Der Warner vor der Schlacht, und die Magdeburger Taufe
Im Jahre 1550 hatten die Magdeburger einen schweren Krieg mit dem Herzog Georg von Mecklenburg; dieser, ein junges hitziges Blut, war in das Magdeburgische Land eingefallen, und trieb ein arges Wesen mit Rauben, Plündern und Brandschatzen, also daß des Flehens des Landvolks an den Rath der Stadt Magdeburg um Hülfe und Errettung mit jedem Tage mehr ward. Da rüsteten sich denn die Magdeburger, und am Tage Mauritii, welcher damals war der 22ste Tag des Septembers, zogen sie aus, dem Feinde eine große Schlacht zu liefern. An ihrer Spitze waren der Bürgermeister Georg Gericke und Heinrich Müller mit dem Hauptmanne Hans Springer.
Der Tag Mauritii aber war für die Magdeburger ein Unglückstag, und er war ihnen schon zwei Mal in Kriegsläuften zum Unheil gewesen, indem sie an solchem Tage zweimal eine Niederlage erlitten hatten. Daher geschah es auch, daß, als sie ausgezogen waren, vor dem Dorfe Barleben, eine Meile von der Stadt, ihnen ein Mann begegnete, der sie verwarnete. Dieß war ein feiner, [138] langer, ansehnlicher Mann, der Kleidung nach einem Bauersmann nicht ganz unähnlich. Er war zwar gar alt und eisgrau, aber so schönen holdseligen, röthlichen und jungen Angesichts, daß es zu verwundern. Der hielt die Magdeburger an, und fragte sie, wo sie mit dem Kriegsvolk und der Kriegsrüstung hinaus gedächten? Und da er ihres Vorhabens unterrichtet, hat er sie mit aufgehobenen Händen herzlich gebeten, von ihrem Vorsatze abzustehen, wieder heim zu kehren und ihrer Stadt Acht zu haben, und ja des Orts, und sonderlich der Zeit nichts vorzunehmen, indem gerade vor zweihundert Jahren auf den Tag und an dem Ort die Magdeburger geschlagen worden, wie ein Jeder, der es nicht wüßte, auf der Tafel in der Sanct Johannes-Kirche zu Magdeburg lesen könne; er ermahnte sie, daß es ihnen gewiß auch dieses Mal unglücklich ergehen werde, wenn sie nicht umkehrten.
Ob nun wohl sich Etliche über die Person und die Rede dieses Mannes verwundert, so haben doch ihrer sehr Viele seiner gespottet und die Warnung höhnisch verachtet. Das ist ihnen aber zu ihrem großen Unglück geworden.
Die Magdeburger rückten nämlich weiter, und früh um sieben Uhr trafen sie auf den Feind. Sie griffen diesen sogleich an, aber schon nach einer halben Stunde waren sie so auf das Haupt geschlagen, daß sie 1200 Todte und 300 Gefangene verloren hatten, und daß 11 Stück Feldgeschütz und 11 Bürgerfähnlein in die Hände der Feinde gefallen waren. Absonderlich war keiner von den Spöttern des alten Warners unerschlagen oder ungefangen geblieben.
Dabei trug sich auch noch folgender verwunderliche Umstand zu, der den Meisten das Leben kostete. Die Magdeburger hatten nämlich, als sie dem Feinde entgegen gingen, das Flüßlein, die Ohre genannt, passiren müssen, welches [139] zu damaliger Zeit gerade sehr tief gewesen. Sie hatten daher eine seichte Stelle gesucht, durch welche sie ohne große Beschwerde über den Fluß gelangten, und dieselbe, um sie bei ihrer Rückkehr desto sicherer wieder finden zu können, mit einem Merkmale bezeichnet. Wie sie aber nun von dem Feinde geschlagen und zu einer eiligen Flucht gezwungen worden, da war unterdeß, ohne daß sie etwas davon wußten, das Zeichen von der Furth weggenommen und an eine Stelle gesteckt, wo die Ohre gerade am allertiefsten war. Die Magdeburger glaubten, das sei ihre Furth, sie stürzten in ihrer großen Angst sich in die Tiefe hinein, und fanden einen gar jämmerlichen Tod im Wasser. Auf welche Weise das Zeichen von seiner alten Stelle fortgekommen war, hat man niemals erfahren können. Die Stelle, wo solches passiret, heißt zum Wahrzeichen bis auf den heutigen Tag die Magdeburger Taufe.
Wie es nun also leider geschehen, daß die Weissagung des alten Mannes eingetroffen, da hat man fleißig Nachforschungen nach ihm gehalten; aber man hat Niemanden erfragen können, der ihn vorher oder nachher gesehen hätte.
- Alte Magdeb. Chronik (nicht paginirt).
- Beckmann histor. Beschr. von Brandenburg. Th. 4. S. 974.