Der leukadische Fels – Teil 2
Xenokrates. Lidia.
Xenokrates.
Erhörung walle deinen Bitten mild
entgegen, liebes Kind – es tragen noch
die fernen Woogen deinen Freund – umsonst
durchspähten wir die blaue Nebelferne.
ihr milder Strahl in deine Brust gesenkt,
wird um dich her des Lebens Glorie
in goldnem Schimmer ziehn. Ein blühend Haus,
der Ordnung stiller Friede sind dein Werk,
Lidia.
O laß
mein theurer Vater, laß vor allem nicht,
der Hoffnung Seegel uns allein vertraun!
Xenokrates.
Es braucht der Mensch die Hoffnung, nie die Sorge.
wenn er im Meer des Unmuths untergieng,
Den Glücklichen ermahnt zur Mäßigkeit,
zum schöneren Genuß die zweyte – ja
die Aussicht guter Zukunft und auch schlimmer,
aus der nur ein harmonisch Leben quillt.
Die Jugend schifft auf hochgetriebnen Woogen,
und stark ergreift, und stark verläßt das Herz,
sieht Glück und Elend in erhöhtem Maaß;
und schwebt auf leichten Wellen gleicher fort.
Lidia.
Mein theurer Vater, eh ich dich verlasse
möcht’ ich noch vieles fragen – eingehüllt
ist unser Frauen Leben, und die Welt
Xenokrates.
So frage, gutes Kind – wie gern vertrau’
ich deinem jungen aber richt’gen Sinn
Erfahrungen, wie sie die Zeit mir reichte.
Lidia.
O sage mir von unsrer Götter Tempeln.
des Sonnengottes heil’ge Stätte mir
geweiht und heilig – höher wallt mein Herz
im Wunsch, auch nur von fern der hohen Hall’n,
der Lorbeerhaine seel’ge Luft zu athmen;
dort den verworrnen Sinnen auf, uns lehrt
ein Götterspruch den besten Weg zu geh’n,
der unserm Aug’ in Dämm’rung oft entschwindet.
Xenokrates.
Wohl geht des Menschen Leben durch die Nacht,
gleich ewigen Gestirnen aus dem Blau
des weiten Himmels, seine Schritt’ umleuchte.
Lidia.
Ihr war’t in Delphos? Ach, wie selig muß
die ganze Seel’ in jenem Thale ruh’n!
uns neue Klarheit, rein’res Leben leuchten –
Xenokrates.
Der Götter Rede stärkt und stillt das Herz,
sie sind uns nahe Freunde in der Noth,
denn Götter und Heroen haben stets
da zu des Menschen engbegrenztem Sinn
des fernen Freundes Ruf vergebens dringt.
Von seinem goldnen Wagen schaut’ Apoll
die weite Erd’ und aller Zeiten Bild.
in jedem Ungemach. Es steigen noch
die Zwillingsbrüder aus des Aethers Schooß
den Freunden siegertheilend nieder – Ja,
geheime Kraft erblüht der innren Seele,
und durch die ewig offnen Thore des
Olymps, in reinen Bitten dringt – sie faßt
mit Wunderkraft der Rettung mächt’ger Arm –
Lidia.
Wie gut, daß uns in jedem bangen Schmerz
erquikt! – so ist die Sage wohl auch richtig,
die ich schon oft vernahm, es heile schnell
die Brust, von allgewaltigem Verlangen
der Lieb’ in wilden Flammen aufgezehrt,
hinab, in Thetis blauen Schooß?
Xenokrates.
Die Sag’
ist wahr. Nach einem Opfer, dem Apoll
gebracht, umkleiden seine Priester mit
um sanfter ihn dem Meere zu vertrau’n;
also bewafnet stürzt er sich vom Fels,
der seine Scheitel in die Fluthen neigt.
Doch der geheilten Herzen Rettungsdank
die meisten auf in grause Dunkelheit.
Lidia.
Wer sagt, ob nicht in jener Schatten Nacht
der Liebe goldne Blumen sprossen? – Dank
für deine freundliche Geduld mein Vater –
Xenokrates.
Wenn Hymens Fackel lieblich dich umlodert!
(geht ab.)
Lidia.
Er stürzt die Fackel um, du guter Mann –
und führt mich jenen nimmer leeren Pfad
der sicher sich hinab zur Tiefe windet –
ich deine Brust verwunde! Ach, du kennst
die herben Früchte deiner Worte nicht!
Wie muß der zarte Hauch der Lippen dir
so bittre Schmerzen bringen! – Ja, ich eile
die bang verschlungen meine Brust umziehn.
Die Ahndung eines andern neuen Seins
liegt vor mir als ein duftiges Gefilde
wo Sonnenstrahlen noch mit Nebeln kämpfen,
der Thäler, sanft und schaurig niederlegen.
Der Seegenskräfte holde Fülle schwebt
in feucht und trüben Schauern zu uns nieder –
Ich folg’, o hoher Phöbus, deinem Wink,
Auf selten nur besuchten Pfaden eil’
ich jenem Tempel zu, nach Leukade,
ein alter mir ergebner Diener lenkt
die ungeübten Schritte – Lebe wohl,
umfaßt mich, lieben Wände – Ach, die Lust
der frohen Kinderjahre schwebt um euch,
der ersten Liebesblüthe süßes Ahnden –
die holden lieblichen Gestalten drängen
In süßer Wehmuth löset sich der Sinn
vom Dufte der Vergangenheit umwebt,
er widerstrebt der unbekannten Ferne
aus der ihn fremdes Schicksal kalt ergreift –
und hofnungslos treibt sie mit wilder Macht,
des Lebens zarte Fäden auseinander –
Wenn sich mein Herz dem Vater öffnete,
wie es Irenens treuer Rath mir ließ –
Wozu? – mir blüht wohl andre Hoffnung noch?
Das Leben reicht wohl dem verglühten Herzen
noch neue Freuden dar – Er liebt mich nicht –
Der ungetheilten Liebe Schmerzen fließen
Geschoß vermags, in leichte süße Träume
der Abgeschiednen, sanft sie aufzulösen. –
Ich gehe – Ach, Irene – guter Vater –
ihr gönnt, wenn ihr sie liebt, der Müden Ruh! –
in Unentschlossenheit sind wir uns selbst
verlohren! – Noch ein Wort laß ich zurück
daß ihre Seele stiller um mich traure –
(schreibt.)
der Liebe Hauch wird meinen Schatten so
(sieht sich um, dann schnell.)
Fort,
wohin ein Wink der Himmlischen mich leitet.
(ab.)
Irene. Diagoras.
Diagoras.
Sie ist nicht hier?
Irene.
Auch besser ists ich gehe,
zu öffnen, eh du selbst erscheinst. Ich eil’
in ihrer Lieblingslaube sie zu suchen,
und du erwartest uns.
Diagoras.
O, kehre schnell
die höchste Wonne zu umfassen!
Irene.
Nimm
die Ungeduld zum Lohne, daß dein Herz
mißtrauend sich verschloß.
Diagoras.
Irene.
Du Stolzer, fühlst zu sehr, wie Liebe nur
mit höherm Lohn die Zartheit krönen wird.
(ab.)
Diagoras
(allein.)
O süßer, heil’ger Liebesodem! Du,
ja du bist einzig unsres Herzens Leben!
mein Wesen, gleich den Göttern des Olimp
in allbezwingend ew’ger Kraft einher –
O Liebe, heil’ge Klarheit, Götterstimme,
in unsrer Brust – wo ziehest du mich hin! –
zum wesenlosen Traum – dem Ungeliebten
glänzt nicht der Sonne reinster Strahl, ihm wölbt
sich nicht des reinsten Himmels Elau – So neu,
so lebenvoll blühn in dem Zauberhauch
umfaßt mich der Geliebten liebliche
Gestalt, berührt mein Herz zum zärtern Schlag
der Freude! Ach, die Holde litt’ um mich,
mit süßer Lieb umschloß mich ihre Brust,
Ich Thor erkannt’ es nicht, sah’ Kaltsinn nur,
in holder Schüchternheit – ich werde hier
Verzeihung in den süßen Augen finden,
der Herzen seel’gen Einklang hier vernehmen,
Und wie das Leben nun mir neu beginnt,
die süße Blum’ an meiner Brust – sie wird
von mir nicht scheiden – aus der Liebe Arm
vermag kein Gott, kein Schicksal sie zu reißen.
Wie traulich hold umschließt die Zukunft mich!
Zu allem Großen fühl’ ich neue Schwingen,
nichts scheint mir unerreichbar – alle Kraft
des Herzens strebt harmonischer empor,
sich nach der Helden – nach der Bürgerkrone.
Kein Zweifel mehr entrückt dem trüben Blick
das Ziel – In ihrem Arm’ ist schöner Lohn,
die Liebe nährt durch große Thaten sich
Es weben sich des Glückes goldne Bilder
durch des Geliebten Hand – Wie traulich schließt
mich dieses Zimmer ein, ein Zauberduft
umhüllt den Sinn, und drängt mein Herz zu ihr
(sieht ihre Arbeit an.)
oft träuften Thränen aus dem schönen Aug’
auf euch – für mich – und ich, ich wähnte nur
sie fielen in der Dichtung magisches
Geweb’ auf Hekters? auf Patroklus Grab? –
ihr Finger führt. –
(findet Lidias hinterlaßnen Brief.)
Ein frisch beschriebnes Blatt!
Irenen zugeschrieben? –
Irene
(im hereintreten.)
Ach vergebens
verdammt – ich fand sie nicht – und bin besorgt,
ich läugn’ es nicht, zur ungewohnten Zeit
sie fern von hier zu sehn.
Diagoras.
Dies Blatt – lag hier –
Irene
(Ließt mit steigender Unruh bis ihr die Stimme versagt.)
und denket beyde meiner ohne Schmerz.
ich eile hin zum Felsen Leukade’s
mein Herz von jener Flamme zu befreyn,
die mir schon lang die Kraft zu leben raubt.
Diagoras.
Ich eil’ ihr nach, sie aus des Orkus Nacht zu retten! –
(ab.)
Irene
(allein.)
So brachte dir mein Zögern nur den Tod!
Welch böser Dämon waltet über uns!
Du süße, Holde – Ach, ich folge dir!
doch deinen Willen ehr’ ich – Armer Greis
was mir vom Leben übrig bleibt, ist dein!
(Hain des Apoll unweit des leukadischen Felsen.)
Heliodor
(allein.)
Wie find’ ich mich in diesen stillen Schatten
so neu, so anders wieder! Holde Nacht
sich nieder von den dicht belaubten Zweigen,
und tausend schöne Jugendblüthen winden
sich um mein Haupt zum frischen Lebenskranz.
Unfreundlich hat die Welt sie abgestreift,
Erscheinungen und bleiche Traumgestalten!
Und waren sie denn jemals mehr – wie warm
und innig auch das unerfahrne Herz
ihr lieblich täuschend Flammenbild umfieng?
die oft aus Morgenträumen mich erwekt,
daß ich dem Lager glühend mich entriß,
und nach dem Schwert des Vaters griff, vom Gold
der Morgensonne flammend, dann voll Muth
ein Held aus Theseus oder Hektors Zeit
mir schien? – Wozu umschließt des Menschen Brust
ein allgewaltig Streben, wenn die That
der Wünsche stolzen Gipfel nie erklimmt?
Der Perser Schatten bey Platea zeugen,
ob ich den Ruhm, ob ich das Leben liebte!
Nun da der Ruhmsucht nie gezähmter Trieb
geläutert von der Liebe heil’gen Flammen,
der ungeduldge Drang, in jede Brust
den heilgen Trieb nach Freyheit zu ergießen?
Es folgt berauscht das Volk dem glatten Wort,
dem schlauen Redner, der nur Herrschaft will;
das gilt ihn gleich –
Der Priester des Apoll, Heliodor.
Heliodor.
Du kommst, o werther Mann
das alte Lied von neuem zu vernehmen
das schmerzlich meiner Brust enttönt. Oft wähnt’
in deiner Weisheit rein’ren Harmonie,
doch bald erregt es neu und wild den Sinn.
Der Priester.
Ich fühle deinen Schmerz, und tadle nur
sein Uebermaaß. Der edle starke Sinn
und widerstrebt noch, wo der Schwäch’re weicht.
Des Vaterlandes Glük umfaßtest du
als deines Lebens höchsten Zwek – Du meinst
das Beste zu erkennen, und mußt sehn
Heliodor.
Muß seh’n,
wie es sich einem Willen beugt, der es
geschikt im Nez der eig’nen Rechte fängt.
Ja täglich wächst Perikles Herrschaft mehr
Thucidides und Cimon sind verbannt.
Die Einigkeit der Griechen stirbt durch ihn.
Dann wird die Eigenmacht, die Tiranney
sich zeigen, wenn er jeden Ausweg erst
Priester.
Dann wird des Schiksals Kraft
auch einen Adler zeugen, der das Nez
durchbricht – Es lehrt der stäte Gang der Welt,
wie Gutes aus dem tiefsten Uebel keimt,
Der Uebel grauenvolles Heer erzeugt
sich in des Schiksals ehr’nem Schooß, bezwingt
das kurze Leben aller Sterblichen,
doch gehet auch des Muthes goldne Sonne
Heliodor.
Du stehst
am Ufer, und mich drängt der Strohm – Nach Thaten
strebt meines Wesens Kraft, und vor ihm thürmt
das Schiksal Felsenmassen auf –
Priester.
in leichten Nebelduft zerrinnen werden.
Was ist so flüchtig als des Volkes Sinn?
Auf seinen Unbestand nur baut man sicher.
Ein edler Muth ergreift die Zügel leicht,
Doch nur die Klugheit bricht des Sieges Frucht
und weiß der Meinung Ebb und Fluth zu prüfen.
Mit sichrer Klugheit lenkt ein edler Mann
der Kleinen Kurzsinn, und der Bösen Tücke.
als eine Wolk’ am blauen Horizont,
die Menschen seh’n sie staunend, zweifelnd an,
ob wohl aus ihrem dunkeln Schooß ein Blitz
sich schlängeln wird, ein Regen sich ergießen?
der Weis’ und Gute Segen, nahet sich
mit stiller Liebe heiligem Vertrauen.
Die Arglist und der Eigennutz entflieh’n
aus eines Edlen, Klugen stillem Kreis;
erkennen sie sich fremden Zwecken dienend.
Dem Starken naht sich kein verkehrter Sinn,
denn er entschließt des tiefsten Herzens Falten,
und Gute nur und Edle blühn um ihn,
Heliodor.
Ich seh’ in diesem Spiegel, was mir fehlt,
ich fühle, wie die Mäßigung nur frommt,
wie allzurascher Trieb sich selbst zerstöhrt.
Ich suchte lang des Kriegers Ungestüm
der der Nothwendigkeit sich staatsklug unterwirft,
und sicherer durch List als Muth dem Schiksal
den Ausgang abgewinnt – doch jeden führt
auf einem Pfade nur sein Genius.
des Lebens schöne Kraft im Traum dahin!
Priester.
Nicht alle Tugenden faßt ein Gemüth,
wer Andre lenken will, muß viele üben.
Die edelsten Gemüther lokt der Reiz
Doch auf dem Wolkenthron der Anbetung
zu stehn, ziemt keinem Erdensohn, er fühlt
sich Fremdling in dem leichten Element,
die eigne Kraft versagt ihm, und es stokt
O wohl uns Griechen, daß des Geistes Licht,
des Herzens edler Stolz selbst Tiranney
ihr wahres Antlitz zu verbergen zwingt!
Von Schmeicheley umschleiert tritt sie auf,
Es wähnet stets der Freyheit heilig Bild
nur einzig anzubeten, und bleibt groß
in diesem Wahn. Der Wahrheit bleibt sein Aug’
geöfnet, stark sein Arm den Irrwahn umzustürzen.
Heliodor.
des Abgrunds zu erkennen.
Priester.
Träume dir
nicht Uebel, wie ein liebekrankes Herz,
und wirke mit entwölkter stiller Brust.
vielleicht des Friedens goldnen Zweig, wie du
die Heldenkron’ empfiengst von seinen Händen.
Für Andre sich zu geben gnügt dem Muth,
und trägt den reinsten Lohn in eigner Brust;
sie glänzet einzig in des Edlen Strahl,
und wo ihr jener Sonnenschimmer fehlt
sinkt sie zur List herab. Es steht in sich
das Edle fest, ist unser tief’res Sein,
O lernte doch in ihrer schönsten Kraft
des reinen Willens deine Seele ruhn,
wenn eisern dir das Schiksal widerstrebt!
Es ist die That ein Zeichen unsres Wesens,
ob sie in leichte Fluth gezeichnet ward,
ob sie in Erz gegraben steht – gleich viel,
sie ist, weil sie ein edles Herz gedacht,
beglükt die Welt in einer schönren Zeit.
Heliodor.
Verzehrt nicht mehr die Brust die euch gebahr!
Ich nahe mich der Freunde holdem Kreis,
ein blühend Weib wird Kinder auferzieh’n,
die meine Seele zu der Nachwelt bringen.
und lerne gegenwärt’ge Fesseln tragen.
O was ein liebend weiser Mensch vermag,
das fühlt durch dich mein Herz in voller Macht!
Wie oft hast du die Flamme sanft gekühlt,
gab keinen Ton der Liebe mehr zurük,
als ich in diese stillen Haine kam.
Ich wagte nicht den Freunden mich zu nah’n,
die Hymens Altar schon für mich geschmükt.
nicht stöhren, nicht das holde Weib von mir
entfernen, das des Freundes Hand mir beut.
Itzt fühl’ ich, wie der Ruhe sanfte Flügel
mir um den Busen weh’n –
Ein Diener des Tempels
(erscheint)
gebeut die Priesterin dir zu verkünden,
bringt Opfer in des Gottes Heiligthum
und eilet sich zum Sturz von Leukade
nach altem Brauche zu bereiten.
Priester.
und laß vorerst die Fremde zu mir führen,
eh’ sie zum Opfer schreitet, unterdessen
bereitet alles in dem Tempel vor.
(Diener ab.)
Heliodor.
Und deine reine Hand leiht sich dem Wahn?
zurük, wo sie statt der gehoften Heilung
gewisser Tod erwartet? Kenn ich dich,
mein Freund? – Ists Schwachheit oder Trug, was dich
in diese priesterliche Kleidung stekte?
unmöglich, hab’ ich dich verkannt! –