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Deutsche Singvögel als italienische Delikatesse

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Textdaten
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Autor: Dr. Karl Ruß
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Titel: Deutsche Singvögel als italienische Delikatesse
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 290
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Gesetz, betreffend den Schutz von Vögeln, Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1888, Nr. 13, Seite 111–114
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[290] Deutsche Singvögel als italienische Delikatesse. Kürzlich sah ich in dem Schaufenster einer Wildbret- etc. Handlung zu Berlin haufenweise Lerchen liegen. Ich ging hinein, sprach mit dem Inhaber des Geschäfts und stellte ihm vor, daß er sich strafwürdig mache, da Lerchen nach dem Reichsgesetz zum Schutze nützlicher Vögel in Deutschland nicht mehr gefangen und feilgeboten werden dürften. Der Mann war einsichtig genug, mir zu danken und die Lerchen sogleich zu entfernen. Seitdem habe ich mich aber mehrfach in den Schaufenstern derartiger Geschäfte umgesehen und daselbst leider gar nicht selten Lerchen, Ortolane, Fett- oder Gartenammern und auch andere Ammerarten gefunden.

Während die Lerchen in früherer Zeit im Königreich Sachsen massenhaft gefangen und von dort aus versendet wurden, während dann, nachdem der Lerchenfang in Sachsen verboten worden war, die „Leipziger Lerchen“ aus dem Königreich Preußen, aus der Umgebung von Halle und Erfurt, kamen – werden sie jetzt als italienische Delikatesse zu uns in den Handel gebracht! Aber damit ist es noch nicht genug!

Eine Handlung in Berlin hat Dutzende von Körben mit vielen Hunderten von Zeisigen, Leinzeisigen, Hänflingen, Grünfinken, Stieglitzen, Edelfinken, Dompfaffen, Lerchen, auch Rothkehlchen, Grasmücken, Zaunkönigen u. a. als Handelsware aus dem Süden bezogen und hält dieselben zum Verkauf für die Küche feil. Man bedenke: Vögel unserer Fluren und Wälder, welche in unsrer Heimath erbrütet und flügge geworden und als Wandergäste nach dem Mittelmeer gezogen sind, werden dort, in Oberitalien, Griechenland und auch im Österreichischen Wälschtirol nicht mehr bloß wie bisher zu vielen Tausenden erlegt und gefangen, sondern auch als „Delikateßware“ wieder zu uns herausgesendet und uns zum Kaufe angeboten! Giebt es einen größeren Hohn auf alle Gesetze und Bestrebungen zum Schutze unserer Vögel als diesen? Sache aller Natur- und Vogelfreunde wird es sein, sich in Eingaben an die zuständigen Stellen zu wenden, damit eine schlimme Lücke in dem Reichsgesetz zum Schutze der für die Bodenkultur nützlichen Vögel beseitigt werde. Jener unerhörte Mißbrauch nämlich, von dem wir gesprochen, ist nach dem Reichsgesetz keineswegs verboten. Die toten Vögel dürfen vielmehr nach dem § 3 in der Zeit vom 16. September bis letzten Februar feilgeboten und verkauft werden, und die Unterdrückung dieses Mißbrauchs ließe sich auf Grund des Reichsgesetzes nur durch den Nachweis erzielen, daß der Fang und die Erlegung vermittelst einer verbotenen Fangweise geschehen sei.

Allerdings ist es allbekannt, daß unsere Vögel auf ihrem Zuge nach dem Süden massenhaft vermittele großer Netze gefangen werden, die verboten sind; wer könnte aber die ungesetzliche Fangweise an den toten Vögeln bei den Verkäufern beweisen?

Angesichts der vermehrten Gefahr, welche sonst den europäischen Wandervögeln droht, sollten alle, die ein warmes Herz für unsere Singvögel in der Brust tragen, dahin streben, daß die Gesetzgebung diesen Auswüchsen der Genußsucht einen festen Damm entgegenstelle.Dr. Karl Ruß.