Der Wollust Reiz zu widerstreben
Der Wollust Reiz zu widerstreben,
Dieß, Jugend, liebst du Glück und Leben,
Laß täglich deine Weisheit seyn.
Entflieh der schmeichelnden Begierde;
Und ihre Freuden werden Pein.
Laß, ihr die Nahrung zu verwehren,
Nie Speis und Trank dein Herz beschweren,
Und sey ein Freund der Nüchternheit.
Auch öfters ein erlaubt Vergnügen,
Und steure deiner Sinnlichkeit.
Laß nicht dein Auge dir gebieten;
Und sey, die Wollust zu verhüten,
Entflieh des Witzlings freyen Scherzen,
Und such im Umgang edler Herzen
Dir Beyspiel, Witz, und Zeitvertreib.
Der Mensch, zu Fleiß und Arbeit träge,
Leicht in das Netz des Bösewichts.
Der Unschuld Schutzwehr sind Geschäffte.
Entzieh der Wollust ihre Kräfte
Im Schweiße deines Angesichts.
So wach auch du, ihn früh zu dämpfen,
Eh er die Freyheit dir verwehrt.
Ihn bald in der Geburt ersticken,
Ist leicht; schwer ists, ihn unterdrücken,
Oft kleiden sich des Lasters Triebe
In die Gestalt erlaubter Liebe,
Und du erblickst nicht die Gefahr.
Ein langer Umgang macht dich freyer;
Aus dem, was Anfangs Freundschaft war.
Dein fühlend Herz wird sichs verzeihen;
Es wird des Lasters Ausbruch scheuen,
Indem es seinen Trieb ernährt.
Und kleine Fehler dir erlauben,
Bis deine Tugend sich entehrt.
Doch nein, du sollst sie nicht entehren,
Du sollst dir stets die That verwehren;
Ists Sünde nur, die That vollbringen?
Sollst du nicht auch den Trieb bezwingen,
Nicht auch den Wunsch der Leidenschaft?
Begierden sind es, die uns schänden,
Verletzen wir schon unsre Pflicht.
Wenn du vor ihnen nicht erröthest,
Nicht durch den Geist die Lüste tödtest:
So rühme dich der Keuschheit nicht.
Oft mit dem mächtigen Gedanken:
Die Unschuld ist der Seele Glück.
Einmal verscherzt und aufgegeben,
Verläßt sie mich im ganzen Leben,
Denk oft bey dir: Der Wollust Bande
Sind nicht nur dem Gewissen Schande,
Sie sind auch vor der Welt ein Spott.
Und könnt ich auch in Finsternissen
So sieht und findet mich doch Gott.
Die Wollust kürzt des Lebens Tage,
Und Seuchen werden ihre Plage,
Da Keuschheit Heil und Leben erbt.
Den wird Gott wiederum verderben,
Wer seinen Tempel hier verderbt.
Wie blühte nicht des Jünglings Jugend!
Doch er vergaß den Weg der Tugend;
Verwesung schändet sein Gesichte,
Und predigt schrecklich die Geschichte
Der Lüste, die den Leib verheert.
So rächt die Wollust an den Frechen
Und züchtigt dich mit harter Hand.
Ihr Gift wird dein Gewissen quälen;
Sie raubet dir das Licht der Seelen,
Und lohnet dir mit Unverstand.
Raubt ihm den Eifer edler Werke,
Den Adel, welchen Gott ihm gab;
Und unter deiner Lüste Bürde
Sinkst du von eines Menschen Würde
Drum fliehe vor der Wollust Pfade,
Und wach, und rufe Gott um Gnade,
Um Weisheit in Versuchung an.
Erzittre vor dem ersten Schritte;
Zu einem nahen Fall gethan.