Die Gartenlaube (1872)/Heft 23
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No. 23. | 1872. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
„Das heißt,“ sagte Hartig trocken, „Sie wollen ringen nach diesem Ring … Sie sind bezaubert von Fräulein Valentine … wünschen aber nicht, daß man sich nach Ihrer Herkunft erkundige? Ist denn etwas dabei zu verbergen?
„Vor diesen Leuten,“ entgegnete Max, „ja!“
„Curios! Weshalb? Freilich, solch ein reicher Franzose giebt seine Tochter nur an Jemand, der just eben so viel hat wie er selbst. Es ist ein sehr einfaches Rechenexempel bei ihnen, die Ehe! Und nun wollen Sie, trotzdem Sie arm sind, dies Mädchen doch erobern! Wirklich, Daveland, Sie machen mir den Eindruck, als ob Sie plötzlich völlig den Kopf verloren! Diese hübsche Französin – hübsch ist sie, schön sogar, wenn Sie wollen, das ist nicht zu leugnen – aber wie ist es möglich, sich in diesem Grade von solch’ einer Schönheit sofort um den Verstand bringen zu lassen?“
„Habe ich ihn in der That verloren?“
„Wenn Sie es nicht übel nehmen, ja. Ich habe Sie in meinem Leben nicht so erregt gesehen, so beredt, so im Schwung, wie heute. Und darüber haben Sie natürlich nicht Zeit gehabt, irgend eine Beobachtung über unsere neuen Freunde anzustellen.“
„Ich verließ mich, was das betrifft, auf die Muße, die Ihnen dazu Ihre Schweigsamkeit ließ, Hartig.“
„Danken Sie Gott, daß ich diese Muße benutzt habe.“
„Und was haben Sie beobachtet?“
„Daß man uns anfangs mit sehr kühlen und feindlichen Gefühlen aufnahm; daß namentlich Herr Gaston von Ribeaupierre, der ein dem Herrn d’Avelon im Alter viel zu fern stehender ‚Freund‘ ist, als daß er nicht der Bewerber um die Hand der Tochter sein sollte, uns namentlich alle Todesarten an den Hals wünschte, die Osmin in der ‚Entführung aus dem Serail‘ auf seinem Register hat; daß man mit dieser Stimmung im Ganzen auch nicht hinter dem Rücken hielt, bis der Augenblick eines merkwürdigen Umschlags – eine Peripetie nennen wir Schulmänner das – eintrat. Man bemerkte plötzlich, daß Sie sich mit einer alles Glaubliche weit hinter sich lassenden Rapidität in Fräulein Valentine verliebt hatten. Darauf zog sich Herr d’Avelon in den Salon zurück, Miß Ellen – ich bemerkte es durch eines der Fenster – trat zu ihm, sie hielten einen Kriegsrath zusammen. In diesem ist ohne allen Zweifel beschlossen worden, Ihre Schwäche zu benutzen, durch Valentine Sie anlocken zu lassen und, wenn wir recht sicher gemacht sind, bei einer passenden Gelegenheit Herrn Gaston von Ribeaupierre mit seinen Franctireurs auftreten zu lassen – Sie hörten doch, wie Monsieur d’Avelon den Zusammenhang seines künftigen Schwiegersohnes mit den Franctireurs verrieth – also ihn mit seiner Bande auftreten zu lassen, um Deutschland um den am besten französisch redenden seiner Officiere und den vortrefflichsten seiner Philologen, die Welt um all die gerechtfertigten Hoffnungen, welche sie auf uns setzt, zu bringen – mit einem Wort, um uns elend zu ermorden und unsere Leichen in den tiefen See im Hintergrunde der Höhle der Jeanne d’Arc zu stürzen, wo uns kein sterbliches Auge wieder auffinden wird. Das habe ich beobachtet.“
Max lachte kurz und gezwungen auf.
„Können Sie leugnen, daß Fräulein Valentine eine wahre Sirenenrolle spielte?“ fuhr Hartig fort, „daß diese dringende Einladung, wieder zu kommen, sehr auffallend war?“
„Glauben Sie wirklich, daß dieser Herr Gaston ein Bewerber von Fräulein Valentine ist?“ war das Einzige, was Max entgegnete.
„Also das ist das Einzige von all dem, was ich warnend rede, was Eindruck auf Sie macht? Gewiß ist er ihr Bewerber, ihr Verlobter …“
Max ließ sein Pferd in einen scharfen Trab fallen, und darüber erstarb die Unterhaltung.
Als Max am anderen Tage seinen Besuch auf der Ferme des Auges zu wiederholen ging, war er allein. Hartig hatte ihm rundweg die abermalige Begleitung nach dem „dangerous castle“, wie er sich ausdrückte, abgeschlagen. Auch Sontheim, auch Merwig. Sie neckten ihn nur, Hartig hatte am Morgen in dem Garten des Kaffeehauses genug von der gestrigen Partie erzählt, um ihnen hinreichenden Stoff zu Neckereien zu geben. Max hatte das Alles mit großer Ruhe angehört und sich entschlossen, allein zu gehen, nur von seinem Burschen begleitet, dem Hartig wenigstens sein Pferd lieh.
Es war ein trüber Tag, in der Nacht war Regen gefallen, jetzt hatte es sich aufgehellt, aber in dem breiten Maasthal, das Max von seiner Wegeshöhe aus weit überschaute, hingen schwere Regenwolken. Auch auf der Stirn unseres Reiters lag heute eine düstere Wolke; und eine schwere Gedankenarbeit, etwas wie [368] ein Kampf mit sich selber, ein Ringen mit einem Entschluß lag im Ausdruck seiner Züge. Er schien nicht zu merken, wie langsam sein Pferd schritt.
Auf der Ferme mochte man wegen des Wetters nicht ganz auf den Besuch des deutschen Officiers vorbereitet sein; dieser fand, als er angekommen, die beiden jungen Damen im Salon – Valentine sehr emsig mit Schreiben beschäftigt, Miß Ellen an einem anderen Tische über Rechnungen und Schreibebücher gebeugt: Miß Ellen schien, wie sie die Honneurs machte, auch die Hauswirthschaftsangelegenheiten zu führen. Herr d’Avelon war nach den „Forges“ von Rubrai gegangen, um dort eine Bestellung zu machen – Max vernahm im Laufe des Gesprächs, daß die „Forges“, der große Eisenhammer von Rubrai, zu der Domaine von Givres gehörten, und daß die Domaine von Givres das Eigenthum der Mutter Gaston’s de Ribeaupierre war.
„Sie sind so begierig, das Orakel des alten Druidensee’s zu befragen?“ sagte Valentine Max entgegengehend und ihm wie einem alten Bekannten die Hand reichend – „wir haben gefürchtet, daß das Wetter Sie abhalten würde …“
Sie sah dabei außerordentlich hübsch und verführerisch aus – das Schreiben, schien es, hatte ihre Wangen höher als gewöhnlich geröthet, und es lag, wie sie Max entgegentrat, eine gewisse Befangenheit in ihrem Wesen, die sie doppelt anmuthig machte; das Handausstrecken war wie ein Act dieser Befangenheit, der ihr einen verwunderten, aber nicht wahrgenommenen Blick von Miß Ellen zuzog.
„Es ist einmal ein schlechtes Wetter,“ antwortete Max scherzend, „was uns alle in Ihr Frankreich, und was mich insbesondere nach Ihrer Ferme gebracht hat; und heute gar viel zu schlecht, als daß ich Damen zumuthen dürfte, einen Spaziergang über feuchten Boden, vielleicht über Wiese oder durch Gehölz zu machen – ich hätte das bedenken sollen!
„O nein,“ fiel Valentine ein, „wir sind ganz bereit …“
„Wir warten doch wohl besser eine Weile,“ bemerkte Miß Ellen, „ob nicht, wie ich fürchte, die dunkle Wolke, die eben heranzieht, uns Regen bringt.“
„Wie Sie meinen, Ellen! Um uns die Zeit zu vertreiben, können wir ja unterdeß statt des alten gallischen das deutsche Orakel befragen,“ setzte Valentine mit dem Tone harmloser Neckerei und auf einen Sessel deutend hinzu.
„Mache ich Ihnen den Eindruck eines Orakels?“ entgegnete Max sich setzend.
„Ein wenig thun das alle Männer, wenn sie uns arme Frauen belehren.“
„Doch nur die, welche glauben Frauen belehren zu können – ich gehöre gewiß nicht zu ihnen, sondern zu denen, welche glauben, daß wir das Beste von den Frauen lernen müssen.“
„Und was ist das Beste? – Zu gefallen?“
„O nein, – daran läßt nur der französische Leichtsinn Sie zuerst denken. Mein deutscher Ernst antwortet: Leiden zu können!“
„Das nennen Sie das Beste?“
„Es ist das Nothwendigste wenigstens im Leben. ‚L’art de vivre c’est savoir souffrir‘ hat einer Ihrer Schriftsteller gesagt.“
„Und Männer lernen das nur von den Frauen?“
„Ja, wenn auch die Frauen oft eine sehr kunstlose Methode bei diesem Unterricht anwenden … dieselbe Methode, wonach junge Enten, Schwäne etc. das Schwimmen lernen. Sie werden einfach von der Mutter in’s Wasser geworfen!“
Valentine lachte.
„Das bedarf der Erklärung,“ sagte sie.
„Liegt sie nicht auf der Hand? Ein Mädchen begegnet uns und erweckt eine Leidenschaft in uns – das Leid ist da, und wir müssen nun darin zu schwimmen, in diesem Elemente weiter zu leben verstehen. Glauben wir es nicht zu können, wähnen wir untergehen zu müssen – was hilft’s, kein Gott steht uns bei, wir müssen’s können, und so lernen wir’s denn!“
„Und wissen sehr geistreich darüber zu reden!“ antwortete Valentine ein wenig spöttisch. „Doch dürfen Sie nicht vergessen, daß auch wir Frauen durch die Männer viel lernen und vor allem zuerst, ihren geistreichen Redensarten zu mißtrauen!“
Max antwortete darauf, und die Unterhaltung spann sich in lebhaftester Weise so weiter, mit heiteren und mit ernsten Dingen beschäftigt, aber die beiden jungen Leute ganz merkwürdig fesselnd und belebend, bis ihre Wangen glühten, und bis der Zauber, der in diesem sie elektrisirenden Gedankenaustausch zu liegen schien, den Grund, weshalb Max gekommen, völlig hatte vergessen lassen. Der Spaziergang zur Grotte der Jungfrau wäre freilich auch nicht mehr auszuführen gewesen, denn es begann in der That leise zu regnen. Nach einer Weile wurde das Rollen eines Wagens im Hofe hörbar.
„Der Vater!“ sagte Valentine aufspringend und verließ das Zimmer, um ihm entgegen zu gehen.
„Es wird Herr d’Avelon sein und Valentinens Verlobter, Herr Gaston!“ sagte Miß Ellen, die bisher schweigend und wie mit ihren Rechnungen beschäftigt die jungen Leute beobachtet hatte und jetzt bei dem Worte ‚Verlobter‘ einen scharfen Blick auf Max warf.
Sie hatte die Genugthuung, zu sehen, daß Max bei diesem verhängnißvollen Worte die Farbe wechselte.
„Herr Gaston von Ribeaupierre ist Fräulein Valentine’s Verlobter?“ fragte er, sich zu einem möglichst unbefangenen Tone zwingend.
„So ungefähr,“ versetzte die Miß; „eigentlich sind sie schon als Kinder verlobt, durch die Verhältnisse schon, die Natur der Sache, könnte man sagen; Gaston wird die Domäne von Givres erben, sobald seine Mutter, von der sie herrührt, stirbt; die Ferme des Auges grenzt unmittelbar daran und Herr d’Avelon hat keine anderen Kinder …“
„Ach,“ fiel Max ein, „welche wohl arrangirte Partie; und die Herzen stehen sich so nahe wie die beiderseitigen Gutsgrenzen?“
„Wie sollten sie nicht, da sie fast zusammen aufgewachsen sind – und da sie nicht blos ihr eigenes Glück dadurch begründen, sondern auch das ihrer Eltern – Herr d’Avelon wünscht diese Verbindung ebenso sehr, wie es Frau von Ribeaupierre thut.“
„Aber,“ fragte Max, „weshalb nennen Sie sie ‚so ungefähr‘ Verlobte alsdann?“
„Weil,“ versetzte Miß Ellen mit einiger Zögerung, „Valentine die Marotte hat, sich erst, wenn sie großjährig und also ganz frei ist, verloben zu wollen …“ ’
Max biß sich auf die Lippen und Miß Ellen hätte zu ihrer weiteren Genugthuung wahrnehmen können, daß sich seine Stirn sehr verdüsterte, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht durch den Eintritt von Herrn d’Avelon, Valentine und Gaston von Ribeaupierre abgelenkt worden wäre.
Herr d’Avelon bewillkommnete seinen Gast ganz mit derselben Herzlichkeit, womit er ihn gestern entlassen. – Gaston hatte eine sehr steife und gemessene Verbeugung für ihn; in Valentinens Wesen war etwas von Verlegenheit oder von Mißmuth wahrzunehmen. Max bemerkte, während er sich mit dem Hausherrn unterhielt, wie Gaston ihr leise einige Worte zuflüsterte, und beide in eine Fensterbrüstung traten, wo sie eine leis geführte Zwiesprache hatten, die nicht gerade zärtlichen Inhalts schien. Zankten sie sich? Max schien es so – obwohl es eben so gut möglich war, daß Gaston nur Mittheilungen von ernster Natur zu machen hatte; hatte doch auch Herr d’Avelon eine ganze Menge solcher von Givres mitgebracht, Nachrichten vom Kriegsschauplatze, von siegreichen Ausfällen der Pariser wider die Einschließungsarmee, von einem großen Seesieg der französischen Flotte in der Mündung der Elbe, in Folge dessen ganz Hamburg in Flammen stehen sollte; – Max konnte ihm die völlige Unwahrheit alles Dessen klar legen.
„Nun ja, nun ja,“ rief Herr d’Avelon aus, „ich glaube es Ihnen – was wollen Sie, es ist ein Krieg von Männern wider Kinder – dabei müssen sich die Kinder mit Geschichten amüsiren und das ist ihr Trost! Hören Sie es, Gaston,“ rief er diesen heran, „alle diese Nachrichten, die man uns in Givres verbürgte, sind bloße Erfindungen.“
Gaston kam herbei; er sah sehr mißvergnügt aus; die Falte über seiner Stirnwurzel war zusammengezogen; sein ganzes verlebtes Gesicht machte auf Max einen außerordentlich unangenehmen Eindruck. Als d’Avelon ihm, was er von Max gehört, auseinandersetzte, fiel er, wie es schien, doppelt gereizt ein:
„Wenn unsere guten Nachrichten bloße Erfindungen sind, so hat es den Vortheil für uns, daß wir hoffen dürfen, desto länger unsere geehrten Gäste bei uns zu sehen!“
Die boshaft lächelnde Miene und der hämisch ironische Ton, [369] womit dies gesprochen wurde, ließen Maxens Blut aufwallen, doch bezwang er sich und versetzte ruhig:
„Sie dürfen über unser Hiersein nicht grollen, Herr von Ribeaupierre – wir sind nicht ungerufen, ungeladen gekommen.“
„Darüber ließe sich streiten …“
„Worüber nicht, wenn man den Streit wünscht? … Doch unterläßt man ihn, wenn man sich auf neutralem Boden begegnet.“
„Der neutrale Boden muß von beiden Seiten anerkannt sein; die eine Partei hat nicht das Recht, ihn zu bestimmen!“
Gaston von Ribeaupierre hatte bei diesen Erwiderungen denselben scharfen, verächtlichen und herausfordernden Ton beibehalten. Max hatte den Streit mit ihm vorausgesehen, aber er war nicht gefaßt auf ein so beschleunigtes Herbeiziehen desselben, wie es Gaston offenbar beabsichtigte. Er blickte einen Augenblick wie zerstreut in das erhitzte Gesicht des jungen Mannes, der ihn, ohne es zu ahnen, so plötzlich vor eine schwer wiegende und Ausschlag gebende Entscheidung stellte. Aber da es einmal so war, da er Gaston nicht ohne Erwiderung lassen konnte, faßte er rasch seinen Entschluß und versetzte mit ernst zurückweisendem Tone:
„Den neutralen Boden bestimmt schon die gute Sitte.“
„Die deutsche Sitte kann uns nicht maßgebend sein,“ fiel Gaston zornig ein.
„Gewiß da, wo die französische nicht auszureichen scheint.“
„Finden Sie etwas an dieser auszusetzen?“
„An dieser viel weniger als heute am französischen Wetter, das uns hindert, zusammen den projectirten kleinen Ausflug zu machen – wenigstens halten die Damen es für zu regendrohend und feucht dazu. Wenn Sie vielleicht meinen Wegweiser machen wollten, Herr von Ribeaupierre …“
Gaston, der Max augenblicklich zu verstehen schien, fiel rasch ein:
„Wenigstens könnten wir zusammengehen, den Weg zu recognosciren, ob er in der That so schlimm ist, wie die Damen fürchten …“
Damit wandte er sich sofort der Glasthür, die auf die Terrasse führte, zu, und Max folgte ihm. Herr d’Avelon sah ihnen ein wenig betroffen nach, wie sie so schnell von seiner Seite verschwanden, bis Valentine rasch auf ihn zueilte und ihm ängstlich zuflüsterte: „Folge ihnen, ich bitte Dich, folge ihnen!“
„Ah – Du glaubst doch nicht …?“
„Mein Gott, Gaston ist so jähzornig und haßt die Deutschen so – Du weißt das ja – er hat mir eben eine schöne Scene gemacht, daß er den deutschen Officier hier wieder treffen müsse.“
„Aber wenn ich doch den Deutschen, der mir nun einmal gefällt, eingeladen habe …?“
„Ich bitte Dich, verliere keine Zeit, geh’ und trenne sie!“
Herr d’Avelon suchte nach seinem Hute, den ihm Miß Ellen schon entgegenbrachte – auch ihre Züge zeigten eine lebhafte Sorge, und so eilte denn Herr d’Avelon hinaus. Als er jedoch auf die Terrasse gekommen war, hatten die beiden jungen Männer, die außerordentlich rasch gegangen sein mußten, sie schon verlassen; sie verschwanden eben um die Ecke des Hauses. Ihnen nachschreitend, sah Herr d’Avelon sie quer über den Hof dem nach Süden liegenden Thore zugehen, von dem aus der Weg zwischen Hecken sich die nächste Höhe hinanzog. Herr d’Avelon rief, aber sie schienen geflissentlich seine Stimme zu überhören und dadurch nur gespornt zu werden, ihre Schritte zu beschleunigen.
„So laß sie gehen, zum Teufel, wenn sie wollen!“ sagte sich d’Avelon. „Ich kann sie nicht hüten wie eine Bonne ein paar Kinder; wenn sie sich die Hälse brechen wollen, würden sie auch ohnehin bald genug einen Augenblick dazu finden, sich unter vier Augen diesen Wunsch auszudrücken!“
So ging er zurück, zunächst um nach seinen vorhin abgeschirrten Pferden im Stalle zu sehen.
Als Max und Gaston das Hofthor durchschritten, sagte Jener:
„Ich weiß sehr gut, Herr Ribeaupierre, daß Sie beabsichtigen, mir durch eine Herausforderung die Rückkehr nach der Ferme des Auges unmöglich zu machen. Lassen Sie mich Ihnen vor Allem die Erklärung geben, daß Sie dies nicht erreichen würden – ich würde dennoch zurückkommen.“
„In der That – Sie besitzen also in einem bewundernswürdigen Maße die deutsche Tugend der Zähigkeit, um kein schlimmeres Wort zu gebrauchen.“
„Gebrauchen Sie kein schlimmeres; Sie werden bald selbst einsehen, daß es besser ist, wenn diese Unterredung einen friedlichen Verlauf nimmt. Ich würde gewartet, die Verhältnisse hier genauer zu beobachten gesucht haben, bevor ich eine Auseinandersetzung wie diese mit Ihnen begonnen – Sie zwingen mich schon heute dazu, und so sei’s! Ich glaube, ich wage dabei nichts, denn wenn Sie mich auch als Deutschen, als den Soldaten des Feindes, der auf Ihrem vaterländischen Boden steht, hassen, so hindert das doch nicht, uns einander als vollkommene Ehrenmänner zu betrachten. Wie sehr ich meinerseits das thue, soll Ihnen die vollständig deutsche Offenheit beweisen, womit ich Ihnen etwas anvertraue, was, wenn es je über Ihre Lippen käme, ein großes Unglück über eine Familie bringen würde, gegen welche Sie freilich zu große Verpflichtungen haben, um sie je compromittiren zu können. In der That, Ihr Mangel an Discretion würde eine Infamie sein, und so darf ich reden, ohne Versicherungen von Ihnen zu verlangen.“
„Mein Gott, welche feierliche Einleitung!“ sagte Gaston die Achsel zuckend und doch mit einer gewissen Spannung in Maxens Züge spähend.
„Die Einleitung ist nöthig; die Mittheilung, die ich Ihnen zu machen habe, mag desto kürzer sein, wenn Sie wünschen. Also hören Sie! Ich sagte Ihnen, daß ein vom Zaune gebrochener Streit, ein Duell, mich nicht von hier vertreiben würde. Das ist in der That so; denn ich bin hier, hier in der Ferme des Auges mit gutem Rechte. Die Ferme des Auges gehört mir und Niemand anders. Herr d’Avelon, oder richtiger Herr von Daveland, ist nur mein Verwalter auf derselben und verpflichtet, mir Rechenschaft für jeden Heller, den er davon bezogen, abzulegen. …“
Gaston von Ribeaupierre war stehen geblieben und blickte dem Sprechenden erschrocken, wie einem Wahnwitzigen, in’s Gesicht.
„Es ist so, wie ich Ihnen sage,“ fuhr Max ruhig fort. „Uebrigens glauben Sie nicht, daß ich gekommen bin, um diese Rechenschaft zu fordern. Durchaus nicht; denn Herr d’Avelon ist mein Oheim, der Bruder meines verstorbenen Vaters, und Valentine ist meine Cousine.“
„Ah – immer besser!“ stieß jetzt Gaston ingrimmig hervor – „nur seltsam, daß Herr d’Avelon Gründe zu haben scheint, diese ihm wie aus dem Monde zufallende Vetterschaft nicht anzuerkennen, oder daß Sie Gründe zu haben scheinen, sie ihm gegenüber sehr ängstlich zu verbergen.“
„Solche Gründe habe ich allerdings; sehr dringende Gründe. Ich würde auch nach diesem Orte heute nicht zurückgekehrt sein, wenn meine Cousine nicht einen Eindruck auf mich gemacht hätte, der mir völlig unmöglich macht, nicht einer Gedankenreihe zu folgen, an deren Ende die friedlichste und natürlichste Versöhnung zweier streitenden Interessen steht …“
„Das heißt, Sie wollen sich um ihre Hand bewerben?“
„Ich will es!“
„Pest,“ rief Gaston mit wuthflammenden Zügen aus, „das ist eine merkwürdige Erklärung – ihrem Verlobten gegenüber!“
„Noch sind Sie das nicht – ich weiß, daß Valentine noch nicht eingewilligt hat, Ihnen diesen Namen öffentlich zu geben.“
„Also,“ fuhr Gaston in demselben Tone des Zornes und der Verachtung fort, „Sie wollen auf Ihre Vetterschaft, auf Ihr behauptetes Eigenthumsrecht an dem Vermögen Valentinens gestützt hier auftreten und – wie ein Herr und Gebieter die Hand des jungen Mädchens fordern? Ohne zu fühlen, welch lächerlichen Eindruck mir Ihr so naiv ausgesprochenes Recht auf die Ferme des Auges machen muß, beginnen Sie heute damit, daß Sie mir die Thür weisen … und Ihre deutsche Phantasie unterstützt Sie so glücklich dabei, daß Sie glauben, dieser schöne Kriegsplan, diese Intrigue würde ohne allen weiteren Widerstand gelingen? Womit beweisen Sie vor allen Dingen Ihre seltsame Behauptung von einem Eigenthumsrecht auf das Vermögen des Herrn d’Avelon? Wenn Sie es in der That hätten, würden Sie dies vor allen Anderen ganz heimlich – mir anvertrauen?“
[370] „Meine Beweise sind ziemlich einfache und ziemlich klare,“ antwortete Max; „ich will sie Ihnen darlegen, denn sie vor allen Anderen gerade Ihnen anzuvertrauen habe ich meine Gründe. Hoffentlich auch werde ich sie Niemand in der Welt sonst anzuvertrauen brauchen! Als mein Großvater starb, hinterließ er ein ansehnliches Vermögen, einen bedeutenden Grundbesitz, der als Majorat auf seinen ältesten Sohn, meinen Vater überging; dazu einen sehr werthvollen Familienschmuck, die Diamanten, welche meine Großmutter getragen hatte, und die auf die junge Frau meines Vaters übergehen sollten. Sie hatten einen hohen, einen für unsere Verhältnisse unverhältnißmäßig hohen Werth, diese Diamanten – mehrere Generationen hatten ihre Ersparnisse darin angelegt, denn in jenen früheren Tagen konnte man erübrigte Summen nicht in Staatspapieren anlegen, weil es deren sehr wenig gab; nicht in Hypotheken, denn der Landbesitz war in den Händen wohlhabender und sparsam lebender Grundherren oder von Leibeigenen, denen es verwehrt war, Schulden zu machen; die Verbindungen mit größeren Städten und Mittelpunkten geschäftlicher Thätigkeit, die Banken und Sparcassen fehlten – so legte man den Ueberschuß reichlicher Ernten bald in schwerem Silbergeräth, bald in Diamanten zur Vermehrung des Familienschmucks, der zum Majorat gehörte, an. Die unseres Hauses mochten einen Werth von vierzig- bis fünfzigtausend Thalern nach damaligen Preisen haben …“
„Nun, diese Diamanten?“ rief Gaston ungeduldig aus. „Kommen Sie zur Sache!“
„Diese Diamanten waren verschwunden, als mein Vater seine Erbschaft antrat. Aber keineswegs auf eine irgend räthselhafte Weise. Sie waren verschwunden mit dem jüngeren Bruder meines Vaters, der mir als ein wilder, leidenschaftlicher, rechthaberischer junger Mensch geschildert worden ist, bestimmt für die Militärlaufbahn, nach einigen Jahren des Dienstes wegen eines Zerwürfnisses mit seinem Vorgesetzten aus der Armee entlassen, und damals, als mein Großvater starb, beschäftigungslos im elterlichen Hause. Er war verschwunden wie der Schmuck – daß er sich desselben bemächtigt, konnte nicht in Zweifel gezogen werden, er hatte es selbst in einem Briefe, den er meinem Vater hinterlassen, eingestanden. Dieser Brief war kurz, zornig, voll Beleidigungen für meinen Vater. ‚Das Recht, oder besser ein verruchtes Unrecht,‘ hatte er geschrieben, ‚giebt Dir Alles – Haus und Hof, Wiese und Acker, Alles bis auf das letzte Blatt am letzten Zweige unserer Wälder. Und mir nichts, als die Erlaubniß, unter Deinem Dach von einer schmalen Rente zu leben und mein Lebensglück im Gedeihen Deiner Race zu finden. Mögen unsere Vorfahren, die es so eingerichtet haben, dafür in der Hölle bestraft werden – freilich eine schlechte Genugthuung für mich! Ich nehme mir eine bessere. Ich lasse Dir Grund und Boden und Alles – den weitaus reichsten Theil der Erbschaft des alten Mannes, der mein Vater so gut war wie der Deine – und dagegen nehme ich den Schmuck an mich; ich werde mir damit ein Leben zu gründen wissen, was mir besser behagt und ehrenhafter scheint, als das, welches mir Deine Gnade in Aussicht stellt. Wenn Du den Muth hast, laß Deinen Bruder durch Steckbriefe als Dieb verfolgen – ich werde dafür sorgen, daß es Dir nicht viel nützt!‘ So ungefähr lautete dieser Brief, der noch heute in meinem Besitz ist.“
„Wahrhaftig,“ rief Gaston aus, „Sie können nicht behaupten, daß er ganz und gar unvernünftig war! Und dann – Herr d’Avelon, behaupten Sie, ist dieser – Diamantendieb?“
„Er ist es. D’Avelon ist – Daveland!“
„Ist das, diese Aehnlichkeit der Namen, Ihr ganzer Beweis?“
„Nein. Ich nahm an der Hand Valentinens einen kleinen Ring wahr, einen herzförmigen Diamanten, über dem drei kleine Rubine so angebracht sind, daß das Ganze ein flammendes Herz darstellt; als Kind habe ich mehr als zehn Mal diesen Ring von einer Tante beschreiben hören, die seinen Verlust mehr als alles Andere bedauerte, weil er der Großmutter von irgend einer merkwürdigen Frau, einer vor mehr als hundert Jahren gestorbenen Fürstin, geschenkt war. Ich nahm ferner wahr, daß Herr d’Avelon in die äußerste Bestürzung gerieth, als er zuerst meinen Namen auf meiner Karte las; um mir diese Bestürzung zu verbergen, erhob er sich und zog sich in den Salon zurück; als er wieder erschien, fragte er mit einem Ton, durch den ich trotz aller angenommenen Unbefangenheit die Aufregung zittern hörte, nach meiner Herkunft … und ich eilte, durch eine falsche Angabe ihn zu beruhigen. Ich habe dann auf dem Schreibtisch Valentinens ein von seiner Hand beschriebenes Blatt gesehen – es sind die Schriftzüge jenes Briefes, von dem ich Ihnen erzählte.“
Gaston de Ribeaupierre schwieg eine Weile, dann sagte er mit ironischem Tone, der doch seine innere Bestürzung nicht ganz verbarg: „Ist dies das erste Mal, daß Sie Ihren verschwundenen Oheim entdecken?“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Daß, wenn Sie auf solche unsichere Indicien hin schließen, Ihre Phantasie sehr thätig sein und Sie ohne Zweifel schon mehr als einmal verführt haben muß, in sehr unschuldigen Leuten Ihren – Diamantendieb zu entdecken!“
„Sie glauben mir nicht?“
„Nein. Aber gesetzt, ich ergäbe mich Ihren mir sehr schwach scheinenden Gründen – gesetzt, Sie hätten Recht – was dann? Würden Sie das thun, wozu Ihr Vater zu edel war, zu hochherzig dachte, zu viel Ehrgefühl besaß? Würden Sie den Oheim verfolgen, der nichts that, als durch eine kühne Handlung ein abscheuliches Unrecht auszugleichen? Würden Sie auf Ihr Recht trotzend von ihm entweder Valentine oder Ihre Diamanten, die er längst nicht mehr besäße, verlangen?“
„Wenn ich dies thun wollte, hätte ich gewiß nicht diese Unterredung mit Ihnen gesucht, Herr von Ribeaupierre. Doch lassen Sie mich fortfahren, denn Sie wissen nicht Alles. Mein Vater dachte, wie Sie ganz richtig voraussetzen, nicht daran, seinen Bruder zu verfolgen. Er übernahm sein Erbe und bewirthschaftete es nach bestem Wissen und Vermögen, jahrelang mit gutem Erfolge, bis eine Reihe unverschuldeter Unglücksfälle ihn traf, die seine Verhältnisse zerrütteten. Ein großer Waldbrand ruinirte seinen Forstbestand, eine einträgliche Zeche ‚ertrank‘, wie der Kunstausdruck ist, er mußte große Summen zu ihrer Wiederherstellung aufbringen – dazu kamen Mißernten, die ungünstige Entscheidung eines alten mit einem Nachbar schwebenden Processes … kurz, mein Vater sah sich endlich zu dem Entschlusse gedrungen, Vortheil von dem Umstande zu ziehen, daß die neuere Gesetzgebung die Abwerfung von den Fesseln der Majorate und Fideicommisse möglich gemacht hat; er bewirkte eine solche Befreiung seines Guts und verkaufte seinen ganzen Besitz, den vielhundertjährigen Besitz unseres Hauses, die Grundlage unserer gesicherten Existenz. Er zog mit Frau und Kindern in eine Stadt und verwandte den Rest seines Vermögens auf die Erziehung von uns Kindern.“
Max machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: „Ich selbst, der älteste seiner Söhne, bin heute ohne alles Vermögen und lebe von meinem schmalen Gehalt als Staatsdiener. Ich verwalte ein Amt, das ich definitiv zu erhalten hoffe, wenn ich aus diesem Kriege heimgekehrt bin. Hätte mein Oheim nicht die Diamanten meiner Großmutter an sich genommen, so hätte mein Vater mit ihrem Erlös allen Calamitäten die Stirn bieten und uns unseren alten Besitz, unser Stammerbe erhalten können. Sie sehen, die Lage der Dinge hat sich im Laufe der Jahre umgekehrt – der Oheim hat von dem Erlös dessen, was er an sich nahm, dies Gut gekauft, seinen Werth durch gute Bewirthschaftung – vielleicht unter manchen begünstigenden Umständen bedeutend erhöht und – mit einem Wort, er hat Alles, wie einst mein Vater und ich Alles erhalten sollten, und ich habe heute weniger, als damals ihm zufallen sollte!“
„Das ist eine tragische Familiengeschichte,“ sagte Gaston nach einer Pause ernsten Nachdenkens und mit sehr verändertem Ton. „Jetzt, wo Sie mir Alles mitgetheilt haben, kann ich Ihnen meine Theilnahme nicht entziehen, die erhöht wird durch das Vertrauen, welches Sie mir schenken. Was wollen Sie thun?“
„Habe ich Ihnen das nicht gesagt? Ich will weder Herrn d’Avelon noch Valentine erschrecken durch die Enthüllung meiner Entdeckung und meiner Beziehungen zu ihnen. Ich will mich um Valentine bewerben, weil mein Herz sich zu ihr hingezogen fühlt, weil ich nicht mehr hoffen darf ohne sie glücklich werden zu können.“
„Und weil dies der einfachste Weg ist, sich in den Besitz ihres Vermögens zu setzen!“ fiel Gaston ein. „Aber ich, mein Herr, habe Anrechte auf Valentine.“
Die Chicago nahezu zerstörende Katastrophe vom 8. und 9. October 1871 hat einem Helden von, wir möchten sagen, antiker Größe zum großartigsten aller Piedestale gedient und damit zugleich den Beweis geliefert, daß der Mensch selbst dem furchtbarsten Schicksale gegenüber seine Ebenbürtigkeit zu behaupten vermag. Der Brand von Chicago, welcher jeden Vergleich mit den Feuern anderer Städte zurückweist, war in seinem Fortschritt wie in seinem, das Leben von Zehntausenden bedrohenden und das von Hunderten wirklich vernichtenden Wesen einer großen Schlacht ähnlich, und wie in dieser die Aufgabe des Feldherrn zugleich in der Leitung des Sturmes und in der innern Freiheit vom Sturm besteht, so mußte auch der Retter par excellence, der Held des Feuers vom 8. und 9. October 1871, jene eigenthümliche Mischung von Kälte, Energie, Ehrgeiz und Gleichgültigkeit gegen Gefahr im höchsten Grade besitzen, ohne welche der Heros in keinem Zeitalter zu seinen Thaten dringen oder gelangen kann. Wenn Bürger in seinem Liede vom „braven Mann“ einen einfachen Kittelträger in den Tönen der höchsten Bewunderung besingt, da er allein mit seinem schwachen Kahne den Zöllner und dessen Familie vom brandungumtobten Brückenpfeiler in der Mitte des rasend gewordenen Flusses rettet, wie soll man der Heldenleistung eines Mannes gerecht werden, welchem viele Tausende von Menschen und Millionen von Werth ihre Befreiung aus jenem feurigen Ofen verdanken, in welchen die Metropole am Michigansee in der nie enden wollenden Nacht vom 8. auf den 9. October im wirklichsten Sinne des Wortes verwandelt war!
Wenn diese Rettung nur durch die Zusammenwirkung menschlicher Kühnheit und Erfahrung mit der gewaltigen Macht des Dampfes in’s Werk gesetzt werden konnte, so verlor oder verliert sie dadurch keineswegs den großartigen Zug; sie erscheint im Gegentheil wie ein nothwendiger Gegensatz des Feuers selbst; die furchtbare Elementargewalt, die „freie Tochter der Natur“, wird durch ihren in Dienst des Menschen gerathenen Bruder, den mächtigen Dampf, selbst bekämpft. Aus dem Pandämonium, aus dem vollständigen Chaos, in welches Chicago in jener Schreckensnacht verwandelt, hebt sich nur ein fester Punkt ab, nur Einer schwebt wie ein unerreichter Gott über dem Sturme hin, es ist der junge [372] Capitain des Schleppdampfers „Magnolia“, Joseph Gilson, welcher den Kampf aufnimmt, den Flammen in ihrem Marsche seewärts und leuchtthurmwärts ein Ziel setzt und dadurch Tausenden von Menschen zum frohbegrüßten Retter wird.
Aus der Jugendgeschichte Joseph Gilson’s, der im Jahre 1846 zu Chicago selbst geboren wurde, läßt sich eben nicht viel erzählen, wenngleich sie bei aller Einfachheit den Beweis liefern würde, wie Gilson’s Freude an Wagnissen und Lebensgefahren mit jedem Jahre wuchs. Nachdem er Bäckerlehrling, Schiffsjunge, Matrose und Salzbohrer gewesen war, betrat er endlich sein eigentliches Feld, den Schleppdampfer, im Sommer 1864 und zwar in Chicago, dessen Schleppdampfer-Capitäne (es sind ihrer sechszig) durch ihre Geschicklichkeit und Verwegenheit in der ganzen Union bekannt und berühmt sind. Gilson begann auf der untersten Sprosse der Leiter, als „Deckarbeiter“ auf dem Schleppdampfer „Monitor“.
Zwischen den verschiedenen Dampfern bestand damals eine heftige Concurrenz; einer suchte dem andern die sich der Mündung des Hafens nähernden Schiffe wegzufangen und zu dem Ende vor dem andern auf dem See vorbeizufahren. Um die dazu nöthige außerordentliche Schnelligkeit zu erlangen, wurden nicht selten die zur Verhütung von Explosionen sich von selbst öffnenden Sicherheitsventile mit Gewalt geschlossen und auch Gilson erhielt einmal den Befehl, den Schluß zu besorgen, ein Geschäft, welches große Gewandtheit erfordert und mit großer Gefahr verbunden ist. Er wurde dabei drei Mal nach dem Hintertheil des in rasender Eile vorwärtsstürmenden Boots zurückgeschleudert, erreichte jedoch trotzdem seinen Zweck. Kein Wunder, daß ein solcher „Deckarbeiter“ schon 1865 zum Capitän des „Montauk“ befördert wurde. Er ging mit dem nach Cairo (am Einfluß des Ohio in den Mississippi gelegen) verkauften Boote dorthin und fuhr zwischen Cairo und Mound City im Kohlenbootschleppdienst. 1866 finden wir ihn jedoch bereits wieder in Chicago als Befehlshaber der „Ida H. Lee“. Im Spätherbst 1866 kaufte Gilson in Gemeinschaft mit einem Herrn Cruver sich selbst das Schleppboot „Magnolia“ für sechstausend Dollars baar.
Gilson’s Verwegenheit war unter den Seeleuten schon damals genügend bekannt und bewundert; im April 1867 jedoch zog der erst einundzwanzigjährige Capitän die Aufmerksamkeit und das Staunen der ganzen Stadt auf sich, als er mit seiner „Magnolia“ bei heftigem Nordostwinde auf den See hinausfuhr, um ein sonst dem sicheren Untergange zutreibendes Schiff, den Schooner „Navagh“, zu retten und in den Hafen zu bugsiren.
Es war ein stürmischer Sonntag-Morgen im April, als Capitän Gilson, auf die Spitze des Hafendammes hinausgehend, der zur Seite der Hafenmündung sich hinstreckenden Sandbank zutreibend ein Schiff bemerkte, das bereits die Nothflagge ausgesteckt hatte. Bei Nordostwind ist die Einfahrt in den Hafen stets eine schwierige Aufgabe; der Aequinoctialsturm-Charakter, welchen der Wind an dem erwähnten Sonntage angenommen, machte die Einfahrt beinahe unmöglich, und es schien den vor der Mündung nach der Sandbank oder gegen das zwei Meilen lange, dem Ufer parallel laufende Schienendammwerk der Illinois-Central-Bahn geschleuderten Schiffen das Schicksal unvermeidlich, entweder auf der „Barre“ oder gegen die Pfähle des Eisenbahndammes in wenigen Minuten in tausend Stücken zerschlagen zu werden. Kein Capitän wollte sich hinauswagen, jeder Versuch einer Rettung wurde als tollkühn, als unsinnig verdammt. Gilson allein beschloß das anscheinend Unmögliche zu unternehmen. Er hatte aus der Flagge des unglücklichen Schooners erkannt, daß der Befehlshaber ein Schulcamerad aus Oswego war, und für diesen war er bereit das Aeußerste zu wagen. Vergeblich versuchte der Schooner seinen Anker in den sandigen Boden zu werfen. Unaufhaltsam trieb das Schiff der unheilvollen Sanddank zu, auf welcher wie auf einem Amboß der Sturm es in einzelne Bretter zerhämmert haben würde Die Zerhämmerung fing bald darauf wirklich an, gerade als Capitän Gilson mit seiner „Magnolia“ zuerst vor dem Hafen erschien. Es gelang ihm auch wirklich, das Schlepptau des Schooners an Bord zu ziehen; aber die „Magnolia“ war nicht stark genug, um den Schooner von der Bank loszumachen, während sie selbst gegen die Bank hämmernd in Gefahr kam in Stücke zu zerschellen.
Drei Mal wurde wieder hinausgefahren und drei Mal mußte der Rückzug angetreten werden. Endlich gelang es, das tausendfünfhundert Pfund schwere Schlepptau der Bark „Dunderberg“ an das des Schooners zu befestigen, wodurch es der „Magnolia“ möglich gemacht wurde, in tieferem Wasser zu arbeiten und die Kraft größerer Schleppdampfer, die in solcher Entfernung von der Bank ohne sonderliche Gefahr nun arbeiten konnten, zum Losmachen des Schooners zu benutzen. Nachdem Gilson im Ganzen sechs Mal hinausgefahren, triumphirte er endlich und brachte den Schooner in Sicherheit.
Nicht weniger als dreißigtausend Menschen hatten am Ufer, von den flachen Dächern der riesigen Kornspeicher, von den Spitzen der Schiffe im Hafen, dem hin- und herschwankenden Kampfe zwischen dem Dampfer und dem Sturm mit stets steigender Spannung, trotz des rauhen und unangenehm kalten Wetters zugeschaut. Sie sollten unmittelbar darauf Augenzeugen eines noch verwegneren Stückes werden. Gilson war offenbar in Geschmack der Gefahr gekommen, und als er den Schooner „Albany“ in derselben Richtung, wie kurz vorher den „Navagh“, der Sandbank zutreiben sah, besann er sich keinen Augenblick, er ließ das für solche Fälle im Hafen bereite Rettungsboot mit auserlesenen Leuten bemannen, nahm es und sie an Bord der „Magnolia“ und dampfte nach der gefährlichen Stelle in See hinaus. Jedermann gab den Dampfer verloren, indem derselbe, um der Sandbank sich genügend zu nähern, in der heftigsten Weise gegen den Boden des Sees (an der Stelle nur acht bis neun Fuß tief) auf- und niedergestoßen wurde. Das Rettungsboot wurde trotz alledem ausgesetzt, die halb erfroren im Takelwerk des Schooners hängende Mannschaft desselben gerettet und an Bord des Dampfers gebracht. Es war die höchste Zeit gewesen, denn fünf Minuten später war von dem Schooner „Albany“ auch keine Spur mehr zu sehen, Schiff und Ladung waren vollständig verschwunden.
Die Zeitungen veröffentlichten ganze Spalten über diese Doppelthat Gilson’s und sein Ruf als das des kühnsten Capitäns von Chicago war so begründet, daß er namentlich im Frühjahr und Herbst Schwierigkeit fand, Mannschaft zu bekommen; nur eine ganz besondere Classe von Leuten, welche die Gefahr um ihrer selbst willen liebten, ließ sich zuletzt von ihm anwerben. Es gab in der That für Gilson kein Sturmwetter, das ihn abgehalten hätte, auf den See hinauszufahren, und häufig gingen selbst Schiffscapitäne auf den Hafendamm hinaus, um den jungen Wagehals aus dem sicheren Hafen in den finsteren See sich hinauswagen zu sehen, während nicht wenige andere Capitäne den Kopf schüttelten und murmelten: „Er wird zuletzt einmal draußen bleiben und nicht zurückkommen.“
Daß ein solcher Mann bei dem größten Ereigniß, das seine Vaterstadt betroffen, eine bedeutende Rolle spielen würde, ließ sich erwarten; besondere Umstände machten sie zu einer wahrhaft großartigen.
Durch zwei furchtbare Eigenthümlichkeiten zeichnete sich der große Brand von Chicago vor allen andern aus, nämlich durch seine ganze Stadttheile in unnahbare, in vollständig lebensgefährliche Regionen verwandelnde Gluth, und durch eine beispiellos rasche und unregelmäßige Verbreitung, in Folge welcher vielen Tausenden der Weg zur Flucht landeinwärts ganz und gar versperrt wurde und der Rand des Seeufers, ja das Wasser des Sees selbst die einzige Sicherheit vor den von allen Seiten, die Ost- oder Seeseite allein ausgenommen, gegen sie vorrückenden Flammen darbot. Zum besseren Verständniß der weiter unten beschriebenen Scenen sind einige Bemerkungen über die Topographie der Stadt zweckmäßig. Chicago wird durch den Chicago-Fluß und dessen beide Arme, die sich einige tausend Schritt vor der Mündung von dem Hauptfluß abzweigen, in drei Theile getheilt. Der südlich vom Hauptfluß und östlich vom Südarm liegende Stadttheil führt den Namen der Südseite und enthält in seinem nördlichen, dem Hauptfluß nahen Theile das Hauptgeschäftscentrum, alle öffentlichen Gebäude, Theater und Haupthôtels. Nördlich vom Hauptfluß und durch vier Drehbrücken mit der Südseite verbunden, befindet sich die Nordseite, deren Grenze im Westen der Nordarm des Flusses bildet. Im Osten zieht für Nord- und Südseite der Michigansee die Grenze. Der Theil der Stadt, welcher westlich vom Nord- und Südarme des Flusses oder westlich von Süd- und Nordseite sich weit in die Prairie hinauserstreckt, trägt den Namen der Westseite, welche nur einige tausend Häuser von ihren etwa fünfundzwanzigtausend [373] Gebäuden durch das Feuer verlor, und eben deshalb die Hauptzufluchtsstätte namentlich für die fünfundsiebenzigtausend obdachlos gewordenen Bewohner der Nordseite nach dem Feuer darbot.
Die zweistöckige Wohnung unseres Capitains befand sich nur wenige „Blocks“ (ein „Block“ ist in der Regel dreihundertzwanzig Fuß lang und dann folgt jedesmal eine neue Querstraße) vom Hauptfluß entfernt auf der Nordseite. Um zwölf Uhr Nachts (8.–9. October) war das nach neun Uhr Abends auf der Westseite ausgebrochene Feuer schon im Geschäftsherzen der Stadt angelangt, und die Nordseite und namentlich der in der Nähe der bereits brennenden Südseite gelegene Theil derselben mußte im Voraus als verloren betrachtet werden. Gilson, der natürlich ebenso wenig zu Bett gegangen war wie der größte Theil der dreihunderttausend Einwohner der Stadt, beschloß, wie die Griechen vor Troja, sich mit seiner Familie und seinen Habseligkeiten auf seine so oft im Sturm erprobte „Magnolia“ zu flüchten und dann hinaus auf den See, der jetzt allein vor dem feurigen Element sicher schien. Er eilte zu dem Ende nach dem in der Nähe der Hafenmündung befindlichen Dock der Illinois-Centralbahn, an welchem der Schleppdampfer lag. Der Capitain fand seine Mannschaft an Bord und in Bereitschaft. Ehe jedoch der Weg flußaufwärts angetreten wurde, hatte sich die Lage der Dinge wenige Blocks vom Schleppdampfer so rasch und furchtbar gestaltet, daß der ursprüngliche Entschluß Gilson’s, vor Allem für sich selbst zu sorgen, über Bord geworfen und dagegen die „Magnolia“ nebst Capitain und Mannschaft dem Dienst und der Rettung der Tausende geweiht wurde, welche, aus dem Geschäftscentrum der Südseite vertrieben, auf den Docks und auf den Dampf- und Segelschiffen im Hafen eine, wie sie glaubten, sichere Zuflucht gefunden hatten. Es zeigte sich bald, daß sie den gefährlichsten aller Plätze gewählt hatten. Das Vordringen der Flammen nach dem See zu (von Südwesten nach Nordosten) wurde durch die entgegenstehenden Reihen von Steingebäuden nur etwas verzögert. Als die Flammen schließlich den Riesenbahnhof am See, etwa tausend Fuß südlich vom Chicago-Fluß gelegen, erreichte, war der Schrecken unter den östlich (noch weiter in den See hinaus) an Docks und auf Schiffen zusammengedrängten Tausenden um so größer, als die Gefahr ihnen als eine völlig unerwartete erschien. Der Schrecken stieg, als einer der beiden riesenhaften Kornspeicher (elevator) der Illinois-Central, die auf der einen Seite das goldene Korn vom Geleise der Bahn per Dampf aufsaugen, um es auf der anderen Seite in die Getreideflotten der nordwestlichen Seen gleichfalls per Dampf zu ergießen, als einer dieser Millionen von Bushel (etwa ein Berl. Scheffel) bergenden Elevatoren in Brand gerieth und die dicht dabei liegenden Schiffe, sowie den weiter östlich (seewärts) liegenden Riesencameraden bedrohte.
Die „Magnolia“ war der einzige Schleppdampfer am Platze. Die anderen neunundfünfzig Schlepper befanden sich, da bei Südwestwind für sie keine Beschäftigung vom See aus in Aussicht stand, weiter flußaufwärts und die mittlerweile in Brand gerathenen Brücken zwischen Süd- und Nordseite hätten die Fahrt nach der Mündung unmöglich gemacht, selbst wenn man ihnen eine Botschaft hätte zustellen können, was während der ganzen Nacht so gut wie unmöglich war. Capitain Gilson und sein Schleppdampfer waren somit die einzigen Retter und sie unterzogen sich der kolossalen Aufgabe mit einem Eifer und einer Aufbietung aller Kräfte, die selbst das Gesetz zu übertreten nicht scheute, nach welchem der Dampfdruck nicht über neunzig Pfund betragen darf. Zunächst wurden die zwischen den beiden Elevatoren liegenden Schiffe aus dem „Slip“ oder Canal in den Hauptfluß gebracht und dadurch der eine Elevator mit seinem an zwei Millionen Dollars werthen Inhalt gerettet.
Außer den durch die „Magnolia“ nach dem Fluß bugsirten Schiffen lagen noch viele andere an den auf dem rechten oder südlichen Ufer des Flusses befindlichen Docks. Die Capitaine der Schiffe wiesen anfangs das Anerbieten Gilson’s, sie in den See hinauszuschaffen, zurück, für so sicher hielten sie trotz des immer näher heranbrausende Flammenmeeres ihre Stellung. Aber eine der festen Steinburgen nach der anderen westlich und südlich von den Schiffen stürzte zusammen, und die fünftausend Menschen, welchen die Hitze das Athmen immer mehr erschwerte, mußten so rasch als möglich auf die Nordseite des Flusses oder auf den See hinausgeschafft werden.
An den nördlichen Docks glaubte man sich ziemlich sicher, insofern die Gegend nicht in der Hauptrichtung des Feuers lag, welches von Südwesten in einem Winkel von fünfundvierzig Grad über der Süd- und Nordseite wegfegte, und insofern der an der Mündung breitere Fluß einigen Schutz versprach. Aber das Eigenthümliche eines nach Quadratmeilen zu berechnenden Feuers sind eben seine Unregelmäßigkeiten; trotz des vorherrschenden Südwestwindes oder Sturmes entstanden während und durch das Feuer selbst Gegenströmungen, das Feuer fraß direct gegen den Wind seit- und rückwärts, und während die erwähnten Schiffe und die auf ihnen befindlichen Tausende den feurigen Feind vom Süden erwarteten, erschien er plötzlich vom Norden her, der lang am nördlichen Ufer nach der Mündung zu sich erstreckende Holzhof der Peshtigo-Company loderte mit einer Masse von Brettern, Ständern, Schindeln und Balken, welche zehn Holzhöfe in Hamburg gefüllt haben würden, in hellen Flammen empor.
Die Capitaine, welche vorher Gilson’s Aufforderung, sich auf den See hinausbringen zu lassen, verschmäht hatten, schrieen jetzt um die Wette nach der „Magnolia“. Man wird fragen: warum dampften denn die Schrauben- und Raddampfer nicht selbst mit eigenem Dampfe zum Hafen hinaus? Sie konnten das einfach aus dem Grunde nicht, weil der heftige Südwestwind sie so dicht und fest an das nördliche Ufer preßte, daß sie sich nicht rühren konnten.
Capitän Gilson verrichtete mit seiner „Magnolia“ wahre Wunder. Gleichgültig gegen Explosionsgefahr steigerte er den Dampfdruck seiner Maschine auf 150 Pfund und schaffte zuerst das Schraubenschiff Ira Chaffee, welches für mehr als tausend Personen einen Zufluchtsort bot, aus dem Hafen. In ähnlicher Weise wurden noch mehrere Dampfer und Schooner gerettet und damit ein Zufluchtsplatz für die zwischen Feuer und Wasser eingekeilten Tausende gesichert, während Gilson durch die Entfernung der Schiffe zugleich die Ausbreitung des Brandes weiter ostwärts, nach dem Leuchtthurm zu verhinderte, in dessen Nähe Tausende der abgebrannten Bewohner der Nordseite in ähnlicher Weise eine Sicherheit gesucht hatten, wie die wiederholt erwähnten fünftausend Abgebrannten der Südseite; Capitain Gilson eilte daher seewärts und postirte sich in der Nähe des neuen Leuchtthurms vor die Einfahrt in den Ogden’schen Canal. Zwischen diesem Canal und dem Fluß, auf einer verhältnißmäßig kleinen Fläche, standen Tausende, ängstlich den Fortgang der auf sie zukommenden Flammen beobachtend und sich mit größter Mühe durch über den Kopf gezogene Mäntel und Tücher vor dem unablässigen Funken- und Feuerregen schützend. Zwar hatte Gilson die Gefahr directer Verbrennung dieser Tausende durch die oben berichtete Fortschaffung der Schiffe verhindert, aber nicht die Gefahr eines von Norden kommenden Feuer- oder doch Erstickungstodes. Diese Gefahr trat ein, als der in Ogden’s Canal liegende Schooner „Swallow“ in Folge des in Brand gerathenen nahen Kohlenhofs von Paine und Dyer Feuer fing und nach den Tausenden zutrieb, die ohnehin vor Hitze und Qualm schon halb erstickt waren, und ohne das rasche Handeln Gilson’s würden am Ufer des Michigansees Massenerstickungsscenen erfolgt sein, welche die von Peshtigo an Grausen noch übertroffen haben würden. (Im Peshtigo-Fluß kamen in Folge des Waldbrandes mit einem Male, und zwar auch in der Nacht vom achten bis neunten October, dreihundert Personen jeden Alters und Geschlechts um.)
Wie enorm die Hitze in der Umgebung bereits war, bewiesen die keine dreihundert Fuß von den Menschenmassen hochrückig gewordenen Eisenbahnschienen. Capitän Gilson dampfte rasch den Canal hinauf, nahm den brennenden Schooner ins Schlepptau und entfernte ihn aus dem Bereich der Massen. Diese hatten sich mittlerweile immer mehr nach der Einfahrt des Canals zugedrängt und standen großentheils auf dem etwa zwanzig Fuß breiten, mit Steinen bedeckten westlichen Seitendamm. Als die „Magnolia“ nun selbst unmittelbar vor dem Seitendamm in Sicht kam, wehten alle möglichen Tücher und ertönten alle möglichen Geldangebote. Jeder wollte zuerst an Bord genommen und nach den im Hintergrunde winkenden Propellern geschafft werden. Gilson wies jedoch alle Geldanerbietungen zurück. Zeit, so erklärte er, sei oder bedeute diesmal nicht Geld, sondern Menschenleben, und so viel als möglich von den letzteren zu retten, ohne Unterschied der Person, sei seine einzige Aufgabe. Die Ueberfahrt nach dem östlichen oder äußersten Seitendamm, der fünfzig Fuß breit [374] ist und an dessen Ende sich der Leuchtthurm erhebt, wurde dann begonnen, und von diesem Seitendamm die Einschiffung auf die draußen im See stehenden Dampfer bewerkstelligt.
Welch brillanter Vorwurf für den Maler würde nicht die Darstellung dieses Fährdienstes der „Magnolia“ sein! Rechts der westliche Seitendamm mit den ängstlich sich nach dem Wasser zu drängenden Menschenmassen, die vor dem Feuer so weit, als sie nur können, zurückzuweichen scheinen; links, durch den tausend Fuß breiten Wasserstreifen gedeckt, die bereits zur Einschiffung auf die gastlichen und Erfrischungen bereit haltenden Dampfer draußen im See sich anschickenden Uebergesetzten; westwärts und ostwärts nichts als Qualm, Flammen, der Himmel selbst vollständig unsichtbar durch die vom Sturm über den ganzen Horizont gejagten, von Feuer durchzogenen Rauchwolken. Dazu die Leuchtthürme, deren sonst so helles Licht in dieser unheimlich blendenden Helle matt und fahl erscheint wie eine Dämmerung der Götter, und dahinter der in Dunkel gehüllte unruhige See mit seinen kurzen, scharfen Wellen unmuthig an die Ufer und Steindämme schlagend, als beschwere er sich über diese durch Schuld der Menschen in Scene gesetzte Riesenstörung seiner nächtlichen Ruhe.
Erst am Montag Nachmittag war es möglich, vom Seeufer und See aus einen Weg zurück in die Welt aufsuchen zu lassen. Die „Magnolia“, welche die letzte gewesen war, die Mündung des Flusses zu verlassen, war die erste, den gefährlichen Weg flußaufwärts anzutreten und den draußen harrenden Fünfzehntausend Kunde über die Größe des Feuers und Rettung aus Hunger und Kälte zu bringen. Der brave Capitain, welcher seit dem Ausbruche des Feuers unausgesetzt thätig gewesen, ließ sich hiervon weder durch die noch immer furchtbare Hitze abschrecken, noch durch die Gefahr, von Zeit zu Zeit auf seiner Fahrt von den nach dem Flusse zu einstürzenden Mauern abgebrannter Lagerhäuser belästigt zu werden; er dachte nur an die fünfzehntausend hungernden und frierenden, theilweise von ihren Lieben getrennten, über ihre Zukunft in traurigstem Dunkel und Zweifel sich abquälenden Menschen.
Die Fahrt wurde glücklich zurückgelegt und Capitain Gilson fand zu seinem freudigen Erstaunen, daß die Westseite von Chicago sammt ihren Häusern noch da stand, wo sie vor dem Brande gestanden. Sofort wurde eine ganze Flotte von Schleppdampfern nach dem See und dem Seeufer auf der Nordseite aufgeboten. Bis zum Abend wurden viertausend Menschen vom See auf die Westseite geschafft, und am Dienstag Nachmittag (10. October), 5 Uhr, wurde vom Schleppdampfer „Little Giant“ (kleiner Riese) die letzte Ladung Unglücklicher wieder unter Menschen gebracht.
Während der edle Capitain sich um die Rettung von Tausenden solche Verdienste erwarb, während er zur Vertheidigung von Schiffen und Lagerhäusern seine Person und sein bestes Gut, die „Magnolia“, einsetzte, verbrannte seine Wohnung sammt seiner ganzen sonstigen Habe zu Asche. Ueberdies haben die ungeheuren Anstrengungen während des Feuers, das Einathmen der glühend heißen Luft, die Lunge Gilson’s in so hohem Grade angegriffen, daß ihm die Aerzte die äußerste Vorsicht empfehlen mußten. Hoffentlich wird seine Gesundheit nicht dauernd erschüttert sein.
Bemerkenswerth und die Verwirrung bezeichnend, welche noch wochenlang nach dem 10. October in den Gemüthern herrschte, ist der Umstand, daß erst im November eine Notiz in den Tagesblättern den heroischen Leistungen Gilson’s einigermaßen gerecht wurde, ohne sie jedoch in ihrer vollen Bedeutung zu erfassen.
Die vorliegende Skizze ist die erste, welche die Episode – wenn dies Wort überhaupt zulässig ist – in ihrer ganzen Vollständigkeit darlegt. Wir haben die Daten aus Gilson’s eigenem Munde geschöpft. Die Zeit wird nicht fern sein, wo die „Wunderstadt“ Chicago dem hellsten Sterne ihrer dunkelsten Nacht in einer ihrer würdigen Weise ihre Anerkennung zollen und ihn für die Verluste überreich entschädigen wird, welche er in ihrem Dienste freiwillig und großherzig erlitten.
Capitain Joseph Gilson ist, wie alle Männer der That, in seinem Auftreten anspruchslos und zurückhaltend; selbst das ihm schon im Jahre 1867 so reich von den Zeitungen, d. h. von der öffentlichen Meinung gespendete Lob hat ihn keineswegs eitel gemacht. Wenn er auch die Bedeutung seiner letzten Leistungen nicht unterschätzt, so ist er doch weit entfernt, davon besonderes Aufheben zu machen. Er gehört eben zu der Classe von Männern, welche keine Furcht kennen und bei deren Blick die Gefahr aufhört Gefahr zu sein. Seine Gesichtszüge tragen den Stempel einer concentrirten, aber gleichsam schlummernden Entschlossenheit, nur in seinen scharfblickenden braunen, von dichten Brauen überschatteten Augen hat sich eine Art Sprungbereitschaft in Permanenz erklärt, vor welcher eben jede Gefahr sich schleunigst in ihre Höhle zurückzieht. Während im länglichen und scharf ausgeprägten Gesicht der allgemein amerikanische Typus vorherrscht, weist sein kräftiger, ungemeine Schnelligkeit der Bewegung stets andeutender Körper auf seinen westlichen Ursprung hin. In seinen Gewohnheiten ist er mäßig; seine einzige Leidenschaft ist die Gefahr und zwar die mit dem Schleppdampferdienst auf dem Michigansee verbundene, einem See, dessen Stürme weit gefährlicher für die Schifffahrt sind als die des Oceans. Während des Winters (die Schifffahrt schließt gewöhnlich Ende November und beginnt wieder Mitte März) liegt die „Magnolia“ im einsamen Winterquartier, während ihr Herr und Meister, um doch nicht ganz aus dem Verkehr mit der Gefahr zu kommen, die schnellsten und wildesten Pferde vor seinem offenen „Buggy“ (leichtgebauter, mit einem Sitze für Zwei versehener vierrädriger Wagen) mit eiserner Hand und sicherem Blick bändigt. Wenn unser Capitain eine Schwäche besitzt, so theilt er sie mit der ungeheuren Mehrzahl der in der Oeffentlichkeit lebenden und dort ihren Mittelpunkt findenden Amerikaner: er sieht es nicht ungern, wenn die Zeitungen über ihn schreiben. Er erfreut sich an dem „Gruseln“ Anderer, obgleich er selbst das „Gruseln“ so wenig lernen wird, wie jener fabelhaft phantasielose Junge des Märchens, den sein Vater ausschickte, das „Gruseln“ zu lernen, und der von dieser seltsamen Wanderschaft die schönste Prinzessin nebst Thron mit nach Hause brachte.
Das vorzeitige Ergrauen des Haupthaares beginnt gewöhnlich gleich dem Ergrauen im höheren Alter mit dem Auftreten einiger weißer Haare an den Schläfen – darauf vergehen entweder mehrere Jahre, ehe das Uebel weiterschreitet, oder es erfolgt diese Ausbreitung so rasch, daß nach Verlauf von einem bis zwei Jahren jedes zweite Kopfhaar weiß ist. In jedem dieser beiden Fälle kann es geschehen, daß mit dem Ergrauen ein vorzeitiger Haarschwund sich ausbildet.
Es muß in einem solchen Falle zunächst festgestellt werden, ob das Ergrauen das einzige Symptom abnormer körperlicher Entwicklung ist, oder ob sich neben ihm noch andere Erscheinungen einer vorzeitigen Schwäche oder einer allgemeinen Hinfälligkeit finden.
Ist das Ergrauen nur Symptom eines allgemeinen vorzeitigen Verfalls der Constitution, so gelingt es oft, seinem Vorschreiten allein dadurch Einhalt zu thun, daß der Gesammtkörper gekräftigt wird.
Allein in vielen Fällen ist das Ergrauen eine ganz für sich allein stehende abnorme Erscheinung: die Gesammtconstitution ist kräftig, alle Organe functioniren normal, der Teint ist rein, das Colorit frisch, die Züge sind jugendlich – das Ergrauen ist ohne wahrnehmbare Ursache entstanden, scheinbar unerklärlich. Von diesen Fällen will ich im Folgenden sprechen.
Ein solches vorzeitiges Ergrauen der Haupthaare ist stets Resultat einer örtlichen Erkrankung der Kopfhaut. Dieser Satz erscheint beinahe selbstverständlich, und doch ist es sehr wesentlich, ihn ausdrücklich hier an die Spitze der ganzen Erörterung zu stellen, weil aus ihm zwei wichtige Folgerungen sich ableiten lassen:
[375] 1) Es ist ein großer Irrthum, wenn man annimmt, ein solches Ergrauen sei die Folge einer vorausgegangenen erschöpfenden Lebensweise. Viele tausend Menschen würden ihr graues Haar ohne Scheu offen tragen, wenn sie nicht wüßten, daß bei ihren Nebenmenschen jener Irrthum, jenes Vorurtheil besteht. Ich will hiermit sehr entschieden gegen dies Vorurtheil ankämpfen! Es raubt dieses Vorurtheil vielen Tausenden ihr ruhiges Lebensbehagen – ich möchte, so weit ich vermag, ihnen dasselbe wiedergeben. Es handelt sich bei solchem Ergrauen um einen örtlichen Krankheitszustand, der nicht das Allermindeste mit Excessen, mit durchwachten Nächten oder mit schweren Lebenssorgen zu thun zu haben braucht, der vielmehr allein Folge einer Ernährungsstörung der Kopfhaut ist.
2) Es ist ein ganz falscher Rath, der vor Jahrhunderten von Aerzten gegeben worden und jetzt von Laien in schlechten populär-medicinischen Schriften wiederholt wird: man solle entweder dem Gesammtkörper durch die Nahrung oder der Kopfhaut direct durch Einreibung Stoffe zuführen, welche reichlich Farbnährstoffe enthalten. Vor Jahrhunderten, als die Medicin nur unklare Vorstellungen über den Gang des menschlichen Stoffwechsels hatte, glaubte man, ein Deficit im Körper einfach dadurch ausgleichen zu können, daß man die bezüglichen Stoffe dem Körper oder dem leidenden Theile einverleibte; die geläuterten Anschauungen der Gegenwart haben gelehrt, daß dies nicht einfach so angeht, weil die Organe erkrankt sind und weil sie wegen ihres Krankheitszustandes nicht die Fähigkeit haben, die ihnen fehlenden Stoffe sich anzueignen. Es mangelt beim vorzeitigen Ergrauen dem Körper, d. h. dem kreisenden Blute, keineswegs an Farbstoff, vielmehr hat nur die kranke Kopfhaut nicht die Fähigkeit, diesen Farbstoff aus dem Blute anzuziehen.
Woher rührt nun dies verringerte Anziehungsvermögen der Kopfhaut?
In sehr vielen Fällen ist dieser Mangel von den Eltern oder den Großeltern ererbt, er findet sich dann meist bei mehreren Mitgliedern der Familie. In anderen Fällen ist er der Ueberrest oder die Nachwirkung einer andern Krankheit der Kopfhaut; besonders pflegen zwei Krankheitsarten diese Folge zu haben: Ablagerung von Pilzen (Erbgrind) und die umschriebene (rundfleckige) Kahlheit (ein höchst merkwürdiger Leidenszustand, bei welchem rundliche Kahlheiten mitten im üppigen Haarwuchs entstehen). Selten erzeugt eine acute örtliche oder allgemeine Krankheit (Kopfrose, Nervenfieber, Unterleibsentzündung) vorzeitiges Ergrauen.
Es ist interessant und es ist für das Verständniß des Processes wichtig, den Unterschied zwischen einem grauen Haar und einem gefärbten bei mikroskopischer Betrachtung zu untersuchen. Man findet bei einer solchen Untersuchung eines farbigen Haares (am besten bei einer Linearvergrößerung von zweihundert bis dreihundert und darüber) den Farbstoff in doppelter Form abgelagert; es zeigen sich erstens die einzelnen Zellen oder Fasern, welche das Haar zusammensetzen, von einer aufgelösten Farbe durchtränkt, und zweitens finden sich in jeder Zelle kleine Farbekörnchen eingelagert; die größere oder geringere Dichtigkeit, in welcher diese Körnchen liegen, bedingt in erster Linie den Sättigungsgrad der Haarfarbe. Die Kopfhaare eines Menschen haben keineswegs eine und dieselbe Farbenstärke (die meisten Leser werden, wenn sie einmal eine kleine Sammlung ihrer ausgefallenen Haare aufmerksam betrachten, überrascht sein, wie bedeutende Farben-Nüancen ihr scheinbar gleichmäßig blondes oder gleichmäßig braunes Haar zeigt; prüft man zwei benachbarte Haare von ungleicher Farbenstärke (gewöhnlich haben sie auch eine ungleiche Dicke, aber das dunkle Haar ist das dünnere – im Gegensatz zu krankhaften Zuständen, in denen das dünnere Haar zugleich heller wird), so findet man bei beiden Haaren die gleiche Grundfarbe, es zeigen auch die einzelnen Farbekörnchen völlig den gleichen Farbenton, aber sie liegen in dem dunklen Haar erheblich dichter; durch diese innigere Zusammenhäufung erzeugen sie die tiefere Sättigung.
Der Proceß des Ergrauens vollzieht sich nun so, daß die Pigmentkörnchen nicht mehr gleichmäßig durch die ganze Dicke des Haares abgelagert werden; sie schwinden zunächst aus den äußersten Randschichten, und je mehr das Haar bei seinem Fortwachsen von Farbig-Grau zu reinem Weiß übergeht, desto mehr weichen die Farbenkörnchen aus der Peripherie nach der Mitte zurück, bis sie schließlich auch im Centrum nicht mehr vorhanden sind. Der aufgelöste Farbestoff hingegen dauert erheblich länger aus; er hat freilich nur einen geringen Einfluß auf die Farbe, mit der das Haar erscheint, aber daß es nicht ganz weiß aussieht, sondern noch einen Farbenschimmer behält, das verdankt es diesem aufgelösten Pigment.
Die Frage, was ärztlicherseits gegen dies vorzeitige Ergrauen geschehen könne, zerfällt naturgemäß in folgende Einzelfragen:
1) Ist man im Stande, dort, wo die erbliche Anlage (durch das Erscheinen bei älteren Geschwistern) constatirt ist oder wo sie sich vermuthen läßt, das Eintreten des Ergrauens zu verzögern?
Diese Frage kann ich bejahen. Ich rathe, in einem solchen Falle genau die Vorschriften zu beachten, welche ich in den früheren Aufsätzen über die diätetische Frage eines empfindlichen Haares gegeben habe; ein solcher Kopf will in der Kindheit und in der Jugend mit Schonung behandelt werden; alle Reizmittel (viel Wasser mit Seife, mit Spirituosen, viel Brausebäder) sind zu vermeiden. Vom sechszehnten oder achtzehnten Lebensjahre an lasse man jährlich einmal die Haare der Schläfengegend mikroskopisch untersuchen, damit festgestellt werde, in welcher Menge die Farbekörnchen vorhanden sind, in welcher Schicht des einzelnen Haares sie sich besonders reichlich finden. Es läßt sich über das Herannahen der Gefahr auf diese Weise Gewißheit erhalten, und man kann sie drei bis fünf Jahre früher erkennen, als sie dem bloßen Auge erscheinen würde.
2) Ist man im Stande, wenn der Anfang des Leidens bereits offenkundig geworden, sein Vorschreiten zu verhindern?
In vielen Fällen gelingt dies; es bleibt dann das Ergrauen eine lange Reihe von Jahren nur auf die Stellen, an denen es sich zuerst gezeigt, beschränkt. Allein zur Erreichung dieses Zieles bedarf es einer vom Arzt geleiteten kostspieligen Cur, die seitens des Patienten mit Exactheit viele Monate hindurch ausgeführt werden muß; es ist unmöglich, hierfür (wie für das erste Stadium des Haarschwundes) allgemein gültige Regeln zu geben: der einzelne Fall muß in seiner Eigenthümlichkeit erfaßt und behandelt werden. Ich rathe deshalb zu einer solchen Cur nur in denjenigen Fällen, in welchen dem Patienten oder seinen Angehörigen sehr viel daran gelegen ist, das weitere Vorschreiten des Ergrauens zu verhindern.
3) Vermag die ärztliche Kunst, wenn das Leiden bereits einen größeren Theil der Haare ergriffen hat, die übrigen zu schützen, oder vermag sie gar zu bewirken, daß der Nachwuchs der grauen Haare wieder die frühere Farbe erhalte?
Ich muß diese Frage verneinen.
Es sind mir zwar eine Reihe von Fällen mitgetheilt worden, in denen bei Männern und Frauen selbst in vorgerückten Jahren das schon ergraute Haar wieder dunkel wurde, allein diejenigen Fälle, welche ich selbst gesehen habe oder in denen man mir die Haare zur mikroskopischen Untersuchung einschickte, bewiesen, daß eine irrige Auffassung des früheren Beobachters vorlag: es waren nämlich früher farbige und weiße Haare gemischt gewesen und sie waren es auch jetzt noch.
Ich muß übrigens ausdrücklich bemerken: physiologisch unmöglich ist es nicht, daß auf ein graues Haar ein farbiger Nachwuchs eintrete; ich habe in einem früheren Aufsatz erwähnt, daß bei Greisinnen ein und dasselbe Haar einen mehrfachen Farbenwechsel zeigen kann, d. h. daß ein Haar streckenweise weiß, dann dunkel, dann wieder weiß und schließlich (also in dem zuletzt gebildeten Theil) wieder dunkel erscheint; es kann mithin eine und dieselbe Haarbildungsstätte die schon verlorene Kraft, Farbekörnchen zu bilden, sich wieder aneignen; aber für den gesammten Haarwuchs des Kopfes ist ein solcher Fall glaubwürdig (d. h. von einem Arzt, der sich durch die nothwendigen mikroskopischen Untersuchungen gegen Irrthum und Täuschungen gesichert hätte) noch nicht beobachtet.
Ich wiederhole: physiologisch unmöglich ist es nicht, und wenn einmal mehrere solche Fälle von Aerzten längere Zeit hindurch beobachtet würden, ließe sich hoffen, daß die Bedingungen für die Wiedergewinnung der Farbekörnchen-Anziehung erkannt würden und daß in weiterer Folge sich auch die Möglichkeit fände, diese [376] Bedingungen herbeizuführen, d. h. alles vorzeitige Ergrauen zu verhindern und zu heilen. Aber heute ist das nicht möglich. Ich kenne keine Behandlungsmethode, welche das bewirken könnte.
Es fragt sich daher in weiterer Folge: was kann geschehen, um die Unannehmlichkeiten der Erscheinung des vorzeitigen Ergrauens zu verhindern?
Die Praxis ist auf zwei Auswege gekommen: bei beschränkter Ausdehnung des Leidens werden die grauen Haare ausgezogen, bei größerer Verbreitung werden Färbemittel angewendet.
Ist das Ausziehen der grauen Haare nachtheilig? Kaiser Augustus besuchte einmal, wie ein alter Schriftsteller erzählt, seine Tochter in ihrem Boudoir; sie war bei der Toilette und eben im Begriff, sich die ersten grauen Haare mittelst einer kleinen Pincette ausziehen zu lassen; der Kaiser sah einige Momente ruhig zu, dann sagte er kopfschüttelnd: „Möchtest Du lieber kahl sein als grau?“ Zur Beruhigung aller Leidensgefährten jener Dame kann ich versichern: das Urtheil ihres Vaters ist glücklicher Weise nur in sehr beschränktem Maße begründet. Personen, die keine erbliche Anlage zum Ergrauen haben, zeigen oft schon im Anfang der zwanziger Jahre oder selbst noch früher an der Schläfe einige weiße Haare – es ist ganz unschädlich, diese auszuziehen, ihr Nachwuchs ist weiß und die allernächste Umgebung wird ebenfalls weiß, gleichviel ob man die früheren weißen Haare ausgezogen hat oder nicht; es entsteht auch daselbst keine Kahlheit, sondern nur eine geringe Verdünnung des Haares, die gar nicht auffällt und die jedenfalls viel weniger störend ist als das scharf von der Umgebung sich abhebende Weiß. Anders hingegen ist es bei größerer Ausbreitung des Ergrauens: hier wäre es geradezu eine Thorheit, alle grauen Haare ausziehen zu wollen; man müßte bald jedes dritte Haar entfernen, die allgemeine Zerrung der Kopfhaut würde die Bildungsstätte des ganzen Haarwuchses sehr angreifen, die noch vorhandenen dunkeln Haare würden gleichfalls und erheblich früher als sonst weiß werden und zugleich an ihrem Dickendurchmesser bedeutende Einbuße erfahren.
In solchen Fällen kommen die Färbemittel in Frage. Man verwendet als solche entweder pflanzliche Stoffe, welche hauptsächlich durch ihren Gehalt an Tannin (Gerbsäure, Gerbstoff) ein dunkleres Colorit erzeugen, oder metallische Körper (Silbersalpeter, Höllenstein).
Ich werde sehr oft gefragt, ob ich das Färben überhaupt widerrathe oder nicht. Meine principielle Antwort lautet stets: „Färben Sie nicht! Versuchen Sie durch Frische Ihres ganzen körperlichen und geistigen Seins den Eindruck des Grau zu verwischen; beweisen Sie, daß Sie nicht alt sind; beweisen Sie dem Beschauer, daß Ihr Körper elastisch ist und Ihr Gemüth froh bewegt.“ Wo dieser Rath befolgt werden konnte, hat die größere Energie, die größere Fürsorge für die Gesundheit dauernde Jugendlichkeit und frohe Stimmung erhalten; die jungen Männer und Frauen scheuten sich dann nicht, ihre grauen Haare zu zeigen, und war der erste Blick auf dieselben auch überraschend, so machte eine kurze Unterhaltung mit dem ergrauten Haupte einen um so angenehmeren, weil contrastirenden Eindruck. Also, wer es irgend über sich gewinnen kann, der färbe nicht!
Allein ich weiß sehr wohl, das geht nicht immer an. Es giebt Fälle, in denen das Aussehen des Gesichts (besonders der Teint) oder die Gesammtverhältnisse es außerordentlich wünschenswerth erscheinen lassen, daß das Grau verdeckt werde. In diesen Fällen rathe ich zum Färbemittel. Aber man mache sich dann auch von vornherein klar, daß das Färben alle drei bis sechs Wochen erneuert werden muß. Die Anwendung des Tannin oder des Silbersalpeter (Höllenstein) hat keinen ungünstigen Einfluß auf das Gesammtbefinden; der letztere greift die Kopfhaut auch nur dann an, wenn er selbst oder das neben ihm angewendete Waschmittel (in der Regel Ammoniak) zu concentrirt genommen wird, was sich vermeiden läßt. Bleimittel wende man zum Färben nicht an; Jahrhunderte hindurch waren sie hierfür am meisten beliebt, ich widerrathe sie, schon der allgemein verbreiteten Meinung wegen, daß auf diesem Wege Blei in das Innere des Körpers aufgenommen werde und seine nachtheiligen Wirkungen ausübe; die oben genannten Stoffe führen zum Ziele, es bedarf daher eines dritten bedenklichen nicht.
Zum Schluß gebe ich für diejenigen Leser und Leserinnen, welche Zahlen nicht scheuen,[1] eine hierhergehörige Tabelle eines dreitägigen Haarausfalls; die betreffende junge Dame (siebenundzwanzig Jahre alt) leidet seit vier Jahren an vorzeitigem Ergrauen, das sie von ihrem Vater ererbt hat; daneben stelle ich die bereits im früheren Aufsatz ausführlicher gegebene Tabelle ihrer Mutter, einer sechszigjährigen Dame. Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen den Procentsatz der betreffenden Hauptzahl.
A. Dame von 27 Jahren; vorzeitiges Ergrauen mäßigen Grades. |
B. Dame von 60 Jahren (Mutter der Dame A); Ergrauen des Haares, bei sonst kräftigem Haarwuchs. | |
1. Gesammtausfall von 3 Tagen |
258 | 451 |
Darunter zwischen 1–2 Zoll | 31 (12)[TAB 1] | 38 (8) |
2–6 “ | “83 (32) | 153 (34) |
6 “ | über144 (56) | 260 (58) |
2. Es hatten unter den Haaren des Gesammtausfalls eine deutliche Spitze |
227 (88)[TAB 2] | 205 (45) |
Darunter zwischen 1–2 Zoll | 30 (97)[TAB 3] | 20 (53) |
2–6 “ | “77 (93) | 87 (57) |
6 “ | über120 (83) | 98 (38) |
3. Der Gesammtausfall enthielt: a) Starke Haare |
160 (62) | 207 (46) |
Darunter zwischen 1–2 Zoll | – | 13 (6) |
2–6 “ | “27 (17) | 36 (17) |
6 “ | über133 (83) | 158 (76) |
b) Mittelstarke | 34 (13) | 109 (24) |
Darunter zwischen ½–2 Zoll | 2 (6) | 16 (15) |
2–6 “ | “23 (67) | 30 (27) |
6 “ | über9 (27) | 63 (58) |
c) Feine | 63 (25) | 135 (30) |
Darunter zwischen ½–2 Zoll | 29 (46) | 9 (7) |
2–6 “ | “33 (52) | 91 (68) |
6 “ | über1 (2) | 35 (25) |
Zur Erläuterung dieser Tabelle hebe ich nur folgende Punkte hervor: die Procentverhältnisse der Länge der einzelnen Haare sind bei Mutter und Tochter fast ganz gleich, obwohl bei der Mutter der Gesammtausfall erheblich größer ist; die junge Dame hat das vorzeitige Ergrauen von ihrem Vater ererbt, aber die Gesammtbeschaffenheit des Haares (auch die blonde Farbe) von ihrer Mutter.
Die günstige Einwirkung des jugendlichen Alters auf die Haarbildung zeigt sich in der Erhaltung der deutlichen Spitzen des einzelnen Haares, diese dauert um so länger aus, je kräftiger die ursprüngliche Bildung; in der Jugend haben die Gewebe eine größere Elasticität, im Alter werden sie spröde: bei der jungen Dame hatten 88 % des gesammten Ausfalls ihre Spitzen behalten, bei der älteren nur 45 %, und wählt man zum Vergleich die langen Haare (über 6 Zoll), welche die meiste Gelegenheit hatten, ihre natürliche Beschaffenheit angegriffen zu sehen, so ist die Differenz noch größer; die Zahlen lauten dann 83 und 38.
Ueber die Verhältnisse des Ergrauens giebt folgende kleine Tabelle Auskunft:
A. Tochter. | B. Mutter. | |
Summe der Haare mit vollständig übersichtlichem Entwickelungsgang |
258 | 437 |
a. Ganz weiß | 3 (1,2) | 138 (31) |
Darunter von 1–2 Zoll | 2 | 9 |
2–6 “ | “1 | 43 |
6 “ | über– | 86 |
b. Wurzel allein weiß | 4 | 34 |
Darunter von 2–6 Zoll | – | 3 |
6 “ | über4 | 31 |
c. Spitze allein weiß | – | 7 |
d. Andere Verfärbung | – | 7 |
[377] Es lehrt diese Tabelle, daß beim vorzeitigen Ergrauen gleichwie bei dem in Folge des höheren Alters das Ergrauen nicht an dem bereits vorher fertig gebildeten farbigen Haar eintritt, sondern an dem werdenden Haar; bald verliert das im Fortwachsen begriffene Haar allmählich den Farbstoff, bald wird an Stelle des ausgefallenen gefärbten Haares das neue gleich vom Beginn an farblos gebildet; eine aufmerksame Beobachtung am Lebenden kann jeden Laien überzeugen, daß nicht das fertige Haar an der Spitze ergraut: schneidet man nämlich an solchen noch fest am Kopfe sitzenden Haaren, deren Spitze weiß, deren übriger ganzer Stamm aber gefärbt ist, diese weiße Spitze ab (und macht man diese Haare durch Umschlingen mit einem rothen Seidenfaden oder durch Färben mit Höllenstein leicht auffindbar), so erkennt man, daß ein weiteres Ergrauen hinter der abgeschnittenen Spitze nicht eintritt; die Haare spalten sich wohl, aber sie behalten ihre frühere Farbe.[2] Das Ergrauen ist ein Proceß, der gewöhnlich (beim Kopfhaar vielleicht immer) an der Haarbildungsstätte erfolgt, nicht am fertigen Haar.
Es wird heute kaum Jemand mehr Mazzini den Ruhm vorenthalten wollen, daß er, vor Cavour und Garibaldi, die treibende Kraft für die Einheit Italiens war. Ueber die Wege „nach Rom“ konnte man sich streiten, über das Ziel selbst war keiner der genannten drei italienischen Patrioten im Unklaren, aber Jeder von ihnen ging seinen eigenen Weg. Mazzini begeisterte, agitirte, regte die Massen und die Geister auf, entzündete in einem verrotteten, gleichgültigen, verpfafften Volke die heiße Flamme der Vaterlandsliebe und des Selbstbewußtseins, predigte den heiligen Krieg für Freiheit, Einheit und Gleichheit, erstrebte und zeichnete die ehemalige Größe Italiens und schrieb auf seine Fahne: „Die Republik“.
Garibaldi, der sich selbst mit Stolz einen Schüler Mazzini’s nennt, besann sich nicht lange; von ihm, wie von keinem Zweiten, gilt der Ausspruch Tell’s:
„Ich kann nicht lange prüfen oder wählen.
Bedürft ihr meiner zu bestimmter That,
Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.“
Er schlug drein: er jagte, wie der Erzengel Michael, den „alten Adam“ aus seinem Paradies, weil er nicht in den Apfel der Erkenntniß beißen wollte, und schenkte, als unerschütterlicher Republikaner, eroberte Reiche einem armen König. Aber er stellte die Einheit des Vaterlandes über dessen gänzliche Freiheit. Er nahm das Erreichbare als sichere Abschlagszahlung der Zeit.
Cavour benutzte Beide als seine unsichtbaren und sichtbaren Arme, um Armeen aus dem Boden zu stampfen. Er spann im Stillen den Faden des kühnen Staatsmannes, der sich durch Alles knüpfend zog und Alles weise und möglich ordnete. Cavour, der Bismarck Italiens, blieb unerschütterlich bei der Zusammengehörigkeit der italienischen Stämme stehen, mit Mazzini und Garibaldi ein gemeinsames Ziel im Auge: „Front gegen Rom!“ Welcher von den drei großen Italienern aber war der größte? Sie seien uns gleich lieb. Denn sie sind und waren gleich nothwendig, gleich groß, gleich kühn!
Für Deutschland jedoch hat in diesem Augenblick der vor Kurzem in’s Grab gesunkene Mazzini das größte Interesse. Nicht weil er während des letzten Nationalkampfes entschieden und offen mit Deutschland hielt und es mit wuchtigen Worten aussprach, nicht weil er neuerdings offen und ehrlich, selbst vom Krankenlager aus, die Arbeiter seines Vaterlandes vor den täuschenden und schmeichelnden Einflüsterungen eines ungesunden Socialismus warnte, sondern weil der Italiener Mazzini in den dreißiger Jahren als Flüchtling in der Schweiz und als damaliger Chef des „jungen Europa“ einen nicht unwesentlichen Einfluß auf das nationale Erwachen Jungdeutschlands ausgeübt hat.
Mazzini lebte kurz nach dem sogenannten Savoyerzug, Ende Januar 1834, als vielverfolgter Flüchtling in der Schweiz und zwar längere Zeit in einem prächtigen Dorfe am Jura, in Grenchen, wenige Stunden oberhalb Solothurn. Grenchen, damals noch ein gewöhnliches Bauerndorf, jetzt eine kleine Metropole der Uhrenfabrikation, hatte von jeher, bei sauerem Wein, süße und warme Herzen für die Patrioten aller Völker. Dort spielte der große Agitator lange Zeit hindurch blinde Kuh mit der continentalen Reactionsdiplomatie und Polizei jener Jahre. Bald hier, bald dort ließ er sich jagen, wohl auch fangen, aber man hatte dann immer „den Lätzen verwitscht“, wie der Schweizer sagt, und ließ ihn frei.
Liberale schweizerische Staatsmänner warnten ihn natürlich immer rechtzeitig oder ließen ihn warnen. Selbst die Landjäger genirten sich die hohe Fangsumme zu verdienen; dagegen verschmähten sie nicht eine Flasche vom „Mehrbessern zu höhlen“, wenn sie den „Teufelskerl“ zu suchen kamen im alten Grenchenbad, in welchem Mazzini mehrere Jahre unter dem Namen Strozzi verborgen war oder aus und ein ging.
Das alte Grenchenbad war damals einer der lieblichsten und heitersten Erdwinkel am Jura, dazu ein vollbesuchtes „Bädli“, gehalten von der Familie Girard, die schon vor Anno dreißig fest unter der Fahne des Fortschrittes voranwandelte im Kampfe gegen die Stadtdynastien jener Zeit. Die feinere Bürgerwelt der Städte Biel und Solothurn, sowie die „Bauermadel“ der Dörfer und Höfe weit umher, pflegten sich zur Sommerzeit am Sonntagnachmittag im Grenchenbade zu versammeln. Darunter besonders die blanken „Berner Meitschi“, mit dem blüthenweißen „Mänteli“ vor’m herzhaften Brustschlagwerk, von denen nachmals Jeremias Gotthelf so viel und so schön zu erzählen wußte. Und so fand alle Sonntage ein fast unvermeidlicher Ball oder ein „Esseli“[3] oder Beides miteinander statt. Heirathen wurden da in einem Sommer mehr fertiggebracht, als jener weltberühmte Schmied zu Gretna Green in Schottland binnen zehn Jahren zusammenschmiedete. Im oberen Saal ging es dann hoch her. Unten aber im Parterre oder besser noch im Souterrain, bei einer heiseren Flöte oder einer zweifelhaften Geige, da schwenkte und stampfte die gleichberechtigte Dienstbotenwelt und das „mindere Mannli“, daß der Tanzboden krachte, im wildesten Durcheinander.
Zahme Störche spazierten durch die Menge, Aeolsharfen begrüßten sentimental den schelmischlächelnden Mond, der sich in den mannigfaltigsten Bogenschwingungen der Springbrunnen vor der Hauptfront des Hauses spiegelte, bis ein „Chaisli“ und ein „Bernerwägeli“ nach dem andern gen Biel, gen Solothurn oder gen Büren an der Aar seine oft theuer gewordenen Lasten entführte, schwankend wie der Erntewagen in Schiller’s „Glocke“.
Dann ward es stiller und stiller; unten über die stundenbreite Grenchner „Weite“ legte sich ein blüthenweißer Nebelschleier, durch welchen hier und da das Silberband der gelassen dahinziehenden Aar heraufblitzte, wie ein schöner Gedanke. Der nachtblaue Jura thürmte sich im Norden immer mächtiger und prächtiger empor und tauchte seine träumerischen Spitzen tief hinein in den lichten Aether, in dem die Sterne seit uralten Zeiten schwimmen. Der Lieblingspfau, hoch oben auf dem Firste der Scheuer, ließ seinen schrillen Nachtwächterruf weithin erschallen, das Bächlein plätscherte, wie es wohl schon vor Jahrtausenden gethan.
In solchen Augenblicken öffnete sich oft leise das kleine Hinterpförtchen
[378][379] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [380] und heraus trat der große Agitator, klein, dünn und mager; hinter ihm seine stete Begleiterin im Grenchenbad, die niedliche Hauskatze. Sie gingen selbander und schweigend durch den Hain, durch das Thal, durch Feld und Wald, hinauf zur uralten Allerheiligencapelle, wohl auch hinüber zum freundlichen Pfarrherrn von Lengnau, schon im Canton Bern, der im Falle der Noth Mazzini und seine Freunde beherbergte und für den Fall einer ernstlichen „Suchete“ ein Versteck unter den Dielen seines Studirzimmers hatte aushöhlen lassen, um des urkatholischen Italiens wandelnden Stern tief unter die Sohlen protestantischer Gottesgelahrtheit zu versenken.
Bald kehrte Mazzini mit seiner Katze wieder heim, sie war hier sein Schatten, wo er auch weilte, selbst an der Mittagstafel saß sie neben ihm, miaute ihn zärtlich an, putzte fein säuberlich Schnäuzchen und Mantel und wurde vom Agitator selbst bedient „mit Speisen aller Arten“, wie es im Volkslied heißt. Das Thier bewachte, wenn er fort war, seine Thür wie ein Hund, und kehrte er zurück, so waren die Zeichen seiner Freude hundertfältig. Auch harrte es, tagelang im Winkel des Sophas kauernd, auf seinem Zimmer der Heimkehr des von aller Welt verfolgten Patrioten. Und – als er eines Tages nicht mehr wiederkehren wollte und immer größere Bahnen wandelte durch unruhvolle Jahre, lebte das Kätzlein nur noch kurze Zeit, der Abschied von seinem „Löwen“ hat ihm das Herz gebrochen.
So liebte und pflegte ein Mann, der fast vierzig Jahre lang die Regierungen des Continents in Athem und Jagd hielt, ein kleines unbedeutendes Thier! – Wer will nun diesem Manne, wie so oft geschehen, das Gemüth absprechen?
Eine fernere Eigenthümlichkeit des Agitators war seine beispiellose Nüchternheit. Er trank niemals geistige Getränke, dagegen täglich drei- oder viermal so starken schwarzen Kaffee, daß er, wie „Marianne“, des Badewirths Töchterlein, jetzige Frau Oberamtmann, auf’s Ernstlichste versicherte, hundert Andere „überschlagen“ (umgeworfen) hätte. Dazu umkräuselten ihn fast stetig die blauen Rauchwolken der allerstärksten Cigarren. – Er arbeitete Tage und Nächte und war trotzdem immer Morgens der Erste. Er hatte eine Agitatorennatur, unzerbrechlich und unverwüstlich wie der zähe Hickorystamm im Urwalde des freien Westens. Er warf nicht nur die Theorien der alten Staatskunst gründlich über den Haufen, sondern auch die Theorien aller Diätetiker prallten an seinem kleinen und scheinbar schwachen Körper ab; der Wein stärkte und belebte ihn nicht, der stärkste Kaffee wie das gefürchtetste Nicotin zog spurlos an ihm vorüber; die allergrößte Nüchternheit erhielt in ihm die unvergängliche Begeisterung für die Befreiung der Menschheit von den Fesseln mittelalterlicher Zustände!
Mazzini wurde endlich aus seinem stillen Thälchen, wie wir bereits angedeutet, vertrieben. Er hatte zu jener Zeit seinen Geschäftsführer Ustiglione bei sich und die Gebrüder Ruffini, zwei edle Modeneser, von denen der Ueberlebende die Schweiz noch heute alljährlich besucht und mit der Familie Girard in freundlicher Verbindung geblieben ist. Doch auch manche deutsche Verbannte jener Zeit, Männer des Hambacher Festes oder des Frankfurter Attentates, traten mit Mazzini und dem alten Grenchenbad in engere Verbindung.
Der italienische Patriot war damals, wie schon berührt, Seele und Chef des jungen Europa, das aus Jung-Italien, Jung-Deutschland, Jung-Schweiz und Jung-Polen – und nach einiger Zeit auch aus Jung-Frankreich bestand. Das Organ jener in der That oft wie das Wild gehetzten jungen Männer war „die junge Schweiz“, ein Blatt, das unter eines Franzosen (Garnier’s) Redaction in Biel erschien, bei Weingart, einem Schweizer, und Ernst Schüler, dem noch jetzt unentwegten, behäbigen und munteren Herausgeber vom schweizerischen „Handelscourier“. Mathy, später Schulmeister von Grenchen und noch später Ministerpräsident des Großherzogthums Baden, wurde Uebersetzer jenes Blattes, das in langathmigen Europaartikeln (wie in unserer Zeit die „Vereinigten Staaten Europas“, Organ der Friedens- und Freiheitsliga) ein kurzes einjähriges Leben aushauchte. Mathy war Einer der Wenigen, die mit Mazzini und Ruffini auf näherem Fuße standen. Mathy war es auch, der, überall herumgehetzt, ebenfalls im alten Grenchenbade ein gastlich Dach, ein ruhiges Asyl und im Dorfe Grenchen eine zwar magere, aber doch immerhin nährende Stelle als erster Secundarlehrer fand und einige Jahre hindurch, in einem einfachen Bauernhause, wacker darauf los schulmeisterte, während seine damalige Milchlieferantin, eine muntere Ziege, im großen Stall nebenan „einsam und allein“ meckerte, bis die Schulknaben mit Laub, Gras, Heu oder sonstigem Zugemüse des Landlebens ihr überreich das Maul stopften. Noch heute erkennt man in manchen von Mathy’s damaligen Schülern das breite, allgemein menschliche Fundament, das er seiner Bildungsweise zu Grunde gelegt und das den Geist der Kirchthurmspolitik und des „Cantönligeistes“ so wohlthuend überstrahlt, wie magisches Alpenglühen die bengalische Flamme.
Auch Harro Harring, der Polenagitator, dessen ganzen Lebensgang wir nicht kennen, dessen politische Flugschriften aber in vielen jungen Herzen zündeten, – auch Harro Harring, jedenfalls ein sehr excentrischer Kopf, besuchte Mazzini öfter im Grenchenbad, mit dem er denn auch einmal bei der Allerheiligen-Capelle, oberhalb des Bades, gefangen genommen wurde. Harro Harring wollte den Agitator durchaus zu einem bewaffneten Einfall im Schwarzwalde bereden. Mazzini, der an seinem Savoyerzug genug erlebt haben mochte, lehnte diese Donquixoterie entschieden ab. Die meisten Flüchtlinge jener Zeiten, ja sogar noch Manche von 1849 lebten in der Idee, man könne ein Volk von außen herein revolutioniren; die Nationen aber können sich nur von innen heraus zur Freiheit bilden. Man gebe ihnen tüchtige Schulen, „und Alles wird wieder gut“.
Unter den Deutschen, die damals noch mit Mazzini, „dem Eremiten des Grenchenbades“, näher bekannt waren, verdient besonders noch Einer ein freundliches Denkmal. Er starb, nach Baden zurückgekehrt, im Jahre 1849 im Wahnsinn. Es war Dr. Ernst Herrmann Rauschenplatt, der Träger eines unruhevollen, stets kampfbereiten, aber immer ehrlichen und muthigen Lebens. Er war es, der auf Mazzini’s Frage: „was er sich unter einem allgemeinen deutschen Rechte vorstelle?“ die classisch-revolutionäre Antwort gab: „das Standrecht, Herr!“ Mathy sagte von ihm: „Muthig bis zur Tollkühnheit, ohne Bedürfnisse, der kluge Odysseus von Jung-Deutschland.“
Dieser deutsche Flüchtling ist uns deshalb besonders im Gedächtniß geblieben, weil seine politischen Kreuz und Querzüge jedenfalls die humorreichsten aller deutschen Flüchtlinge in der Schweiz sind und er der einzige Flüchtling sein und bleiben dürfte, der einen neuen Schweizer Canton begründet und demselben Gesetz und Recht verliehen hat. Rauschenplatt war der Dictator der unabhängigen Republik von Dipflingen. Dipflingen ist ein kleines Dorf, das zweite aufwärts Sissach, im Homburger Thale von Baselland, über welches dermalen die Eisenbahn thurmhoch ihre Wanderbahn hinwegzieht. Dieses Dorf kam in den Baseler Wirren der dreißiger Jahre, wo sich Stadt und Land jenes herrlichen Landstriches blutig befehdeten und sich später das Land von der Stadt lostrennte, auf die Idee: es wolle weder zur Stadt noch zum Lande gehören; es wolle, laut dem vielgepriesenen Selbstbestimmungsrecht der Völker, einen eigenen unabhängigen Freistaat „für ewige Zeiten“ begründen.
Gedacht, gesagt, gethan. Am 20. Mai 1833, vor nun bald vierzig Jahren, erklärte Dipflingen den Mächten Europas, in erster Linie Basel, Baselland und einigen ehrbaren Nachbarn, seine Unabhängigkeit. Rauschenplatt aber, der, die Götter wissen wie, in jenem Thale aufgetaucht war, wurde der unsterbliche Lykurg der Lacedämonier von Dipflingen, Gesetzgeber und Volkstribun zugleich, an der Seite des einflußreichsten Wirthes jenes bescheidenen freien Reichsdorfes. Allein „der Wahn war kurz“. Getragen von neunundfünfzig Bürgern, brach bald darauf eine mächtige Gegenrevolution aus, Rauschenplatt und der heldenmüthige Gestwirth stürzten. Beide wendeten dem undankbaren Freistaate, den sie geschaffen, in stiller Resignation den Rücken. Unbehindert schlugen sie am 27. Mai desselben Jahres den Freiheitsbaum nieder, den sie gesetzt, luden ihn auf einen Wagen und fuhren so mit dem längsten Zeugen ihrer kurzen Größe unbehelligt zum Dorfe hinaus. Der Wirth leitete das Fuhrwerk, Rauschenplatt deckte mit Waidtasche und Stutzen bewaffnet den Rückzug und das Ende der Republik Dipflingen. So haben auch die ernstesten Zeiten ihre heiteren Punkte. –
Kehren wir nun zu unserm Grenchenbade und seinen länderflüchtigen Besuchern zurück. Später als Mazzini, Ruffini, Schüler, Mathy, Harro Harring, Rauschenplatt und Andere, [381] etwa Mitte der vierziger Jahre, wohnte einige Wochen, ungekannt in diesem Bade und als Curgast, der Verbreiter der geheimen Wiener Protokolle, die ihrer Zeit so enormes Aufsehen in allen Gauen Deutschlands erregten und jedenfalls Vieles zur rascheren und endlicheren „Erlösung“ des gottseligen Bundestages beitrugen.
So spielen gar manchmal auf unscheinbarer Bühne verborgene Scenen, die oft nach langen Jahren erst der Völker Herz bewegen. Denn was damals in tiefstillen Stunden in jenem einsamen Bade gedacht, besprochen und heiß ersehnt wurde und was damals so tausendfältig von Trägen und Philistern als das tollste Hirngespinnst einer unvernünftigen Demagogie dargestellt wurde, – heute steht es zum großen Theile fix und fertig vor uns.
Die damals junge Schweiz errang 1848 den Bundesstaat, das junge Italien die Einheit und Rom zur Hauptstadt, wenn auch noch nicht Mazzini’s weitsehenden Volksstaat. Das junge Deutschland erkämpfte eine nie gehegte Kraft und Macht, die allgemeine Bewaffnung des Volkes, die freie Presse, die Schwurgerichte, eine Einheit der Stämme. Deutschland that nach jenen Tagen einen Riesenschritt nach dem andern, und darum wird auch das deutsche Volk noch zu seinem vollen Rechte als Volk gelangen – denn der Fortschritt mag seine Pausen kennen, allein er kennt keine – Umkehr. – Einzig das junge Polen konnte sich nicht wieder erholen. Wo gab es aber jemals eine Freiheit ohne – Volk? Hier ließe Manches sich bemerken. Wir wollen schweigen, wie wir auch von den Erfolgen des jungen Frankreichs nichts zu sagen wissen. Auch dort wird Mutter Zeit die Wunden heilen, wird wieder Rosen blühen lassen.
Doch nicht das Schwert wird Gallien verjüngen!
Das kann die Einsicht nur, die mit der Bildung kommt. –
Jetzt dient das alte Grenchenbad einem großartigen, sehr besuchten internationalen Bildungsinstitute, vortrefflich geleitet von einem deutschen Gelehrten. Wo man sonst spazierte, badete, musicirte, tanzte, lachte, zechte, liebte, haßte, eifrig suchte und eifersüchtelte, wo man ehedem italienische, französische, polnische und deutsche Männer der Zukunft ernst und nachdenklich durch die liebliche Juranacht dahinschreiten sah, den Gedanken an das geknechtete Vaterland im freien Herzen, – da treibt sich heutzutage eine Schaar munterer Jungen herum aus aller Herren Ländern, damit sie ein deutscher Schulmeister mit Hülfe schweizerischer und französischer Genossen für’s fernere Leben zurechthoble. So blüht nun allda, in diesem gemüthlichen Winkel, ein Stückchen germanischer Cultur, gehoben durch das erfreuliche Bild eines glücklichen Freistaates, das, wenn es gleich dann und wann tiefe Schatten wirft, doch auch der schönsten Lichtseiten unendliche besitzt.
Wie man sich zum Barrister ißt. Der Barrister ist der plaidirende englische Anwalt „at the bar“, d. h. vor der Barre, vor Gericht; der Solicitor der instruirende Anwalt; der Attorney ist der Sachwalter im Allgemeinen. Die Rechtsgelehrten werden in England gut bezahlt und machen oft glänzende Carrière. Wie sie in dieselbe hineinkommen, wenn sie nicht blos in das Geschäft eines Juristen als Lehrlinge eintreten, sondern Barristers werden wollen, ist interessant.
Voriges Jahr brachte die „Daily News“ vom 15. April bei Gelegenheit des Ostertermins den Bericht eines Betheiligten über die mystischen Mittagsessen, welche um die Zeit für Diejenigen wieder anfangen, die sich auf den Barrister vorbereiten. Diese Mittagsessen in den Sälen von Lincoln’s Inn gehören unerläßlich zu dieser Vorbereitung.
Man hat längst gewußt, daß der Studiosus juris, der zur Barre zugelassen werden will, seine Trimester abzuessen hat. Nicht so bekannt ist es, daß die Zahl der Mittagsmahle je nach dem Bildungszustande der verschiedenen Aspiranten verschieden ist. Wer einen Grad bei der Universität erlangt hat, muß jeden Termin dreimal in einem Saale von Lincoln’s Inn zu Mittag essen, d. h. zwölfmal jährlich, oder sechsunddreißigmal im Ganzen, ehe die Bank-Aeltesten benchers mit seinen Fortschritten zufrieden sind. Wer keinen Universitätsgrad hat, kann nicht zur Barre berufen werden, ehe er nicht zweiundsiebenzig Mittagsmahle verzehrt hat. Allerdings werden die Candidaten examinirt, haben auch bestimmte Vorlesungscourse anzuhören; aber all ihre richtigen Antworten und all ihr regelmäßiges Besuchen der Vorlesungen nützt ihnen nichts, wenn sie gegen die Regeln der Mittagsmahle verstoßen haben. Damit diese Mittagsmahle stattlich verzehrt werden können, hat jedes Rechtscollegium in Lincoln’s Inn seinen Eßsaal. So dient auch der neue Saal, dessen Vollendung die Behörden des innern Tempels vor Kurzem feierten, zu nichts Anderem, als einem Eßsaal.
Die Versammlung zum Essen gleicht der, die man von den Universitätscollegien her kennt; Alles erscheint im schwarzen Talar, die Aspiranten mit der viereckigen Mütze, die Barristers und Benchers mit der Perrücke. Aber es sind hier in Lincoln’s Inn Männer jedes Alters und jedes Landes unter den Studiosen. Der graue Bart, der die Welt gesehen hat und sich über ihren Charakter keine Illusionen mehr macht, sitzt neben dem Gelbschnabel, für den London noch ein Feld des Vergnügens ist. Der Turban des Hindus, der seine Nationaltracht nicht aufgeben will, und die Sammetmütze eines Andern, der mit ihr ebenfalls seine Nationalität zeigen will, mischen sich unter die Menge. Manchmal sieht man sogar einen Braminen mit der heiligen Schnur seiner Kaste und dem deutlichen Carmoisinfleck zwischen den Augen sich der Procedur des Essens für den Barrister unterwerfen. Ein so würdiger Mann muß dann von den Behörden mit Aepfeln und Reis versorgt werden, damit er durch das Essen verbotener Frucht keinen Schaden nimmt.
Vier und Vier zusammen bilden immer eine Tischgesellschaft und bedienen sich nacheinander aus den aufgetragenen Schüsseln. Der Zufall würfelt unbekannte Leute zusammen. Die Pünktlichkeit des Erscheinens wird dadurch erzwungen, daß nach dem Tischgebet dem Studiosen das Essen nicht mehr angerechnet wird, ebensowenig wenn er vor dem Schlußgebet den Saal verläßt. So wird es freilich zweifelhaft, ob das Tischgebet oder das Essen die Erleuchtung hervorbringt. Jedenfalls halten die Bank-Aeltesten Beides für höchst wichtig und schreiben es vor. Auch ist von ihrer Entscheidung keine Berufung auf eine höhere Behörde möglich. Sie sind in ihrer Sphäre Alles in Allem. Sie berufen die Studiosen zu der Barristerwürde, wie und wann es ihnen gefällt; sie verfügen über die Einkünfte der verschiedenen Inns oder Rechts-Collegien, wie es ihnen gut dünkt; sie legen nie Rechnung von ihrer Verwaltung ab und ernennen einander; ja, sie würden ein vollständiger Anachronismus in unserer fortschreitenden Zeit sein, wenn sie nicht so viel auf einen guten Tisch hielten. Wenn die Tischzeit herangekommen ist und die Studiosen und Barristers bereits ihre Sitze eingenommen haben, werden zuletzt die Bank-Aeltesten angekündigt. Sie erscheinen, und nun erhebt sich Alles und wartet stehend, bis die ehrwürdigen Herren sich niedergelassen haben. Hierauf sagt der Caplan das Tischgebet, und das Geschäft des Tages nimmt seinen Anfang. Dabei fällt den Studiosen die niedrigste Stelle zu, sie sitzen auf Schemeln und erhalten ein äußerst einfaches Mahl vorgesetzt: Fisch, Braten und einen Pudding. Schmalbier können sie trinken, so viel sie wollen. Jede Tischgesellschaft erhält eine Flasche Port oder Sherry. Die Barristers hingegen haben bequeme Stühle mit Lehnen und alle möglichen Zugaben zu den Gerichten, die eine Mahlzeit schmackhaft machen können, auch doppelt so viel Wein als die Studiosen. Die Bezahlung ist für beide Classen dieselbe: in einigen Collegien zwei Schillinge, in anderen eine halbe Krone. Das Princip der Gleichheit gilt aber nur für die Bezahlung; denn der Tisch der Bank-Aeltesten erhebt sich durch die mancherlei Zugaben zu der erhabenen Vollendung eines Lord-Mayor-Bankets; und die gelehrten Herren sind offenbar der Ansicht, daß die Ausübung der Gerechtigkeit eine größere Auswahl des Essens und Trinkens erfordere als das bloße Studium.
In jedem Trimester kommen einmal zwei imposante Ceremonien vor. Die erste ist die Feier des „großen Tages“. Dazu findet sich gewöhnlich eine volle Anzahl Festgenossen ein; der Saal wird ausnahmsweise glänzend ausgeschmückt, altes Silber zur Schau gestellt, und alle Anwesenden beglückwünschen einander, daß „der große Tag“ erschienen ist. Der Uneingeweihte strengt seine Phantasie vergebens an, was nun weiter werden soll. Das Geheimniß löst sich jedoch bald, und er überzeugt sich immer mehr von der Wichtigkeit des Schmausens als einer Vorbereitung auf die Rechtspraxis, als einer Einführung in die Wissenschaft, und als eines Mittels, dieses Wissen im Kopf zu behalten. Denn „der große Tag“ unterscheidet sich in nichts von irgend einem anderen Eßtage, als daß die Gerichte viel luxuriöser und der Wein viel ausgesuchter ist.
Die zweite wichtige Ceremonie ist die Berufung der neuen Barristers. Wer sich während der letzten drei Jahre zum Tragen der Perrücke und des Talars, sowie zum Empfange der Matrikel befähigt hat, kann jetzt einen Anspruch darauf erheben, aus dem niederen Stande der Studiosen zu dem ehrenvollen Grade eines Barristers und zu dem Titel eines Esquire’s erhoben zu werden. Allerdings werden einige unangenehme Fragen über ihr juristisches Wissen gethan. Sie haben aber keinen Tadel zu erwarten, wenn sie auch nichts von Justinian oder Blackstone wissen, oder die Institutionen mit den Pandekten verwechseln; sie haben unmittelbar keine üblen Folgen zu fürchten, wenn sie ihre völlige Unwissenheit bekennen. Aber die Aeltesten zeigen sich in anderer Hinsicht nicht so gelinde. Sie halten streng auf die Zahlung der Honorare, die sich im Ganzen auf hundert Pfund Sterling belaufen, und lassen sich für Summen, die noch später fällig werden möchten, Sicherheit geben. Ebenso streng halten sie darauf, daß kein einziges Mittagsessen versäumt sei. Sollte die vorgeschriebene Anzahl der förmlichen Mittagsessen nicht innegehalten worden sein, so wird die Berufung zur Barre unfehlbar bis zum nächsten Trimester verschoben. Trotzdem nehmen die Bankältesten es auf sich, einen Studiosen, der sich freiwillig zum Examen erbietet und der erste auf der Liste bleibt, schon sechs Monate früher zur Barre zu berufen, wobei er dann freilich den heilsamen Einfluß so vieler Mittagsmahle verliert.
Das erste große Ereigniß in der Laufbahn eines Studiosen der Rechte ist ein Mittagsmahl; das erste in der eines Barristers ist ein Abendessen. Wenn er das Recht erlangt hat, sich die Perrücke und den Talar zuzulegen, so giebt der flügge gewordene Barrister seinen Freunden ein „Ernennungsessen“; und es ereignet sich nicht selten, daß auf diese lustige Gesellschaft am anderen Morgen eine solenne Vorladung zur Queen’s-Bench [382] erfolgt, wo der neue Barrister den Eid zu leisten und sich einzuschreiben hat. Die Liste dieses Gerichtshofes enthält manche der berühmtesten Namen Alt-Englands, die aber ihre Auszeichnung allerdings etwas Anderm, als der gewissenhaften Beobachtung der Eßregeln in den Sälen von Lincoln’s Inn zu verdanken haben; und wenn die Bankgenossen (benchers) sich dies zu Gemüthe führen wollten, so könnte es ihnen wohl beigehen, das Rechtsstudium für die Hauptsache zu erklären und das Essen für die Barre ganz abzuschaffen. Aber so altehrwürdige Sitten, wie diese, haben ein zähes Leben in Alt-England.
Ein heiliger Arbues junior. Zu Basel, in der freien Schweizerstadt, ist im wunderschönen Monat Mai dieses Jahres eine Ketzerverbrennung geschehen, die gerade durch das Geheimnißvolle des fluchreichen Vorgangs uns um so erschütternder durchgraust. Wissen wir doch nicht einmal, ob der zum Feuertod Verdammte vorher in eine mit Teufelsfratzen und Flammenzungen bemalte Umhüllung gesteckt und ob, wie einst im Papstpalaste zu Avignon, eine besondere Satansküche, oder ob ein Privat- oder öffentlicher, heiliger oder profaner Raum die unheimliche Stätte der frommen That war. Geschehen ist das Ungeheure, und wir beeilen uns, Bericht davon zu erstatten, ehe die Feder unseren Händen vor Schrecken entsinkt.
Ist es Einer jener römischen Kirchensöhne gewesen, deren Einer, wie das Volk sich erzählt, weil er in den Vesuv fiel, das furchtbare Speien des Vulcans erregte, oder war es ein Capuciner oder ein Dominicaner, welcher der schlechten Welt zulieb dem Himmel ein Brandopfer darbrachte? Nein! Keine ultramontane Hand hat den Kienspahn zum Scheiterhaufen getragen. Es war der Herr Pfarrer Stückelberger an der reformirten Leonhardskirche zu Basel.
Das mit Feuer hingerichtete Opfer seines geistlichen Zorns aber war – unsere Gartenlaube. Wie mochten die begeisterten Augen des frommen Hirten gen Himmel oder zur Küchendecke emporgerichtet gewesen sein, als er zu den Schafen seiner Herde, den Zeugen seines Mundes, die Worte sprach: „… Ja, die Gartenlaube ist vornehmlich deshalben ein so äußerst gefährliches Blatt, weil der Teufel darin unter Blumen versteckt ist (– also auch der hat seine poetischen Stunden! –), und weil hirtenlose Seelen um so leichter in Anfechtung gerathen können, weil sie das schleichende Gift in jener verführerischen Hülle arglos einschlürfen. Aber,“ so tröstete der Gottesmann, „das Auge Eures Seelenhirten wacht und behütet Euch von heute an vor den heimtückischen Schlingen, die Euch der Teufel unter dem verführerischen Titel ‚Gartenlaube‘ gelegt. Ich habe hiermit das Teufelswerk den Flammen übergeben, nun gehet hin und thuet desgleichen! Amen.“ –
So sind wir denn vernichtet! – Aber die große Rettungsthat der Teufelsherrlichkeit wird nicht unbelohnt bleiben. Sicherlich ist sie bereits von den gerechten Jesuiten bis zu den Ohren Sr. Heiligkeit getragen. Und was Peter Arbues verdient hat vor Jahrhunderten und wie er gekrönt wurde erst in unserer Zeit mit dem Heiligenschein aus der Hand des Unfehlbaren, so wird dies auch Herrn Stückelberger geschehen, als dem würdigsten Arbues dem Jüngeren.
Heck’s Vesuvbild, das wir heute seinem Artikel „Das Sicherheitsventil Italiens“ (in Nr. 20) nachfolgen lassen, ist, wie der Künstler dort auf Seite 327 erzählt, auf der Plattform des Präfecturpalastes in Neapel aufgenommen. Stehen dem Holzschnitte auch nur zwei Farben zu Gebote zur Darstellung einer Naturerscheinung, bei welcher die grellsten Farben so mächtig mitwirken, so ist es dennoch unserm Meister auf diesem Felde gelungen, einer gesunden Phantasie für das Ausmalen des Bildes nach Möglichkeit zu Hülfe zu kommen. Wir sehen, wie die Feuercascaden am Berge niederrollen, die furchtbarsten Contraste pechschwarzer Rauch- und weißschimmernder Dampfwolken bis zur dreifachen Höhe des Berges ihr Gewölbe über den Vulcan aufbauen, während dessen Rachen mit einem Spuck kleine kochende Seen über das blühende Land ergießt. – Ein fürstlicher Reisender, der am selben Tage von Rom zum Schauspiele des donnernden Vesuvs geeilt war, schilderte uns als das Ergreifendste das unterirdische Grollen, das Erdezittern und die Verwüstung der Vegetation durch den Wasser- und Aschenregen. Schon bei Caserta habe man im Eisenbahnzuge das Beben des Bodens verspürt, das, mit jedem Hauche der Locomotive wachsend, endlich, wo die Bahn rechts nach Neapel hin abbiegt, so stark geworden sei, daß es den Lauf des Zuges gehemmt habe, weil auf den zitternden Schienen auch die Räder auf- und abzitterten. Das unterirdische Toben sei mit keinem Laute der Oberwelt zu vergleichen, es sei weder das Rollen des Donners zwischen den Wolkenwänden, noch der Geschützdonner des Schlachtfeldes, sondern ein so dumpfes unheimliches Grollen, das gleichsam mit der Gefahr des Durchbruchs der unterirdischen Feuerströme an jeder Stelle drohe. Um das Bild der verbrühten und dann mit Asche bestreuten Vegetation im Kleinen darzustellen, sagte er uns:
„Nehmen Sie eine Rose in voller Blüthe, halten Sie sie eine Zeitlang in kochendes Wasser und stecken sie dann in einen Aschenhaufen; wenn Sie sie wieder herausziehen, haben Sie eine Probe der dort meilenweit verwüsteten Naturpracht.“ – Jetzt ist der Vesuv wieder ruhig; er hat viele Menschen aus seinem Machtbereich vertrieben und ihr Eigenthum unter seiner Lava begraben; für Viele der Alten ist die Freude des eigenen Besitzes für immer vorbei, aber ihre Kinder bauen auf der Grabdecke, unter welcher das Heim ihrer Väter liegt, sich auf’s Neue an, und es freuen sich daran ihre Nachkommen, bis der Berg es wieder zerstört, und so weiter.
Muth der Liebe. Es ist ein gerechter Stolz der Menschheit, daß dieser Muth sich schon so oft und so herrlich erwiesen hat, daß die Thaten desselben für alle schönen Künste die ergreifendsten Stoffe boten. Aber auch im Leben der Thiere begegnen wir ihrer Bethätigung in nicht selten bewunderungswürdiger Weise; die Noth verleiht zum Beispiel zu der Vertheidigung ihrer Jungen selbst der ängstlichsten Mutter oft ungeahnte Waffen. Ein ganz absonderliches Beispiel, wie ein Elternpaar Herr über die angeborene und sehr ausgebildete Scheu vor dem Menschen und seiner Umgebung geworden, erzählt uns ein junger Oekonom, der früher schon auf einem Gute des Kriegsministers v. Roon interessante Thierbeobachtungen anstellte und dies jetzt auf einer großen Oekonomie in der Nähe von Berlin fortsetzt. Er schreibt: „In meiner Kammer hinter der Wohnstube geht jetzt eine prächtige Begebenheit vor. Es ist heute elf Tage, da fand ich im Walde nicht weit vom Dorfe drei junge Eulen, die aus dem Neste gefallen waren. Die noch unbehülflichen Thierchen gefielen mir außerordentlich, so daß ich sie mit nach Hause nahm. Hier steckte ich sie in einen großen Bauer, den ich in oben besagter Kammer in die Nähe des Fensters hing, das ich verschloß.
Schon am zweiten Abend bemerkte ich zwei alte Eulen, die vor dem Fenster hin- und herflogen und Klagelaute ertönen ließen, und richtig, die Jungen im Bauer antworteten in derselben Tonart; die Eltern hatten ihre Kindchen gefunden. Weil nun die Thierchen von allen Leckerbissen ihres Geschlechts, die ich ihnen in den Bauer gebracht, noch nichts berührt hatten und somit rasch abfielen, so wollte ich versuchen, ob die Alten wirklich den Muth haben würden, ihre Jungen wieder anzunehmen. Ich ließ also während der Nacht das Fenster offen. Als ich am andern Morgen nach meinen Eulen sah, fand ich sie ganz wohlgenährt aussehend, und bei näherer Untersuchung ergab sich von der Nachtmahlzeit sogar noch ein Speiserest von drei todten Mäusen im Bauer, von denen die jungen Schlemmer keinen Gebrauch mehr machen mochten. Seitdem finde ich alle Morgen solche Tafelreste, außer Mäusen auch Frösche und sogar Sperlinge. Die Alten müssen sich zur Fütterung etwa dritthalb Fuß in die Kammer hineinwagen, was für diese Thiere schon ein Unternehmen ist, aber sie vollbringen es, und was sie dazu befähigt, ist eben der Muth der Liebe.“
Zur Rubrik der Vermißten. Aus Süddeutschland geht uns nachstehende Mittheilung zu, welche, wenn derselbe Fall öfter vorgekommen sein sollte, eine Erklärung mehr über die große Anzahl unserer „Vermißten“ enthält. Man schreibt: „Zu Anfang des Krieges im August 1870 kam mit einem Zuge Verwundeter, der durch Mannheim ging, ein Sarg an und wurde auf dem Bahnhofe daselbst zurückgelassen. Da weder eine Begleitung dabei war, noch irgend Jemand wußte, wessen Leiche der Sarg umschloß, so wurde derselbe, nachdem er zwei Tage auf dem Perron gestanden, in die Erde gesenkt. Vielleicht könnten diese Zeilen den Verwandten des Gefallenen irgend wie zum Aufschluß über das Ausbleiben des Sarges verhelfen.“
Zwei Söhne einer Mutter vermißt! Zwei geborene Leipziger, Oscar Hagedorn, 1831 geboren, hat als Officier der Republik Argentina von Buenos-Ayres aus am 8. Mai 1869 zum letzten Male geschrieben. Und Ferdinand Hagedorn, der sich auch kurzweg Hagen genannt, geboren 1835, war zuletzt zweiter Mate (Unterschiffer) auf dem britischen Schiffe „Beth Shan“, Capitain Armstrong, und schrieb im Juni 1865 aus Singapore, daß er noch im selben Monat nach Bombay segeln werde. Seitdem sind Briefe dorthin weder beantwortet noch zurückgeschickt worden.
V. R. in M. Auf die von Ihnen an die Redaction der Gartenlaube gestellte Anfrage: „Warum heißt die Werra später Weser?“ können wir Ihnen die Sie jedenfalls sehr beruhigende Notiz geben, daß beide Namen einen Ursprung haben. Der gemeinsame Name beider Flüsse lautete ursprünglich Wisurraha (woraus das lateinische Visurgis entstand) und beide erstere Namen sind nur verschiedene Abkürzungen, indem man im südlichen Theil Werraha und im nördlichen Wisura daraus machte. Uebrigens wurde noch im Mittelalter das große Wasser bei Bremen meistens Wirraha genannt, also Werra näher als Weser stehend.
gingen wieder ein: Peutenrieder in San Antonio (Texas) 5 Thlr. 20 Ngr.; von Goldsmith, Seifert, Hand, Neußer und Cash in New-Orleans 19 Thlr. 3 Ngr.; kleine Tafel bei Kniep in Braunschweig 2 Thlr.; Berliner Leser der Gartenlaube 1 Thlr.; Dame aus Holland 2 Thlr.; S. Bach in Stuttgart 2 Thlr.; A. B. in Magdeburg 1 Thlr.; durch Dierbach in Berlin (übrige Namen unleserlich) 5 Thlr.; aus Berlin (mit Wahlspruch) 10 Thlr.; F. S. und E. K. in Berlin 20 Thlr.; Dr. T. St. in Moskau 10 Thlr.; Zimmerle in Pforzheim 1 Thlr.; F. F. Lbg. 5 Thlr.; Turnverein Frankenthal (Pfalz) 5 Thlr. 21 Ngr. 4 Pf.; F. S. in Melle 5 Thlr.; Bär in Freiberg 1 Thlr.; Kreissecretär B. in R. 3 Thlr.; L. S. in Karlsruhe 4 Thlr.; Personal der Börsenbank in Berlin 8 Thlr. 8 Ngr.; Knöfel in Dresden 2 Thlr. 21 Ngr. 8 Pf.; L. Trapp in London 4 Thlr.; A. Pelissur in Hanau 7 fl. rh.; K. Baur in Darmstadt 1 Thlr.; aus Danzig 2 Thlr.; Redaction des Braunschweiger Tageblattes 12 Thlr.; aus Wiesbaden 5 Thlr.; aus Kelbra[WS 1] 3 Thlr.; H. B. in Driburg 3 Thlr.; Prof. Kapp 10 Thlr.; von neun Ungenannten aus Diez und einem aus Ems mit dem Motto: „Alte Liebe rostet nicht“ 18 Thlr.; Ungenannt 1 Thlr.; beim Geburtstage des Kaisers Wilhelm von deutschen Männern gesammelt in Charkow (Rußland) und übersandt durch Obergärtner W. Staats 53 Rubel; deutsch-katholischer Frauenverein in Mainz 10 Thlr.; C. K. in Kbg. 1 Thlr.; Tschumikoff in Reval 5 Thlr.; aus Wittstock 5 Thlr.; Lomler in Straßburg 2 Thlr.; Postsecretär Horn in Annaberg 20 Ngr.; Beitrag des geselligen Verbandes in Oberleitendorf (Oesterreich) 30 fl. ö.; Finanzrath Bauer in Laibach 1 fl.; Wokulat in Görz 7 fl.; Clara Ebermann aus Galizien 2 fl.; eine österreichische Verehrerin 1 fl.; Sammlung des Feuerbach-Comités in Breslau durch Louis Burgfeld 623 Thlr. 17 Ngr.
- ↑ Zu meiner Freude habe ich aus vielfachen Zuschriften ersehen, daß gerade die sonst überschlagenen Zahlen vielen Lesern und Leserinnen meiner früheren Aufsätze sehr erwünscht gewesen sind. Es geben die Zahlen in einem wissenschaftlichen Aufsatze ein Maß, das jeder Leser versteht und das er auch zur eigenen Controle der Angaben des Verfassers benutzen kann.
- ↑ Es sind mir seit dem Erscheinen meines letzten Aufsatzes vielfache Zuschriften zugegangen, in denen Fälle plötzlichen Ergrauens nach starken Gemüthsbewegungen mitgetheilt wurden; einzelne derselben werde ich in einer besonderen kleinen Notiz in der Gartenlaube verdeutlichen, aber es waren meist Fälle, die vor vielen Jahren beobachtet worden waren und in denen daher eine Untersuchung nicht mehr angestellt werden konnte. Ich fordere zur endlichen Feststellung dieser interessanten Frage die Leser und Leserinnen der Gartenlaube nochmals auf, mir eine kurze Mittheilung zugehen zu lassen, falls sie in neuester Zeit eine solche Wahrnehmung gemacht haben sollten. Ich wiederhole: ein einziger wohl constatirter Fall würde zur Erkenntniß der Wahrheit hinreichen.
- ↑ Damit bezeichnet man in der Schweiz im scherzhaften Sinne große und kleinere Tafeleien, bei denen natürlich nur an „gute Platten“ gedacht werden darf.
Anmerkungen (TAB)
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: als Kelbra