Deutsche Schüler- und Studentenherbergen
[407] Deutsche Schüler- und Studentenherbergen. Im Jahre 1884 gründeten einige Menschenfreunde für die Schüler höherer Lehranstalten, also Gymnasiasten, Realschüler, Seminaristen usw., welche man in Oesterreich kurzweg Studenten nennt, zu Hohenelbe in Böhmen die erste deutsche Studentenherberge. Diese Einrichtung verfolgte den Zweck, Schülern, die Ferienausflüge machen, geeignete Unterkunft und Verpflegung zu bieten. Der erste Versuch fand eine überaus beifällige Aufnahme, und bald öffneten mehr solcher Herbergen in Oesterreich und später auch in Deutschland ihre gastlichen Thore. Heute finden wir sie in den Sudeten, im Glatzer, Riesen-, Jeschken- und Isergebirge, ferner im nördlichen Böhmen und Mittelgebirge, in der Böhmischen Schweiz, endlich im Lausitzer, im Erzgebirge und im Böhmerwald.
Diese Herbergen werden von den betreffenden Gebirgsvereinen, von Gemeinden und Privatleuten unterhalten und stehen unter der Centralleitung in Hohenelbe, die seit Anbeginn in den Händen von Guido Rotter liegt und der in Prosper Piette in Marschendorf ein hochherziger Förderer der ganzen Sache zur Seite steht. Sie sind teils in Gasthöfen, teils, wo es irgend angeht, in Schul-, Gemeinde- oder Privathäusern untergebracht. Ihre Ausstattung ist einfach, aber zweckentsprechend. Sie enthalten neben Bett- und Waschgerät einen Tisch mit Schreibzeug und ein paar Stühle. Jeder Schüler höherer Lehranstalten, der das 16. Lebensjahr überschritten hat, kann durch Vermittlung des Direktors seiner Schule sich eine Legitimationskarte aus Hohenelbe erbitten. Diese berechtigt ihn während der Ferienzeit zur Benutzung der Herbergen, die ihm einmal auf der Hinreise und einmal auf der Rückreise unentgeltliches Unterkommen für die Nacht gewähren. In vielen derselben wird auch das Frühstück, ja sogar das Abendbrot teils kostenlos, teils zu ermäßigten Preisen verabreicht. Ferner sind in den betreffenden Ortschaften Auskunftsstellen errichtet, an denen die jungen Leutchen von zuverlässiger Seite mit Rat und That unterstützt werden. Reisehandbücher, Landkarten und Liederbücher, die wohl hier und da auch in den Herbergen zu finden sind, bieten geistige Nahrung und sorgen für das weitere Fortkommen des frohgemuten Wanderers.
Die Herbergen haben in vergangenem Jahre, in dem sich ihre Anzahl auf 103 (mit 480 Betten und 45 Notlagern) belief, den Angehörigen sowohl von Hoch- wie Mittelschulen Deutschlands und Oesterreichs in 6246 Fällen Unterkunft gewährt.
Und aus welchen Erwägungen heraus hat man nun wohl die Gründung dieser Herbergen unternommen? Etwa um der Unterstützung Unbemittelter willen? Durchaus nicht. Gerade diese Auslegung sollte peinlichst vermieden werden. Die Frage, ob arm, ob reich, wird nicht gestellt. Jeder hat die gleichen Rechte. Aber der Sinn für Gastfreundschaft soll in die jungen Gemüter eingepflanzt, Mut und Selbstvertrauen sollen gestärkt werden, die dem künftigen Manne, der auf eigenen Füßen stehen muß, nicht fehlen dürfen. Und nicht allein das, auch die Liebe für die Natur, die Schönheiten des eigenen Vaterlandes sowie anderer Länder soll erweckt und damit nicht nur der friedliche Verkehr mit den Nachbarn gepflegt, sondern auch das Deutschtum gefestigt oder, wo es abhanden gekommen ist, wieder aufgerichtet werden.
Und darum wäre es zu wünschen, daß die von unseren deutschen Brüdern in Böhmen ins Leben gerufene menschenfreundliche Institution, die sich nun schon seit 13 Jahren so trefflich bewährt hat, mehr und mehr bekannt würde und allüberall Nachahmung fände.
Der Deutsch-Oesterreichische Alpenverein hat im Jahre 1889 in seinem Wirkungskreis eine ähnliche Einrichtung getroffen und der Harzklub will heuer in dem seinen die ersten Versuche anstellen. Dort wurde in Bad Sachsa am Südharz die erste Schülerherberge eröffnet, in welcher zu sehr mäßigen Preisen gute Unterkunft und Verpflegung gewährt wird. Möchten noch recht viele andere dem schönen Beispiele folgen!