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Die Bekehrung

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Die Bekehrung
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 275-277
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[275]
Die Bekehrung.

Zwei Brüder im Westphälinger Land lebten miteinander in Frieden und Liebe, bis einmal der jüngere lutherisch blieb, und der ältere katholisch wurde. Als der jüngere lutherisch blieb und der ältere katholisch wurde, thaten sie sich alles Herzeleid an. Zulezt schickte der Vater den katholischen als Ladendiener in die Fremde. Erst nach einigen Jahren schrieb er zum erstenmal an seinen Bruder. „Bruder“, schrieb er, „es geht mir doch im Kopf herum, daß wir nicht Einen Glauben haben, und nicht in den nemlichen Himmel kommen sollen, vielleicht in gar keinen. Kannst du mich wieder lutherisch machen, wohl und gut, kann ich dich katholisch machen, desto besser.“ Also beschied er ihn in den rothen Adler nach Neuwied, wo er wegen einem Geschäft durchreiste. „Dort wollen wirs ausmachen.“ In den ersten Tagen kamen sie nicht weit miteinander. Schalt der lutherische: „der Pabst ist der Antichrist“, schalt der katholische: „Luther ist der Widerchrist.“ Berief sich der katholische auf den heiligen Augustin, sagte der lutherische: „Ich hab nichts gegen ihn, er mag ein gelehrter Herr gewesen seyn, aber beim ersten Pfingstfest zu Jerusalem war er nicht dabey.“ Aber am Samstag aß schon der Lutherische mit seinem Bruder Fastenspeise. „Bruder“, sagte er, „der Stockfisch schmeckt nicht giftig zu den durchgeschlagenen Erbsen“; und Abends gieng schon der Katholische mit seinem Bruder in die lutherische Vesper. „Bruder“, sagte er, „euer Schulmeister singt keinen schlechten Tremulant.“ Den andern Tag wollten sie miteinander zuerst [276] in die Frühmesse, darnach in die lutherische Predigt, und was sie alsdann bis von heut über acht Tage der liebe Gott vermahnt, das wollten sie thun. Als sie aber aus der Vesper und aus dem grünen Baum nach Hause kamen, ermahnte sie Gott, aber sie verstanden es nicht. Denn der Ladendiener fand einen zornigen Brief von seinem Herrn: „Augenblicklich sezt eure Reise fort. Hab ich euch auf eine Tridenter Kirchenversammlung nach Neuwied geschickt, oder sollt ihr nicht vielmehr die Musterkarte reiten?“ Und der andere fand einen Brief von seinem Vater: „Lieber Sohn komm heim sobald du kannst, du mußt spielen.“ Also giengen sie noch den nemlichen Abend unverrichteter Sachen auseinander, und dachten jeder für sich nach was er von dem andern gehört hatte. Nach sechs Wochen schreibt der jüngere dem Ladendiener einen Brief: „Bruder deine Gründe haben mich unterdessen vollkommen überzeugt. Ich bin jezt auch katholisch. Den Eltern ist es insofern recht. Aber dem Vater darf ich nimmer unter die Augen kommen.“ Da ergriff der Bruder voll Schmerz und Unwillen die Feder: „Du Kind des Zorns und der Ungnade, willst du denn mit Gewalt in die Verdammniß rennen, daß du die seligmachende Religion verläugnest? Gestrigs Tags bin ich wieder lutherisch worden.“ Also hat der katholische Bruder den lutherischen bekehrt, und der lutherische hat den katholischen bekehrt, und war nachher wieder wie vorher, höchstens ein wenig schlimmer.

Merke: du sollst nicht über die Religion grübeln und düfteln, damit du nicht deines Glaubens Kraft verlierst. Auch sollst du nicht mit Andersdenkenden darüber disputiren, am wenigsten mit solchen, die es [277] eben so wenig verstehen als du, noch weniger mit Gelehrten, denn die besiegen dich durch ihre Gelehrsamkeit und Kunst, nicht durch deine Ueberzeugung. Sondern du sollst deines Glaubens leben, und was gerade ist, nicht krumm machen. Es sey dann, daß dich dein Gewissen selber treibt zu schanschieren.