Abendglocken
[290] Abendglocken. (Zu dem Bilde S. 264 und 265.) Abendlich still ruht die weite Fläche des Chiemsees, der letzte rothe Schein ist drüben an der Kampenwand verglommen, und sachte steigt der Mond am dämmernden Himmel empor. Das Tagesgeräusch ist verhallt, kein Schiff mehr weitum zu sehen bis auf den alten Einbaum, der zwei fromme Schwestern nach der Insel Frauenwörth zurückführt. Sie kommen von Uebersee, haben allerhand eingekauft für des Klosters Bedarf, und jetzt sind sie nach des Tages Geschäft und Hitze der Heimkehr in ihr stilles Kloster froh. Ein Glöcklein ertönt von drüben, deutlich trägt das Wasser seinen Schall herüber! Die frommen Frauen erheben sich in lautlosem Gebet, der Fischerhans faltet die schwieligen Hände, das Lisei hält mit Rudern inne – der Tropfenfall davon klingt leise zu dem Glockenton von drüben.
Es ist ein getreues Bild vom Chiemsee, das uns hier der Künstler giebt: Stille und Einsamkeit findet dort der Weltmüde in vollem Maße, und mancher, der an solchem Sommerabend sein Schifflein auf der lautlosen Fluth treiben ließ, wird beim Betrachten unsres Bildes an den Frieden jener Stunde zurückdenken! Br.