Die „Afrikanische Gesellschaft“ und die deutsche Expedition an der Loangoküste
„In unserer Zeit des rastlosen Strebens, wo täglich neue Entdeckungen den Kreis des Wissens erweitern und auf allen Zweigen menschlicher Erkenntniß weitersprossende Wahrheiten reifen, muß es vor Allem als dringendste Pflicht erachtet werden, den Planeten, den wir bewohnen, seiner ganzen Ausdehnung nach kennen zu lernen und in unserem eigenen Erdenhaus keine unbetretenen, also unbekannten Strecken übrig zu lassen.“
Das sind die einleitenden Worte des ersten Aufrufes, welchen der Vorstand der Berliner „Gesellschaft für Erdkunde“ zu Anfang des vorigen Jahres in die Oeffentlichkeit brachte.
Die Geographie bildet ein einigendes Band für alle diejenigen Naturwissenschaften, die der vergleichenden Methode in ihren Studien folgen und das Beobachtungsmaterial aus verschiedenen Theilen der Erde zu entnehmen haben. Die von der Geographie eingeleiteten Entdeckungsreisen kommen oftmals weniger ihr selbst als den verwandten Wissenschaften, dem Handel und schließlich der Menschheit zu Gute. So konnte es denn auch nicht fehlen, daß so friedliche und nützliche Unternehmungen, wie die Gründung der „Afrikanischen Gesellschaft“, in allen Schichten der Gesellschaft die wärmsten Förderer und Freunde fanden.
Im April 1872 traten die Delegirten der geographischen Gesellschaften von Berlin, Dresden, Leipzig, Hamburg, Halle, Frankfurt am Main und München zur Gründung der oben genannten Gesellschaft zusammen. Nachdem man sich über das Ziel, über die Mittel und Wege zur Erreichung desselben geeinigt hatte, constituirte sich die Gesellschaft. Das Patronat übernahmen Ihre königlichen Hoheiten der Großherzog von Sachsen-Weimar, der Kronprinz von Sachsen, welcher auch später als König Albert dem Unternehmen seine Theilnahme nicht entzogen hat, und Prinz Adalbert von Preußen, der inzwischen durch den Tod abberufen und an dessen Stelle Se. königl. Hoh. Prinz Friedrich Karl von Preußen eintrat, sowie der Senat von Bremen und Hamburg.
Die Aufgabe, welche sich die Gesellschaft zu lösen vorgesteckt hat, ist zunächst die wissenschaftliche Erforschung der noch unbekannten Gebiete Central-Afrikas. Diese Aufgabe in Angriff zu nehmen, schien durch die Umstände geboten. Es wurde beschlossen, den Westen Afrikas zum Ausgangspunkt zu nehmen, um von dort her die neuerdings vorzugsweise im Osten geförderten Entdeckungen zu ergänzen, und als geeignetste Localität erwies sich die noch nie von einem wissenschaftlichen Reisenden besuchte Loangoküste. Hier zeigte sich zugleich die beste Gelegenheit für Begründung einer Station, um zweierlei Zwecke zu erreichen, einmal nämlich, um der in das Innere abzusendenden Expedition einen festen Standpunkt zu geben, und dann, um den mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigten Gelehrten einen bequemen Aufenthaltsort zu gewähren.
Da die Zwecke der Gesellschaft zunächst rein wissenschaftlicher Natur sind, so fand man in den vorbereitenden Schritten zu dem Unternehmen ein sehr freundliches Entgegenkommen von Seiten der holländischen „afrikanischen Landesvereinigung“, welche ihren Sitz zu Rotterdam hat. Es traten so günstige Umstände zusammen, daß man ohne Zaudern zur Anwendung einer Expedition schreiten konnte.
Als Führer der Expedition fand sich glücklicher Weise, wie wir jetzt schon mit Genugthuung sagen können, eine vortrefflich geeignete Persönlichkeit, Herr Dr. Paul Güßfeldt aus Berlin. Güßfeldt ist sowohl durch seine gediegene wissenschaftliche Bildung, wie durch seine vorzüglichen Charaktereigenschaften, die ihm schon während des Krieges gegen Frankreich, welchen er als Officier mit Auszeichnung mitmachte, die Liebe seiner Cameraden und Untergebenen erwarben, ganz zu solcher Führerschaft geeignet.
Wohin aber sollte die Expedition sich wenden? Von Norden und Osten aus ist die Erforschung Afrikas von Deutschen wiederholt in Angriff genommen worden, niemals aber von der Westküste aus. Die Westküste wurde zwar von dem bekannten Professor Bastian im Jahre 1857 besucht, doch galt es damals nur, von der Küste bis Ambassi (S. Salvador) vorzudringen, was unserm berühmten Forscher auch gelang und bei welcher Gelegenheit er damals die Wahrnehmung machen mußte, daß die Sclavenhändler Jeden, der es nur wagen wollte, in das Innere vorzudringen, getödtet haben würden. Der Sclavenhandel dauerte bis zum Beginne der sechsziger Jahre fort, mußte aber endlich als nicht mehr gewinnbringend aufgegeben werden. Die bis dahin dem Sclavenhandel ergebenen Portugiesen mußten sich nun dem legitimen Handel zuwenden. Sie bildeten unter sich eine „Compania dos Mercantes del Norte“, die indeß nicht von langer Lebensdauer war. Die Holländer, welche neben den Portugiesen und Engländern unter dem vierten bis sechsten Grade südlicher Breite nördlich vom Congo-(Zaïre-)Flusse und an der Loangoküste zerstreute Factoreien besaßen, übernahmen sämmtliche Factoreien der liquidirenden „Compania“ und stellten die bisherigen Eigenthümer als ihre Agenten an, während der eigentliche Handel in sehr geschickter Weise von Rotterdam aus organisirt wurde.
So hatten sich in dem Zeitraume von siebenzehn Jahren, wo Bastian zuerst diese Küste besuchte, die Verhältnisse vollständig geändert, und Bastian durfte, auf umfangreiche Studien, welche er über diese Küste angestellt hatte, fußend, sich der Hoffnung hingeben, daß ein Eindringen in das Innere Afrikas von der Loangoküste aus möglich sei.
Für die Wahl, die Westküste als Ausgangspunkt der Expedition zu nehmen, war auch die wichtige, durch Schweinfurth’s und Livingstone’s letzte Reisen gewonnene Wahrnehmung, daß sie in ihren Endstationen bereits die geographischen Provinzen West-Afrikas erreicht hatten, bestimmend, denn Flora, Fauna und Menschenleben gehörten dieser an.
Alle diese neuen Anschauungen weckten nun eine rührige Thätigkeit in geographischen Kreisen; das von Berlin ausgehende Unternehmen erfreute sich der lebhaftesten Theilnahme, und reiche Beiträge flossen der Casse der „Afrikanischen Gesellschaft“ zu.*[1] [614] Dr. Güßfeldt selbst zeichnete sechstausend und Bankdirector G. H. W. Bergmann fünftausend Thaler; von den Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin, aus Bremen, Hamburg, Dresden, Leipzig und anderen Orten gingen größere Beiträge ein, auch die Huld des Kaisers Wilhelm, des Königs von Sachsen wurde dem Unternehmen zugewandt, das außerdem durch allerhöchste Bestimmung aus dem kaiserlichen Dispositionsfond unterstützt wurde und von dem Auswärtigen Amte in verschiedener Weise schätzbarste Förderung erhielt.
Nachdem Alles auf das Beste hergerichtet, verließen die Mitglieder der Expedition im Mai 1873 Europa. Der unermüdliche und für die Wissenschaft keine Opfer scheuende Professor Bastian, der Vater und zunächst die Seele der Expedition, eilte unaufgefordert aus eigenem Drange und aus eigenen Mitteln über Lissabon nach der Westküste Afrikas.
Dr. Güßfeldt, der mit seinem Begleiter, Lieutenant von Hattorf, über Liverpool mit dem englischen Postdampfer „Nigritia“, auf welchem er seine gesammte Ausrüstung eingeschifft hatte, die Reise antrat, hatte bekanntlich das Unglück, im Juni bei Sierra Leone zu scheitern, bei welcher Gelegenheit er den größten Theil seiner Ausrüstung einbüßte. Doch durch das thätige und schnelle Eingreifen des Vorstandes der „Afrikanischen Gesellschaft“, damals unter der Leitung des Herrn Professor Neumayer, Vorstand des hydrographischen Amtes der kaiserlichen Marine, wurde rasche Abhülfe geschaffen und der Verlust gedeckt.
Am 2. Juli erreichte Professor Bastian die holländische Factorei Kabinda, nach Dr. Güßfeldt’s Beobachtung unter 5° 33′ 21,5″ südlicher Breite gelegen. Bastian war nicht wenig überrascht, von Dr. Güßfeldt hier noch nichts zu hören; er mußte ja zu dieser Zeit, wenn ihm kein Unfall zugestoßen war, bereits gelandet sein, und nicht ohne Besorgniß ging Bastian nach Banana, der Hauptstation der holländischen Factoreien. Letzteres liegt an der Mündung des Zaïre oder Congo, nach Güßfeldt’s Beobachtung unter 6° 1′ 25,4″ südlicher Breite. Hier erfuhr Bastian die Hiobspost von dem gestrandeten Schiff; er begann nun sofort eine Recognoscirungsreise durch die Küstenländer Kabinda, Tschiluango und Loango, die uns bis dahin vollständig unbekannt waren. Am Quillu mußte er Halt machen, da er inzwischen von der Ankunft Güßfeldt’s unterrichtet war.
Am 25. Juli 1873 erreichten Güßfeldt und von Hattorf Banana, von wo aus Güßfeldt alsbald nach Landana in der Landschaft Loango aufbrach, und der 5. August führte diesen mit Bastian zusammen.
Es lag von vornherein im Plane des ganzen Unternehmens, an einem geeigneten Punkte an der Küste eine Station zu errichten, in welcher die Personen Standquartiere nehmen sollten, welchen einestheils die Pflicht oblag, die Verbindung zwischen der nach dem Innern vorgehenden Expedition und dem Vorstand, respective der Gesellschaft, im Vaterlande zu unterhalten, und anderntheils wissenschaftliche Beobachtungen und Sammlungen zu machen. Es war nun auch die erste Sorge der beiden Führer der Expedition, ich sage, der beiden Führer der Expedition, weil Bastian als der geistige Führer und Güßfeldt als der factische Führer auf afrikanischem Boden zu betrachten, den geeigneten Platz für die Station zu ermitteln. Anderthalb Meilen nördlich von Landana, unter fünf Grad neun Minuten südlicher Breite (nach Güßfeldt’s Messung), fand man diesen Ort, der sich Chinchoxo nennt.
Chinchoxo oder Chinchoncho war eine verfallene Factorei, die nun zu einer wohnlichen Stätte umgeschaffen ist. Ja, aus der vor wenigen Wochen abgegebenen Nr. 8 des Correspondenzblattes [615] geht hervor, daß auf der Station noch ein zweites Wohnhaus errichtet ist und daß Herr Soyaux, Mitglied der Expedition, auch schon einen Garten mit Versuchsfeldern angelegt hat. Einen interessanten Anblick dürfte denjenigen, welchen die Einzelheiten einer solchen Expedition noch fremd sind, das Zelt gewähren, in welchem die Waffen und Instrumente der Expedition aufbewahrt werden. Ich lege eine Photographie desselben bei, auf welcher zugleich das für die Passage von Flüssen und Seen angefertigte Boot sichtbar ist.
Bastian kehrte, nachdem die nöthigen Angelegenheiten geordnet und er noch hier und da einen Forscherblick in das Küstenland geworfen, nach Europa zurück.
Am 13. October vorigen Jahres war die Station Chinchoxo so weit hergestellt und eingerichtet, daß die Expedition nun selbstständig an der Küste existiren und Dr. Güßfeldt einer ferneren Aufgabe näher treten konnte, und bereits am 16. October brach derselbe von Chinchoxo aus nach den Landschaften Mayombe und Yangela auf. Es gelang ihm, in das bisher für verschlossen gehaltene Innere einzudringen, ohne daß man
ihm ein Ziel steckte. Da diese wichtige Reise doch eben nur eine vorläufige Recognoscirung war, so mußte er sich selbst ein Ziel stecken. Nachdem Güßfeldt den Quillufluß, einen Strom, der unserm Rhein an Größe kaum etwas nachgiebt, bis zu einer Entfernung von zweiundsechszig Miles (circa sechszehn deutsche geographische Meilen) von der Mündung verfolgt, was einer Entfernung von Köln bis Bingen gleichkommt, und seinen Lauf niedergelegt, kehrte er nach Chinchoxo zurück. Die Reise dauerte bis zum 2. December 1873 und war eine recht erfolgreiche, wenn auch recht beschwerliche. Güßfeldt scheint das innere Hochplateau erreicht zu haben, denn er beobachtete Höhen von vierhundertdreißig bis siebenhundert Metern und spricht von Gegenden, die uns an heimathliche oder doch europäische erinnerten. „Diese Gegend,“ sagt Güßfeldt, „schien für Deutsche oder Schweizer geschaffen zu sein, aber nicht für Schwarze, und es erschien mir fast wie Hohn, daß ich mich hier, statt in ein reinliches kleines Wirthshaus einzutreten, mit den Schwarzen wegen der zu bezahlenden Fazenda herumzanken mußte.“
Nach glücklich überstandener Reise versorgte sich Güßfeldt mit den nöthigen Begleitern zu seiner nun schon angetretenen Reise nach dem Innern. Die erforderlichen Instrumente und Schußwaffen waren auch inzwischen eingelaufen. Auch hatte der Vorstand nach und nach noch die folgenden Mitglieder der Expedition nach der Station Chinchoxo hinausgesandt: die Herren Dr. med. Falkenstein, Lindner, Soyaux, Botaniker, Dr. phil. Lenz, Geolog, und in neuester Zeit Dr. phil. Pechuel-Lösche. Letzterer ist besonders befähigt, Dr. Güßfeldt in allen Arbeiten zu unterstützen und nach mancher Richtung hin das Feld der Thätigkeit zu erweitern.
Die Station ist so weit vorbereitet, nun auch strengwissenschaftliche Gelehrte aufzunehmen, und während sich diese Mittheilung im Druck befindet, bereitet sich ein jüngerer, vielversprechender Gelehrter, Dr. Georg Lohde aus Leipzig, vor, nach der Station Chinchoxa abzureisen. Dr. Lohde. hat sich bereits durch mehrere wissenschaftliche Abhandlungen, z. B. „Ueber die Entwickelungsgeschichte und den Bau einiger Samenschalen,“ Inauguraldissertation, ferner „Ueber Insectenepidemien, welche durch Pilze hervorgerufen werden“ u. A., rühmlichst hervorgethan. Lohde wird nicht in das Innere gehen, sondern nur auf der Station morphologische und physiologische Forschungen anstellen.
Zum Schluß dieser ersten Mittheilung*[2] über die deutsche Expedition geben wir noch Einiges über Land und Leute an der Congoküste.
Wie die Loangoküste unter den Küstenländern Westafrikas eine klimatisch bevorzugte Oertlichkeit bildet, so zeichnen sich auch die Bewohner derselben vor den anderen Negern durch ihre Intelligenz aus. Sie verstehen sehr zierlich in Metall zu arbeiten, in Holz oder auf Elfenbein zu schnitzen; sie stellen feine Thonwaaren her und verfertigen Matten mit einer Mannigfaltigkeit geschmackvoller Muster. Die ersten Entdecker rühmen die feinen Zeuge, die aus Bastfasern gewebt werden, aber ein seidenartiges Aussehen hatten, und noch jetzt kommen mitunter solche Manufacturen aus dem Innern, während an der Küste selbst durch die Einfuhr baumwollener Stoffe aus Europa die einheimische Industrie verdrängt ist. Ausnehmend gefällig sind die sogenannten Mafuka-Mützen gewirkt, das heißt die von den Mafuka und anderen Häuptlingen als Standeszeichen getragenen Mützen, von denen sich einige Exemplare in dem ethnographischen Museum in Berlin befinden, ebenso wie mit mühsamer Sorgfalt hergestellte Körbe, die in großer Zahl ineinander geschachtelt sind.
Die königliche Würde ist in all’ diesen Negerländern mit vielen lästigen Verpflichtungen verknüpft, indem die Untertanen sehr weitgehende Anforderungen an den Landesherrn stellen. Es wird ihm Schuld gegeben, wenn keine Fische in’s Netz gehen, wenn die Ernten fehlschlagen oder wenn der Regen ausbleibt, und im letzten Falle wird von dem Fürsten verlangt, daß er Regen mache. Dies ist ein bedenkliches Ding, da ein Fehlschlagen des Versuches leicht einen gefährlichen Aufstand hervorrufen könnte, und die Klügeren unter den Fürsten lassen sich deshalb persönlich auf nichts ein, sondern schicken einen verantwortlichen Minister, der die weiteren Folgen, also auch wenn es mißlingt, zu tragen hat.
Der Lebenslauf des Einzelnen fließt ziemlich gleichförmig dahin, und auch der Stand macht keinen großen Unterschied. Zwar besteht auch an der Loangoküste, wie überall in Afrika, die Sclaverei, doch ist diese Haussclaverei eine weit mildere Form der Leibeigenschaft, verglichen mit dem Geschicke der Sclaven in Colonien, wo sie zum harten Felddienste angehalten werden. Unter den Freien scheidet sich eine Classe von Vornehmen (Fume genannt) ab, zu denen auch die fürstlichen Familien gehören, doch unterscheiden sie sich ihrem äußeren Auftreten nach kaum von dem gewöhnlichen Volke, außer daß sie meistens von einem mehr oder weniger zahlreichen Gefolge umgeben sind.
Wenn ein junger Weltbürger in’s Leben tritt, wird er für [616] die ersten Monate sorgfältig Aller Blicke entzogen, und selbst der Vater darf ihn mitunter nicht sehen. Die Mutter hat oft schon bald nach der Geburt ihren gewöhnlichen Hausgeschäften nachzugehen; so viel sie es aber durchführen kann, bleibt sie in dem innersten Gemache des Hauses mit dem Neugeborenen verborgen, bis dieser selbstständig auf seinen Beinchen stehen kann und Gehversuche macht. Dann werden die Fetischpriester gerufen und allerlei Ceremonien angestellt, wodurch der erste Ausgang des Kleinen, der mit Amuletten behängt ist, geweiht wird.
Die Kinder wachsen ungebunden auf, unterstützen aber bald ihre Eltern in deren Beschäftigungen, mehr aus freiem Antriebe, als weil dazu gezwungen. Die Eheschließung besteht in einem Kaufe, wie in anderen Theilen Afrikas, und so bald der junge Mann sich einiges Vermögen erworben hat, bleibt sein erster Gedanke, eine Frau zu erwerben. Manche lassen es bei dieser Einen bewenden; Andere fügen mit weiterer Ausdehnung ihres Haushaltes noch mehr Frauen hinzu, doch bewahrt dann die Erste und Aelteste den Rang der Hausfrau und sie ist kenntlich an einem dicken Kupferringe, Lemba genannt, den sie am Arme trägt. Ihr sind auch die Schlüssel zu dem Besitzthume des Mannes anvertraut, und den Raum, wo dasselbe aufbewahrt wird, darf außer ihr selbst Niemand betreten.
Die Bestellung des Bodens bleibt den Frauen überlassen. Jeder, der eine Stelle für den Anbau lichtet, wird dadurch Eigenthümer derselben, und obwohl deshalb in der Nähe größerer Dörfer die Umgebung bereits parcellirt zu sein pflegt, bleibt doch im Buschwalde Platz genug für Jeden, der sich der Mühe unterziehen will, das Unkraut auszuroden. Die Männer bringen ihr Leben in Nichtsthun hin, mit Rauchen und Palmweintrinken, es sei denn, daß sie mit Handelsgeschäften oder durch Erörterung ihrer Streitigkeiten in den sogenannten Palavern gelegentlich in Anspruch genommen werden. Die Jagd ist für ihren Geschmack zu mühsam, und sie sehen sich nur selten dazu veranlaßt, wenn nicht vielleicht sich ein Leopard in der Nähe des Dorfes zeigt und Menschenleben bedroht. Dann mag es geschehen, daß sich die Besorgten zusammenthun und das Raubthier zu erlegen suchen. Wenn dies nun aber gelingt, so folgt aus alter Ueberlieferung eine Reihe eigenthümlicher Gebräuche, indem der Leopard als ein „Fürst des Waldes“ betrachtet wird und der Jäger nach der Volksansicht zu einer Sühne verpflichtet ist, weil er an die geheiligte Person eines „Fürsten“ Hand angelegt. Es wird deshalb ein Scheingericht zusammenberufen, vor dem er sich mit der Nothwehr zu rechtfertigen hat, und erst nachdem er dort freigesprochen ist, erhält er von den übrigen Dorfbewohnern ehrenvolle Dankbezeigungen, weil er sie vor einer ernstlichen Gefahr bewahrt hat. Oft giebt indeß die Erscheinung eines Leoparden in bevölkerten Gegenden Anlaß zu Hexenprocessen, indem man glaubt, daß in der Verkleidung desselben ein Zauberer stecke, ähnlich wie in Europa früher die Vorstellung von den Wehrwölfen verbreitet war. Auch wenn von einem Krokodil ein Mensch gefressen worden ist, wird dadurch manchmal ein Inquisitionsverfahren eingeleitet, um die Hexe oder den Zauberer ausfindig zu machen, durch deren Böswilligkeit ein solches Unglück veranlaßt sei. Ja selbst jeder gewöhnliche Todesfall aus natürlichen Ursachen kann eine derartige Untersuchung hervorrufen, indem die Verwandten des Verstorbenen Solche, die sie demselben feindlich glauben, als Thäter beschuldigen, und es kommt häufig genug vor, daß für einen Einzelnen, der an Krankheit oder Altersschwäche verstorben ist, die doppelte oder dreifache Zahl von Menschenleben, wenn nicht mehr, in Hinrichtungen geopfert wird. Ueber alles Dieses findet sich Näheres in dem vortrefflichen Buche von Prof. Bastian: „Die deutsche Expedition an der Loangoküste“.
- ↑ * Für Diejenigen, welche sich noch an dem Unternehmen zu betheiligen wünschen, sei hier bemerkt, daß der Schatzmeister der Gesellschaft, Herr Le Coq, Berlin, Neue Friedrichsstraße Nr. 37, jederzeit Beiträge in Empfang zu nehmen bereit ist. Auch im Locale der „Afrikanischen Gesellschaft“ und „Gesellschaft für Erdkunde“ zu Berlin, Krausenstraße Nr. 42, zwei Treppen, werden Beiträge und Bestellungen auf das Correspondenzblatt der „Afrikanischen Gesellschaft“ gegen Einsendung von zwei Thalern entgegengenommen. Die Mitgliedschaft der „Afrikanischen Gesellschaft“ ist zu erwerben durch Zahlung von einem Thaler pro Jahr.
- ↑ * Die Gartenlaube wird von Zeit zu Zeit authentische Berichte über die Resultate der Expedition aus der Feder des Dr. Pechuel-Lösche bringen.