Die Fremdlinge
Die Fremdlinge.
Gegrüßet seid ihr mir, ihr Morgensterne
Der Vorzeit, die den Allemannen einst
In ihre Dunkelheit den Stral des Lichts,
In ihre tapfre Wildheit Milde brachten. –
Und Columban und Gallus, Magnoald,
Othmar und Meinrad, Notker und Winfred[1] –
Ihr kamet nicht mit Orpheus Leierton,
In Phrygisch-wilden Bacchustänzen nicht,
In eurer Hand ein Evangelium
Des Friedens und ein heilig Kreuz, mit ihm
Die Pflugschaar war es, die die Welt bezwang.
Graunvoller Anblick! – Undurchdrungner Wald
Bis hinten unersteigbar hoch das Eis
Der Glätscher glänzt in kalter Majestät.
Aus Klüften stürzten Ströme wild herab
Felsen zerreißend. Tief im Hain erscholl
Geschrei der Weiber und Gefangenen.
Aus Höhlen zischten Drachen; am Altar
Floß Menschenblut dem Wodan. Oede lag
Das Feld umher in trägem Sumpf und Moor.
Von hartgehaltnen Knechten arm bestellt. –
Da wagten aus entfernten Landen sich
Von Gott erweckte Männer in das Graun
Der alten Nacht, durchwanderten das Land,
Versuchte sich Beatus übern See;[2]
Der ungestüme schwieg vor ihm. Er trat
Vor eines Drachen Kluft; der Drach’ entfloh,
Und ließ die Höhle jetzt zur Wohnung Ihm
Aus Königsstamm und jetzt ein Wanderer,
Zwang Auerstier’ ins Joch; und Fridolin[4]
Bracht’ aus der Gruft den Todten vor Gericht
Mit ihm zu zeugen.
Der Orden Benedicts der Sonne Raum
Die Erde zu erwärmen. Wessen Hand
Hat diesen Fels durchbrochen? diesen Wald
Gelichtet? jenen Seucheschwangren Pfuhl
Der ewgen Eichen? Wer hat dieses Moor
Zum Garten umgeschaffen, daß in ihm
Italien und Hellas, Asien
Und Afrika jetzt blühet? War es nicht
Und wie den Boden, so durchpflügeten
Sie wildre Menschenseelen. Manchen Uhr
Belegt’ ein Heilger mit dem sanften Joch
Des Glaubens. Mancher Drache flog, besprochen
Zur Ruh der ganzen Gegend. Leo ging
Dem Attila[5] und manchem Giselaar,
Und Gibich, Godemar und Gunthar ging
Ein Bischof fromm entgegen, sprach mit ihm
Die freche, starre Geißel Gottes ward
Ums heilge Kreuz gewunden. Billigkeit
Und Milde trat im schlichten Mönchsgewand’,
Im Waldeskittel, wie im Priesterschmuck
Trat zwischen die Zweikämpfer, in den Rath
Der Ritter, und ins Haus- und Brautgemach,
Versöhnend, schlichtend, sanftverständigend.
Dem Knecht entfiel die Kette. Menschenkauf
Wie Tempel und Altar, so ward auch Heerd
Und Eh befriediget. Gedrückte wallten
Zur Stäte des Erbarmens. Hungernde,
Verfolgte, Kranke flohn zum heilgen Raum,
Der Sterbenden, im Aufruhr, Pest und Noth,
Erquickte, linderte, beruhigte.
Weß ist der Erdenraum? Des Fleißigen.
Weß ist die Herrschaft? Des Verständigen.
Des Gütigen, des Milden. Rach’ und Wuth
Verzehrt sich selber. Der Friedselige
Bleibt und errettet. Nur der Weisere
Soll unser Vormund seyn. Die Kette ziemt
Der Allemannen Sitten und Gespräch
Sind nicht die besten Sitten. Das Gespräch
Von Bärenbraten, Auerochsenjagd
Und Weiberjagd und Mähr’ und Hunden – Doch
Von Columban und Gallus, was du weißt.[6]
Verklungen war die Harfe Ossians
Im fernen West’, auf jenen Eilanden
Des sanften Galenstammes: Fingal lag
Was tönet jetzt aus neuen Wölbungen
Dort für ein andrer Klang? Nicht Ossians
Gesänge mehr; sie singen Davids Psalmen
Im feierlichen düstern Jubelchor.
Und bleibt derselbe. Die zu Schlachten einst,
Zu Rettungen auf ferne Küsten zogen,
Errettend ziehn sie jetzt zu stillen Siegen aus.
„Laß mich, o heilger Vater, (also sprach
Mit meinen zwölf Gefährten über Meer
Und Land hinziehen, zu besänftigen die Welt.“
Er zog mit seinen Freunden über Land
Und Meer, bis er des Frankenkönigs Herz
In meinem Reich zu wohnen, wo du willst.“
In einer Wüste des Vogesischen
Gebürges fanden sie ein warmes Bad.
Sie bauten sich in alten Mauern an,
Und viele Kranke walleten zu ihnen;
An Leib und Geist geneset kehrten sie
Zurück. Auch der Burgunderkönig kam,
Und bat den heilgen Mann um Lehr’ und Rath.
Sankt Columban, und nimm ein ehlich Weib,
Zur Ehre dir und deinem Land’ und Stamm;
Von deiner Unzucht wasch’, o König, dich.“
Brunhilde, Königs Mutter, hörte das;
Und haßte Columban. Er ward verbannt
Aus seiner Celle und aus Siegberts Reich.
Jedoch die Meeresflut empörte sich,
Und bracht’ ihn wieder an den Strand. Er ging
Gen Arbon und hinüber nach Bregenz.
Sie lehrten unermüdet, litten viel
Vom wilden Volk; (noch lehrt uns Columban
In seinen Schriften) bis er, ausgestoßen,
Zu Füßen fiel ihm Gallus: „Laß mich hier
Zurück, den Sterbend-Kranken.“ – Columban,
Unwillig zwar, jedoch mitleidend ließ
Ihm Magnoald und Dietrich auch zurück.
Zu jenen schönen Höhen, die uns einst
In heilgen Cellen das Verlohrene
Bewahrten, das noch jetzt die Welt belehrt.
„In jenem Walde dort, ob dieser Burg,
Sprach Hildebald, ist eine Ebene;
Dahinten steigen Berge hoch empor.
Nur ist Gefahr an diesem wilden Ort:
Denn Wolf und Bär kommt sich zu laben da!“ –
Sprach Gallus, morgen, Brüder, ziehn wir hin!
Und keine Speise kommt mir in den Mund,
Bis ich die Stäte meiner Rast erseh!“
So sprach der achzigjährge Greis und zog,
Er pflanzte einen Haselstecken statt
Des Kreuzes hin, und lebte wirksam dort
Mit seinen Brüdern Mang und Dietrich, trieb
Die Teufel heulend aus der Wüstenei.
Die Schlange floh; er baute seine Cell’
Ins Nest der Schlangen, und die Ebne ward
Ein Garten, Fischreich, Fruchtreich, Segensvoll.
Hier lebte Gall, verschmähend allen Reiz
Mit Hülf’ und Trost; es flohen vor ihm Leid
Und Krankheit, Leibes und der Seelen Schmerz.
Die schöne Wüste schenkt der König ihm;
Dann bauet’ er mit seinen Freunden dort
In Freundes Arm, ein fünf und neunzigjährger Greis.
In seiner Celle folgt’ ihm Mang, sein Freund.
Nach funfzig Jahren stand ein Kloster hier
Und eine Bücherei. Mit Danke nenn’
Der Bücher, Armen, und der Schulen Väter.
Wer an Valerius und Cicero,
Lukrez und Silius, Quintilian,
Sallust und Ammian, Manilius
Sankt Gall und Mang u. allen Schotten Dank,
Die scotice mit altem Bardenfleiß,
Die Bücher schrieben und bewahreten.
Es lebe Benedictus und Sanct Maur,
Der Helden Fußtritt ist mit Blut gefärbt;
Bekehrungscolonieen gehen oft
In Staatslist über. Gute Galen, Euch,
Die bis gen Lappland, bis zur Lombardei
Nachkommen Euch des Menschlichsten der Helden,
Des Menschlichsten der Sänger[7] Ruhm und Dank!
- ↑ Bekehrer Deutschlands in der Schweiz, in Schwaben und am Rhein.
- ↑ Den Brienzer und Thuner See. Beatus hat den Namen St. Batt in der Volkssprache.
- ↑ Lucius, der Sage nach ein Brittischer Königssohn, Bekehrer der Graubündner.
- ↑ Fridolin, Bekehrer derer von Glarus und der Rheinanwohner. Zu Seckingen auf einer Insel des Rheins begraben.
- ↑ Attila, der Hunnen König. Leo 3. ging ihm in die Lombardei entgegen und rettete Rom. Giselaar, Gibich u. f. sind Könige der Allemannen und Burgunder.
- ↑ Gallus heißt ein Gale. Columban und seine Gefährten waren nicht von Fingals Stamm, aber edle Schotten, (Scoten) aus Erin (Nord-Irland) gebürtig. Der erste Zug Columbans war in die Hebriden, (die westlichen Inseln bei Schottland.) Auf Hy oder Iona war ein Chorherrnstift errichtet, nach einer morgenländischen Regel. Von da begaben sich viele nach Bangor, einem berühmten Kloster in Wales; von da in die mittäglichen Länder. S. Müllers Geschichte der Schweiz Th. 1. S. 158. 205. u. f.
- ↑ Fingal und Oßian.