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Der deutsch-amerikanische Romantiker

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Textdaten
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Autor: Alfred Hartmann
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Titel: Der deutsch-amerikanische Romantiker
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 53–55
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der deutsch-amerikanische Romantiker.

Charles Sealsfield.

Es war um die Zeit, da die kurze „mondbeglänzte Zaubernacht“ der modernen Romantik mit ihren täuschenden Lichtern und unbestimmten Nebelgestalten in unserm Vaterlande rasch ihrem Ende entgegenging, als plötzlich ein Unbekannter, ein Vermummter, unter die Gesellschaft der deutschen Dichter und Schriftsteller trat. Seine Rede war nichts weniger als gekämmt und geleckt; er sprach gehackt in abgerissenen Sätzen, sein drittes Wort war spanisch oder englisch, wohl gar Yankee-Englisch. Aber man horchte, man erstaunte, man ward hingerissen. Was der Unbekannte sagte, das glaubte man mit Augen zu sehen, was er geschrieben, das lebte. Die Personen in seinen Erzählungen traten so fremd und wild und doch gleichsam als alte Bekannte vor uns. Der Schauplatz war der nüchternste [54] der Welt, Amerika, das Land des Onkel Sam, so wenig romantisch, daß es nicht einmal je ein Mittelalter gehabt. Trotzdem wußte der unbekannte Eindringling in die deutsche Literatur dieses trostlos nüchterne Land mit seinen ganz realistischen Schilderungen in ein so reizendes glänzendes Sonnenlicht zu stellen, daß seine Leser, hingerissen, Blatt für Blatt und Capitel für Capitel verschlangen. „Der Legitime und die Republikaner“, die „Transatlantischen Reiseskizzen“, „der Virey“ hatten bald einen großen literarischen Ruf begründet. Aber lange wußte in Deutschland Niemand, wer der Träger dieses Rufes sei. Das lesende Publicum war um einen „großen Unbekannten“ reicher geworden.

Vor ein paar Jahren siedelte sich am Fuße des Jura, in einem bescheidenen Landhause in der Nähe von Solothurn in der Schweiz ein ältlicher Herr an. Der Fremde sprach sehr correct Deutsch, Englisch wie seine Muttersprache, auch Französisch und Spanisch, vielleicht noch andere Sprachen. Aus der militärischen Haltung, dem grauen Schnurrbart, der sich über den Backenknochen in einen buschigen Backenbart verlief, hätte man auf einen pensionirten Officier schließen können, etwa auf einen englischen Obersten, der seine Carriere in Indien gemacht; aber die goldene Brille verlieh wieder der äußern Erscheinung ein Ansehen, welches auf gelehrte Beschäftigungen deutete, die gewöhnlich nicht zur Liebhaberei alter Soldaten gehören. Der alte Herr war Charles Sealsfield, längst nicht mehr ein „großer Unbekannter“ in der Literatenrepublik, sondern der vielgenannte, berühmte Schriftsteller, der sich eine eigene Bahn gebrochen, der deutschen Literatur ein neues Gebiet erobert hatte.

Der Name „Sealsfield“ fehlt in keiner Literaturgeschichte. In allen encyklopädischen Werken finden sich biographische Notizen über diesen deutsch-amerikanischen Schriftsteller. Und dennoch schwebte stets und schwebt noch heute eine gewisse geheimnißvolle Dämmerung um der Wiege, der Jugend, dem Leben des alten Herrn mit dem durchfurchten Gesicht, dem grauen Backenbart und der goldenen Brille, welche erst später, wenn grünes Moos auf seinem Hügel wächst, – vielleicht auch dann noch nicht – sich aufhellen wird.

Sealsfield sei in Deutschland geboren. Wo, wann er das Licht der Welt, erblickte, ist bis jetzt nicht bekannt. Er soll seine Erziehung in Deutschland erhalten, auf deutschen Universitäten studirt haben, dann – noch sehr jung – nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sein, wo er sich als amerikanischer Bürger naturalisiren ließ. Der Verfasser dieser Zeilen hat Gründe, diese Angaben der Biographen Sealsfield’s für richtig zu halten. Die erste literarische Arbeit unseres Schriftstellers sei ein Buch über Amerika, in deutscher Sprache um’s Jahr 1826 in Deutschland erschienen, es ging ziemlich spurlos über die Bühne. Das erste sichere Datum finden wir am Schluß der Einleitung zum Roman „der Virey“, in welcher man einen Auszug aus dem Tagebuch des Verfassers während eines Besuchs in Mexico im Jahre 1828 erkennen will.

Von Mexico scheint sich Sealsfield nach Neu-Orleans und den Südstaaten der Union gewendet zu haben. Er war damals jung, keck, frisch; die Welt stand vor ihm offen und er bereit, sich ein Stück davon zu erobern. Er wurde Landeigenthümer in Louisiana und gedachte eine Plantage zu gründen und Baumwollenpflanzer zu werden. Mit dem Rest seines baaren Vermögens, einigen tausend Dollars in Wechseln, fuhr der angehende Pflanzer den Mississippi hinunter, um in Neu-Orleans sich mit den nöthigen Arbeitskräften zu seinem neuen Geschäfte zu versehen, d. h. ein paar Sclaven zu kaufen; einige fernere Nigger gedachte er auf Credit zu erwerben und mit dem Ertrag seiner nächsten Ernte zu bezahlen. In der Metropole des Südens angelangt, ist sein erster Gang zum Banquier, auf welchen seine Wechsel lauten. Herzlicher Empfang, Einladung zu einer glänzenden Abendgesellschaft. Am zweiten Tag wiederum Besuch beim Banquier, der ihn womöglich noch wohlwollender empfängt und zum Mittagstisch einladet. Am dritten Tage sollen endlich die Geschäfte abgemacht werden. Aber am frühen Morgen hat sich der gastfreundliche Banquier bankerott erklärt, und dem Pflanzer in spe bleibt kaum so viel, damit nach seiner Farm zurückzukehren, wo er nun seinen Mais eigenhändig bauen kann, wenn er nicht lieber hungern will.[1]

Das war ein verhängnisvoller Wendepunkt in seinem Leben. Dem jungen Mann, welcher schon früher in Amerika als Schriftsteller debütirt hatte, wurden Anträge gemacht, in die Redaction eines großen politischen Blattes in New-York einzutreten. Nach dem Schlag, der ihn betroffen, blieb ihm keine andere Wahl als die angebotene Stellung anzunehmen. Er gab seine Farm einem Nachbar in Pacht und reiste nach Norden, nach der großen Stadt am Hudson, um dort Zeitungsschreiber zu werden. So kam es, daß Sealsfield statt eines behäbigen Pflanzers und Sclavenhalters ein Mann der Feder wurde, zuerst Publicist, dann einer der beliebtesten Romanschreiber; daß er, statt sich im Schatten der Sykomoren und Magnolien ein Haus zu bauen, eine schöne Creolin zur Frau zu nehmen und eine Familie zu gründen, heimathlos, als Junggeselle, gleich einem rollenden Stein während eines langen Lebens ohne bleibende Stätte blieb, bis er endlich als bejahrter Mann am Fuße des Jura einen stillen Hafen fand, darin Anker zu werfen.

Es war ein in französischer Sprache geschriebenes Blatt, „le courrier des Etats-unis“, an dessen Redaction Sealsfield nun Theil nahm, dasselbe Journal, welches später – nach der Julirevolution von 1830 – von Joseph Bonaparte erworben wurde, um in napoleonischem Interesse zu wirken. Als der mißglückte Pflanzer seine publicistische Laufbahn begann, handelte es sich gerade um die Präsidentenwahl, eine stürmische Epoche für die amerikanischen Zeitungsschreiber. Nach Monaten der Aufregung, angestrengter, aufreibender Arbeit und unablässigen Federkampfes fand sich Sealsfield’s Gesundheit so angegriffen, daß seine Aerzte ihm dringend eine Erholungsreise nach Europa empfahlen. Er trat aus der Redaction, ohne jedoch die Publicistik ganz aufzugeben. Seinen Aufenthalt abwechselnd in London und Paris nehmend, ward er Correspondent verschiedener amerikanischer und englischer Journale und knüpfte Beziehungen mit vielen politischen Notabililäten jener Zeit an.

Im Jahre 1832 übersiedelte Sealsfield nach der Schweiz. Jetzt begann für ihn eine Epoche ruhigerer schriftstellerischer Tätigkeit, welche seinen literarischen Ruhm begründete. – Schon im nachfolgenden Jahre (1833) erschien in Zürich der dreibändige Roman „Der Legitime und die Republikaner“, nach einer früher in englischer Sprache geschriebenen und in Amerika veröffentlichten Erzählung „Tokeah“ bearbeitet. Dieser erste seiner Romane bewegt sich noch einigermaßen im Fahrwasser Cooper’s und hat den Verzweiflungskampf eines indianischen Häuptlings gegen die weißen Eindringlinge zum Gegenstand. Seine ureigene, noch nicht dagewesene Weise, sein ganz eigenthümlicher Styl und seine lebendige Darstellungsgabe zeigten sich im vollsten Lichte in den „Transatlantischen Reiseskizzen“, welche ebenfalls 1833 ausgegeben wurden. Die Eindrücke, die er so meisterhaft in den Kreuz- und Querzügen Mr. Howard’s, in den Schilderungen der Mississippifahrten und der Gastlichkeit der Pflanzer des Südens wiedergiebt, mag er wohl in jener Zeit empfangen haben, als er seinen Grundbesitz in Louisiana erwarb und selber Plantagenbesitzer und Sclavenhalter zu werden gedachte. Der Verdacht wird in uns rege, daß kein Anderer als er selber der von den Pflanzern so gastlich bewirthete Mr. Howard ist.

Dieses Buch hatte einen außergewöhnlichen Erfolg, der vielleicht durch die Anonymität noch erhöht wurde. Die Leserwelt zerbrach sich den Kopf, ob der Verfasser ein Engländer, ein Amerikaner, ein Deutscher sei, ob das Buch ursprünglich deutsch geschrieben oder übersetzt worden, woher es komme, daß es in der Schweiz, in Zürich, erschienen, ob der Verfasser in der alten oder der neuen Welt seine Penaten habe? – Die Verlagshandlung hielt das Geheimnis getreulich bewahrt. – Schon im Jahre 1835 folgte der dreibändige Roman: „der Virey und die Aristokraten“ oder „Mexico im Jahr 1812“. Diese Erzählung verdankt ihre Entstehung der Reise des Verfassers in jenem Lande, deren wir bereits erwähnten. Er läßt im „Vorwort“ den Herausgeber sagen: „Die meisten Skizzen wurden im Lande selbst entworfen, so wie die Charaktere meistens nach der Natur gezeichnet sind … Der Roman schildert die ersten revolutionären Zuckungen des ebenso schönen als unglücklichen Landes, die ersten Versuche, das dreihundertjährige spanische Joch vom Nacken zu schütteln. Dieses Werk Sealsfield’s ist dasjenige, welchem die meiste künstlerische Abrundung, die consequenteste Durchführung des Grundgedankens und die größte Sorgfalt in der Composition zuzuschreiben ist. Manche halten es für die beste seiner Arbeiten. — Nicht später als in den zwei folgenden Jahren erschienen, als Fortsetzung der „transatlantischen [55] Reiseskizzen“, 6 Bände „Lebensbilder aus beiden Hemisphären“, eine lose in einander gefügte Mosaik amerikanischer Sittenbilder, welche manches vortreffliche Culturgemälde enthalten. So ist unter Andern „das blutige Blockhaus“ eine der interessantesten und spannendsten Schilderungen des wilden Squatterlebens im fernen Westen, und der alte Squatterregulator Nathan ein Charakter, wie er nur von Meisterhand gezeichnet werden kann.

Während dieses seines ersten Aufenthalts in der Schweiz hielt sich Sealsfield abwechselnd in Zürich, am Bodensee, in Schaffhausen und zu Baden im Aargau auf. Er stand in den besten geselligen Beziehungen mit vielen ausgezeichneten Schweizern und mit manchen fremden Notabilitäten, welche gleich ihm den gastfreien Boden der Schweiz zu ihrem bleibenden oder vorübergehenden Aufenthalt gewählt hatten.

Eines Tages erging sich Sealsfield lustwandelnd in der Nähe von Constanz, an den reizenden Ufern des Sees. Da bemerkte er vor sich einen Reiter. Demselben begegnete ein ziemlich armselig und abgerissen aussehender wandernder Handwerksgeselle. Unser Spaziergänger sah von Weitem, daß der Reiter, ein junger, eleganter Herr, sein Pferd anhielt, ohne vom Sattel zu steigen, die Stiefel auszog, dieselben dem armen Reisenden schenkte und dann unbeschuht wieder von dannen trabte.[2] Kurze Zeit nach diesem kleinen Abenteuer ward unser Freund, der schon in Neuyork in Beziehungen zur Familie Bonaparte gestanden, bei der Königin Hortensia eingeführt, welche damals auf dein Schloß Arenenberg wohnte. Nicht ohne Erstaunen erkannte er in ihrem Sohne Louis Napoleon den generösen jungen Reiter.

Nach einem kurzen Besuche in Amerika (1837) kehrte Sealsfield nach der Schweiz zurück. Im Jahre 1838 erschienen die ersten Bände der „Sturm-, Land- und Seebilder“, einer Mosaikarbeit von scharfer Zeichnung und lebhaftestem Colorit. Zwei Jahre später veröffentlichte er das „Kajütenbuch". Es enthalten die zwei Bände dieses Romans eine lebensvolle Schilderung der ersten Anfänge amerikanischer Niederlassung und Besitzergreifung in Texas. Als Meister in der Charakterzeichnung und Schilderung psychologischer Phänomene erweist sich der Verfasser in der Episode „die Prairie am St. Jacinto“. Wahr und ergreifend, fast haarsträubend erzählt er die Gewissenspein des Raubmörders, den die eigenen Schritte trotz alles Widerstrebens stets und stets wieder zum Schauplatz seines Verbrechens führen. – Die drei Bände „Süden und Norden“ (1842 und 1843) haben wiederum Mexico zum Schauplatz und enthalten in Romanform die Eindrücke, welche dieses wunderbare Land mit seiner unglücklichen, meist entarteten Bevölkerung auf den Verfasser gemacht. Das Buch ist sonderbar, wie das Land, welches es schildert; seine Lectüre berauscht uns gleich dem Duft und dem Saft der Agaven, von denen wir lesen. Es gehört zu den frommen Wünschen Sealsfield’s, in einer neuen Ausgabe eine bessere Ordnung und einen größeren Zusammenhang in die üppigen, farbenreichen Bilder der Natur und des Lebens des wunderherrlichen Gebirgslandes Oaraca zu bringen, welche dieser Roman enthält.

Der Quell literarischer Tätigkeit war durch so rasche Production nicht erschöpft. Unser Freund arbeitete an fernern Werken. Aber die Stürme, welche 1847 in der Schweiz, 1848 in ganz Europa zum Ausbruch kamen, unterbrachen das ruhige Schaffen des Geistes. Zum Anfang der fünfziger Jahre finden wir Sealsfield wieder in Amerika.

Sealsfield hatte um’s Jahr 1830 die neue Welt als junger Mann, in der Blüthe der Jahre, verlassen; als gereifter Mann kehrte er nach mehr als 20 Jahren zurück. Er sah nun mit andern Augen. Land und Menschen erschienen ihm nicht mehr wie damals im rosigen Wiederschein der Jugend. Sein durch die lange Abwesenheit objcetiver gewordener Blick erkannte mit Schmerz die dunkeln Schlagschatten im amerikanischen Staats- und Privatleben. Nicht mehr war es der von den schönen Creolinnen Louisianas gefeierte Tänzer, nicht mehr der kecke Jagdgefährte der jungen Pflanzer, der heißblütigen Cavaliere des Südens, der nach so langer Abwesenheit aus Europa zurückkehrte; es war der berühmte Schriftsteller, der geistvolle Publicist, auf dessen Stirne Zeit und Erfahrungen schon tiefe Furchen gezogen hatteu. Es waren die Staatsmänner, die öffentlichen Charaktere des Landes, mit denen er nun verkehrte. Er besuchte Washington und wurde vom Präsidenten der Union im „weißen Hause" empfangen; mit den meisten Männern von politischer Wichtigkeit machte er persönliche Bekanntschaft, und sie verschmähten es nicht, seinen Rath zu hören. Er erkannte mit Schrecken, wie furchtbar die Corruption im öffentlichen Leben Amerikas überhand genommen, wo es vorkam, daß die Mehrheit der Volksvertretung ganzer Staaten von Eisenbahnschwindlern oder andern großen Geldspeculanten im eigentlichsten crassesten Sinne sich bestechen ließen.[3] Schon damals bereitete sich die furchtbare Katastrophe vor, die ein paar Jahre später ausbrach und heute noch nicht zum Abschluß gekommen ist – gleich der französischen Revolution verheerend – vernichtend, aber heilsam und nothwendig all die angesammelten faulen, giftigen Dünste auseinander zu blasen und den Platz zu räumen für ein besseres, gesünderes Leben. – Sealsfield hat seinen Landbesitz in Louisiana nie veräußert. Ohne Zweifel hat er die Stätte wieder besucht, wo er einst eine Plantage gegründet hätte, wäre nicht der fatale Bankerott seines Banquiers dazwischen gekommen. Jetzt würden ihm die Fonds nicht mehr gefehlt haben, eine genügende Anzahl von Negern zu erwerben, um den einst gehegten Plan zur Ausführung zu bringen. Aber sei es, daß er das Vorgefühl des kommenden furchtbaren Sturmes hatte; sei es, daß nach einem so langen Aufenthalt in Europa – im freien England und in der Schweiz – sein Gefühl sich dagegen auflehnte, Sclavenbesitzer zu werden; sei es, daß er es nun zu spät fand eine Familie zu gründen: er verließ die Scholle wieder, die ihm gehörte, und das Adoptivvaterland, um nach der alten Welt, nach der Schweiz zurückzukehren.

Am südlichen Fuße des Jura, der mit seinen zackigen Felsen, seinen dunkeln Tannen- und hellen Laubwäldern einige Familienähnlichkeit mit den Alleghanies haben mag, in unmittelbarer Nachbarschaft der Solothurner Marmorbrüche befindet sich ein Häuschen von anspruchslosester Bauart; es ist hell getüncht, seine Jalousieläden grün gemalt; vor dem Hause ist ein Garten, welcher zwischen zwei Feldwegen wie ein Schiffsschnabel spitz ausläuft. Je bescheidener diese Wohnung, um so schöner ist ihre Lage, um so pompöser die Aussicht, die man von da genießt: das ganze Alpenpanorama sieht man vor sich ausgebreitet und im Vordergrund das freundliche, fruchtbare Aarthal, das lindenbekränzte Solothurn mit seinen zahlreichen Kirchen, Klöstern und Kapellen, Diesen stillen, abgelegenen Erdenwinkel hat Sealsfield, als er Amerika zum zweiten Mal den Rücken wandte, als Eigenthum erworben. Hier lebt er als Junggeselle, einsam, sich selbst genügend. Dem schattigen Walde zu lieb, der sich mit wenigen Schritten erreichen läßt, hat er seine Wohnung "unter den Tannen" genannt und diese Worte als Inschrift über seine Hausthüre setzen lassen. Sein letztes, längst begonnenes Werk konnte noch nicht zur Vollendung kommen; es sollte ein Abbild der öffentlichen und socialen Zustände Nordamerikas und ihrer Rückwirkung auf die alte Welt – zugleich gewissermaßen eine Fortsetzung und ein Abschluß der „Lebensbilder aus beiden Hemisphären“ – sein. Der ausbrechende Bürgerkrieg machte durch die Schlußcapitel einen Strich.

Mit tiefer Trauer sieht Sealsfield aus der Ferne zu, wie sein noch immer geliebtes Adoptivvaterland sich selbst zerfleischt, darauf verzichtend, die junge Saat zu schauen, die einst um so schöner auf dem vom giftigen Unkraute gesäuberten Gefilde sproßen wird,

Alfred Hartmann.
  1. Nach Sealsfield’s mündlichen Mittheilungen.
  2. Nach einer mündlichen Mittheilung Sealfield's.
  3. Factisch.