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Die Altgewordenen

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Textdaten
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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: Die Altgewordenen
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Zwölftes Bändchen, Seite 1500–1511
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel: Μακρόβιοι
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[1500]
Die Altgewordenen.

1. Ich bringe dir, mein erlauchter Quintillus, ein Geschenk dar – die Altgewordenen. Denn Das war es wohl, was der Traum bedeuten sollte, welchen ich schon vor längerer Zeit in der Nacht, ehe du deinem zweitgebornen Sohne seinen Namen beilegtest, träumte und meinen Freunden erzählte. Ich wußte mir damals nicht zu deuten, was der Gott mit den „Altgewordenen“ meinte, welche er mich dir darbringen hieß, und schickte also Gebete und Gelübde zu den Göttern, daß sie dich und deine Söhne bis zum äußersten Ziele des menschlichen Lebens gelangen lassen möchten; in der Ueberzeugung, daß sie dem ganzen menschlichen Geschlechte, vor Allen aber mir und den Meinigen nichts Wohlthätigeres verleihen könnten. Denn auch mir selbst schien der Traumgott etwas Heilsames andeuten zu wollen.

2. Allein bei längerem Nachsinnen kam ich auf den Gedanken, die Götter wollen, indem sie einen Auftrag dieser Art einem Schriftsteller ertheilten, diesem vermuthlich ihren Willen zu erkennen geben, daß er dir eine Frucht seiner Studien überreiche. Ich ersah mir also diesen Tag, an welchem du dein Geburtsfest begehest, als den günstigsten, um dir diese gesammelten Nachrichten von Solchen, welche [1501] bei gesundem Geiste und ungeschwächtem Körper ein hohes Alter erreicht haben, zu übergeben. Vielleicht, daß das kleine Schriftchen dir von zwiefachem Nutzen seyn dürfte. Für’s erste möchte es in dir eine wohlgemuthe Stimmung und die Hoffnung erregen, ebenfalls recht lange zu leben; zweitens wird sich aus diesen Beispielen die Lehre entnehmen lassen, daß gerade Diejenigen, welche ihrem Körper so wie ihrem Geiste die meiste Sorgfalt gewidmet haben, bei vollkommener Gesundheit es bis zur höchsten Altersstufe gebracht haben.

3. Nestor, der weiseste aller Achäer, hat drei Menschenalter erlebt, wie Homer erzählt, der ihn uns als einen körperlich und geistig durch Uebung gekräftigten Mann darstellt. Der Prophet Tiresias soll es, der Tragödie zu folge, sogar auf sechs Menschenalter gebracht haben: und man muß wohl annehmen, daß ein Mann, der sich den Göttern gewidmet hatte und eine reinere Lebensart führte, wie Tiresias, auch ein höheres Alter, als andere Sterbliche, erreichen mußte.

4. Auch erzählt man von ganzen Casten, welche vermöge ihrer Lebensart vorzugsweise alt werden, wie die Schriftgelehrten der Aegyptier, die Mythendeuter der Assyrier und Araber, die sogenannten Brachmanen bei den Indiern, welche ununterbrochen in philosophischer Beschauung leben; endlich die Magier, oder die Propheten- und Theologencaste der Perser, Parther, Bactrianer, Chorasmier, Arier, Saken, Medier und vieler anderer barbarischer Völker. Diese sind gesund und kräftig, und werden ungewöhnlich [1502] alt, weil ihre magische Disciplin ihnen eine genaue geregelte Lebensordnung vorschreibt.

5. Sogar ganze Völkerschaften gibt es, die es zu einem höhern Alter bringen, als andere, z. B. die Seren, welche dreihundert Jahre erreichen sollen. Den Grund dieses hohen Alters suchen Einige in der Luft jenes Landes; Andere in der Beschaffenheit des Bodens; wieder Andere aber in ihrer Lebensart, indem sie behaupten, daß das ganze Volk Nichts als Wasser trinke. Von den Bewohnern des Athos liest man, daß sie bis auf hundert und dreißig Jahre leben: eben so sollen auch die Chaldäer über hundert Jahre erreichen; und zwar leben diese von Gerstenbrod, weil dieß ein Mittel sey, das Gesicht zu schärfen. Ueberhaupt sollen bei Diesen ihrer Lebensart wegen auch die übrigen Sinne schärfer seyn, als bei andern Menschen.

6. So viel von ganzen Menschenklassen und Völkerschaften, welchen man wegen ihres Bodens, ihrer Luft, ihrer Lebensart, oder wegen dieser Ursachen zusammengenommen, ein ungewöhnlich hohes Alter zuschreibt. Es wird mir aber nicht schwer werden, auch dich zu der Hoffnung eines hohen Alters zu berechtigen, wenn ich nachweise, daß es in jedem Lande, und unter jedem Himmelsstriche sehr alte Leute gegeben hat, welche durch angemessene Uebungen und eine höchst zweckmäßige Lebensordnung sich bei voller Gesundheit erhalten haben.

7. Ich werde diese meine Aufzählung nach den verschiedenen Ständen eintheilen, und dir vorerst Könige und große Feldherren nennen, vor allen aber unseren großen, hocherhabenen und frommen Kaiser, den ein gnädiges Geschick auf [1503] diese höchste Stufe gestellt hat, um recht lange den ihm unterworfenen Erdkreis zu beglücken.[1] Der Hinblick auf solche Beispiele wird auch dich, da du jenen Männern nach Stellung und Lebensglück so nahe kommst, geneigt machen, ein hohes und gesundes Greisenalter dir zu versprechen, und dich um so mehr aufmuntern, durch ähnliche Lebensweise Gesundheit und langes Leben dir zusichern.

8. Numa Pompilius, unter allen Königen Roms der glücklichste, der fast immer mit dem Dienste der Götter beschäftigt war, hat nach der Geschichte über achtzig Jahre gelebt. Eben so Servius Tullius, ein anderer Römischer König. Tarquinius, der letzte König der Römer, welcher nach seiner Vertreibung zu Cumä lebte, soll im Genusse der festesten Gesundheit sogar über neunzig Jahre alt geworden seyn.

9. Diesen Römischen Königen will ich die auswärtigen Fürsten, welche bis zu einem sehr hohen Alter gelebt haben, folgen lassen, und nach ihnen …[2] und die Beschäftigungen eines Jeden. Am Ende werde ich die übrigen Römer, welche besonders alt geworden, aufzählen und ihnen die hierher gehörigen Namen aus dem übrigen Italien beifügen. Denn es ist die beste Art, Diejenigen, welche die Luft dieses Landes in übeln Credit bringen möchten, durch die [1504] Geschichte zu widerlegen. Um so mehr werden wir auch dadurch uns in unserer Hoffnung bestärken, daß unsere Wünsche für ein langes und glückliches Alter des Herren über alle Länder und Meere, der jetzt schon vorgerückt an Jahren den Erdkreis regiert, in Erfüllung gehen werden.

10. Arganthonius, König von Tartessus, soll hundert und fünfzig Jahre gelebt haben, wie der Geschichtschreiber Herodotus und der Liederdichter Anacreon versichern, wiewohl es Andere für eine Fabel halten. Agathocles, Usurpator von Sicilien, starb nach den Zeugnissen des Demochares und Timäus im fünf und neunzigsten Jahre. Der Gewaltherrscher von Syracus, Hiero, starb nach einer siebzigjährigen Regierung in einem Alter von zwei und neunzig Jahren an einer Krankheit, wie Demetrius aus Calatia und Andere berichten. Anteas, König der Scythen, fiel, über neunzig Jahre alt, in einer Schlacht gegen Philippus am Isterstrom. Bardylis, König der Illyrier, focht zu Pferde in einem Treffen gegen Philippus, als er schon volle neunzig Jahre zählte. Teres, König der Odysier, starb, nach der Angabe des Theopompus, als ein Greis von zwei und neunzig Jahren.

11. Antigonus der Einäugige, Sohn des Philippus, König von Macedonien, fiel in Phrygien in einem Treffen gegen Seleucus und Lysimachus, von Wunden bedeckt, in einem Alter von ein und achtzig Jahren, wie Hieronymus berichtet, der jenem Treffen beigewohnt hatte. Und Lysimachus, König von Macedonien, fand nach dem Zeugniß desselben Hieronymus seinen Tod in einer Schlacht mit Seleucus, nachdem er bereits das achtzigste Jahr zurückgelegt [1505] hatte. Antigonus, der Sohn des Demetrius und Enkel Antigonus des Einäugigen, regierte vier und vierzig Jahre über Macedonien und lebte achtzig, wie Medius und andere Geschichtschreiber melden. Deßgleichen war auch Antipater, des Iolaus Sohn, ein vielvermögender Mann und Vormund mehrerer Macedonischen Könige, über achtzig Jahre alt, als er starb.

12. Ptolemäus, Sohn des Lagus, der glücklichste aller Könige seiner Zeit, regierte Aegypten bis in sein vier und achtzigstes Jahr, und übergab zwei Jahre vor seinem Tode die Herrschaft seinem Sohne Ptolemäus Philadelphus, der nun, ungeachtet er ältere Brüder hatte, den väterlichen Thron bestieg. Philetärus, ein Eunuch, der erste König von Pergamus, endigte sein Leben im achtzigsten Jahre. Attalus Philadelphus, ebenfalls König von Pergamus, derselbe, zu welchem der Römische Feldherr Scipio kam, starb im zwei und achtzigsten.

13. Mithridates, König von Pontus, der sogenannte Stifter, starb auf der Flucht in den Pontus vor Antigonus dem Einäugigen, in einem Alter von vier und achtzig Jahren nach dem Zeugniß des Hieronymus und anderer Historiker. Derselbe Hieronymus gibt an, daß Ariarathes, der König der Cappadocier, sein Leben auf zwei und achtzig Jahre gebracht habe, und vielleicht noch älter geworden wäre, wenn er nicht nach einem Treffen dem Perdiccas in die Hände gefallen wäre, der ihn aufspießen ließ.

14. Von Cyrus dem älteren, König von Persien, berichten die Denksäulen auf der Gränze von Persien und Assyrien, womit Onesikritus in seiner Geschichte Alexanders [1506] übereinzustimmen scheint, daß er, in einem Alter von hundert Jahren, sich noch einmal namentlich nach jedem seiner Freunde erkundigt habe; und als man ihm sagte, sie wären fast alle von seinem Sohne Kambyses, der Befehle von Cyrus selbst vorschützte, um’s Leben gebracht worden[WS 1], endigte er sein Leben aus Gram über die Grausamkeiten seines Sohnes, deren Vorwurf von diesem auf ihn selbst gewälzt worden war.

15. Artaxerxes Mnemon, gegen welchen sein Bruder Cyrus zu Felde gezogen war, starb als König von Persien an einer Krankheit im sechs und achtzigsten Jahre, oder, nach Dinon im vier und neunzigsten. Ein zweiter Artaxerxes, ebenfalls Persischer König, von welchem der Geschichtschreiber Isidorus von Charax meldet, daß er zu seiner Väter Zeit regiert habe, unterlag, drei und neunzig Jahre alt, dem meuchelmörderischen Anschlage seines Bruders Gosithras. Sinarthocles, König von Parthyene, war schon achtzig Jahr alt, als er von dem Sacauracischen Scythen in sein Reich zurückgeführt wurde, und regierte hierauf noch sieben Jahre. Tigranes, König der Armenier, gegen welchen Lucullus Krieg führte, zählte fünf und achtzig Jahre, als er an einer Krankheit starb.

16. Eben so Hyspasines, König von Charax und der Gegenden am rothen Meere. Eine Krankheit war es auch, welche dem zwei und neunzig Jahre langen Leben des Teräus, des dritten Königs nach Hyspasines, ein Ende machte. Der siebente König von Charax nach Teräus, Artabazus, wurde in seinem sechs und achtzigsten Jahre von [1507] den Parthern auf den Thron gesetzt. Der Parthyenische König Mnascires lebte sogar sechs und neunzig Jahre.

17. Masinissa, König von Mauretanien, brachte es auf neunzig. Asander, welchen der vergötterte Augustus aus einem bloßen Herzog der Bosporaner zum Könige über dieselben erhoben hatte, nahm es noch in seinem neunzigsten Jahre im Fechten zu Fuß und zu Roß mit Jedem auf. Als er aber in einem Treffen mit Scribonius sehen mußte, wie seine Truppen sich auf die Seite dieses Gegners schlugen, machte er seinem Leben, das er schon auf drei und neunzig Jahre gebracht halte, durch freiwilligen Hunger ein Ende. Der oben gedachte Isidorus erzählt sogar von dem Könige der Omanen im glücklichen Arabien, Goäsus, der hundert und fünfzehen Jahre alt geworden und endlich an einer Krankheit gestorben sey. So viele Könige sind es, deren hohes Alter die früheren Geschichtschreiber uns aufgezeichnet haben.

18. Da aber auch unter den Philosophen und überhaupt unter den Gelehrten Viele, die eine sorgfältige Lebensweise beobachteten, zu einem sehr hohen Alter gelangt sind, so will ich nun auch diese, so viele ihrer die Geschichte kennt, aufzählen und mit den Philosophen den Anfang machen. Democritus aus Abdera starb hundert und vier Jahre alt indem er aufhörte, Nahrung zu sich zu nehmen. Der Musiker Xenophilus, nach der Bemerkung des Aristoxenus, ein ausgezeichneter Pythagoreer, lebte zu Athen über hundert und fünf Jahre. Solon, Thales, Pittacus, die zu den sogenannten sieben Weisen gehörten, wurden jeder hundert Jahre alt.

[1508] 19. Zeno, der Stifter der stoischen Schule, stand in seinem acht und neunzigsten Jahre, als er, im Begriff, die Volksversammlung zu besuchen, an einen Stein stieß und zu Boden fiel. Da habe er[3] gerufen: „ich komme ja, was rufst du mich?“ wäre nach Hause gegangen und habe durch Entziehung aller Nahrungsmittel seinem Leben ein Ende gemacht. Sein Schüler und Nachfolger, Cleanthes, hatte das neun und neunzigste Jahr erreicht, als er wegen eines Geschwüres auf der Lippe sein Leben durch die gleiche Enthaltsamkeit zu endigen beschloß. Weil er aber schriftliche Aufträge von einigen seiner Freunde erhielt, nahm er wieder Nahrung zu sich, und sobald er ausgerichtet hatte, um was sie ihn gebeten, versagte er sich abermals alle Speise und ging aus der Welt.

20. Xenophanes, Sohn des Dexinus und Schüler des Physikers Archelaus, lebte ein und neunzig Jahre; Xenocrates, der Schüler Plato’s, vier und achtzig; Carneades, Stifter der jüngeren Akademie, fünf und achtzig; Chrysippus ein und achtzig; Diogenes aus Seleucia am Tigris, ein Stoiker, acht und achtzig; Posidonius aus Apaméa in Syrien, und Bürger von Rhodus, ein Philosoph und Geschichtschreiber, vier und achtzig; Critolaus, der Peripatetiker, über zwei und achtzig; der göttliche Plato ein und achtzig.

21. Athenodorus, Sandons Sohn, aus Tarsus, ein Stoiker und Lehrer des vergötterten Kaisers Augustus, welcher seiner Vaterstadt Tarsus eine Herabsetzung ihrer Abgaben [1509] bewirkte, starb daselbst in einem Alter von zwei und achtzig Jahren; und noch jetzt erweist ihm die Tarsische Gemeinde alljährlich die Ehrenbezeugung eines Heros. Der Stoiker Nestor aus Tarsus, Lehrer des Kaisers Tiberius, wurde zwei und neunzig Jahre alt: und Xenophon, des Gryllus Sohn, ebenfalls über neunzig.

22. Dieß sind die berühmtesten unter den Philosophen. Unter den Geschichtschreibern starb Ctesibius hundert und vierundzwanzig Jahre alt auf dem Peripatus, wie Apollodorus in seiner Chronik sagt. Hieronymus, der in vielen Kriegen gewesen, große Strapazen durchgemacht und Wunden empfangen hat, lebte gleichwohl hundert und vier Jahre, wie Agatharchides im neunten Buche seiner Geschichte Asiens berichtet, wo er sich wundert, wie dieser Mann bis an seinen letzten Lebenstag bei ungeschwächten Sinnen, vollkommener Gesundheit, und ein aufgeräumter Gesellschafter geblieben sey. Hellanicus aus Lesbos erreichte fünf und achtzig Jahre; Pherecydes aus Syros ebenfalls fünf und achtzig; Timäus aus Taurominium sechs und neunzig; Aristobulus aus Casandria zählte schon vier und achtzig Jahre, als er sein Geschichtwerk anfing, wie er selbst in der Vorrede zu demselben erwähnt, und wurde über neunzig alt. Polybius, Sohn des Lycortas aus Megalopolis, hatte in seinem zwei und achtzigsten Jahre, als er von seinem Landgute in die Stadt ritt, das Unglück, vom Pferde zu stürzen und starb an den Folgen. Hypsicrates aus Amisus, ein sehr vielseitig gelehrter Schriftsteller, lebte zwei und neunzig Jahre.

[1510] 23. Unter den Rednern wurde Gorgias, von Vielen der Sophist genannt, hundert und acht Jahre alt, und starb eines freiwilligen Hungertodes. Auf die Frage, wie er es zu einem so hohen Alter, bei völliger Gesundheit aller Sinne, gebracht habe, soll er erwiedert haben: „dadurch, daß ich mich nie bei Schmausereien umgetrieben habe.“ Isocrates zählte schon sechs und neunzig Jahre, als er seinen Panathenaïcus[4] schrieb. Er stand in seinem neun und neunzigsten, als er die Niederlege der Athener durch Philippus bei Chäronéa erfuhr. Von Schmerz ergriffen bezog er die Worte des Euripides[5] auf sich:

Der Heimathstadt sagt Cadmus nun ein Lebewohl!

weissagte die Knechtschaft Griechenlands und gab sich selbst den Tod. Apollodorus, der Redner, aus Pergamus, und Lehrer des vergötterten Kaisers Augustus, also College des obengenannten Philosophen Athenodorus, lebte ebenfalls, wie Dieser, zwei und achtzig Jahre. Potamo, ein nicht unberühmter Redner, brachte es auf neunzig.

24. Der tragische Dichter Sophocles erstickte an einem Weinbeerkern in seinem fünf und neunzigsten. Kurz zuvor war er von seinem Sohn Iophon dem Gerichte als aberwitzig angegeben worden: er aber las den Richtern seinen Oedipus auf Kolonos vor, und bewies durch dieses Kunstwerk, wie gesund sein Kopf noch war; so daß die Richter ihm ihre höchste Bewunderung zu erkennen gaben, den Sohn hingegen für einen Verrückten erklärten.

[1511] 25. Der komische Dichter Cratinus hatte noch kurz vor seinem Tode, der ihn erst in seinem sieben und neunzigsten Jahre erreichte, seine „Weinflasche“ auf die Bühne gebracht und mit derselben den Sieg davon getragen. Der Komiker Philemon hatte es ebenfalls schon auf sieben und neunzig gebracht. Eines Tages aber lag er auf seinem Ruhebette, als er sah, wie ein Esel die Feigen aufspeiste, welche zu seiner eigenen Mahlzeit bestimmt gewesen waren: da brach er in ein Gelächter aus, rief seinem Bedienten, und befahl ihm unter unaufhörlichem und unmäßigem Lachen, dem Esel auch Wein aufzutischen, und fand dieß so lustig, daß er vor Lachen erstickte. Auch von dem Komiker Epicharmus sagt man, daß er erst im sieben und neunzigsten Jahre gestorben sey.

26. Der Liederdichter Anacreon erreichte fünf und achtzig Jahre, der Liederdichter Stesichorus eben so viel: Simonides aus Ceos mehr als neunzig.

27. Unter den Grammatikern lebte Eratosthenes, des Aglaus Sohn, aus Cyrene, zugleich ein Philosoph, Dichter und Mathematiker, zwei und achtzig Jahre.

28. Lycurgus, der Gesetzgeber der Lacedämonier, soll fünf und achtzig Jahre alt geworden seyn.

29. Dieß sind die Könige und Gelehrte, welche ich zusammenbringen konnte. Weil ich aber versprochen habe, auch diejenigen Römer und Italier, welche ein hohes Alter erreicht haben, aufzuzeichnen, so werde ich diese, so die Götter wollen, dir, mein verehrungswürdiger Quintillus, in einem zweiten Buche vorlegen.


  1. Dieses Schriftchen scheint in den letzten Lebensjahren des Antoninus Pius in Italien geschrieben zu seyn, unter welchem Quintillus wahrscheinlich irgend ein hohes Amt bekleidete.
  2. Lücke im Text.
  3. Worte der Niobe bei Euripides.
  4. Im Texte unrichtig: Panegyricus.
  5. Bruchstück aus dem Phrixus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: werden