Die Gartenlaube (1869)/Heft 41
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No. 41. | 1869. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen.
Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
„Sind diese Leute etwa Ihr Vater, mein sehr werther
Vetter, der Herr Artilleriemajor?“ fragte Frau von Fuchs in
giftigem Ton. „Dann kann ich Ihnen sagen, daß diese Voraussetzung
ein Fehlschuß ist, mit einer Bombe geschossen zwar, aber
doch fehl.“
„Jeder wie er’s versteht; Amor schießt mit Pfeil und Bogen, die Artillerie mit Bomben und Granaten,“ entgegnete Clemens im harmlosesten Ton von der Welt.
„Ja, darum nennt man sie auch das grobe Geschütz,“ warf ihm Frau von Fuchs ein.
„Amor war, so viel ich weiß, nie Artilleriemajor,“ fuhr Clemens in derselben Weise fort, „er hat mit Bomben nichts zu thun, desto mehr Bomber soll er gemacht haben. Der schlimmste ist, wenn er einen armen Teufel zwingen will, den Pfeil auf das Herz eines reichen Mädchens abzudrücken. Das ist wahrhaftig ein Bomber, der Himmel bewahre mich davor! Aber was den Papa betrifft, Tante,“ fuhr er, auf einmal wieder lebhafter werdend, fort, „so thun Sie ihm Unrecht. Er hat mir nie ein Wort über Hasso’s Aussichten gesagt. Ich wiederhole nur, was ich hier in der Stadt gehört. Von wem doch gleich? Wie heißt doch der alte Kerl von Particulier, mit dem ich alle Tage zu Mittag speise? sie nennen ihn den Bädeker von L.“
„Ach der Lindemann, das alte Klatschmaul,“ sagte die Dame in ihrer drastischen Weise.
„Er scheint ein sehr guter Freund von Hasso oder vielmehr Gönner zu sein,“ fuhr Clemens fort. „Apropos, mein unbekannter Vetter scheint’s allen alten Herren anzuthun. Mein Vater stellt ihn mir auch immer zum Muster auf, und bei alten Damen scheint er auch Glück zu haben. Man darf Sie doch wohl alt nennen, Tante? Sie haben doch darin keine Vorurtheile?“
„Nicht die mindesten, meinetwegen nennen Sie mich Methusalem!“ fuhr sie ihn an und richtete ihre Blicke wieder nach den Tanzenden hin.
Clemens nahm keine Rücksicht darauf.
„Ich bin recht neugierig Hasso kennen zu lernen,“ fuhr er zu sprechen fort. „Er hat ein Jahr in B. studirt, da arbeitete ich beim Gericht in C. Als ich zurückberufen wurde, war er schon fort. Er soll ja sehr schön singen.“
Tante Rosine nickte zerstreut. Es wurden Bouquets vertheilt, und es interessirte sie sehr zu sehen, wie viel der duftigen Blumengaben Elly und Liddy zu Theil würden.
„Wenn man nur beim Singen nicht den Mund aufmachen müßte!“ fing Clemens wieder an.
„Das thut man beim Sprechen auch, wenn es auch wahrhaftig oft besser wäre, man hielte ihn geschlossen,“ entgegnete die Tante mit grimmigem Seitenblick.
„Ach, sprechen hört man oft genug Trivialitäten,“ fuhr er ganz harmlos fort, „dazu paßt das unschöne Manöver, aber beim Gesang! Harmonie und ein offner Mund, das stimmt nicht zusammen.“
„Gott erbarme sich, durch die Nase kann man doch nicht singen!“ fuhr die Tante ihn an.
„Nein, das möchte wohl nicht hübsch klingen,“ entgegnete er ernsthaft.
Die Tante sah ihn erstaunt an. Sie wußte nicht, was sie aus ihm machen sollte.
„Ich habe die Ehre mich zu empfehlen, ich drücke mich,“ flüsterte er der Tante zu. „Wer nicht selbst tanzt, kann unmöglich einem Ball bis zu Ende beiwohnen!“
Er schlüpfte wieder auf seine gewandte Weise durch die Tanzenden und verschwand, aber freilich nur bis in das Wirthszimmer auf der andern Seite, wo er nicht nur bis der Ball zu Ende war, sondern ziemlich bis Tagesanbruch sitzen blieb, um mit einigen Gleichgesinnten die doch einmal angerissene Nacht lustig bei sprudelndem Sect und unter sprudelnder Unterhaltung vollends zu Ende zu bringen.
Ruhe schwebte über der Stadt, Ruhe über dem Hause in der G...er Vorstadt, in welchem Frau von Fuchs wohnte. Ursula hatte die Heimkehrenden empfangen, eine gemüthliche halbe Stunde wurde noch beim singenden Theekessel Unterhaltung gepflogen, die jungen Mädchen erzählten ihre kleinen Ballerlebnisse, Tante Rosine brummte über den neuen Neffen, schalt auf seinen impertinent freien Ton, rühmte sein musikalisches Lachen und seine hübsche Erscheinung und setzte hinzu:
„Das Beste an ihm ist noch, daß er sich nichts daraus zu machen scheint, ob er mir gefällt, aber nun gefällt er mir gerade.“
Dann gingen sie Alle zu Bett. Die Lampen wurden verlöscht, die Ballkleider lagen über Stühle gebreitet, die Kränze und Schleifen ruhten im bergenden Carton von den stummen Thaten des Abends aus. Sie hatten ihre Schuldigkeit als lachende Hülle lachender Seelen gethan. Die Seelen selbst spannen die Eindrücke des Abends im Traum weiter, um Morgens einander die Träume zu erzählen, unschuldige Träume, holde Bilder, die Sonnenseite [644] des Lebens widerstrahlend. – Wann wird der erste Schatten verdunkelnd auf die bunten Farben fallen, die so schön aussehen und doch nicht viel mehr bedeuten als der Staub auf den Flügeln des Schmetterlings?
Wir verlegen den Schauplatz um zehn Jahre zurück. Es war ein rauher Novembermorgen, die Sonne noch nicht aufgegangen, der Reisewagen hielt vor der Thür.
Vor wenigen Tagen hatte ein anderer Wagen dort gestanden, schwarz behängt, von traurigem Aufsehen. Er führte die Mutter der Waisen, die jetzt in das fremde Leben hinaussollten, der letzten Ruhestätte zu. Freifrau Rosine von Fuchs, die Schwägerin der Verstorbenen, hatte sich erboten die nun ganz verwaisten Kinder ihres schon früher dahingegangenen einzigen Bruders zu sich zu nehmen. Sie war reich, hatte keine näheren Verwandten. Ihr großherziges Anerbieten hatte die letzten Stunden der Leidenden versüßt, – es hatte die volle Billigung des Vormundes der Kinder, des Majors von Brücken, der auf die Nachricht vom Tode der Frau von Fuchs herbeigeeilt war, ihren Nachlaß zu ordnen und über die Reise der Kinder zu verfügen.
Sie standen oben in ihre Reisekleider gehüllt, sie hatten, die beiden Aeltesten still, die kleinen Zwillinge mit heißen Thränen, der mütterlichen Heimath Lebewohl gesagt, der alte Herr gab, wohl hauptsächlich dem vierzehnjährigen Hasso und seiner um ein Jahr älteren Schwester Ursula, noch manche goldene Lebensregel mit auf den Weg.
Bei grauer Dämmerung fuhren die Reisenden aus und grau und trübselig lag der ganze Tag vor ihnen. Dann ging die Sonne auf, für die Stadtkinder ein nie gesehenes Schauspiel, das augenblicklich die Scenerie änderte und der bis dahin noch gedrückten Stimmung auf einmal einen wohlthätigen Schwung verlieh. Wie kann man in einer Welt verzagen, in der täglich die Sonne aufgeht!
In einer kleinen Stadt wurde Mittagsrast gemacht. Hasso ließ sich und den Geschwistern eine aparte Stube geben, Ursula bestellte das Essen, sie kamen sich wie die Eltern der beiden kleinen Mädchen vor und fühlten das Verantwortliche ihrer Stellung mit einer Art ernster Genugthuung.
Den Zwillingsschwestern Elly und Liddy kam es unendlich interessant vor, in einem fremden Ort, in einem Wirthshause zu speisen. Das war noch nie geschehen. Aber als sie an dem gedeckten Tisch Platz nahmen und Hasso das Tischgebet sprach, dasselbe, das die Mutter sonst gesprochen hatte, als ihm das Wasser hell in die Augen schoß und Ursula’s Lippen zuckten, da weinten sie laut, aber das Essen schmeckte ihnen doch und die Weiterreise wurde mit frischem Muth angetreten.
Vor Abend konnten sie nicht in L. bei der Tante sein, aber wie früh löst im November der Abend den Tag ab, besonders wenn dieser consequent in den weißen Schneemantel gehüllt bleibt.
Wohl hundertmal fragten Liddy und Elly den Kutscher, ob sie noch nicht bald da wären. Er nannte immer noch eine Meilenzahl, die ihre Ungeduld erhöhte. Der Kutscher gehörte auch zu der lieben zerrissenen Häuslichkeit. Er war ein Gülzenower Kind und zählte schon deshalb zur Familie. Der verstorbene Vater der Kinder hatte ihn als blutjungen Menschen zu seinem Dienst herangezogen und er sich so vortrefflich bewiesen, daß die Wittwe ihn nach dessen Tode behielt. Er war noch ein ziemlich junger Mensch, kaum vierunddreißig Jahr alt, aber für die jungen Kinder, die von Anbeginn ihres Lebens immer dasselbe Gesicht im Hause gesehen, hatte Joseph schon etwas Patriarchalisches.
Endlich hieß es. „da ist ein Kirchthurm zu sehen, da ein zweiter, dritter, das ist L. Jetzt fahren wir in die G ... er Vorstadt ein, dort das Haus mit dem Kastanienbaum vor der Thür ist es, dort wohnt die Tante.“
Die beiden Kleinen, die schon ganz reisemüde waren, athmeten fröhlich auf, den Aelteren fiel, so zu sagen, das Herz vor die Füße. Ein Gefühl unsäglicher Bangigkeit ergriff sie. Seit dem Tode des Vaters war die Tante nicht mehr in ihr Hans gekommen, sie hatten nur ein undeutliches Bild von ihr in der Seele und das gemahnte an harte, wenig einnehmende Züge. Sie reichten einander stumm die Hände. Es war ein Schutz- und Trutzbündniß für schlimme und gute Zeiten.
Der Wagen hielt. An einem der Fenster der Beletage wurde ein Vorhang etwas zurückgeschoben und ein von steifem Haubenstrich eingerahmtes Gesicht blickte neugierig hinunter. Zu gleicher Zeit ging die Hausthür auf, ein Diener kam den Wagenschlag zu öffnen und den Kindern herauszuhelfen, aber Joseph war schon vom Bock herunter und ihm zuvorgekommen.
„Ich muß gleich Abschied nehmen, ich fahre morgen in der Frühe zurück,“ sagte er mit mühsam bekämpftem Zittern der Stimme.
Die kleinen Mädchen hingen sich an ihn.
„Lieber, lieber Joseph, bleib’,“ baten sie.
Ursula verwies ihnen freundlich die unverständige Bitte. Sie selbst reichte Joseph mit zutraulichem Kopfnicken die Hand, sie brachte kein Wort heraus.
„Leb’ wohl, alter Joseph,“ sagte Hasso. „Nun geht unser letzter Freund! Wann, wo werden wir uns wiedersehen?“
„So Gott will, auf Gülzenow,“ entgegnete Joseph, dem es nun gelungen war, seine Bewegung zu unterdrücken, mit kräftiger Stimme. „Auf Gülzenow. Ich bleibe jetzt beim Vater in der Wirthschaft, und wenn der Herr Junker Herr auf Gülzenow sein werden, dann werde ich wieder Herrendiener, jetzt will ich meines Vaters Knecht sein.“
„Herr von Gülzenow, das hat gute Wege,“ meinte Hasso, „aber irgendwo auf’s Laub gehe ich und dann kommst Du zu mir, das ist abgemacht, dann wollen wir zusammen wirtschaften“
„Die gnädige Tante werden ungeduldig sein, wollen die Herrschaften nicht heraufkommen?“ mahnte Johann, der Freifrau von Fuchs Kammerdiener.
Noch ein Lebewohl aus Aller Munde, Joseph sprang auf den Bock.
„Noch nicht fortfahren, warten!“ rief eine Stimme oben aus dem geöffneten Fenster, das aber gleich wieder geschlossen wurde.
"Hast Du gehört, Joseph? Du sollst warten,“ sagte Hasso und folgte nun seinen Schwestern ins Haus, die Treppe hinauf, in’s erste Geschoß.
Auf dem Flur wartete ihrer Dore, die mit der Tante alt gewordene Dienerin, hieß sie ablegen, den Kleinen dabei helfend, wobei sie ein „Gott bewahre mich, Ihr seht ja aus Eine wie die Andere!“ ausstieß und Hasso wie Ursula einer strengen Musterung unterwarf.
„Nanu wird wohl schön Alles im Hause zerschlagen werden,“ sagte sie dann mit einem Seitenblick auf Hasso, „der junge Herr scheinen gerade in dem Alter dazu. Alle Glieder zu lang und noch nicht Saft und Kraft darin. Nun, hier wird’s wohl werden, unsere Line kocht gut, hat’s von mir gelernt, die gnädige Frau hält was auf gute Bissen.“
Hasso lachte zu der Bemerkung über seine langen Glieder, die daran geknüpfte Verheißung machte wenig Eindruck.
„Wir sind fertig, dürfen wir jetzt zur Tante gehen?“ fragte Ursula mit ihrer leisen Stimme, die so gut zu ihrem anspruchslosen Aeußern paßte und doch etwas Festes und Sicheres hatte, das etwaigem Widerspruch vorzubeugen schien.
„Ja, ja, Sie dürfen, gnädiges Fräulein,“ stotterte Dore.
Ursula lächelte.
„Nennen Sie mich nur lieber Ursula, wie Sie’s sonst thaten. Ich höre meinen Namen lieber, und meine Gnade wird wohl vorläufig noch nicht viel zu bedeuten haben.“
Dore knixte.
„Nun, wenn Sie’s denn erlauben,“ sagte sie, während ihre brummige Miene sich gleichfals aufhellte, "Fräulein Ursula. Gott, wie das herangewachsen ist!“ Sie betrachtete Ursula forschend. „Sie werden nicht von ihr verzogen werden,“ setzte sie dann hinzu, „machen Sie sich nichts daraus, Herzenskind, ich werde es thun. Gleichgewicht muß sein in der Welt.“
Ursula sah erstaunt die Redende an. Sie verstand nicht gleich, was sie meinte, hatte auch keine Zeit darüber nachzudenken, denn jetzt wurde die Thür geöffnet und eine große starkknochige Dame erschien in derselben. Sie hatte hastige, ungraziöse Bewegungen, ein strenges trotziges Gesicht, kleine, meist spitz und scharf blickende Augen, in denen aber doch zuweilen, wie eben jetzt, Wohlwollen, ja sogar nicht selten enthusiastisches Empfinden aufloderte, das die Härte der Züge und des Ausdruckes wunderbar milderte und wie verschönend überhauchte.
„Na, seid Ihr da? Nur herein, kleines Gekrassel!“ rief sie den Kindern zu. „Herr Gott, der große Junge! Mensch, was mach’ ich mit Dir? Eins, zwei, drei, vier Stück, richtig abgeliefert. [645] Johann kann es dem Kutscher bescheinigen. In Thalerscheinen natürlich, und Du, Dore, sorge für Abendbrod.“
Die Kinder waren eingetreten. Ein behaglich durchwärmtes Zimmer nahm sie auf, die Tante winkte ihnen an’s Licht zu treten. Hell fiel der Lampenschein auf die beiden Aeltesten, Liddy und Elly standen im Schatten eines großen Lehnstuhls.
„Wie alt bist Du?“ fragte die Tante Hasso.
„Vierzehn Jahr.“
„Und Ursula?“
„Fünfzehn,“ lautete die Antwort.
„Weißt Du schon, was Du werden willst?“ wandte sie sich wieder an den Ersten.
„Jäger oder Landwirth,“ entgegnete er ohne sich zu besinnen.
Ein mißtrauischer Blick schoß aus Rosinens Augen.
„Spukt Dir etwa Gülzenow im Kopf?“ fragte sie rauh. „kann’s vererben, wem ich will, ich kann es alle Tage verkaufen, darauf mache Dir keine Rechnung.“
Hasso antwortete nicht. Der ehrliebende Knabe fühlte sich halb verletzt, halb verlegen durch einen Ton, der fremd wie nicht in seine Welt gehörig in sein Ohr klang.
„Landwirth werden ohne sichern Güterbesitz? Unsinn!“ fuhr die Tante fort.
„Was man nicht hat, kann man erwerben,“ sagte Hasso mit rasch erwachtem Selbstbewußtsein, „wenn man keine eigne Wirthschaft hat, arbeitet man in fremder,“ setzte er bescheiden hinzu.
Seine ehrliche Miene, der offene Blick, mit dem er die Tante ansah, besänftigte diese.
„Gut, wir wollen sehen, was sich aus Dir machen läßt,“ sagte sie freundlicher und fuhr dann, Ursula’s kleine gedrungene Gestalt, ihre wenig hübschen Züge mit bedenklichem Kopfschütteln betrachtend, fort. „Für Dich wird’s eine Stiftsstelle thun, eine Leibrente oder etwas Derartiges. Wo hast Du nur Dein Gesicht her? Von Vater und Mutter nicht, das waren schöne Leute.“
„Ich denke, vom lieben Gott,“ sagte Ursula gelassen.
„Nun, so bedank’ Dich bei ihm!“ lautete die rasche Entgegnung.
Dann winkte Tante Rosine den Zwillingen, näher zu treten.
„Euch kenne ich ja noch gar nicht,“ sagte sie. „Ihr armen Dinger wurdet nach des Vaters Tode geboren, und seit er todt war, was sollte ich da bei Euch! Kommt, laßt Euch ansehen. Himmlischer Gott, wie seltsam!“ rief sie aus, als jene schüchtern und verlegen dem Gebot gehorchten. „Ihr gleicht Euch ja, wie ein Tropfen Wasser dem andern. Kommt her, Ihr Blumen an einem Stengel, Ihr blauäugigen Goldköpfchen! Was Ihr für hübsche Narren seid, und nun diese Aehnlichkeit! O, so etwas amüsirt mich, Ihr allerliebstes kleines Spielzeug Ihr, so recht zum Verziehen geschaffen!“
Sie setzte sich auf einen Lehnstuhl, zog die Kinder zu sich heran und betrachtete sie mit bewundernden Blicken.
In der That rechtfertigte der holde Anblick wohl die Bewunderung, wenn auch allerdings nicht den lauten unverständigen Ausdruck derselben. Die Kinder waren wunderhübsch. Sie sahen mit ihren rosigen Gesichtern und blonden Haaren in der düstern Trauerkleidung gerade aus wie zwei Moosrosenknospen, die lauschig aus der dunkeln Umhüllung des Mooses herausblicken. Eine genau wie die andere, nur der dunkle kleine Leberfleck, den Elly über dem rechten Auge hatte, machte es möglich sie zu unterscheiden.
„Ihr hübschen Affen, Euch werde ich lieb haben!“ sagte die Tante und küßte die Kinder. „Könnt Ihr schon was, seid Ihr schon in die Schule gegangen?“
„Zu Schwester Ursula,“ lautete die Antwort der Kleinen.
„So, das ist ja gut, wenn Du dazu zu brauchen bist,“ sagte die Tante mit einem wohlwollenden Blick auf Ursula. „Was habt Ihr bei Ursula gelernt?“
„Lesen, schreiben, rechnen, decliniren –“
„Laßt’s gut sein, Kinder,“ fiel die Tante aufgeheitert dazwischen. „Ihr könnt ja schon sehr viel. Vielleicht lernt Ihr auch noch singen und dann ist vollends Alles gut.“
„O wir können schon, können schon,“ versicherten die Zwillinge und stimmten gleich, die Wahrheit der Aussage zu bekräftigen, unaufgefordert eines der lieblichen Kinderlieder an, die sie von der Mutter gelernt, als diese gesund war und womit sie ihr manche bange Leidensstunde verkürzt hatten. Die feinen Stimmen klangen hell wie eine silberne Glocke, nicht ein unreiner Ton beleidigte das musikalische Ohr der Tante. Sie sang leise mit, auch Hasso und Ursula folgten aus alter Gewohnheit. Hasso’s hoher Knabentenor und Ursula’s weicher Alt vollendete die Harmonie. Tante Rosine küßte die Kinder nach der Reihe, als das Lied aus war.
„Nun habe ich, was ich für mein Leben brauche,“ sagte sie und rieb sich vergnügt die Hände.
Dore rief zum Abendbrod. Es war vorzüglich zubereitet und würde ein andermal den Kindern wohl trefflich gemundet haben, aber nach dem Lied regte sich das mühsam unterdrückte Heimweh in den beiden Aelteren und bei den Kleinen meldete sich der Sandmann, der ihnen zuletzt die Körner so grob in die Augen streng daß alles Aufreißen nichts mehr half.
Die Tante machte der Qual ein Ende, indem sie sie sämmtlich zu Bett schickte, die Ermüdung der Reise auszuschlafen und gestärkt zu einem neuen Lebensabschnitt zu erwachen.
Sie selbst wanderte, die Arme gekreuzt, noch lange nachdenklich im Zimmer auf und ab. Es war immerhin keine Kleinigkeit, einen so einsamen Hausstand plötzlich um vier Menschen vermehrt zu sehen, die Alle ihren besonderen Anspruch an Liebe und Fürsorge erhoben. Der Entschluß, die Kinder ihres Bruders zu sich zu nehmen, in einer enthusiastischen Aufwallung gefaßt, war nun ausgeführt. Ein wahrer Gedankensturm ergriff sie, eine Felsenlast neuer Pflichten schwerer Verantwortung fiel auf ihre Seele. Es ist ein so ungeheurer Sprung von einem bloßen Project bis zu dessen Ausführung.
Sie hatte sich Hasso nicht so groß, so, sie wußte selbst nicht wie, gedacht. Es war etwas in Ursula’s ruhiger Miene, was sie beirrte. Sie ahnte ein Uebergewicht, das Uebergewicht, das ein harmonisch gestimmtes Gemüth immer über ein solches behaupten wird, das jeder leidenschaftlichen Regung nachgiebt – sie schaute in eine Tiefe, die ihr fremd, unverständlich war.
„Ach was!“ – Mit einer energischen Bewegung riß sie ihre Haube vom Kopf und warf sie in die entfernteste Ecke des Zimmers. Dann klingelte sie.
Johann trat ein.
„Was sagte der Kutscher, der die jungen Herrschaften hergebracht, zu meinem Neffen? Er ist so lange im Hause gewesen, war der Abschied sehr traurig?“
„Ich kann’s nicht wohl sagen, ich habe nicht hingehört, aber ich glaube, er bat den jungen Herrn, ihn in Dienst zu nehmen, wenn er Herr von Gülzenow sein würde,“ entgegnete Johann mit höchst unschuldiger Miene.
Tante Rosine griff nach dem Kopf, aber die Haube saß nicht mehr auf demselben und das brachte sie zu sich.
„Das ist vorsorglich,“ sagte sie in einem gleichgültig sein sollenden Ton. „Mein Neffe versprach es ihm doch?“
„Ich weiß nicht, ich habe nicht hin gehört, ich denke, der junge Herr werden wohl gesagt haben. ‚Erst haben, Freundchen, dann –‘“
Eine dritte Bewegung der Hand nach dem Kopf.
„Es ist gut, Sie können gehen, Dore soll kommen!“
Dore kam, ihre Herrin zu entkleiden. Die Kinder in dem an das Schlafzimmer der Tante grenzenden Gemach schliefen den tiefen, festen Schlaf der Unschuld, sonst würden die Kleinen, erschrocken über den ungewohnten zänkischen Ton der Unterhaltung, furchtsam die Decken über den Kopf gezogen und Ursula’s Herz mit noch schmerzhafterer Sehnsucht nach dem himmlischen Frieden, der liebevollen Einigkeit der verlorenen Heimath zurückgeblickt haben.
„Der Herr Vormund sind gefälligst ein Esel,“ erklärte Tante Rosine, nachdem sie das Schreiben gelesen, das Hasso ihr am nächsten Morgen im Auftrage desselben überreichte. „Weißt Du, was er mir schreibt?“ fragte sie und sah den Knaben forschend an.
Dieser verneinte.
„Wenn man Dir nur glauben könnte, Jungens lügen alle,“ erklärte die Tante.
„Ich lüge nicht,“ versicherte Hasso.
Die Tante sah ihn noch immer mißtrauisch an.
„Hat er Dir auch nicht erzählt. daß ich sehr reich bin und daß ich die Verpflichtung habe, Euch mein Geld zu vermachen?“ fuhr sie in heftigem Tone fort.
[646] „Nein,“ versicherte Hasso abermals.
„Auch nicht,“ rief sie noch heftiger aus, „daß ich eigentlich mit Unrecht Gülzenow besitze, obgleich, wenn ich’s nicht meinem Vater gerettet hätte, wer weiß, wer sich heut’ breit darauf machte? Er hat Euch nichts erzählt von dem, was die Narren sagen, von einem verloren gegangenen Testament und dergleichen?“
„Nichts, Tante, ich weiß von alledem nichts,“ betheuerte Hasso. „Ich weiß nur, daß Du die Schwester meines Vaters bist und daß die Mutter Freudenthränen weinte, als Dein Brief kam, der ihr die Sorge um uns vom Herzen nahm.“
Er hatte das sehr innig gesagt, seine Augen standen voll Thränen, die Tante schien erweicht.
„So hat er Dir also nicht aufgetragen in Gülzenow nachzustöbern?“
Hasso zuckte diesmal nur die Achseln.
„So kommt zum Frühstück,“ brach die Tante kurz ab.
Sie saßen noch am Kaffeetisch, Hasso und Ursula mit nachdenklichen Mienen, die Kleinen lachend und plappernd und von der Tante mit derben Liebesworten überschüttet, als ein leises Klopfen ertönte und auf Rosinens „Herein!“ – ein alter Herr eintrat, der ein kleines Mädchen an der Hand führte.
„Ach, lieber Fröhlich,“ rief, die Tante ihm entgegen, „plagt Sie der Satan, daß Sie nun gar des Morgens früh, schon herunterkommen?“
„Der Satan nicht, aber die Neugierde und die Rose,“ er deutete auf das Kind, das sich schüchtern an ihn schmiegte und den Kopf verschämt senkte, so daß die langen hellbraunen Locken ihr über das kleine erröthende Gesichtchen fielen. „Sie hat sich so auf die neuen Gespielinnen gefreut,“ setzte er erklärend hinzu.
„Nun, so komm, da sind sie!“ rief Rosine barsch, faßte das kleine Mädchen bei der Hand und führte sie den Zwillingsschwestern zu.
Ganz erstaunt blieb das Kind vor ihnen stehen, erschrocken ausrufend:
„Großvater, das sind ja dieselben, die ist die, und die ist auch wieder die!“
Die alten Herrschaften und die größeren Kinder lachten. Elly sagte ernsthaft:
„Wir sind Zwillinge, davon kommt das.“
„Ja, davon,“ bekräftigte Liddy.
„Sie ist sechs Jahre und ich bin sechs Jahre und am fünften November haben wir Beide einen Geburtstag,“ fuhr Elly zu erklären fort und Liddy öffnete schon wieder den kleinen Schnabel zur Wiederholung, aber Rose unterbrach sie.
„Ich bin acht Jahre und mein Geburtstag ist im Juli.“
„Dem Rosenmonat, natürlich,“ sagte Hasso, das engelschöne Kind mit sichtlichem Wohlgefallen betrachtend, mit rasch erwachter Knabengalanterie, die ihm einen freundlichen Blick Herrn Fröhlich’s und einen derben Schlag auf die Schulter Seitens seiner Tante einbrachte, die ihm ein lachendes „Courmacher, fängst früh an Süßholz zu raspeln“ zurief.
Die Bekanntschaft der Kinder war gemacht, sie saßen bald auf dem Fenstertritt der Tante, in eifriges Plaudern und Lachen vertieft. Es war ein reizender Anblick, den die drei lieblichen Kinder darboten, ein unvergeßliches Bild, alle drei so unschuldig in die Welt blickend, so voll zarter Frische und lieblicher Anmuth.
„Nicht wahr, sie sind hübsch?“ sagte die Dame in herausforderndem Ton zu Herrn Fröhlich, „wahre kleine Engel!“
„Affen,“ brummte Dore dazwischen.
„Dore, Du bist schon wieder impertinent,“ schalt Frau von Fuchs.
„Und Sie sind schon wieder ungerecht,“ entgegnete die Dienerin. „Was Engel! Engel sind inwendige Geschöpfe, nicht auswendige, und in die kleinen Kröten hat noch Keiner hineingesehen. Ich lobe mir die Große. sie hätten ’mal sehen sollen, wie sie die Erste aus dem Bett war und wie sauber und flink sie sich zurechtmachte und den Kleinen half und das Alles so still und freundlich; na, ich weiß wohl, wo ich den Engel suche.“
„Engel! Affe!“ entgegnete ihre Herrin.
„Meinetwegen auch, wenn wir todt sind, ist Alles gleich, im schönen Himmel sind wir Alle Engel.“
„Affen!“ schrie Tante Rosine in der Gewohnheit des Widerspruchs, lachte aber dann über sich selbst und klopfte der alten Dienerin auf die Schulter, die ihrer Herrin einen schielenden Blick zuwarf, der unendlich komisch war, und nach dem Weißbrodkorb in der Absicht langte, ihn wie jedesmal nach vollendetem Frühstück zu verschließen.
„Sieh Dich vor, Hasso,“ rief Rosine lachend ihrem Neffen zu, „Sieh Dich vor, daß Du Dich bei den Mahlzeiten satt ißt, kein Gott entringt ihr in den Zwischenzeiten den Speisekammerschlüssel.“ Und zu Herrn Fröhlich gewendet setzte sie hinzu: „Semmel schadet ja wohl der Stimme nicht? Wenn ich nicht irre, haben wir hier alle Anlage“ – sie zeigte auf Hasso – „eine gute Stimme zu bekommen und das könnte schlimmsten Falles viel gut machen.“
Herr Fröhlich war einst ein nicht unberühmter Sänger an einer königlichen Hofbühne gewesen. Aus jenen Tagen war ihm zwar nur eine schwache Stimme, aber warme Begeisterung für die ehemalige Kunst und, was äußerliche Verhältnisse betraf, einige Trümmer eines ehemaligen so leicht erworbenen Vermögens geblieben, das er durch Unterrichtgeben, für seine Enkelin zu vergrößern strebte.
Er beantwortete der Tante Frage mit einem lächelnden „daß ich nicht wüßte“, setzte aber dann singend hinzu: „Sie denken also daran, die Kinder im Hause zu behalten? Was sagten Sie doch gestern noch von Pension und dergleichen?“
„Ja wohl, das war mein Vorsatz,“ entgegnete die Dame, „aber haben Sie nicht gestern Abend noch singen hören?“
Der Sänger nickte.
„Na!“ sagte Frau von Fuchs, als wäre damit Alles erledigt, „die Kleinen hätte ich so nicht fortgegeben, die werden ein netter Zeitvertreib sein, die lächerlichen hübschen Dinger mit ihrer komischen Ähnlichkeit. Mit Ursula wird sich nicht Staat machen lassen und mit dem Jungen auch erst, wenn seine ungestalteten Gliedmaßen mehr Façon bekommen haben, aber hübsche Stimmen haben alle Beide. Sie können nur gleich anfangen mit Unterrichtgeben, Herr Fröhlich! Die Kleinen lassen wir dann zuhören und Kinderlieder singen, das übt das Gehör. O, denken Sie, wenn ich so künftig meine Capelle im Hause habe!“
Die kleinen Augen der Dame funkelten vor Musikenthusiasmus.
„Bis dahin möchte eine geraume Zeit vergehen,“ meinte Herr Fröhlich.
„Nicht zu lange, das bitte ich mir aus,“ unterbrach sie ihn heftig, „ich bin jetzt sechsundfünfzig Jahre alt. ,Das ist kein Alter, werden Sie sagen, aber passen Sie auf, ich sterbe früh. Mein Vater ist in seinen besten Jahren, mein Bruder ist gar jung gestorben an demselben Herzübel, das mich ’mal wie ein Hauch wegblasen wird. Wenn ich im Grabe liege, wird mir Keiner mehr vorsingen und vorspielen, und die hübschen Augen und leichten Herzen, die sich dann in meinem Eigenthum bene thun – ha, ich könnte hassen deshalb, was kümmern mich die!“
Die kleinen Mädchen saßen während dieses Zwiegesprächs immer noch auf dem Fenstertritt und Hasso, der sich zu ihnen gesellt, mitten unter ihnen, die Fröhlichkeit der Kinder nur erhöhend, denn er war sehr geliebt von seinen Schwestern. Er hatte selbst noch ein offenes Kinderherz und nichts an sich von jener Großthuerei und Ueberhebung, mit der seine Altersgenossen sich oft zum Herrscher der jüngeren Schwestern aufwerfen und deren Gespielinnen durch impertinente Arroganz einzuschüchtern versuchen.
Das Bild des Meisters.
Am siebenzehnten December 1870 wird ganz Deutschland abermals ein hundertjähriges Jubiläum feiern: das eines seiner größten Tondichter – Beethoven’s! Ich habe vor sieben Jahren schon eine gedrängte Uebersicht von des wunderbaren Meisters Wesen als Künstler und Mensch in diesem Weltblatt niedergelegt. („Ein neues Künstlerdenkmal“, Jahrgang 1862, S. 457 ff.) Heute will ich einige Notizen über das vorstehende Bild und das Aeußere Beethoven’s mittheilen, die nur Wenigen bekannt, aber für alle von Interesse sein werden.
Von Beethoven existiren unzählige Portraits, Medaillons, [647] Büsten, sie sind aber alle mehr oder weniger unähnlich. Nur eines, das hier gegebene, stellt den großen Tondichter in voller Treue dar, wie er in seinem neunundvierzigsten Lebensjahre ausgesehen. Es ist von dem berühmten bairischen Hofmaler Stieler gemalt, der längere Zeit in Wien lebte und mit Beethoven befreundet war. Oefter hatte er den eigensinnigen Meister gebeten, sich von ihm malen zu lassen, aber vergebens. Durch Vermittelung einer Frau von Brentano, in deren Familie er viel Freundschaft und Liebe gefunden, wurde sein Widerstand gebrochen.
Eines Tages trat Beethoven mit den Worten in Stieler’s
Atelier: „Sie werden’s wohl schon wissen, – ich soll mich ja malen
lassen, und da bin ich nun.“ Hocherfreut ging Stieler sogleich
an’s Werk, und so entstand das unvergleichlich ähnliche Brustbild
Beethoven’s. Da der feurige Geist des Tondichters sich nur
ungern dem Zwang des Sitzens beim Malen unterwarf, so mußte
Stieler diesmal schneller arbeiten, und das Portrait ist deshalb
weniger ausgeführt, als er sonst zu thun pflegte. Allein nach
Stieler’s eigener Aussage gereicht das dem Portrait Beethoven’s
nur zum Vortheil. Der geniale Ausdruck des großen musikalischen
Genius kam durch die freie skizzenhafte Ausführung des Bildes
um so besser zur Anschauung. Der Componist ist dargestellt, wie
er gerade an der Missa solemnis arbeitet. Es war der Wunsch
Beethoven’s, den Titel dieses Werkes, als seiner liebsten Schöpfung,
unter dem Bilde zu haben.
Die sinnigen braunen Augen scheinen in eine andere Welt zu blicken; unvergleichlich ist dieser ganz in das Innere gekehrte Ausdruck des schaffenden Tongenius wiedergegeben, der auf keinem anderen Portrait Beethoven’s wieder zu finden ist. Stieler erzählte, [648] Beethoven habe ihm versichert, daß er sich bisher nie habe malen lassen und es nie mehr thun werde, was er aller Wahrscheinlichkeit nach gethan hat, da neben diesem Originalbilde alle anderen Portraits kalt, wild und fremd erscheinen, keines den tiefen, wohlthuenden Ausdruck wiedergiebt, welcher hier zur Liebe und Bewunderung auffordert. Die Haare, grau melirt schon, aber in Fülle, umgeben die prachtvolle Denkerstirn. Die braunen Augen haben noch die Eigenthümlichkeit, daß sie einen blauen Eindruck machen, weil der Augapfel mit einem Weiß umgeben ist, das einen merkwürdig bläulichen Schimmer ausstrahlt. Der Teint hat von den Pocken etwas gelitten, ist aber frisch und blühend. Ein rother, genial um den Hals geschlungener Shawl hebt sich eigenthümlich ab unter dem breiten weißen Hemdkragen. Im Waldesdunkel, von Laubwerk umrahmt, wie er den göttlichen Offenbarungen seines Genius lauscht, hat Stieler hier Beethoven verewigt.
So das Bild des Münchener Meisters in Farben. Was die Zeichnung darnach wiedergeben kann, ist hier in trefflicher Weise geschehen.
Nicht blos Bücher, auch Gemälde haben ihre Schicksale. Vor etwa dreißig Jahren, als sich in Braunschweig ein Kunstverein bildete, schrieb man von dort an Stieler und bat ihn, eines seiner Werke zu der ersten Ausstellung zu senden. Der Künstler schickte als das Interessanteste das Originalportrait Beethoven’s. Das Bild fiel von der Staffelei und wurde an der Seite etwas verletzt. Dies diente als Vorwand zum Ankauf, denn Stieler hatte, sich keineswegs von dem für ihn so theuren Kleinod trennen wollen. Einige Jahre später kam es durch Verloosung in den Besitz des Kammerbaumeisters Wilhelm Spohr, und seit zehn Jahren ist es Eigenthum seiner Tochter, der Frau Gräfin von Sauerma, geborenen Spohr, deren Güte wir diese interessanten Notizen und die Einsendung des Originalgemäldes zur Copirung für die „Gartenlaube“ zu danken haben.
Vernehmen wir nun noch, wie Beethoven’s Aeußeres als junger Mann, und sodann, wie es nahe am Ende seines Lebens von Augenzeugen gesehen und geschildert worden ist. Die erste Zeichnung mit Worten verdanken wir dem fleißigen Beethovenforscher Ludwig Nohl. Vor etwa zwei Jahren lernte er in Augsburg eine noch lebende Zeitgenossin Beethoven’s, die, im Jahre 1783 geborene Frau von Bernhard kennen. Sie ist die Tochter des Herrn von Küssow[WS 1], der im Anfange der achtziger Jahre von Reval nach Augsburg zog und sich dort verheirathete. Im Jahre 1794 kam sie als zwölfjähriges aufgewecktes Mädchen nach Wien in das Haus des ersten Secretärs des russischen Botschafters, Herrn von Klüpfell. Als fertige Clavierspielerin schon, die Claviersonaten Beethoven’s besonders gut vortragend, zog man sie zu den familiären Musikunterhaltungen bei den Gönnern des jungen Meisters, den Fürsten Lichnowsky und Rasumowsky. Dort lernte Beethoven sie kennen und ihr Talent so schätzen, daß er ihr selbst von da an fast jedesmal ein Exemplar seiner jüngsten Claviersachen, sobald sie im Druck erschienen waren, mit einem kleinen meist scherzhaften Briefchen zuzusenden pflegte. Von da an sah sie den jungen Künstler sehr häufig; denn Herr von Klüpfell war ebenfalls sehr musikalisch und Beethoven spielte dort oft Stunden lang, aber stets „ohne Noten“. Da ist nun die Dame voll von Erinnerungen an die ungestümen Eigenheiten des jungen Künstlers.
„Wenn er in unser Haus kam, steckte er gewöhnlich erst den Kopf durch die Thür und vergewisserte sich, ob nicht Jemand da sei, der ihm mißbehagte. Er war klein und unscheinbar, mit einem häßlichen rothen Gesicht voll Pockennarben. Sein Haar war ganz dunkel und hing fast zottig um’s Gesicht. Sein Anzug war sehr gewöhnlich und nicht entfernt von der Gewähltheit, die in jener Zeit und zumal in unseren Kreisen üblich war. Dabei sprach er sehr im Dialekt in einer etwas gewöhnlichen Ausdrucksweise, wie denn überhaupt sein Wesen nichts von äußerer Bildung verrieth, vielmehr unmanierlich in Geberden und Benehmen erschien. Er war sehr stolz; ich habe gesehen, wie die Mutter der Fürstin Lichnowsky, die alte Gräfin Thun, freilich eine sehr excentrische Dame, vor ihm, der in der Sophaecke lehnte, auf den Knieen lag, ihn zu bitten, daß er doch etwas spiele. Beethoven geruhte aber nicht, ihren Bitten zu willfahren.“
Sollte man meinen, daß ein solch ungeleckter Bär – Tanzunterricht genommen? In seinem Tagebuch steht aber notirt: „Otto Andreas Ludner, Tanzmeister, wohnt am Stoß im Himmel Nr. 415.“ Und in der That hat Beethoven, nach Schindler’s Versicherung, leidenschaftlich gern getanzt, wozu aber Ries, sein Schüler, die fast unglaubliche Bemerkung macht, daß sein Meister nicht einmal richtig im Tact habe tanzen können, und überhaupt im Gebrauch seiner Glieder so unsicher gewesen sei, daß er nichts habe anrühren können, ohne es zu zerbrechen. Merkwürdig ist der Ton, den er sich gegen seine Gönner aus den höchsten Kreisen des Adels erlaubte. Mit Zmeskall [WS 2] von Domanovecz, der Cello spielte, ging er auf die rücksichtsloseste Weise um. Er sprach zu ihm oder schrieb wohl an ihn: „Mein wohlfeiler Baron, mon ami à bon marché,“ oder: „Liebster siegreicher und doch zuweilen manquirender Graf“ oder „Graf, Graf, Graf, liebster Graf, liebstes Schaf.“ Solche und ähnliche unfeine Scherze ließen sich die Grafen und Fürsten von ihm gefallen. Das war in den Zeiten seiner Jugend und seines stolzen Uebermuthes.
Anders sah ihn Rochlitz im Sommer 1822 in Wien fünf Jahre vor seinem Tode. „Wäre ich nicht vorbereitet gewesen,“ schreibt er, „sein Anblick würde auf mich störend gewirkt haben. Nicht das vernachlässigte fast verwilderte Aeußere, nicht das dichte schwarze Haar, das struppig um seinen Kopf hing und dergleichen, sondern das Ganze seiner Erscheinung. Denke Dir einen Mann von etwa fünfzig Jahren, mehr noch kleiner, als mittler, aber sehr kräftiger stämmiger Statur, gedrungen, besonders von starkem Knochenbau – ohngefähr wie Fichte’s, nur fleischiger und besonders von vollerem, runderem Gesicht; rothe gesunde Farbe; unruhige, leuchtende, ja bei fixirtem Blick fast stechende Augen; keine oder hastige Bewegungen; im Ausdruck des Antlitzes, besonders des geist- und lebensvollen Auges eine Mischung oder ein zuweilen augenblicklicher Wechsel von herzlichster Gutmüthigkeit und von Scheu; in der ganzen Haltung jene Spannung, jenes unruhige, besorgte Lauschen des Tauben, der sehr lebhaft empfindet; jetzt ein froh und frei hingeworfenes Wort – sogleich wieder ein Versinken in düsteres Schweigen.“
Wer, der nichts von Beethoven gewußt und ihn nicht auf dem zwar treuen, aber doch ideal gehaltenen Bilde Stieler’s, sondern im wirklichen Leben gesehen, wer hätte aus der plumpen, ungelenken Gestalt, aus dem oft so ungeschlachten Betragen und aus den meist so harten und düsteren Zügen des rothnarbigen Antlitzes den größten Tonmeister des Jahrhunderts erkennen sollen, der alle Affecte, alle Gefühle, alle Leidenschaften, welche die Menschenbrust bewegen, mit gleich treffender Wahrheit zu zeichnen, alle durch die Schönheit seiner Melodieen und den unnachahmlichen Zauber seiner musikalischen Farbengebung zu verklären wußte!
Es war in dem ersten Jahrzehent dieses Jahrhunderts, als von Königsberg in Preußen her eine Gesellschaft von etwa zehn Personen mit der Post aufbrach, um über Cranz – jetzt ein blühender Seebadeort, damals ein elendes Fischerdorf – die kurische Nehrung entlang nach Memel und von da weiter nach Rußland zu reisen. Die Reise war eine sehr beschwerliche und selbst mit Gefahren mancherlei Art verknüpft. Von Cranz ab führte die alte Poststraße bis nach Memel hin mit wenigen Unterbrechungen die öden Sanddünen entlang, welche oft hundert und mehr Fuß hoch sich steil abdachen, so daß sie aus einiger Entfernung fast die Fahrstraße zu bedrohen scheinen. Und sie thun es in der That. Nicht daß sie wie Lawinen plötzlich hinabstürzen auf den armen Reisenden, nein, allmählich dringen sie bei heftige Stürmen immer weiter vor. Es ist ein eigenthümlicher Anblick, wenn eine solche Sanddüne ihre Wanderschaft beginnt. Der tobende Weststurm bemächtigt sich zuerst der feinsten Partikelchen des schon an sich feinkörnigen Seesandes und wirbelt sie hoch empor, sie oft viele Tausend Fuß weit in das kurische Haff hintragend, bis sie allmählich herabsinken und den Wasserspiegel berühren, um wie einst den Grund der See, so jetzt den des Haffes [649] zu bedecken. Sodann rollt der Sturm auch die schwereren Sandkörnchen von der Seeseite herüber, bis dieselben sich nach dem Haffe hin ablagern und bisweilen die Fahrstraße sperren. Oft macht erst nach langen Jahren ein in anderer Richtung wehender Wind die Straße von Sandmassen wieder frei, welche zu befestigen menschlichen Händen fast unmöglich wäre. In der Regel wurde in solchen Fällen die Poststraße von der Haff- nach der Seeseite verlegt, um dann bald an der einen, bald an der andern Seite der Dünen entlang zu gehen. – Steil abfallenden Hügeln verleiht der herabrollende Sand, welcher – ähnlich wie Getreide über ein Drahtsieb – förmlich herabfließt, ein so eigenthümliches Ansehen, daß man unwillkürlich den Eindruck der Beweglichkeit dieser wanderlustigen Sandriesen empfängt.
Unsere Reisenden verließen bei dem schönsten Spätherbstwetter den Sarkauer Wald, und die Einsamkeit, welche sie nun umgab, wurde nur durch den Flug eines Cormorans (hier Baumgans genannt) oder den klagenden Ruf eines Raubvogels unterbrochen. Die Straße, welche anfangs das Haff entlang führte, war nur durch vereinzelte alte Weidenbäume kenntlich, von denen einige bereits bis zur Krone vom Sande verweht und ausgetrocknet den Erstickungstod gestorben waren. Meilenweit ging nun die langsame Fahrt immer hart am Wasserspiegel. Auf beiden Seiten der Düne, sowohl am See- wie am Haffstrande, finden sich bisweilen, vielleicht in Folge von unterirdischen Wasserströmungen, größere oder kleinere Stellen von sogenanntem Triebsande. Es ist an denselben der Sand so mit Wassertheilen durchzogen und dabei so eigenthümlich lose, daß man beim Betreten desselben sofort einsinkt. Menschen und Thiere, welche beim Betreten einer solchen Stelle nicht mit der größten Schnelligkeit und Kraftanstrengung festen Boden zu gewinnen suchen, gerathen in Gefahr zu versinken, und es sollen in der That einzelne Fälle vorgekommen sein, in welchen Fuhrwerke mit Angespann und Führern im Triebsande versunken sind. Jede vergebliche Anstrengung sich herauszuarbeiten hat nur ein um so tieferes Hinabsinken zur Folge.
In Rossitten, einem größeren Dorfe auf der Nehrung, etwa auf dem halben Wege nach Memel, wurde Nachtquartier gehalten. Der Posthalter tischte auf, was er hatte, und sein gastliches Haus machte es den gelangweilten und erschöpften Reisenden erträglich angenehm. Am andern Morgen früh wurde mit frischen Pferden aufgebrochen, allein das herrliche Wetter hatte einem fatalen Nordwestwinde weichen müssen, welcher sich von Stunde zu Stunde steigerte und von der See her immer dichtere Schneeflocken herüberwehte. An den Orten Nidden und Schwarzort wurden Stationen gemacht, und der dunkle Kiefernwald, welcher dem letzteren Orte – jetzt ebenfalls ein freundlicher Badeort – den Namen gegeben hat, gewährte einigermaßen Schutz gegen den immer heftiger tobenden Sturm. Den durchgefrorenen Wanderern war immer mehr die früher heitere Stimmung vergangen, durch welche sich namentlich ein älterer, recht stattlicher Herr von feinen Manieren ausgezeichnet hatte, welcher viel dazu beitrug, den Muth der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, und welcher nach Petersburg zu reisen vorgab. Endlich stillte sich das Wetter ab, man nahete sich dem Ende der Strandpartie und neues Leben kam in alle Gesichter, als man endlich der Stadt Memel gegenüber auf dem sogenannten Sandkrug anlangte. Als nun auch noch dazu die Sonne hin und wieder hervorbrach, kehrte die frühere Heiterkeit insbesondere auch bei den wenigen Damen wieder, welche der Gesellschaft angehörten und gegen welche der erwähnte Herr besonders galant und aufmerksam gewesen war. Es rollte sich in der That auch vor den Augen unserer schwer geprüften Freunde ein freundliches Bild auf.
Der Sandkrug ist ein Gasthaus, welches auf einem Spitzkegel von nicht unbedeutender Erhebung hart am Haffstrande, der Stadt Memel gegenüber und von der letzteren nur durch den Hafen getrennt, erbaut ist. Man übersieht, wenn man vom Gasthause aus den Blick über den Hafen nach dem jenseitigen Ufer gleiten läßt, den größten Theil der Stadt, den von der letzteren nach der See sich hinziehenden Wald und die nach Norden und Süden hin sich ausdehnenden Vorstädte Schmelz und Vitte. Im hellen Sonnenschein lag auch an jenem Tage die Stadt mit ihren geraden Straßen, freundlichen Häusern und schlanken Thürmen vor unseren Reisenden ausgebreitet, welche, erheitert durch die hübsche landschaftliche Fernsicht, froh ihre Blicke nach der wenige Hundert Schritte entfernt liegenden See schweifen ließen, auf welcher in nicht großer Entfernung vom Hafen einige größere dreimastige Schiffe kreuzten, ohne, wie es schien, den Hafen gewinnen zu können.
Dem Sandkruge gegenüber mündet der Daugefluß in den Hafen, und eine lange Reihe Masten zeigte, daß die Schiffe vor dem nur wenig abgestillten Sturm im Flusse Schutz gesucht hatten. Wie sehr die Schiffer Recht gehabt hatten, sich ein schützendes Unterkommen zu schaffen, wurden unsere Reisenden zu ihrem Schrecken sehr bald inne. Während der Himmel blau war und die Sonne strahlte, brauste die See noch in den Nachwehen des Orkanes der letzten Nacht, und die nahe Brandung mit ihren weißen Wogen schlug heftig an die Steinmolen, welche den Ausgang aus dem Hafen nach der See umgeben, so daß sich die dahinrollenden Wogen bis weit in den Hafen hinein fortpflanzten. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich der ganze Hafen mit Treibeis bedeckt und das Letztere sollte die frohe Hoffnung unsrer Reisenden auf eine baldige Einkehr in die ersehnte Hafenstadt zerstören. Die im Sandkruge stationirten Beamten erklärten den Uebergang für unmöglich, und so blieb nichts übrig als sich in dem schlechten hölzernen Gebäude so wohnlich einzurichten, als dies überhaupt möglich war.
Bald fand man sich nothgedrungen in die Lage, und die gemeinsame Abendmahlzeit versammelte die Reisegefährten um einen Kamin, welcher sofort geheizt wurde und eine willkommene Wärme durch den kalten dem Winde von allen Seiten ausgesetzten Raum verbreitete. Mit der Belebung des Gesprächs machte der Humor sich geltend, und als endlich nach etwa vierundzwanzig Stunden der Uebergang über den immer noch wogenden Wasserspiegel ermöglicht wurde, blieb in jedem der Reisenden eine heitere Erinnerung an das fröhliche Beisammensein auf dem „Sandkruge“ zurück. Bald sollten sich die Wege trennen, da von Memel aus nur ein kleiner Theil der Gesellschaft auf ein und derselben Straße die Reise fortsetzte. Vor dem Scheiden versammelten sich noch einmal die Reisenden in dem großen Gastzimmer und einer derselben, der durch seine anregende und interessante Unterhaltung bereits der Liebling der Gesellschaft geworden, trug ein von ihm soeben „auf dem Sandkruge bei Memel“ verfaßtes Abschiedslied vor. Es war das allbekannte
„Es kann ja nicht immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond,
Es blüht eine Zeit und verwelket, –
Was mit uns die Erde bewohnt.“ –
Der Dichter war A. v. Kotzebue, welcher damals nach Rußland reiste, nicht ahnend, daß er etwa fünfzehn Jahre später ein so tragisches Ende in Mannheim finden sollte.
Der Umstand, daß das gemüthliche Lied so in unmittelbarer Nähe von Memel entstanden, hat ihm eine seltene wohlverdiente Popularität in Memel verschafft. Lange schloß man fast jede Gesellschaft mit dem Gesange des Liedes nach der hübschen Himmel’schen Volksmelodie und trennte sich mit den Schlußworten:
„Und kommen wir wieder zusammen
Auf wechselnder Lebensbahn,
So knüpfen an’s fröhliche Ende
Den fröhlichen Anfang wir an.“
Leider ist’s mit der Fahrt nach Memel noch heute im Winter fast ebenso, wie damals, während die große Poststraße nach Rußland nicht mehr den Seestrand entlang über Memel führt, sondern die geflügelten Dampfrosse uns in der Hälfte der Zeit, welche man damals zur Reise von Königsberg nach Memel brauchte, auf anderen Bahnen bis nach Petersburg tragen.
Wer im Spätherbst oder Frühjahr von Königsberg nach Memel reist, hat jetzt, statt am Sandkruge, am Memelstrome bei Tilsit oft Tage lang den Eisgang abzuwarten. Im Brückenkopfe bei Tilsit hat wohl manches Mal auch eine lustige Reisegesellschaft sich die Zeit durch Gesang und Gläserklang vertrieben; viel öfter aber hörten wir, namentlich von Reisenden aus Gegenden, welche Naturhindernisse wie den Memelstrom nicht kennen, Verwünschungen der ärgsten Art. Hoffnungbeseelte Memeler antworten dann in der Regel, allerdings in anderm Sinne als dem des Kotzebue’schen Liedes: „Es kann ja nicht immer so bleiben!“
Und sie hatten Recht. Heute ist die schleunigste Inangriffnahme des Baues einer Brücke über den Memelstrom bei Tilstt und einer Eisenbahn von Tilsit nach Memel auf Staatskosten von der Staatsregierung beschlossen, weil man mit Kotzebue sagt. "Es kann ja nicht immer so bleiben!“
[650]
Bei Giuseppe Mazzini.
Der Name Mazzini ist für Alle, welche den großen Mann kennen, der ihn trägt, nicht nur die Erinnerung an den Propheten, der die Einheit Italiens voraussagte in einer Zeit, da sie noch unmöglich schien, an den Vaterlandsfreund, der unermüdlich für Italiens Freiheit kämpfte, sondern zugleich auch ein Versprechen für die Zukunft, in der er das Werk vollenden wird, welches sein Genius sich als Ziel gesetzt hat. Vielleicht ist der Augenblick nicht mehr fern, da er siegreich und gewaltig auf’s Neue an der Spitze seines Volkes erscheint und dasselbe dem höheren Fortschritt entgegenführt, zu welchem es reif ist.
Im deutschen Vaterlande kennt man zumeist die italienischen Verhältnisse nur sehr unvollständig. So sehr ich Mazzini zuvor verehrt hatte, so lernte ich doch seine ganze Bedeutung erst einsehen, als ich Ende 1861 nach Italien kam, seine Schriften las und mit den italienischen Freiheitsfreunden näher bekannt wurde. Nachdem ich durch diese schon in mittelbare Beziehung mit ihm getreten war, gab mir die deutsche Uebersetzung der Schriften eines seiner edelsten Anhänger, Piero Cironi’s, der uns und seinem Wirkungskreise durch einen frühen Tod entrissen worden, den Anlaß ihm zu schreiben, indem ich ihm meine Uebersetzung zusandte. Die Antwort, die ich darauf erhielt, ist (auszugsweise) die folgende:
„Signora,
Ich habe Ihren Brief und das Buch empfangen. Ich danke
Ihnen für Beides und freue mich, daß Sie mir Gelegenheit
gegeben haben, Ihnen zu sagen, daß ich Sie kannte und schätzte, seit
Sie in Deutschland die kühne Veröffentlichung machten, und daß
ich stolz auf Ihre Achtung bin. – –
– – Alles was dazu dient, den Keim zu einem brüderlichen Bündniß zwischen Deutschland und Italien zu legen, ist gut und wichtig. In Deutschland sind Viele irregeleitet; die Männer des Nationalvereins nehmen die Stellung ein, die bei uns die Moderati haben, und daß so Viele die gegenwärtige italienische Regierung mit Italien verwechseln, ist eine andere Quelle des Irrthums.
Wir sind dazu gemacht Freunde zu sein. Deutsche, Italiener und Slaven sollten einen seit dreißig Jahren ersehnten brüderlichen Bund, eine junge und wahrhaft heilige Allianz der Völker für Nationalität und Freiheit an die Stelle der Trümmer der alten Allianz der Könige setzen. Aber hiefür ist es nothwendig, daß das deutsche Volk sich für diesen Bund erkläre; alle kleinen Gebietsfragen würden dann eine brüderliche Lösung finden.
Fahren Sie also in dem unternommenen Werke fort. Helfen Sie uns, gegenseitig uns kennen zu lernen. Ueber allen Interessen, über jedem Materialismus einer Gebietszone steht die große Idee einer Erneuerung der Karte Europa’s, einer Umwandlung der alten Welt, eines Kreuzzugs für das Gerechte, für das Wahre, gegen die Lüge, gegen den Czarismus, das Kaiserthum und Papstthum. Führen Sie Ihre Landsleute unermüdlich auf diesen Weg. Sie werden ferner nützen, wie Sie schon genützt haben.
Adieu, Signora. Ich hoffe, dies ist nicht unsere letzte Berührung, und ich kann Ihnen noch einmal mit der Zuneigung eines Bruders die Hand drücken.
Ihr ergebener
Den 21. April 1863. Giuseppe Mazzini.“
Die Bedeutung, welche diese Worte auch für Deutschland haben, ist augenscheinlich; es geht aus ihnen hervor, wie Mazzini mit aufrichtiger Zuneigung auf unser Vaterland blickt, und unser Volk mit dem italienischen in Freundschaft verbünden möchte. Und wenn er mit Recht die Freiheit der Slaven, wie die eines jeden anderen Volkes verlangt, was in Oesterreich so viele Gemüther erschreckt, so ist er doch fern von jenem Fanatismus, den so Viele in dieser Beziehung angstvoll in ihm voraussetzen.
Ich wechselte seitdem noch einige Briefe mit ihm; und immer lebhafter wurde der Wunsch in mir rege, endlich auch seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Schon lange im Voraus faßte ich den Plan, im Frühjahr 1866 nach London zu reisen, um denjenigen von Angesicht zu Angesicht zu sehen, dem wir Alle, die wir die Freiheit und den Fortschritt lieben, so unendlich viel zu verdanken haben.
Als plötzlich zu jener Zeit die Kriegsgerüchte wie schwarze Wetterwolken am politischen Horizont hervortraten und ein Zusammenstoß zwischen Italien und Oesterreich als nahe bevorstehend erschien, konnte mich dies von meinem Vorhaben nicht abbringen, doch setzte sich ihm allerdings dadurch einige Schwierigkeit entgegen. Um aus meinem Wohnort und meiner zweiten Heimath, dem schönen Florenz, nach London zu gelangen, gab es zwei Wege: über Deutschland und über Frankreich. In Deutschland war ich seit Veröffentlichung der „Tagebücher“ meines geliebten Onkels Varnhagen von Ense steckbrieflich verfolgt und in contumaciam zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnißstrafe verurtheilt, in Frankreich war man dagegen in Erwartung des bevorstehenden Krieges damals sehr streng an der Grenze, besonders an der italienischen Seite, und forderte den Reisenden ihre Pässe ab. Da ich natürlich damals keinen preußischen Paß erhalten, und mein italienischer Diener, in dessen Begleitung ich allein die Reise machen wollte, in der Eile auch keinen Paß für sich herbeischaffen konnte, so riethen mir meine italienischen Freunde dringend ab über Frankreich zu gehen, da sie nicht daran zweifelten, ich würde unter solchen Umständen an der Grenze zurückgewiesen, und es würde mir nichts als die Umkehr übrigbleiben.
Da entschloß ich mich denn muthig, den Weg über Deutschland zu wählen, nahm in Basel Billets für mich und meinen Diener für die deutsche Linie, die durch die Rheingegenden und über Ostende nach London führt, und begrüßte so nach mehr als fünfjähriger Abwesenheit, zuerst hinter einem dichten braunen Schleier, nachher dessen müde auch ohne diesen, frohen und furchtlosen Sinnes mein Vaterland wieder. Durch Preußen fuhr ich vierzehn Stunden, saß in dem menschengefüllten Wartesaal des Kölner Bahnhofs, wo ein zweistündiger Aufenthalt stattfand, ohne daß mich Jemand erkannte, und setzte dann glücklich und ungehindert meine Reise fort.
In London angekommen, schrieb ich sogleich an Mazzini und fragte, wann ich ihn aufsuchen dürfe. Seine umgehende Antwort bezeichnete mir sogleich für den folgenden Tag die Stunde, in der ich ihn treffen würde, er sei krank gewesen und noch unwohl, schrieb er mir, sonst würde er selbst zu mir gekommen sein.
So stand ich denn den 24. Mai um vier Uhr zuerst vor ihm. Er trat mir entgegen und reichte mir herzlich die Hand. Ich fand ihn genau der vortrefflichen Photographie ähnlich, die der Italiener Lama von ihm in London gemacht hat. Er war leidend, und man sah es ihm an, aber dennoch erschien er, wenn er sprach, jünger, als er seinen Jahren nach ist. Ich betrachtete mit inniger Freude und Verehrung diese edlen Züge, und es traf mich der volle Strahl seiner herrlichen Augen, aus denen das Feuer seiner Seele leuchtet, und die einen unbeschreiblichen Ausdruck von Genie und Güte haben. Er unterdessen fragte mich mit liebenswürdigster Natürlichkeit nach alten Freunden, nach meiner Reise und dergleichen. Dann sagte er, als wenn er mir einen Vorwurf machen wolle, indem er mich ernsthaft ansah:
„Aber wie kommt es eigentlich, daß Sie, die Sie so viel Antheil an den Geschicken Italiens nehmen, es gerade jetzt, in einem Augenblick verlassen, wo der Krieg vor der Thür und die ganze Nation in Gährung und Aufregung ist?“
Da mußte ich ihm denn freilich sagen, um mich vor ihm zu entschuldigen, was ich zuvor nicht erwähnt hatte, daß ich nämlich einzig nach London gekommen sei, um ihn zu sehen, daß ich wahrlich nicht aus Furcht vor dem Kriege geflohen, daß, so leid es mir thue, Italien in dieser Krisis fern zu sein, doch der lebhafte Wunsch seine Bekanntschaft zu machen über alle anderen Bedenken den Sieg davongetragen haben, ja, daß ich deßhalb sogar die Gefahr nicht gescheut, durch Deutschland zu reisen, und daß ich ja Italien nirgends näher sein könne, als wenn ich bei ihm wäre.
Er lächelte gütig und begriff nun Alles; die Art, wie er meine Worte aufnahm, war ebenso fern von Eitelkeit, als von falscher Bescheidenheit, wie ihm denn überhaupt die gewinnende Einfachheit der wahren Größe eigen ist.
Wir gingen nun näher auf die damaligen italienischen Verhältnisse ein. Der Krieg würde jedenfalls stattfinden, sagte er mir, denn Napoleon wolle ihn, wahrscheinlich beginne er schon in ungefähr zehn Tagen.
Es war damals in der demokratischen Partei in Italien eine [651] Art von Spaltung eingetreten; Garibaldi hatte sich, berauscht von dem Gedanken der Befreiung Venedigs, an die Spitze der Freiwilligen gestellt und in der Eile vergessen, die Regierung, ehe er seinen Posten annahm, durch Bedingungen zu binden, welche sie ihm in diesem Augenblicke, wo die ganze begeisterte Bevölkerung dringend nach ihm als ihrem Retter verlangte, unmöglich abschlagen konnte, Bedingungen, die so nothwendig gewesen wären, da die Erfahrungen von Sarnico und Aspromonte hinlänglich bewiesen hatten, wie der Herrscher, der Garibaldi die Krone der beiden Sicilien verdankte, gegen ihn gesinnt war. Ein Theil der republikanischen Partei, vertreten von den Leitern des Journals „L'Unitá Italiana“, rieth unter diesen Umständen von der Theilnahme am Kriege ab, da es zu nichts Gutem führen könne, unter monarchischer Fahne zu kämpfen; ein anderer Theil, der an dem Journal „Il Dovere“ seinen Ausdruck fand, behauptete dagegen, Mazzini’s Einfluß folgend, die Vaterlandsliebe müsse hier die erste Norm sein und für Venedig müßten alle Italiener aufstehen; später folgten dieser Meinung auch die meisten derjenigen, die sie zuerst bekämpft hatten, hingerissen von dem unwiderstehlichen Zauber des Befreiungskrieges.
Mazzini tadelte Garibaldi, daß er keine Bedingungen gemacht, ehe er den Oberbefehl annahm, um so mehr, da er doch selbst wisse, was er von der Regierung zu erwarten habe, und sogar gegen seine Vertrauten in Caprera die Aeußerung gethan: „Ich zweifle nicht, daß man uns verrathen und eine Falle stellen will, daß wir Alle aufgeopfert werden!“
„Das ist ein unrichtiger Edelmuth,“ bemerkte Mazzini, „um so mehr, da es sich nicht um ihn allein handelt, sondern um alle die Seinen.“
Wie sehr Mazzini hierin Recht hatte, bewies die Folge, wo Garibaldi mit den Seinen in Tirol allem möglichen Elend ausgesetzt war und dann, dem Befehl der Regierung gehorchend, sich zurückziehen mußte, die arme italienische Bevölkerung dort, die ihn jubelnd als Befreier begrüßt hatte, auf’s Neue der österreichischen Herrschaft überlassend!
Ich fragte Mazzini, ob die ganze republikanische Partei mit Garibaldi gehen werde?
„Ja,“ erwiderte er, „sie müssen es Alle thun. Ich habe es ihnen gerathen. Je größer die Stärke der Freiwilligen sein wird, je größer wird auch ihre Macht. Ich arbeite in dieser Richtung so viel ich kann; kenne ich sie doch Alle, Alle, diese muthigen jungen Leute! Es sind deren eine so große Anzahl, daß, wenn ich an sie Alle denke, mir beinahe der Kopf schwindelt. Viele haben bei mir angefragt, ob sie auch unter der gegenwärtigen Fahne mitgehen sollen? Ich sage: Ja, um für Venedig zu streiten! Es ist etwas ganz Anderes, ein Abgeordneter zu sein, der seinen Eid leistet, um Gesetze zu machen, wobei man sich für die Monarchie entscheiden muß oder nicht, oder ein Soldat, der für das Vaterland kämpft. Und dann, wenn irgend ein Zwischenfall eintritt, wie im Kriege von 1859 der Vertrag von Villafranca war, so sind sie ja ohnehin ihres Eides entbunden. Viele Dinge sind möglich. wenn wir in Venedig siegen, so muß die Freiwilligenschaar sogleich mit Nachdruck verlangen, nach Rom zu gehen, mit der Regierung, oder ohne sie. Unterliegen wir hingegen – und dies ist sehr möglich, wenn sie das Festungsviereck angreifen; ich weiß, daß sie Verona bestürmen wollen – dann wäre der Augenblick gekommen, die Geister zu entflammen und eine bessere Fahne aufzupflanzen. Eine Niederlage kann ich nicht wünschen,“ sagte er mit ernster, bewegter Stimme, „weil eine solche traurig und furchtbar wäre, aber wenn sie dennoch stattfände, könnten vielleicht andere glückliche Ereignisse für uns eintreten.“
Hierbei leuchteten seine Augen in jugendlicher Gluth und edelster Begeisterung.
Wir sprachen hierauf noch Vieles, das erst in späterer Zeit mitzutheilen sein wird. Von seinem Vaterlande sprach er mit großer Liebe; er rühmte lebhaft Sicilien und setzte hinzu, sein größtes Vertrauen setze er in die Lombarden, in ihre Thätigkeit und Kraft. Später wandte sich das Gesprach auf Deutschland, für das er großes Interesse hegt. Wir beriethen zusammen über die Mittel, die sich zu einer engeren Vereinigung und besseren Kenntniß zwischen dem deutschen und italienischen Volke darbieten. Freiligrath, den er zwar in dem weitläufigen Londoner Leben äußerst selten sah, schätzte er sehr und nannte ihn eine echt poetische Natur. Er erzählte, daß ihn vor einiger Zeit Lassalle besuchte, der einen bedeutenden, aber irregeleiteten Geist besäße. Auf das Liebenswürdigste versprach er, mich mit seinen Freunden bekannt zu machen. Sogar für meinen italienischen Diener sorgte er, daß dieser sich nicht in der fremden Stadt zu einsam fühle, und gab ihm eine Empfehlung an in London wohnende Landsleute.
Ueber eine Stunde war in lebhaftestem Gespräch rasch vergangen; ich sah ihm an, daß er litt. Er klagte über die Schmerzen, die so oft wiederkehrten, wenn er angeregt gesprochen. Ich sagte ihm, ich mache mir Vorwürfe, so lange geblieben zu sein. Er wies dies zurück, indem er mir in einer ganz besonderen eigenthümlichen und liebevollen Weise die Hand schüttelte. Als ich ihn verließ, begleitete er mich bis an die Thür und blickte mir freundlich nach, während ich die Treppe hinunter ging.
Der Eindruck, den ich von ihm empfangen, war mächtig. Die beiden Eigenschaften, die in seiner Persönlichkeit vorherrschen und Einem auf den ersten Blick entgegentreten, sind Charaktergröße und Güte; und beide besitzt er in gleich hohem Grade. Nichts von dem Fanatismus, den so viele meiner Landsleute in ihm voraussetzen. Wer Mazzini sieht, kann nicht zweifeln, daß er ein Mann ist, der in der höchsten und edelsten Sphäre, in einer Welt des Geistes, der Gedanken, der Ideen lebt, beschäftigt mit den wichtigsten Fragen der Menschheit, erhaben über alles Kleine, über alle Schwächen, daß sein ganzes Wesen aus Tugenden und schönen Leidenschaften besteht. Sein ganzes Leben, eine Kette von großartigster Aufopferung und bitteren Leiden, hat er seinem Ideal, dem Fortschritt der Menschheit, gewidmet, und diesem Ideal zu Liebe auf alles persönliche Glück verzichtet.
In seiner Erscheinung und in seinem Benehmen ist eine natürliche angeborene Hoheit und Würde; ruhig und ernst, besonnen, heiter und gefaßt ist er in seinen Aeußerungen, doch bemerkt man die innere Gluth, sowie das Gespräch einen höheren Flug nimmt. Seine Gestalt ist von mittlerer Größe und außerordentlich harmonisch gebildet, der Kopf sehr schön auf die Schultern angesetzt, die Bewegungen frei und edel, die Züge fein und charaktervoll zugleich und von größter geistiger Beweglichkeit. Die Stirn ist hoch und gewölbt, sein Lächeln bezaubernd und herzgewinnend, die Stimme wohllautend, voll Kraft und Ausdruck und läßt in nichts sein Alter errathen. Das Wort Alter hat überhaupt seinen Sinn und seine Bedeutung verloren, wenn man es auf Mazzini anwenden will. Als ich ihn sah, war er einundsechszig Jahre. Wer aber könnte wagen, diesen Mann alt zu nennen? Wohl sind seine Züge schmerzdurchfurcht und tragen die tiefen, unwiderleglichen Spuren physischer und geistiger Leiden, wohl sind seine Haare und besonders der Bart ergraut, aber aus seinen wunderschönen Augen, die siegreich strahlen wie die Sonne Italiens, leuchten Jugendmuth und Jugendanmuth.
Denker, Gesetzgeber, Prophet, Menschenfreund und Mann der That, blickt er trotz seiner ungeheuren Ueberlegenheit mit Milde und Verständniß auf die Uebrigen; er versteht Alle, während er von so Vielen nicht begriffen wird.
Seine Wohnung ist klein, einfach und bescheiden, die eines Apostels. Ich sah mich in seiner engen Stube um; die Fenster, von denen grüne Vorhänge herabhängen, gehen auf grüne Bäume hinaus; zwitschernde Canarienvögel fliegen frei im Zimmer umher; überall lagen Bücher, Schriften, Pakete aufgehäuft; keine Unordnung, sondern jene willkürlich zusammengesetzte Ordnung, wie sie eine rastlose und unermüdliche Thätigkeit bedingt. Ein Stehpult, Bücherrepositorien, ein Gewirre von Zeitungen überall; eine Chaiselongue mit grauseidenem Kissen, die sein gewöhnlicher Platz beim Arbeiten ist; seit die niedergebeugte Stellung beim Schreiben ihm Schmerzen verursacht, schreibt er auf den Knieen wie Alexander von Humboldt.
Ich wollte den folgenden Morgen auf ein paar Tage eine Freundin in Bath besuchen; er hatte aber mit mir verabredet, daß ich unmittelbar nach meiner Rückkunft wieder zu ihm käme. Als ich am 30. Morgens wieder in London anlangte, fand ich ein Billet von ihm und eilte unmittelbar zu ihm. Ich fand ihn auf das Lebhafteste mit den italienischen Angelegenheiten beschäftigt. Er erwartete mit Ungeduld den Krieg. Er beklagte wieder, daß Garibaldi, der Einzige, der habe Bedingungen stellen können, dies versäumt. Mazzini hatte soeben an ihn geschrieben. Befürchtungen, Hoffnungen, Möglichkeiten erörterte er in bewegter Rede; der Angriff auf die Festungen, auf Verona, den man beabsichtige, habe [652] große Schwierigkeiten. Ich habe natürlich kein Urtheil über die Kriegskunst, aber das kann ich versichern, daß das, was er damals über die Kriegspläne äußerte, anrieth, weissagte, nachher seine volle Bestätigung sowohl in den italienischen Ereignissen, als in den glänzenden Siegen des preußischen Heeres fand. Ich sprach meine Wünsche aus, ihn nach Italien zurückkehren zu sehen.
„O, einstweilen sind das nur Träume,“ erwiderte er und fügte schmerzlich hinzu: „für jetzt könnte nur ein Unglück mich nach Italien rufen!“
Ich lernte nun auch Mazzini’s nächsten Freundeskreis kennen: den vortrefflichen Aurelio Saffi, der im Jahre 1849 mit Mazzini zugleich Triumvir der römischen Republik war; Mazzini’s englische Freunde, die ihm treu anhängen und unter welchen Mr. Stansfield als muthiger und freiheitsliebender Parlamentsredner allgemein und rühmlich bekannt ist, Karl Blind, den thätigen unermüdlichen Schriftsteller, und seine Familie und noch viele Andere, Personen aller Nationen, ausgezeichnete liebenswürdige Frauen, auch General Langiewicz, den ich früher einmal in Lugano bei Grilenzoni kennen gelernt, fand ich hier wieder. Mir war es interessant und lieb, Mazzini auch in diesen befreundeten Gesellschaftskreisen zu sehen. Da zeigte er sich mir wieder von einer andern Seite, als in den vertrauten Gesprächen, die ich mit ihm allein hatte. Ich sah, wie er allgemein imponirte durch die unwiderstehliche Macht seines Geistes, während er selbst so natürlich, so unbefangen, so anspruchslos sich benahm wie immer und mit unvergleichlicher Liebenswürdigkeit sich gut und antheilvoll gegen Alle bezeigte, kurz, jene wahre Höflichkeit bewies, die aus dem Herzen kommt. Er war an jenen Abenden immer ganz schwarz angezogen und sah, ich möchte sagen, wie ein leuchtender Schatten aus, wie ein erhabener Geist, der aus einer höheren Welt freundlich zu den Sterblichen herabgestiegen ist. Hatte ich bisher immer Italienisch mit ihm gesprochen, so bot sich nun auch die Gelegenheit, ihn in anderen Sprachen reden zu hören; mit nicht minderer Leichtigkeit und Meisterschaft spricht er das Englische und Französische, und daß seiner Aussprache ein Hauch des italienischen Accents geblieben ist, gefiel mir gerade recht gut; überhaupt hat Alles an ihm das Gepräge des italienischen Charakters. Aus Freundlichkeit sprach er auch ein paar Worte Deutsch mit mir.
Mit Vergnügen erinnere ich mich einer außerordentlich lebhaften Discussion, die er mit Karl Blind über die italienischen Zustände hatte und in welcher sein Geist wie ein schönes Feuerwerk Funken sprühte. Blind machte u. A. den Italienern zum Vorwurf, daß sie Bismarck zum Bundesgenossen ihres Kampfes angenommen.
„Was wollen Sie,“ erwiderte Mazzini, „die Nation weiß nichts von diesen geheimen Verträgen, weder von dem mit Preußen, noch von dem mit Frankreich. Wenn die italienische Regierung den Krieg erklärt, den wir so lange gepredigt haben, den Krieg um Venedig, einen rein nationalen italienischen Krieg, ohne fremde Verbündete, wie können wir da verweigern ihr beizustehen? Was weiß das Volk davon, wenn die Regierung unterdessen mit Mephistopheles in Paris conspirirt, und was liegt ihm daran? Wir müssen Alles daran setzen, daß wir allein siegen, daß wir allein den italienischen Krieg machen und siegen. Aus einer Niederlage könnte die Revolution folgen.“
Mit tiefer Bitterkeit sprach er von Frankreich, das Italien unter allen seinen verschiedenen Regierungsformen immer mißhandelt habe, ihm falsche Versprechungen gab und es verrieth.
„War es doch die Republik, die Republik sogar,“ rief er in höchster Leidenschaft, „die uns in Rom verrathen hat!“
Er war großartig und gewaltig in seinem Zorn. Dann sprach er wie ein Prophet mit hinreißender Beredsamkeit von der Sendung Italiens.
„Ich, der ich Spiritualist bin,“ fügte er lächelnd hinzu, „ich nenne es Sendung; Sie, der Sie Materialist sind, lieber Blind, Sie werden es – Phosphor nennen!“
Hatte ich in dieser Unterredung Mazzini’s Aufflammen gesehen, so fand ich mehrmals den Anlaß seine wunderbare Mäßigung zu beobachten, wie ich hier sogleich erzählen werde.
Es war in einer größeren Abendgesellschaft; wie immer drängten sich alle Anwesenden um Mazzini, die Damen umgaben ihn beeifert, auch diejenigen, die dem Fluge seines Geistes nicht ganz folgen können, haben das Gefühl seiner Ueberlegenheit und werden unwillkürlich zu ihm hingezogen. Die Herren setzten sich dazu; man schloß einen Kreis um ihn und nun wurde er eifrig – fast alle Anwesende waren Engländer – über sein Vaterland befragt, und es war schön anzuhören, wie er vor diesen Kindern Albions in englischer Sprache das Evangelium Italiens predigte. Er mußte von den Zeiten der römischen Republik erzählen und wie dort, um das Volk zu befriedigen, um Ostern die Girandola angezündet wurde, ohne die Anwesenheit des Papstes, der von Niemand vermißt wurde.
„Was aber wird der Papst thun, wenn die Italiener auf’s Neue nach Rom kommen?“ fragte ein Engländer.
„Er wird fliehen,“ erwiderte Mazzini, „wie er bereits in der Vergangenheit in Frauenkleiderm entflohen ist, und kein Papst wird mehr auf ihn folgen.“
„Aber sind nicht unter der Landbevölkerung noch Viele für den Papst?“ fragte der Engländer weiter.
„Sie werden Alle froh sein, ihn verjagt zu sehen, wenn man nur die Salzsteuer aufhebt,“ versetzte Mazzini.
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung äußerte er, daß in Italien wenig monarchisches Gefühl und nicht einmal eine Aristokratie vorhanden sei; Aristokraten wohl, aber keine wahre Aristokratie. Als er sagte, daß das italienische Volk, welches künstlerisch und nach äußeren Zeichen verlangend sei, einer Religion bedürfe, rief eine englische Dame in einem prachtvollen weißen Atlaskleid, mit jenem kirchlichen Eifer, der in England häufig ist:
„Und wenn es deren nicht bedarf, desto schlimmer für es selbst!“
„Ja,“ erwiderte Mazzini mit einem freundlichen, aber gleichgültigen Lächeln, ohne weiter auf dies Gebiet einzugehen.
Ich hatte Allem schweigend zugehört und wunderte mich im Stillen über Mazzini’s Milde. Govone, der grausame Henker von Sicilien, bekam kein anderes Beiwort als „der Mann, der nach Berlin geschickt worden,“ und an Ricasoli, der seiner Zeit Toscana dem Großherzog wieder überlieferte, rühmte er, daß er antifranzösisch sei, und schwieg über alles Andere. Will er vielleicht vor den Engländern diese traurigen Seiten der italienischen Geschichte nicht enthüllen? fragte ich mich.
Als ich das nächste Mal Mazzini besuchte, sagte ich ihm meine Verwunderung und meine Gedanken, wie ich mir seine Schonung ausgelegt.
„O nein,“ versetzte er ruhig, „das war es nicht. Es war ganz einfach: nach Govone und Ricasoli befragt, hob ich an jedem die einzige gute Eigenschaft hervor, die er besitzt: an dem Einen sein militärisches Talent, an dem Anderen, daß er mehr gegen Frankreich ist, als Rattazzi.“
Wie schön, wie edel und gütig war das! Und das ist der Mann, den so Viele für maßlos heftig und fanatisch halten! –
So gern ich ihn im Freundeskreise sah, so waren doch die Stunden, die ich mit ihm allein zubrachte, die schönsten und reichsten. Ich kann natürlich nur Bruchstücke davon wiedergeben, aber auch diese einzelnen Züge vervollständigen sein Bild.
Wir sprachen einmal zusammen über die Nachtheile des Exils. Ich bemerkte, es sei vielleicht das größte Unglück der Verbannten, daß sie durch die allzulange Entfernung vom Vaterlande das richtige Urtheil über dasselbe verlören.
„Das ist sehr wahr,“ antwortete Mazzini, „ich hatte noch eben ein Beispiel davon an einem italienischen Freunde, der mich besuchte, und der, lange von zu Hause fort, sich vorstellte, es sei dort noch Alles wie ehemals, und an die Veränderungen gar nicht glauben wollte, die bei uns vorgegangen.“
„Sie sind in diesem Betracht eine große Ausnahme,“ versetzte ich, „denn Sie kennen Italien besser als die Meisten, welche dort sind.“
„Allerdings,“ antwortete er, „ich bin eben in beständiger Beziehung mit Italien geblieben, und so habe ich ihm dienen können.“
Eine grenzenlosere, außerordentlichere Bescheidenheit als das Wort „ihm dienen können“ konnte es nicht geben, von ihm, Italien gegenüber! –
„Sagen Sie doch lieber: es neu schaffen!“ rief ich lebhaft.
Mazzini’s Geist breitet sich über alle Gebiete aus. Einmal hatte ich ein langes Gespräch mit ihm über die deutsche Literatur, über Goethe. Ich fragte ihn nach seinem Urtheil über den Tasso; er theilt meine Vorliebe für diesen nicht; den Charakter Tasso’s findet er nicht gut getroffen, doch stimmt er mir darin bei, daß Goethe in ihm mehr die dichterische Individualität im Allgemeinen [653] habe schildern wollen, und dies sei ihm gelungen. Als Jugendarbeit liebt er den Werther am meisten, als späteres Werk den Faust. Wilhelm Meister, meinte er, enthalte viel Schönes, aber in sittlicher Beziehung könne er ihn nicht billigen. Ich erwiderte, es sei denn doch grade Vieles in ihm, was zur Umwandlung der Gesellschaft beitragen könne; er wollte das aber nur sehr bedingt zugeben. Mir kam es vor, als wenn Mazzini’s strenge Tugend ihn gegen Goethe etwas ungerecht machte. Auch daß er nicht am Befreiungskrieg theilgenommen, warf er ihm vor. Mazzini’s Liebe zu Schiller ist bekannt; auch für Lessing hat er große Sympathie. Heine erkennt er „trotz seines Skepticismus“ als das größte dichterische Genie an, welches Deutschland nach seiner Glanzzeit gehabt habe. Mazzini versteht recht gut die deutsche Sprache, doch sagte er mir, bei den vielen und ungeheuren Beschäftigungen, die ihm stets obgelegen, habe er, um Zeit zu ersparen, so viel wie möglich vermieden, die deutsche Literatur im Original zu studiren, wenn sich Uebersetzungen fanden.
Die ganze Zeit, die ich in London zubrachte, war Mazzini hauptsächlich mit den italienischen Ereignissen beschäftigt. Mehrmals fand ich ihn Artikel für italienische Blätter schreibend, Manifeste an sein Volk voll kühner Gedanken, hochfliegender Begeisterung und weiser Rathschläge.
Eines Tages kam ich, als er sich eben mit einem deutschen Bekannten wegen der Frage um Triest gestritten hatte.
„Er sagte mir,“ rief Mazzini, „Triest müsse deutsch bleiben, weil Deutschland einen solchen Hafen brauche, und weil es seit fünfhundert Jahren Deutschland gehöre. Auf Ersteres erwiderte ich: dann könnte ich sagen, ich brauche einen Garten, ich nehme Ihnen den Ihrigen! und auf Letzteres: dann thäten die Italiener am besten, Triest sogleich zu nehmen, damit man nicht etwa einmal sogar behaupten könne, es gehöre Deutschland seit sechshundert Jahren! Uebrigens,“ schloß Mazzini mit heiterem Lächeln, „ich bestehe zuletzt gar nicht so sehr darauf, daß Triest italienisch werde; es liegt mir nicht so viel daran, ich bin auch zufrieden, wenn es ein Freihafen wird wie Hamburg.“
Er sprach sehr einsichtig über die Schwierigkeit der Grenzfragen und der verschiedenen Nationalitäten.
Als die Feindseligkeiten zwischen Italien und Oesterreich begonnen hatten und man die ersten entscheidenden Nachrichten vom Kriegsschauplatz erwartete, war Mazzini in fieberischer Aufregung, so daß seine Schmerzen wiederkehrten und er mehrere Tage nicht arbeiten konnte. Dazu mußten sie sehr heftig sein, denn bekanntlich besitzt er eine so wunderbare Arbeitskraft und einen so ausdauernden Fleiß, wie sie selten mit dem Genius vereinigt sind. Als die Nachricht von dem Unglück von Custozza eintraf, war er wieder hergestellt und empfing sie mit der ganzen Fassung seines starken Geistes.
„Achtzigtausend Italiener standen sechszigtausend Oesterreichern gegenüber,“ sagte er. „Die Italiener konnten siegen, ohne die unglückliche Führung, die doppelt unheilvoll ist, weil dadurch solches Unheil sich wiederholen kann.“
Damals hoffte er noch, daß der Krieg fortgesetzt würde. Als aber die Abtretung Venedigs von Seiten Oesterreichs an Napoleon gemeldet wurde, war er auf’s Schmerzlichste ergriffen.
„Napoleon ist jetzt Herr der Situation,“ sagte er düster. „Ich sehe so traurige Dinge für Italien voraus, daß ich sie gar nicht aussprechen will.“
Er war wie eine Sibylle, die ihre geheimen Wahrnehmungen noch verschweigen muß.
Das Unglück aber, das er voraussagte, ist für Italien eingetroffen durch eine Regierung, die sich täglich mehr zur Sclavin Frankreichs macht und jede Freiheit im Innern zu unterdrücken sucht. Die traurigen Eindrücke herrschten noch vor, als ich den 9. Juli zu ihm kam, um Abschied zu nehmen. Er könne an nichts Anderes denken, sagte er mir, so lange diese Krisis dauere. Ich hatte mit ihm verabredet, daß ich eine Auswahl seiner Werke in’s Deutsche übersetzen würde, um ihn in Deutschland, wo noch so manche Vorurtheile gegen ihn herrschten, bekannt zu machen, wie er wirklich ist. Ich schlug ihm vor, nachdem ich die Auswahl der zu übersetzenden Schriften getroffen, wolle ich sie ihm vorlegen, damit er schließlich darüber entscheide.
„O, das ist nicht nöthig!“ rief er. „Machen Sie die Arbeit als gute deutsche Patriotin nach Ihrem Gewissen, wählen Sie aus, was Sie für Ihr Vaterland am geeignetsten halten, und das ist genug.“
Es ist überhaupt merkwürdig, wie wenig Werth er auf alles ihn persönlich Angehende legt; er vergißt sich beständig selbst über das Allgemeine, für das er lebt. Dagegen hat er sonst ein vortreffliches Gedächtniß und wird gewiß nicht einen der Freiheitskämpfer vergessen, die jemals für Italien thätig waren. Als seinen Geburtstag hat er mir offenbar unrichtig den 29. Mai angegeben, doch sagte er selbst, er sei dessen nicht gewiß. Wie ich nachher von seinen nächsten und zuverlässigsten Freunden erfuhr, ist er den 22. Juni geboren.
Ich erwähne nichts von der Güte und bezaubernden Herzlichkeit, mit denen er mir Lebewohl sagte. Wenn es einen Italiener giebt, der Gemüth hat – das man der romanischen Race so oft abzusprechen sucht – so ist es Mazzini. Eine größere Zartheit des Herzens, eine größere Feinheit und Grazie der liebevollsten Freundschaft als die seinige kann man nicht denken. Noch einmal blickte ich mir diese edle und großartige Erscheinung an, noch einmal sah ich den geistblitzenden Flammenschein seiner Augen.
„Ich will Sie nicht zum letzten Mal in meinem Leben gesehen haben,“ sagte ich ihm. „Ich hoffe, Sie sehen Italien noch einmal frei und glücklich und kehren in dasselbe zurück; es gäbe ja keine Gerechtigkeit auf der Welt, wenn das nicht noch einmal geschähe. Kommen Sie aber nicht bald nach Italien, so komme ich wieder nach London.“
„Also auf Wiedersehen,“ rief er, „hier oder in Italien!“ und er wiederholte diese Worte noch zwei Male, was ich wie eine freudige Gewähr der Zukunft betrachtete. Seine Güte versüßte mir den Abschied.
Als ich ihn dankbar und bewegt verließ, bedauerte ich ihn beinahe, daß er die hohe Befriedigung, die es gewährt, mit Liebe und Verehrung zu einem Größeren aufzublicken, wie ich sie ihm gegenüber empfand, nicht erfahren könne, weil er die Anderen so unendlich überragt. –
Ich blieb seitdem immer in Briefwechsel mit ihm und sah ihn später noch zwei Mal in Lugano wieder. Hiervon wird erst in späterer Zeit mehr zu berichten sein. Ich fand seine Haare noch gebleichter geworden; er hatte wieder viel gelitten, war aber sonst ganz unverändert.
„Nur das lebt noch von mir,“ sagte er, indem er auf seinen Kopf zeigte. Diese Worte hatten etwas Erschütterndes; aber der ehrwürdige Freund vergaß, indem er sie aussprach, offenbar das Herz, sein schönes, glühendes Herz, das nicht minder lebendig geblieben ist als sein Geist. Mazzini ist jetzt vierundsechszig Jahre. Aber der Genius wird nicht alt. Er ist thätig und hoffnungsvoll wie jemals, und so darf auch Italien auf ihn hoffen, daß er das Werk kröne, für das er lebenslang gekämpft und gelitten.
Ein neues Blatt aus Kaulbach’s Todtentanz.
Am vierzehnten September dieses Jahres feierte die ganze Welt einen Jahrestag, der diesmal nicht der Erinnerung großer Schlachten und Kämpfe, nicht von der Geschichte glorificirtem Morden und Würgen en gros, sondern der Geburt eines einzigen Mannes galt: Alexanders von Humboldt! – Was dieser Mann der Wissenschaft war, geht aus einem einzigen Satze der im Schooße der Berliner Akademie zu seinem Gedächtniß gehaltenen Rede hervor, in der es heißt: „Da Niemand von Humboldt’s Zeitgenossen mehr lebte, so mußte die Akademie auf’s Gerathewohl einen aus ihrer Mitte veranlassen die Gedächtnißrede für ihn zu halten. Es war gleich, auf wen die Wahl fiel, denn wie auch die Art und der Gang seiner Studien gewesen sein möge, sicher ist er bei ihnen diesem allumfassenden Wirken Humboldt’s begegnet.“
Unter den Tausenden von Portraits, die der deutschen Nation das Bild ihres großen Todten wieder in’s Gedächtniß zurückrufen sollten,
[654]
ist schwerlich eines, das ähnlicher wäre, als das auf dem Blatte, welches die Gartenlaube heute ihren Lesern bringt; unter allen den zahllosen Gaben, welche deutsche Künstler, Schriftsteller und Poeten auf dem Grabe niederlegten, ist wohl keine so ernst, so tiefergreifend und doch wieder so mild versöhnend, als die, welche Kaulbach, der große Meister, dem unvergeßlichen Freunde in dem neuesten Blatte seines „Todtentanzes“ gewidmet hat.
Es athmet dieses Blatt auf’s Neue wieder die ganze innige Verehrung, die warme Freundschaft, welche die beiden großen Männer im Leben verband und die der Künstler schon mehrfach in seinen Werten – wir erinnern nur z. B. an die Wandgemälde im Neuen Museum zu Berlin – documentirte.
Der Tod, der in dem Kaulbach’schen Todtentanz sonst so furchtbar höhnend und schrecklich an die Gewaltigen unserer Erde [655] herantritt – die Leser der Gartenlaube wollen sich an das erste Blatt dieses merkwürdigen Werkes (Gartenlaube Jahrgang 1867 Nr. 26) erinnern, wo der Tod Napoleon dem Ersten in Gestalt seines Adjutanten einen grinsenden Schädel als Globus unterschiebt – erscheint hier in der denkbar freundlichsten Gestalt.
Der Künstler hat den herrlichen Mythus der Alten benützt, der den Atlas, welcher ununterbrochen das Weltall trägt, einmal vom Hercules in seiner mühevollen Arbeit abgelöst werden läßt. Der Tod erscheint als Hercules mit der Löwenhaut bekleidet, er nimmt Humboldt, dem müden, alten Atlas, den schweren Kosmos von den Schultern, den er mit gewaltiger Kraft, die selbst im spätesten Greisenalter nicht nachließ, so lange getragen hatte, und ladet ihn mit freundlicher Handbewegung ein hinabzusteigen und auszuruhen von schwerer, aufreibender Arbeit – im Grabe.
Aber das Grab hat hier keine Schrecknisse, es ist mit Rosen angefüllt, und Blumen sprießen daraus hervor. Auch der Platz, wo es sich befindet, ist für den müden Heros der Wissenschaft ein lieber, ihn längst heimlich und vertraut anmuthender; – es ist ja die Ruhestätte der Humboldt’schen Familie in Tegel, auf welcher seit langen Jahren schon der geliebte Bruder den ewigen Schlummer schläft.
Die Büste des Vorangegangenen, des geist- und gemüthvollen Wilhelm von Humboldt, der als vorzüglicher Diplomat und vielarbeitender Gelehrter immer noch Zeit fand, die schönen, so pikanten und geistreichen „Briefe an eine Freundin“ zu schreiben, die heutzutage noch häufig als werthvolles Geschenk zwischen Liebenden benützt werden, lächelt freundlich von ihrem Piedestal herunter, als wollte sie den geliebten Bruder jetzt auch im Tode willkommen heißen.
Und dieser selbst? –
Sein Antlitz spricht es aus, daß für ihn, der die Gesetze und die Bedingungen des Seins und des Werdens erforscht hatte im Blühen und Vergehen der kleinsten Pflanze, wie in den Bahnen der ewigen Sterne, das Aufhören, das Sterben, das Wiederzurückfallen in das unendliche Meer des Alls, das Wiederverklingen im großen Schöpfungsaccord keine Schrecknisse mehr hat. Längst hat er ihn ersehnt, den milden Erlöser Tod, und wie der Wanderer nach weiter, sonniger Wanderung das Ziel froh begrüßt, so bewillkommnet auch der moderne Atlas mit unsäglich mildem Lächeln den in der Löwenhaut maskirten Gesellen, der ihm die schwere Bürde des Kosmos abnimmt.
Alles duftet und blüht rund herum, verheißend und tröstend blickt hinten die Statue der Hoffnung hervor, und an diesem blühenden, schönen, düftereichen Sommertage läßt der Künstler den geliebten, verehrten Freund vom Tode zur ewigen Ruhe unter blühenden Rosen abgerufen werden. Wahrlich ein beneidenswerthes Sterben! – – – –
Werfen wir noch einen Blick auf das Portrait Humboldt’s, von dem wir eben gesagt, es sei eines der ähnlichsten unter all den zahlreichen Bildern, die uns die Gestalt des großen Todten aufbewahren. Wie er so dasteht, der kleine große Mann in dem einfachen schwarzen Abzug, der sorgsam geknüpften weißen Halsbinde, mit dem Hut und dem einen Handschuh in der Hand, die ohnedies nicht große Gestalt von der Last der neun Decennien, die auf ihr ruhen, leicht gekrümmt, so haben ihn alle die gesehen, die ihn im Leben kannten. Das milde Lächeln, das auf seinem Gesicht spielt, ist nicht nur den Großen dieser Erde am preußischen Königshof zu Gute gekommen, sondern mit demselben gütigen Ausdruck hat es auch die jungen Studenten, die armen Gelehrten erquickt, denen er ein wahrhaft väterlicher Freund und Förderer war.
Wie überraschend glücklich getroffen dieser Gesichtsausdruck ist, möge ein kleiner, mit der Entstehung des Bildes zusammenhängender Vorfall beweisen, der überdies erklären mag, woher es kam, daß die „Gartenlaube“ das Blatt nicht, wie dies anfangs projectirt war, zum Jubiläumsfeste Humboldt’s brachte.
Die Originalzeichnung ist, wie alle Blätter des Kaulbach’schen Todtentanzes, ein ungefähr vier Fuß hoher und drei Fuß breiter Carton. Es galt also, diese große Zeichnung so auf den Holzstock zu übertragen, daß ihr Charakter und Ausdruck trotz der bedeutenden Verkleinerung ungefährdet blieb. Wir hatten bei dem ersten Blatt des Todtentanzes, dem bereits erwähnten Napoleon dem Ersten, die neue Methode, die Zeichnung vermittels der Photographie direct auf den Stock zu übertragen, versucht. Allein diese Methode, die jedenfalls die einfachste und sicherste gewesen wäre, bewährte sich leider nicht, denn einmal mußte das Bild auf dem Stock doch noch überzeichnet werden und dann sprang beim Schneiden fortwährend die Collodionschicht unter den Messern des Xylographen, und mit diesen sich abblätternden Stückchen gingen selbstverständlich auch Theile der Zeichnung verloren.
Dies Verfahren, das die Gesammtwirkung des Holzschnittes arg benachteiligt hatte, konnte diesmal nicht angewendet werden, und es wurde daher vorgezogen, den großen Carton in dem wünschenswerthen Format der Gartenlaube photographiren zu lassen und dann die Uebertragung auf das Holz einem tüchtigen, bewährten Künstler anzuvertrauen.
Dieser Künstler war nun in Herrn Beckmann, einem äußerst fähigen Schüler Piloty’s, gefunden, und der junge Künstler unterzog sich mit allem Eifer und aller Pietät der schweren Aufgabe. Als wir aber die fertige Holzzeichnung miteinander in Kaulbach’s Atelier trugen, klopfte mir, trotzdem ich die Uebertragung für äußerst gelungen hielt, doch das Herz ein wenig, denn ich wußte nur zu gut, wie schwer Kaulbach zu befriedigen ist, und so ein junger Künstler ist an Empfindlichkeit die reine mimosa pudica die man nicht anrühren darf.
Der Meister empfing uns auf das Freundlichste, nahm den Holzstock entgegen, setzte das Lorgnon auf und besah die Zeichnung. Je freundlicher sein Gesicht wurde und je schneller die einzelnen Ausrufe: „ganz gut, ganz tüchtig“ einander folgten, je mehr fühlte ich mich erleichtert. Endlich gab er den Stock zurück: „Es ist Alles ganz gut, ganz vortrefflich, nur das Gesicht von Humboldt ist nicht ähnlich. Das ist nicht Das, was ich gezeichnet habe. Warten Sie einen Augenblick!“
Dabei verschwand er hinter den großen Bildern und Cartons, die den Hintergrund der hohen Halle seines Ateliers ausfüllen. Als er wieder erschien, hatte er in der einen Hand eine Büste, in der andern ein unförmliches Etwas, das in Papier eingeschlagen war. „Sehen Sie, das ist die sprechend ähnliche Büste Humboldt’s. Wollen Sie sich dieselbe ’mal gefälligst so richten, wie sie auf dem Bilde steht. So dürfte es etwa sein, die Beleuchtung ist auch ganz gut und trefflich. Nun sehen Sie ’mal Ihre Zeichnung an und vergleichen Sie dieselbe mit der Büste. Sehen Sie jetzt, wo es fehlt?“
Der junge Maler deutete sofort mit großer Sicherheit auf die Partie zwischen Auge und Mund.
„Ganz richtig! Und hier haben Sie die Todtenmaske, da sehen Sie es noch deutlicher.“ Dabei hielt Kaulbach die Maske in derselben Richtung empor, und jetzt wurde auch mir klar, daß sich in die Zeichnung ein fremder Zug eingeschlichen hatte, aber es wäre mir unmöglich gewesen zu sagen, wo und wie. Das konnten nur Maleraugen errathen. Herr Beckmann aber nahm sofort die Holzplatte und wischte seinen Kopf aus.
„Brav, junger Freund,“ sagte der Meister, „thun Sie dem Andenken des großen Mannes und mir den Gefallen und zeichnen Sie den Kopf noch einmal. Ich schicke Ihnen die Büste hinein in Ihr Atelier!“
Und so gingen wir denn heim. Der junge Künstler war von der Liebenswürdigkeit des Alten begeistert und zeichnete den Kopf noch einmal; diesmal kam er vollständig zur Zufriedenheit Kaulbach’s. Das ist die Ursache, warum der Stock nicht zum Jubiläum Humboldt’s fertig wurde; aber er ist deswegen doch nicht zu spät gekommen!
Das „sprechende Blatt“ des Indianers.
Es ist ein eigenthümliches Gefühl, in alten, halb oder ganz vergessenen Büchern zu blättern und zu sehen, wie rasch der Welt Dinge entfallen, die im Augenblick, wo sie geschahen, werth erschienen, für immer der Erinnerung der Nachwelt aufbewahrt zu werden, und die nun doch für die Mehrzahl der Menschen vollständig untergegangen sind.
Dieses Gefühl überkam mich, als ich unlängst das vergessene Werk „Curiosities of American Literature“ in der Hand hielt, [656] welches ich in der Bibliothek eines reichen Privatmannes zu Baltimore aufgestöbert hatte. Zwecklos schlug ich ein Blatt um das andere um; hier stand eine jetzt längst vergessene Anekdote von einer gleichfalls vergessenen Autorität; dort Bruchstücke einer philosophischen Abhandlung, deren Scharfsinn einst von Allen bewundert worden und die im Laufe kurzer Zeit doch in Vergessenheit gerathen war, dort der Fetzen einer Statistik – kurz, es war ein Untereinander der verschiedensten Dinge, die zu lesen es unserer mit Dampf dahin brausenden Zeit an Muße wie an Verständniß gebricht.
Während ich gedankenlos hin und her blätterte, gewahrte ich eine Sammlung von Notizen über die Cherokesensprache.[1] Ich las und wurde, trotz des holprigen Compilatorstyls, immer mehr gefesselt. Vor mein geistiges Auge trat eine jener Titanengestalten, deren Geist mit Polypenarmen Alles erfaßt und in sein Bereich zieht; eine jener Feuerseelen, von denen ein segenbringender Glanz ausgeht, welcher die Nacht der Unwissenheit und des Wahnes von einem ganzen Volke verscheucht; ein Mann, dessen Name verdient neben den größten Erfindern aller Zeiten genannt zu werden, der als Stern erster Größe in der Culturgeschichte glänzen würde, hätte er der Trägerin der Civilisation und nicht der indianischen Race allein geleuchtet. Ich hatte den Namen dieses Genies niemals nennen hören, eine englische Encyklopädie kannte nur seine Erfindung; des Spaßes halber suchte ich auch im großen Brockhaus, und ich muß gestehen, daß ich vor der deutschen Gründlichkeit Respect bekam, da stand es: „Georg Gueß, ein Cherokese, erfand ein Silbenalphabet.“
Das war aber auch Alles. Der Mann, welchen die Amerikaner Georg Gueß nannten, hieß bei seinen Landsleuten See-quah-yah. Man sagt, er sei ein Halbblut-Indianer gewesen; das bleibt jedoch dahin gestellt; soviel ist gewiß, daß er von der kaukasischen Race nicht das Geringste in seinem Naturell hatte, noch sich aneignete, vielmehr zäh an den indianischen Sitten festhielt.
Der amerikanische Literat Samuel L. Knapp traf im Jahre 1828 zu Washington mit diesem Philosophen ohne Hosen zusammen, und ihm allein verdankt die Nachwelt das Nähere über diese merkwürdige Persönlichkeit und deren Erfindungen. See-quah-yah, oder Gueß – wie wir ihn fortan der Kürze wegen nennen wollen – war zur Zeit jener Unterredung etwa fünfundsechszig Jahre alt, die Conversation wurde durch zwei cherokesische Dolmetscher vermittelt. Der Indianer erzählte, daß er in seiner Jugend ein geweckter flotter Bursche gewesen sei und schon frühzeitig bei seinem Stamm als Märchenerzähler einen gewissen Ruf erlangt habe; seine umfassende Kenntniß der Traditionen brachte ihn sogar in den Ruf eines „Gelehrten“, was ihn jedoch nicht hinderte, mit in die Kriege zu ziehen und Tomahawk wie Scalpirmesser gehörig zu handhaben. Eine Kniewunde warf ihn jedoch längere Zeit auf’s Krankenlager, ja machte ihn für Lebenszeit zum Invaliden; die Gelegenheit, sich als Krieger oder kühner Jäger auszuzeichnen, war ihm für immer abgeschnitten. So wurde er Philosoph, d. h. nach seiner Art, und an Zeit zum Nachdenken fehlte es ihm fortan nicht.
Nun war auf einem seiner Kriegszüge ein Amerikaner gefangen worden, welcher einen Brief bei sich trug. Der Gefangene, über dieses seltsame Ding befragt, las den Brief laut vor, und obwohl die Rothhäute kein Wort verstanden, so waren sie doch hoch erstaunt über den Zauber, der in den schwarzen Zeichen steckte, die den weißen Mann befähigten, ohne weiteres Nachdenken eine so fließende Rede zu halten. Das „sprechende Blatt“ wurde Gegenstand einer besonderen Berathung, in welcher ein Häuptling die Frage aufwarf, ob der große Geist den Bleichgesichtern jene geheimnißvolle Gewalt verliehen, oder ob diese sie selbst entdeckt hätten. Die meisten Krieger waren der ersteren Ansicht, nur See-quah-yah vertheidigte beharrlich die letztere.
Seitdem kam ihm jenes merkwürdige Blatt nicht mehr aus den Gedanken, er saß monatelang in seinem Wigwam, rauchte und grübelte; über seinem Scheitel zog die Zeit in rastlosem Fluge, um ihn herum wechselten die Jahreszeiten, die Natur mit ihnen, er merkte es kaum, denn eine Idee hatte seine Gedanken gekreuzt, des Opfers eines Menschenlebens vollkommen würdig: er war entschlossen, seiner Nation einen ähnlichen Zauber zu verschaffen. Zuerst ging er daran, auszufinden, wie viele verschiedene Laute seine Muttersprache habe. Da Gueß selbst kein besonders musikalisches Gehör besaß, so nahm er Frau und Kinder zu Hülfe. Für jeden festgestellten Laut machte er sich ein bestimmtes Zeichen; anfangs schien es ihm gerathen Bilder von Thieren, Pflanzen und Waffen zu nehmen, er gab diesen Gedanken aber bald wieder auf und behalf sich mit anderen Merkmalen; so brachte er etwa zweihundert verschiedene Charaktere für sein Alphabet zusammen. Seine Tochter, die ihn bei diesen Experimenten treulich unterstützte und bald im Stande war erfinderisch mitzuwirken, half die Zahl der Schriftzeichen auf fünfundachtzig reduciren.
Nun begann unser Kadmus leicht nachzuahmende Buchstaben zu schaffen, auch das gelang vortrefflich, und so war die Cherokesenschrift erfunden. Als Griffel diente dem Erfinder ein Nagel, als Schreibtafel ein Stück Baumrinde.
So weit erfolgreich, sann er natürlich darauf, seine Erfindung immer mehr zu vervollkommnen. Der nächste Agent der amerikanischen Regierung mußte ihm Papier liefern; Tinte gewann er aus der Rinde eines Waldbaumes, deren färbende Eigenschaften er bereits kannte. Wenn ihm nun auch das Federschneiden anfangs nicht besonders gelingen wollte, so half doch sein erfinderischer Geist auch bald über diese Schwierigkeit hinweg und der Mann, welcher ein Alphabet erfunden hatte, das nahezu viermal so umfassend ist, als das der deutschen Sprache, fand auch aus, daß die Feder einen Spalt haben müsse, um erfolgreich damit arbeiten zu können.
Der schwierigste Theil seiner Arbeit war jedoch noch zu thun, nämlich den Cherokesen die Erfindung plausibel zu machen. Das Neue stößt bei allen Völkern, sie mögen nun viel oder wenig, oder auch gar keine Seife beim Waschen gebrauchen, auf Widerstand, man denke an Guttenberg, Fulton u. a. Jener amerikanische Wunderdoctor hat ganz recht, wenn er sagt. „Es ist keine Kunst eine Medicin zu erfinden, die Alles heilt, aber eine Kunst ist es das Publicum glauben zu machen, daß sie Alles heilt.“ Auch Gueß mußte erfahren, wie schwer es ist den Widerstand der stumpfen Welt zu besiegen. Schon seit längerer Zeit hatte man sein Treiben mit Mißtrauen und Mißfallen betrachtet; man hielt ihn für einen bösen Zauberer und mied ihn; der Wahn wurde sogar dermaßen geschürt, daß eine Zeitlang sein Leben gefährdet war.
Ungeachtet dieser wenig ermuthigenden Stimmung gelang es ihm doch, die bedeutendsten Männer seiner „Nation“ in seinem Wigwam zu versammeln, um sie über seine Entdeckung in’s Klare zu setzen. Er erinnerte sie an den Streit über jenes „sprechende Blatt“, begann dann seine damals geäußerte Ansicht näher zu begründen, wobei er sogleich eine genaue Erklärung der Schreibkunst mit einlaufen ließ, und schließlich rückte er mit seiner Erfindung heraus.
Die Häuptlinge schüttelten halb zweifelnd, halb mitleidig die Köpfe, und es war wahrscheinlich ein großes Glück für unsern Erfinder, daß es bei den Indianern keine Narrenhäuser gab, er wäre wohl ohne Weiteres eingesteckt worden. So aber sagten sie gar nichts und warteten ab, bis See-quah-yah sie überzeugen werde. Wir haben bereits oben gesehen, daß seine Tochter bei der Erfindung half; diese sollte jetzt den Beweis liefern. Sie mußte mit einem Häuptling den Wigwam verlassen; der Sachem wurde ersucht, einen Gedanken auszusprechen, und Gueß schrieb denselben auf. Das Mädchen wurde gerufen, man hielt ihm das Papier hin und – die Rothhäute sprangen vor Staunen und Schrecken von ihren Sitzen. Das ging nicht mit rechten Dingen zu! Unser Erfinder konnte die erregten Gemüther kaum beschwichtigen und erst, als er nochmals betheuert hatte, daß durchaus keine Zauberei im Spiele sei, durfte er seine Experimente fortsetzen; er verließ das Zelt und das Mädchen mußte schreiben, auch dieses wurde gelesen.
Nach einer kurzen Berathung begannen die Häuptlinge die Sache in einem milderen Lichte zu betrachten und schließlich gewann die Ueberzeugung Raum, daß der lahme See-quah-yah eine äußerst wichtige Erfindung gemacht habe.
Allen in Nordamerika lebenden Volksclassen, sie mögen nun kaukasisches, indisches oder äthiopisches Blut in den Adern haben, ist das gemein, daß bei ihnen die That auf den Gedanken folgt. Rasch entschlossen, führen sie das Beschlossene rasch aus. Wie das Klima dieses Landes sich immer in Extremen bewegt und die Uebergänge fast gar nicht bemerkbar sind, so seine Bewohner; [657] sie wechseln ihre Ansicht eben so leicht wie die Hemden, und Ideen, die in Europa Decennien der Vorbereitung brauchen, werden hier über Nacht als selbstverständlich acceptirt. Noch ehe die Häuptlinge sich trennten, wurde beschlossen, dem Gueß eine Anzahl talentvoller junger Leute zu übergeben damit er dieselben in seiner Kunst unterrichte. Schon nach wenigen Wochen konnte er eine Prüfung veranstalten, die äußerst günstig ausfiel. Das war ein Freudentag der Cherokesen, wie seit Entdeckung des großen Pfeifensteinbruches kein zweiter die Indianer beglückte. Eine Büffeljagd wurde zu Ehren der Erfindung veranstaltet und ein langes Gastmahl folgte.
Der Leser muß nicht glauben, daß ich hier das Histörchen, welches sich an die Entdeckung des pythagoräischen Lehrsatzes knüpft, aufwärmen wolle; man lese nur Knapp’s Bericht, und diesem trockenen Yankee liegt sicherlich nichts ferner, als witzige Beziehungen; die Büffeljagd zu Ehren der neuerfundenen Cherokesenschrift hat tatsächlich stattgefunden und zeigt, daß – wie Heine sehr treffend bemerkte – seit den Tagen des Pythagoras bei jeder neuen Erfindung die Ochsen zittern müssen.
Bei dem Mahle erhielt Gueß den Ehrenplatz und die Indianer betrachteten ihn als ein höheres Wesen, denn der weise, große Manitou war mit ihm. Der noch vor Kurzem verachtete, von allen Kriegern scheu gemiedene Invalide wurde jetzt Häuptling der Nation, aber den Kriegspfad beschritt er nicht wieder, vielmehr gründete er in allen Cherokesendörfern Schulen und sorgte dafür, daß seine Erfindung in unglaublich kurzer Zeit Gemeingut der Nation wurde.
Die amerikanische Regierung – von jeher bereit, Alles zu thun, was die Civilisirung der Rothhäute fördern kann, die aber leider durch die Geldgier ihrer Agenten und die Landgier der früher dominirenden Sclavenbarone, hauptsächlich aber durch die von beiden Factoren provocirte grausame Kriegführung der Indianer oft zum Vernichtungskrieg gegen dieselben gezwungen wurde – besorgte einen Guß Typen für das von Gueß erfundene Alphabet und gab den Cherokesen die Mittel, in ihrer neuen westlichen Heimath – sie wurden nämlich zu jener Zeit von Georgia nach Kansas verwiesen – eine Zeitung zu etabliren, die in englischer und cherokesischer Sprache erscheint und unter dem Namen „Phönix“ noch heute in New-Echota prosperirt.
Wer von den monströsen Zeichnungen der Indianer und von den Hieroglyphen, die sich zuweilen an ihren Denksteinen befinden, auf das von Gueß erfundene Alphabet schließen wollte, würde sich sehr täuschen. Ich war wirklich erstaunt, als ich nach langem Nachforschen das erste in der Cherokesensprache gedruckte Buch sah. Die Charaktere sind so einfach, so symmetrisch abgerundet, daß ich wirklich zweifelte, ob dieses die Erfindung eines Indianers sei. In dem Alphabet sind sechszehn englische große Buchstaben, und Gueß mag dieselben jenem „sprechenden Blatt“ entnommen haben; aber woher bekam er das große und kleine Lambda, das Rho, das kleine Beta, letzteres sogar in der doppelten Schreibweise, und das große Gamma, die wir alle in der vollendetsten Weise hier wiederfinden? Selbst das Zend und Sanskrit ist in diesem Alphabet vertreten. Ein Silbenzeichen hat große Aehnlichkeit mit einer Maultrommel, deren Zunge ausgebrochen ist, ein anderes sieht einem Korkzieher nicht unähnlich.
Gueß blieb jedoch nicht bei dieser einen Erfindung stehen, sondern fand bald heraus, daß der weiße Mann auch noch in anderer Beziehung manchen Vorsprung habe. Das Nächste, was er vermißte, war ein sichtbares, maßgebendes Hülfsmittel für das Rechnen. Selbstverständlich kannte er weder arabische noch römische Ziffern; die Cherokesen hatten zwar Worte für alle Zahlen bis Hundert, aber sie hatten kein gemeinschaftliches Hülfsmittel für’s Addiren, Subtrahiren etc. Er sann nach und erfand ohne Euclid und ohne Adam Riese die vier Species. Seine größte Schwierigkeit war, den Zahlen in ihrer respectiven Bedeutung im Decimalsystem die gehörige Stelle anzuweisen; auch diese überwand er und es gelang ihm, seinen Landsleuten klare Begriffe von allen Zahlen bis zu einer Million zu verschaffen. Als Herr Knapp seine Bekanntschaft machte, war er ein tüchtiger Mathematiker.
Nun hat er doch wohl genug erfunden, wird der Leser denken. Noch lange nicht. Ein solcher Geist ist rastlos tätig, immer in fremden, unbekannten Regionen schweifend, für ihn giebt es kein Ziel, bis ihm der Tod sein unerbittliches „Genug“ zurraunt.
Gueß hatte bei seiner Alphabeterfindung leidlich Zeichnen gelernt. Wie alle Naturmenschen liebte er die Natur, und wenn er den Urwald im herbstlichen Blätterschmuck sah, wenn er die Pracht des Himmels beobachtete, wenn die Sonne im Spätherbst allabendlich von ihm Abschied nahm, so that es ihm in der Seele weh, eine solche Scene nicht festhalten zu können. Er sprach mit einem Agenten der Regierung darüber und hörte zu seiner Freude, daß der weiße Mann dieses meisterhaft verstehe. Sein Entzücken war jedoch vollkommen, als ihm der Agent einen Farbekasten verschrieb. Ohne weitere Anweisung machte sich Gueß daran, die Farben zu studiren, und sehr bald hatte er ausgefunden, daß durch Mischung derselben verschiedene Nuancen entstehen; nach kurzen Vorstudien begann er, die Natur mit überraschender Treue zu copiren. Seine Landschaften und Thierstücke erregten selbst bei Weißen Aufsehen, dieselben sind natürlich im Vergleich mit den Leistungen der kaukasischen Race roh, aber nicht selten geistreich und dabei immer correct. Einige derselben befinden sich in dem an Curiositäten und Indianer-Antiquitäten so reichen Smithsonian-Institut zu Washington, und diese Bilder verrathen eine bedeutende Kenntniß der Perspective.
Aber auch hierbei blieb er nicht stehen; er sah die unzähligen blinkenden Kleinigkeiten der Weißen und sann darauf, auch diesem nachzuahmen. Gueß wurde deshalb Feuerarbeiter. Bei seinem Stamm waren wohl einige Schmiede, diese verstanden jedoch nichts weiter, als einen rohen Tomahawk zurechtzuhämmern, oder ein Gewehrschloß zu repariren. Gueß schmiedete nach den bei amerikanischen Officieren gesehenen Mustern silberne Sporen, Löffel, goldene Ringe etc. zum großen Entzücken der rothen Krieger und ihrer Frauen. Durch diese sich fast auf alle den Bedürfnissen eines Naturvolkes entsprechende Gewerbe und Künste erstreckende, theils schöpferische, theils reproductive Thätigkeit wurde Gueß der Schöpfer der Civilisation seines Stammes, und selten hat wohl ein einzelner Mann einen so mächtigen Einfluß auf die Cultur eines rohen Volkes ausgeübt, als dieser heidnische Indianer.
Von den Cherokesen fast abgöttisch verehrt und von den Weißen, besonders den Häuptern der Regierung in Washington, mit großer Auszeichnung behandelt, hätte man meinen sollen, der Abend seines Lebens sei ein heiterer, wolkenloser gewesen; leider war es nicht so. Auch ihn traf das Loos, welches seit Prometheus fast alle die ereilte, „welche der Menschheit einen Schmerz gestillt“.
Die amerikanischen Missionäre bemächtigten sich nämlich sehr bald seiner Erfindung, übersetzten die Bibel in die Cherokesensprache und verdrängten die von Gueß und seinen Schülern verfaßten Lehrbücher durch ihre christlichen Handfibeln aus den Cherokesenschulen. Der alte Mann aber hing treu an seinem Manitou, und alle Bekehrungsversuche scheiterten an seiner Zähigkeit. Die Missionäre konnten bei dem gewaltigen Einfluß, welchen Gueß besaß, auf keine Erfolge unter den Cherokesen rechnen, sie sannen deshalb darauf ihn unschädlich zu machen. Noch einmal wurde Aberglaube und Wahn gegen ihn heraufbeschworen und dieses wirkte, eine Familie um die andere wandte sich von ihm ab, wie vor zwanzig Jahren stand er abermals allein und verachtet da, aber diesmal ohne Hoffnung; kein fester Mannesmuth half ihm über die Bitterkeiten des täglichen Lebens, keine Zuversicht auf bessere künftige Zeiten erhellte seine Pfade, sein Leben war ohne Ziel, sein Kampf gegen die Verleumdung ohne Siegeshoffnung – er verfluchte seine Erfindung, brach sein Zelt ab und zog mit seiner Familie im Spätherbst des Jahres 1842 der mexicanischen Grenze zu, wo er sich bei San Fernando niederließ. Dort starb er nach einem langen furchtbaren Winter, der ihn fast dem Hungertode nahe brachte, im August 1843 als achtzigjähriger Greis.
Noch rast auf den Prairien des fernen Westens der Vernichtungskampf gegen die rothen Kinder dieses Continents; noch lesen wir täglich von Blutbädern der Sioux, Apachen, Comanchen und anderer Stämme, vor deren Gräueln die historische Massacre von Wyoming in Nichts verschwindet; von den Cherokesen indessen hört man nur selten, außer etwa, daß eine Deputation in Washington angekommen ist, um die Verträge zu erneuern und gelegentlich „den großen Vater“ – wie der Präsident seit den Tagen von Washington von den Indianern genannt wird – einmal zu sehen. Fast mitten unter den Weißen wohnend, haben sie längst die nomadischen Gewohnheiten der rothen Race aufgegeben, es sind die civilisirtesten [658] Rothhäute Nordamerikas. Wenn jedoch die Cherokesen ein civilisirtes Völkchen geworden sind, das Ackerbau, Gewerbe und Handel treibt, Kunst und Wissenschaft pflegt, eine geordnete Staatsverwaltung besitzt, überhaupt eine Republik in der Republik bildet, so war es nicht Kreuz und Schwert der Weißen, was sie auf diese Bahn leitete, sondern vielmehr der Himmelsfunke Genie, welcher in der Brust dieser Rothhaut schlummerte und durch die Berührung mit europäischer Cultur entzündet wurde; der Name See-quah-yah verdient deshalb einen ehrenvollen Platz in der Culturgeschichte der Völker.
Eine alte Freude. Die Berichte über das, was von Kanzeln und in frommen Blättern gegen die „Gartenlaube“ geeifert wird, und die directen Zuschriften an den Herausgeber, deren Inhalt die ganze Stufenleiter vom salbungsvollen Weheheulen bis zur unfläthigen Gemeinheit umfaßt, bilden einen ansehnlichen Stoß, mit welchem die Gegner unseres Blattes uns das reichhaltigste Arsenal gegen sich selbst überliefert haben. Vor der Hand wird die Sammlung ruhig fortgesetzt. Einen kleinen Einblick in dieselbe dürfen wir jedoch unseren Lesern wohl gönnen, namentlich weil er so trefflich geharnischte Kämpen für uns in die Schranken rief.
Vor einigen Wochen schrieb uns ein Freund aus Güstrow, in Mecklenburg-Schwerin, daß in der dortigen Schloßkirche von dem Pastor Bard die „Gartenlaube“ als Teufelsblatt verdammt worden sei. Hatte nun der „Kladderadatsch“ nichts Eiligeres zu thun, als Se. Ehrwürden zu seinem unfreiwilligen Mitarbeiter zu ernennen, so kam die Mecklenburgische „Central-Zeitung“ demselben zu Hülfe mit folgendem „logischen Beweis“:
„Existirte kein Teufel, so gäbe es auch keine Hölle; gäbe es keine Hölle, so kämen wir Alle in den Himmel; kämen wir Alle in den Himmel, so kämen auch die Schlechtgesinnten hinein; kämen die Schlechtgesinnten hinein, so wäre der Himmel kein Himmel; wäre der Himmel kein Himmel, so könnten auch die Gutgesinnten nicht belohnt werden; die Gutgesinnten müssen aber belohnt werden, folglich muß es auch einen Teufel geben. – Einen Teufel haben wir also, und dieser Teufel würde kein rechter Teufel sein, wäre er nicht über den ganzen Erdboden verbreitet. Ebenso verbreitet auf der Erde sind die Blätter; von allen Blättern ist nun die ‚Gartenlaube‘ das weitverbreitetste, das am meisten gelesene Blatt: kann es da uns Wunder nehmen, wenn der Teufel die ‚Gartenlaube‘ zu seinem Blatt, zum Teufelsblatt, erhoben hat?“
Die „Berliner Wespen“ aber machten dem geistlichen Herrn den Standpunkt in ihrer poetischen Weise klar, wie folgt:
Die „Gartenlaube“ ein Teufelsblatt.
Hört! Hört! was jüngst zelotet ward
In Güstrow von dem Pastor Bard.
Der rief: „O fromme Gemeinde, glaube,
Es ist die Leipziger Gartenlaube
Ein Höllenjournal, ein Teufelsblatt!
Weh’ Jedem, der es im Hause hat!“
Und in der Schloßkirch’ weiter schrie
Das Pfäfflein: „Liebe Gemeinde, sieh’,
Der Teufel macht diesen Haufen wilder
Gedichte, Romane, Erzählungen, Bilder,
In jeder Nummer ein ganzes Schock,
Und reitet beständig daselbst den Bock!“
Doch lächelnd sprach die ganze Gemein’:
„Der Teufel hinkt ja auf einem Bein;
Wenn er im Blatt steckt mit Kopf und Zehen,
Wie könnt’ es so ausgezeichnet gehen?“ –
Sie eilten und schafften das Blatt sich an.
Moral.
So macht Reclame ein frommer Mann!
Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes
gingen ferner ein: G. R. 1 Thlr.; Schüler eines Berliner Gymnasiums 4 Thlr.; ein Kränzchen junger Frauen in Frankenhausen 5 Thlr.; Ertrag
eines Concerts des Gesangvereins zu Reetz, 10 Thlr.; Minna Reuter in Hammerwerk-Oberndorf 2 Thlr.; Frau Rentmeister Leydorf in Zierenberg
1 Thlr.; bei einer Geburtstagsfeier in Nordenberg ges. 4 Thlr.; Nettoertrag eines Concerts in Pillau 30 Thlr.; L. S. in Prag 5 Thlr. 16 Ngr.
5 Pf. (10 fl. ö. W.); v. S. in Neustadt a. d. H. 5 Thlr. 21 Ngr. 5 Pf. (10 fl. rh.); F. O. in Lauterbach 2 Thlr.; Kießling u. Co. in Brüssel
5 Thlr.; C. v. H. in C. 3 Thlr.; E. P. J. in Sylt 3 Thlr.; Sammlung in Culmsee und Umgegend 29 Thlr.; Gust. Grünthal in Gräfenthal 3 Thlr.;
J. O. W. in Mänedorf 1 Thlr.; vom Personal des kgl bair. Berg- u. Hüttenamtes Sonthofen 16 Thlr. 8 Ngr. 6 Pf.; aus Quistainen 2 Thlr.
15 Ngr.; die Privattöchterschule der Frau Grässer in Querfurt 6 Thlr.; N. N. Zielenzig 5 Thlr.; Ertrag eines vom Sängerverein in Meerane
gegebenen Concerts 40 Thlr.; Ertrag einer Sammlung in der A. Schimon’schen Weinhandlung in München 28 Thlr.; aus Löbau in Westpr. 7 Thlr.;
A. S. in Golßen 20 Ngr.; die Schulkinder des Lehrers Hussong in Sembach (Rheinpfalz) 7 Thlr. 10 Ngr.; mehrere Menschenfreunde durch Pfarrer
Heß in Jettenbach 4 Thlr.; Ertrag einer musikal. Abendunterhaltung des Gesangvereins Arion und der Feuerwehrmusik in Furtwangen 26 Thlr.
8 Ngr. 5 Pf.; Edm. Seyffert in Linz 1 Thlr. 3 Ngr. 3 Pf. (2 fl. ö. W.); B. Conrad in Nördlingen 1 Thlr.; Unbekannt 1 Thlr.; A. C. in Paris
5 Thlr.; aus Kusel 3 Thlr.; A. K. in Bonn 2 Thlr.; N. N. in Goldberg 2 Thlr.; Sammlung in der Stadt Laucha durch Bürgerm. Blüthgen
38 Thlr. 26 Ngr. 3 Pf.; die Arbeiter der Flachsspinnerei und Bleiche von Renner u. Co.. in Röhrsdorf 7 Thlr. 5 Ngr.; Ertrag eines Kinder-Concerts
in Schwerin 28 Thlr.; Ertrag eomer Vorstellung des Liebhabertheaters in Aken a. E. 20 Thlr.; Leser der Gartenlaube aus Seidorf in Schlesien 1 Thlr.
3 Ngr.; H. R. in Pest 1 Thlr. 20 NGr. (3 fl. ö W.); ein Abonnent in Nordhausen 10 Thlr.; Beamte und Arbeiter des Eisenwerks in Kindberg
(Steierm.) 44 Thlr. 28 Ngr. 6 Pf. (81 fl. ö. W.); von Deutschen und Schweizern in Livorno durch Ernst Wagner 108 Thlr. 20 Ngr.; aus Berlin
1 Thlr.; Gustav Przibram in Prag 50 Thlr.; Reinertrag einer theatralischen Abendunterhaltung des Bürgervereins in Hausberge 8 Thlr.; H. C. M.
in Berlin 1 Thlr.; durch Dr. D. aus B. von der Dienstgesellschaft in Treuchtlingen (Baiern) 17 Thlr. 11 Ngr.; N. N. 2 Thlr. 6 Ngr. 6 Pf. (4 fl.
ö. W.); von der Kaltlochgesellschaft in Offenburg 40 Thlr.; Bernh. Dörffel in Kirchberg 1 Thlr.; C. A. Wolf in Kirchberg 1 Thlr.; Geschwister L.
in Göllingen 1 Thlr.; Hermus 1 Thlr.; Pastor Broens in Delft in Süd-Holland 2 Thlr.; Gust. Ripsch in Naumburg 2 Thlr.; C. A. 5 Thlr. 16 Ngr.
5 Pf. (10 fl. ö. W.); E. W. 16 Ngr. 7 Pf. (1 fl. ö. W.); Oberförster Hausing in Gr. Lengden 1 Thlr.; aus Steinau a. O. 1 Thlr.; Sammlung
des Rauchclubs beim Sengbusch in Colberg 1 Thlr.; in der Schule zu Beauregard (Prov. Brandenb.) ges. 1 Thlr. 14 Ngr.; Bauer in Berlin 3 Thlr.;
Wirthe u. Dienstleute des Hôtel Elisabeth in Ischl 11 Thlr. 3 Ngr. (20 fl. ö. W.); R. J. in St. Petersburg 2 Thlr. 16 Ngr. (3 Rubel); aus
Sangerhausen 5 Thlr.; Kalkofen 4 Thlr.; Kr. in Greifenberg 5 Thlr.; Sammlung bei einer Humboldt-Feier der Camera clara in Rodenkirchen
(Oldenburg) 4 Thlr. 10 Ngr.; Sammlung beim Stiftungsfest des Gesangvereins in Domburg 7 Thlr. 3 Ngr.; Sammlung bei einem Concert- und
Theaterabend in Frankenhausen i. Th. 53 Thlr. 5 Ngr.; Joh. Goetzger in Wien 2 Thlr. 23 Ngr. 7 Pf. (5 fl. ö. W.); J. L. in Lichtenberg bei Berlin
1 Thlr.; A. C. in B. 1 Thlr.; J. C. S. aus New-York 1 Thlr. 20 Ngr. (3 fl. ö. W.); Finderlohn aus Nordenberg 2 Ngr. 5 Pf.; E. H. G.
2 Thlr. 26 Ngr. (5 fl. rh.); von einem Geburtsfeste zu Braunfels 1 Thlr. 18 Ngr.; A. J. O. in Relliehausen 3 Thlr.; Gutsbesitzer Rhodius in
Carlshof bei Ellingen 1 Thlr. 4 Ngr, 3 Pf.; der gemischt-chorige Gesangverein zu Keuschberg bei Dürrenberg 17 Thlr.; H. H. in Posen 5 Thlr.;
die Streichgarn-Spinnerei zu Dahlhausen bei Lennep 20 Thlr.; H. 2 Thlr.; Lorenz Hutschenreuther in Selb 10 Thlr.; gesammelt beim Turnfest in
Greifenberg in Pommern 5 Thlr.; aus einem Posthause des Algäu 1 Thlr.; P. Oertel in Schlüchtern 5 Thlr.; Ernst Hänsel in Dresden 1 Thlr.;
der Scat-Club in Märzdorf bei Kaiserswaldau 8 Thlr.; P. T. 2 Thlr. 15 Ngr.; Ertrag eines Concerts des Liederkranzes in Oberkirch 28 Thlr.
17 Ngr.; F. W. in Freiburg i. B. 17 Thlr. 4 Ngr. 2 Pf. (30 fl. rh.); die höhere Töchterschule u. einige Schülerinnen der mittleren Töchterschule in
Spandau durch Rector Baldamus 26 Thlr.; Liedertafel in Soest 3 Thlr. 20 Ngr.; Lehrer u. Schüler der obern Knabenclasse in Soden (Nassau) 2 Thlr.;
C. F. in Schwanebeck 3 Thlr.; H. u. D. in Potsdam 1 Thlr.; als Sühne einer Wette von B. Ems 3 Thlr.; Sammlung in der Schule zu Creusitz
durch Lehrer Rost 1 Thlr. 15 Ngr.; S. Mayer in Hammelburg 2 Thlr.; Sammlung in der höhern Töchterschule der Frau Hentschel in Schönlanke
3 Thlr. 2 Ngr.; Ertrag einer von den Patienten des Asyls Carlsfeld bei Halle a. S. veranstalteten Lotterie 33 Thlr. 10 Ngr.; der wissenschaftliche
Seminarverein Constantia in Weimar 2 Thlr.; ein Sachse in Nyiregyháza 2 Thlr.; aus Heldburg 1 Thlr.; F. B. in Allenstein in Ostpr. 5 Thlr.;
Ertrag eines Concerts des Gesangvereins Phönix in Solingen 158 Thlr. 11 Ngr.; Beitrag von Einwohnern von Stadt-Ilm durch den Stadtrath
das. 45 Thlr.; Os. Ottendorfer in New-York 200 Thlr.; vom Georginenfeste in Rothwasser, R. B. Liegnitz, durch Kretzschmar 8 Thlr.; Louise W.,
Marie N., Filibert W. aus Lengfurt a. M. 1 Thlr.; der Künstler-Verien Schlaraffia in Berlin 18 Thlr.; aus Wormlage 1 Thlr.; ein junges Mädchen
1 Thlr.; Ertrag eines Concerts des Männergesang-Vereins in Pförten 28 Thlr.; F. W. Kromm in Michelstadt 17 Ngr. (1 fl. rh.); Turnverein in
Lauban 1 Thlr. 20 Ngr.; Sammlung in der Stadt Granssee durch den Magistrat das. 24 Thlr. 5 Ngr. 5 Pf.; J. K. in Finsterwalde 1 Thlr.; J.
E. O. 1 Thlr.; Sammlung der Erpedition des Märk. Stadt- u. Landfreundes durch Buchhdlr. J. G. Striese in Königsberg i. d. N. 9 Thlr. 16 Ngr.;
M. K. 5 Thlr. (Summa sämmtlicher Eingänge: 3762 Thlr. 17 Ngr. 8 Pf.) Die Redaction.
Inhalt: Jedem das Seine. Von Ad. von Auer. (Fortsetzung.) - Das Bild des Meisters. Von J. C. Lobe. Mit Portrait. - „Es kann ja nicht immer so bleiben!“ - Bei Giuseppe Mazzini. Von Ludmilla Assing. – Ein neues Blatt aus Kaulbach’s Todtentanz. Zur Nachfeier des jüngsten großen National-Jubiläums. Mit Illustration. – Das „sprechende Blatt“ des Indianers. - Blätter und Blüthen: Eine alte Freude. - Quittung über neue Eingänge für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes.
- ↑ Die Cherokesen, die, wie bekannt, als der numerisch stärkste und als der civilisirteste Stamm unter allen nordamerikanischen Indianern gelten, siedelten im Jahre 1838 in das heutige Indianergebiet westlich von Arkansas über und treiben daselbst Ackerbau und Baumwollcultur.