstunde, daß Stunde auf Stunde verrann, ohne daß jener „Berittene“ zurückkehrte, auch hörten sie nicht die Signalschüsse von den Wällen der Festung, nicht den dumpfen Trommelwirbel, der von Charlottenburg herüberdröhnte. Während sie aber hier in sorgloser Selbstvergessenheit den Freuden des Landlebens und der allergemüthlichsten Kneipseligkeit sich hingaben, hatte der „Berittene“, auf den sie eigentlich warteten, ein großes Werk vollführt.

Seines Zeichens war er, wie ich später erfuhr, ein Glasermeister aus Charlottenburg mit Namen Lüdé, der wohl ursprünglich Lude geheißen hat. Ob dem Manne der Traum von einem zukünftigen Hofglasermeister zu schaffen machte, darüber war man in seiner Heimath nicht einig. Gewiß nur ist, daß er an jenem Nachmittage nach Spandau sprengte und dort meldete: „Das ganze Studentencorps ist zu Wasser und zu Lande im Anmarsch gegen die Festung; die Vorhut hat den Bock occupirt; Rehberger schleichen sich in hellen Haufen durch die Jungfernhaide und den Grunewald heran; die Berliner Bürgerwehr steht unter Waffen – man will sich durch einen Handstreich der Festung bemächtigen.“

Kein Gerücht war so unglaublich, daß es nicht dazumal seine Gläubigen gefunden hätte; die Phantasie befand sich bei aller Welt in aufgereiztester und unablässiger Thätigkeit; zur nüchternen Erwägung des Thatsächlichen und Möglichen war nirgends die ruhige Stimmung vorhanden. Es war daher kein Wunder, daß Herr Lüdé, der sich auch wohl kaum einer absichtlichen Lüge schuldig machte, mit seiner Schreckenskunde ganz Spandau zu alarmiren, vermochte. Dann flog er auf seinem Rappen nach Charlottenburg zurück. Hier fand er den Boden schon vorbereitet für seine Saat; er hatte nur nöthig, noch etwas Oel in das schon hell flackernde Feuer zu gießen.

Wer jemals in Berlin gewesen ist, wird wohl auch das nur eine Stunde davon entfernte Charlottenburg kennen. Die Stadt hat sich in der letzten Zeit merkwürdig gehoben und gewährt jetzt mit ihrer intelligenten und strebsamen Bevölkerung ein ganz anderes Bild als vor dreißig Jahren, wo sie, in Betreff der größeren Zahl ihrer Einwohner, ein recht verkommenes und fast unheimliches Anhängsel der Hauptstadt war. Immer gierige Ansprüche hungerigen localen Eigennutzes bargen sich hier hinter dem Aushängeschilde jener schamlos augendienerischen, mit heuchlerischer Frömmelei verbrämten Bedientenhaftigkeit, die damals noch als „Patriotismus“ und „Königstreue“ sich breit machen konnte. Bessere Elemente waren allerdings vorhanden, aber sie schlossen sich hermetisch ab oder hatten ihren geselligen Schwerpunkt in Berlin. Viele Bewohner, Namen von aristokratischem Klange, lebten notorisch von höherem Bettel, und neben den eingeborenen Ackerbürgern bevölkerten dunkle Existenzen jeder Art die ungepflasterten, Abends nicht einmal von einer Oellampe beleuchteten Straßen des Ortes, der sich im Wettstreit mit Potsdam das „preußische Versailles“ zu nennen liebte. Wir würden dies nicht berühren, wenn sich aus diesem Geiste nicht die Opposition erklärte, welche das kleine Nachbarnest im Jahre 1848 in allen den Fällen zu machen wagte, wo diese Kriegslust sich hinlänglich gedeckt glaubte. Denkwürdig ist in dieser Hinsicht ein ebenso ernster wie komischer Vorgang.

Als, in der Revolutionsnacht vom 18. zum 19. März einige hundert bürgerliche Gefangene, gebunden, zum größeren Theil mehr oder weniger schwer verwundet, von Berlin nach Spandau transportirt wurden, waren die begleitenden Soldaten kaum und zum Theil gar nicht im Stande, ihre Gefangenen gegen die schändlichsten Angriffen und Mißhandlungen des Janhagels zu schützen, so lange der traurige Zug die Straßen Charlottenburgs passirte. Schon am nächsten Tage aber, als der Wind von Berlin ganz anders wehte, und die schnell freigelassenen Gefangenen wiederum durch Charlottenburg zogen, überstürzte man sich hier dergestalt mit revolutionären Kundgebungen und überschüttete die „edlen Kämpfer und Befreier“ dermaßen mit Ovationen, Liebesgaben, feierlichsten Ansprachen und sonstigem Schwindel, daß die Berliner, wie gestern vor den Mißhandlungen, so heute vor den Liebeshudeleien sich kaum zu retten vermochten. Trotzdem verblieb den Charlottenburgern das böse Gewissen des Kleinen, der den Großen gereizt hat. Während des ganzen Sommers peinigte sie die Furcht: die Berliner und zumal die Studenten, deren sich auch zwei oder drei in jenem traurigen Gefangenenzuge befunden hatten, würden eines Tages in Masse heranrücken, um jene nächtliche Heldenthat blutig zu rächen.

Als Herr Lüdé an jenem letzten Maitage von Spandau nach Charlottenburg zurücksprengte, um hier seine Mitbürger zu den Waffen zu rufen, da hatte diese schon lange die Schreckensnachricht aus dem Nachmittagsschlummer aufgerüttelt: „Die Studenten haben drei oder vier Waffenkähne geplündert; von zwei Seiten, zu Wasser und zu Lande, ziehen sie gegen die offene, wehrlose Stadt.“ - Unsäglich war der Wirrwarr des Tumults und der tragikomischen Scenen, welche folgten. Trommelwirbel Straße auf, Straße ab; Gekreische der Weiber in den Häusern und auf den Gassen, rührende Abschiedsthränen; in die Luft gefeuerte Schüsse, um durch den Knall den Muth zu beleben. Die Väter der Stadt stürzen ohne Hut nach dem Rathhause, nach dem Marktplatze die Männer der Bürgerwehr in ihrer mannigfaltigen Bewaffnung und in ihrem lächerlich bunten Aufputze. Neben ihnen und zwischen ihnen der nichtuniformirte Haufe mit Dreschflegeln, Piken, Heugabeln, selbst Bohnenstangen in der Faust, ein wahres Heer von Don Quixoten. Da die Garnison, zwei Schwadronen der Garde-du-Corps, bei dem allgemeinen Spectakel ebenfalls alarmirt war, die Stadt nach Spandau hin, wo nach Herrn Lüdé’s Bericht die feindliche Hauptmacht concentrirt war, demnach hinlänglich gesichert schien, so wurde im Kriegsrath auf dem Wilhelmsplatze einhellig beschlossen, die Hauptmacht der Bürgerwehr nach der entgegengesetzten Seite zu werfen. Todesmuthig rückte dieselbe in ihre Stellung, um die Canalbrücke, dort, wo heute die beiden Chausseehäuser stehen, gegen den von Berlin anrückenden Feind zu decken. Schweigend standen sich die Feinde gegenüber. Diesseits des Canals erwartungsvoll mit pochendem Herzen ein zitterndes Pfahlbürgerthum; jenseits, wie Pfähle steif, nur dumpf murmelnd – die Bäume und menschenleeren Gänge des Thiergartens.

Ohne jede Ahnung der gewaltigen Dinge, die rings umher sich ereigneten, und der schweren Gewitterwolken, die von Ost und West über ihrem Haupte sich sammelten, lagen inzwischen die Mitglieder der großen Expedition im Grase des Schützenhauses und pflogen Raths. Der Zweck des Argonautenzuges war verfehlt; dafür lachte aber der Mai so einladend; der Tag war einmal „angerissen“ – was sollte man Besseres thun, als ihn im Schatten des nahen Grunewalds zu beschließen? So fand denn Qualm’s Vorschlag allgemeine Zustimmung: „Die Boote kehren mit den Rehbergern zurück, und zwar haben selbige in angemessener Entfernung von einander den Rückzug anzutreten. Natürlich werden diese Bürger morgen in der Aula für ihre uneigennützige Arbeit aus der Corpscasse anständig entschädigt. Die Studenten aber machen mit den Schützenbrüdern, die sich ihnen anschließen wollen, eine Spritzfahrt durch den Grunewald nach dem Pichelswerder.“ – Gedacht, gesagt und gethan. Bald lag das alte Schützenhaus still hinter den Davonziehenden, nur Einer blieb zurück, und dieser Eine war ich. Das Loos des Memoirenschreibers zwingt mich von mir selber zu sprechen.

Ich blieb also allein zurück. Schreiben wir nicht den 31. Mai, und feiert nicht eine liebe Schwester heute in Charlottenburg ihren Geburtstag? Waren nicht im stillen Pfarrgarten [190] die Verwandten versammelt, die auch meiner warteten? Verdiente ich nicht, wenn ich sogar heute fern blieb, mit Recht den Ruf eines entarteten Sohnes, ein Ruf, der schon hier und da unter Seufzen wider den Theilnehmer an der Revolution verlautbart worden? So riß ich mich denn los von den fidelen Brüdern und dachte nur noch auf eine sinnige Geburtstagsgabe. Blühten doch rings um mich die duftenden Kinder des Lenzes. Und so bückte ich mich denn und pflückte, wenn es auch nur eine Schwester war, für die ich mich bückte und für die ich pflückte. Ob dabei noch andere Gedanken in mir erwachten, kann ich nicht mehr sagen. Nur so viel ist mir erinnerlich: ich war in eine außerordentlich weiche und zärtliche, ganz romantisch-schwärmerische Stimmung gerathen und so tief in diese wehmüthig-süße Träumerei versunken, daß ich anfänglich auch die ganz seltsamen Bilder und Klänge nicht für wirklich hielt, die beim Sammeln und Ordnen des Straußes hin und wieder vor mir auftauchten und an mir vorüberschwebten – Bajonnette, in der Sonne blitzend, Commandoworte, das Stampfen wiehernder Rosse. Aber immer deutlicher, lebendiger und geräuschvoller bewegten sich rings um mich her diese Gestaltungen aus der realen Welt, sodaß ich endlich erwachen mußte. Ist heute Manöver? Alle Höhen, alle hervorragenden Punkte gen Spandau mit Infanteriecolonnen besetzt. Und was zieht dort stolz einher, hoch zu Roß, mit strahlendem Küraß und blitzendem, adlergekröntem Helme? Ich hatte die Spandauer Chaussee betreten, dort, wo heute die Halle für die Pferde-Eisenbahn sich erhebt. Da stürzt eine buntscheckige Rotte mir entgegen und hebt Hunderte mit Knitteln und Stangen bewaffnete Arme zugleich.

„Was, ihr verwünschten Studenten, ihr wollt unserer Landwehr die Waffen rauben?“

Die Situation war kritisch und etwas peinlich. Ich trug den Umständen Rechnung, concentrirte mich rückwärts und deckte mich im Rücken durch den Stamm einer Pappel, preßte den Blumenstrauß krampfhaft mit der Linken und zog zur Deckung den noch jungfräulichen Säbel. Doch was half die stumpfe Waffe gegen die hundertfache Uebermacht eines wüthenden und trunkenen Janhagels? Da, in der höchsten Noth, erschien der Retter. Ein Zug Garde-du-Corps, einen Lieutenant an der Spitze, sprengte zwischen die tobende Rotte und trennte mich von meinen Drängern.

„Sind Sie Student?“

„Zu dienen.“

„Haben Sie Ihre Erkennungskarte bei sich?“

„Ja wohl – hier ist sie.“

Er warf einen Blick aus dieselbe.

„Sie sind verhaftet.“

„Ich darf als Student nicht verhaftet werden, es sei denn, ich würde bei Verübung eines Verbrechens betroffen.“

„Sie sind dennoch verhaftet – auf meine Verantwortung.“

An dem Klange der letzten, mit besonderem Nachdruck gesprochenen Worte, die von dem schrillen Beifallsgeheul des Pöbels bewiehert wurden, erkannte ich in der prächtigen Hünengestalt vor mir den Grafen L., an dessen Seite ich zwei Jahre lang in Dombrandenburg die Bänke der Prima gedrückt hatte und der jetzt mit sarkastischen Blicken meine schwarz-roth-gold bebänderte Mütze, den Blumenstrauß und den Säbel fixirte. Vollständig ernüchtert, begriff ich seine wohlmeinende Absicht und den ganzen Ernst meiner vereinsamten Lage, denn von Charlottenburg her drang immer lauter und lauter unheimlich wüstes Geschrei zu meinen Ohren, und neue, immer neue Volkshaufen wälzten sich drohend gegen mich heran. Willig folgte ich nun der schützenden Escorte und fand in der Schloßwache ein willkommenes Asyl. Hier hatte ich kaum Zeit, um über den so ungemein komisch-tragischen Scenenwechsel des heutigen Tages Betrachtungen anzustellen, als ein Hauptmann von der Bürgerwehr sich präsentirte und in einem Verhör mich über die Stellung des Studentencorps, über seinen Angriffsplan etc. auszuforschen suchte. Schwer ward es mir, dem sonst ganz verständigen Manne, mit dem mich in späteren Zeitläuften amtliche Bande und Freundschaft verknüpfen sollten, glaubhaft zu machen, daß sich in meiner einzigen Person die ganze Macht concentrirte, um deren willen zwei Städte ihre gesammte Vertheidigungsmacht aufgeboten und so gewaltige Anstrengungen entfaltet hatten. Im Uebrigen aber unterließ ich auch nicht, ihm im Vollgefühl meiner verletzten Würde zu sagen, daß allerdings die Studenten nicht einen Augenblick anstehen würden, mit ihrer vollen Macht gegen Charlottenburg aufzubrechen, sobald es ruchbar würde, daß einer der ihrigen gegen alles Völkerrecht ohne vorhergegangene „Kriegserklärung“ in Haft gehalten werde. Darauf versetzte er nach einiger Ueberlegung mit einem feinen Lächeln: „Ihrem Verlassen der Wache steht nichts im Wege. Doch zu Ihrem eigenen Besten rathe ich Ihnen, erst die Dämmerung abzuwarten und alsdann auch nicht durch Charlottenburg zu marschiren, sondern Ihren Rückzug ganz still über Moabit anzutreten.“

Der Rath war unbedingt gut, und ich befolgte ihn. Meine Genossen hatten inzwischen allen Freuden idyllischer Waldluft sich hingegeben und waren nicht wenig belustigt, als ich ihnen am späten Abend noch von dem letzten Act der großen Expedition erzählte. Die Charlottenburger und Spandauer schwiegen, so viel wie möglich, über die Affaire, und auch wir hatten kein sonderliches Interesse daran, sie an die große Glocke zu hängen.



Blätter und Blüthen.


Die Harfe der Königin Marie Antoinette. Als die Königin Marie Antoinette in ihrem Cabinet, von welchem ein getreues Bild noch jetzt im Louvre aufbewahrt wird, den Saiten ihrer Harfe fröhliche Klänge entlockte, dachte sie wohl nicht an das traurige Schicksal, welches sie ereilen sollte; sie dachte auch gewiß nicht, daß ihre Harfe, deren Abbild durch jenes Gemälde der Nachwelt überliefert worden ist, dereinst in einer kleinen Landstadt Mitteldeutschlands, unter den „Prussiens“, in einfach bürgerlichen Händen sich befinden würde, wie dieses jetzt, nach beinahe hundert Jahren, der Fall ist. – Der Kammerdiener der Königin, Fleury, nahm die Harfe als ein theures Andenken an seine unglückliche Gebieterin mit sich auf seiner Flucht nach Deutschland; als die veränderten Verhältnisse ihm die Rückkehr in sein Vaterland gestatteten, mußte er leider dieses Andenken in Deutschland zurücklassen, da seine bedrängten Umstände ihn nöthigten, die Harfe zu verkaufen, um sich die Mittel zur Rückreise nach Frankreich zu verschaffen, mit Thränen nahm er von ihr Abschied. Es erstand sie eine Dame aus Braunschweig, dem Aufenthaltsort Fleury’s; von dieser kam sie in die Hand eines dortigen Beamten, der sie für seine Tochter, ein junges Mädchen, das sich mit Eifer des Harfenspiels befleißigte, erwarb. Das junge Mädchen, inzwischen in ihre jetzige Heimath verzogen, ist heute eine Greisin; sie hat das heitere Spiel der Jugend verlernt, sie bewahrt aber die Harfe noch als Andenken an frühere Zeiten und an ihre hohe Vorbesitzerin. Wir gönnen ihr den Besitz, hoffen aber, daß es ihr nicht allzuschwer werden möge, sich von der Harfe zu trennen, wenn es vielleicht gelten sollte, dieselbe, wie sie verdient, einer historischen Sammlung einzureihen.


Spohr und Thibaut.[WS 1] Im Sommer 1832 – ich glaube, er war damals Kapellmeister in Darmstadt – hatte Spohr die Komposition einer Messe vollendet, der er sehr viele Mühe gewidmet und auf die er große Erwartungen gesetzt hatte. Er brachte die Partitur nach Heidelberg, um sie dem berühmten Pandectisten, Geheimen Rath Thibaut, zur Prüfung vorzulegen, der damals, was Kirchenmusik betraf, als erste Autorität anerkannt war. Als Spohr ihn bat, die Messe zu prüfen und ihm sein Urtheil vollkommen unparteiisch abzugeben, lud ihn Thibaut, der ein vortrefflicher Pianist war, ein, sich zu setzen; er wolle sie gleich durchspielen. Dies geschah. Am Schlusse, und als Spohr sein Urtheil erwartete, zog Thibaut ein Notenstück mit dem Bemerken hervor: „Ich will Ihnen noch eine Messe vorspielen.“ Es war die eines der alten italienischen Meister, an deren Werke Thibaut seine enormen Einnahmen (er hatte in dem Sommer in dem Pandectencollegium allein über achthundert Zuhörer) verschwendete. Der Name des Meisters ist mir nicht mehr erinnerlich. Noch während Thibaut spielte, rollte Spohr sein Manuscript zusammen, und als Jener geendet, sprach Spohr: „Ich danke Ihnen bestens, Herr Geheimrath, ich verstehe Sie vollständig. Diese bleibt im Pulte.“ Ich war damals Student in Heidelberg, bei Thibaut eingeführt und Mitglied seines durch ewige Kirchenmusik zu Tode gepeinigten gemischten Gesangvereines; auch weiß ich den Vorfall sowohl aus dem Thibaut’schen Hause, wie durch Mittheilung eines Spohr persönlich befreundeten Studenten dem der Meister ihn sogleich erzählte.

R.


Noch einmal die Jabloschkoff’schen Kerzen. Allen Denjenigen, welche sich in Betreff der Jabloschkoff’schen Kerzen an uns gewandt haben, diene zur Nachricht, daß die Herren Civil-Ingenieure J. Brandt und G. W. von Nawrocki, Mitglieder des Vereins Deutscher Patent-Anwalte, in Berlin (SW. Kochstraße 2) in der allernächsten Zeit die Vertretung dieser Erfindung für Deutschland übernehmen werden. Etwaige Anfragen bezüglich der Jabloschkoff’schen Kerzen sind also an die genannten Herren zu richten.


Erklärung. Auf Wunsch des Herrn Fritz Kühnemann, des Schatzmeisters des „Verein Frauenheim“ in Berlin (Gartenstraße 21), die Mittheilung, daß der Wohnort desselben nicht, wie in unserer Nr. 49 von 1875 fälschlich angegeben, Freienwalde an der Oder, sondern Berlin (Adresse des Vereins) ist.


  1. Heute läuft die nachfolgende Mittheilung durch die gesammte deutsche Presse; „Von Seiten der chinesischen Gesandtschaft in Berlin ist an die Wittwe des vielgenannten verewigten Generalconsuls Sturz folgendes Schreiben gelangt:
    Kaiserlich chinesische Gesandtschaft.
         Berlin SW., Friedrichstraße.
         Februar 16. 1878.

    Seine Excellenz, der chinesische Minister Liu-Ta-Yen, haben vernommen, welche Verdienste der verstorbene Herr Generalconsul Sturz um die Erleichterung der Qualen derjenigen seiner chinesischen Landsleute hat, die in Cuba, Peru und anderen südamerikanischen Ländern in Sclaverei gehalten wurden. Seine Excellenz beklagt mit Ihnen und der ganzen Menschheit den Verlust eines so unermüdlichen und großmüthigen Bekämpfers dieser argen Mißbräuche und hat mich beauftragt, um den löblichen Zweck der Errichtung eines Grabmals zu Ehren des verstorbenen Herrn Generalconsuls zu fördern, Ihnen die beifolgenden zweihundert Mark zur Verfügung zu stellen.

    Ich habe die Ehre etc.“

    Die Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Louis Spohr (1784–1859), deutscher Komponist, Violinist und Kapellmeister und Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840), deutscher Rechtsgelehrter, Chorleiter und Musikschriftsteller