Der Wächter in der Mitternacht (Hebel, 1834)
Siehe auch: Der Wächter in der Mitternacht (1803) |
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„Loset, was i euch will sage!
D’Glocke het zwölfi gschlage.“
Wie still isch Alles! Wie verborgen isch,
was Lebe heißt, im Schoß der Mitternacht
es fahrt kei Wagen us der Ferni her;
kei Husthür gahret, und kei Othem schnuuft,
und nit emol e Möhnli rüeft im Bach.
’s lit Alles hinterm Umhang iez und schloft,
e Geist vorüber wandlet, weißi nit.
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Doch was i sag, ruuscht nit der Tiich? Er schießt
im Leerlauf ab am müede Mühli-Rad,
und näume schliicht der Iltis unterm Dach
vom Chilchthurm her en Uihl im stille Flug
dur d’Mitternacht, und hangt denn nit im Gwülch
die großi Nacht-Laterne dört, der Mond?
Still hangt sie dört, und d’Sterne flimmere,
vom wite Gang ermattet, uf der Stroß
an d’Heimeth chunnt, no keine Dächer sieht
und numme do und dört e fründli Liecht.
Wie wirds mer doch uf eimol so kurios?
As wenni briegge möcht, weiß nit worum;
as wenni ’s Heimweh hätt, weiß nit – no was.
„Loset, was i euch will sage!
D’Glocke het Zwölfi gschlage.
se schine d’Sternli no so froh,
und us der Heimeth chunnt der Schi’;
’s muß lieblig in der Heimeth sy!“
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Was willi? Willi dure Chilchhof goh
as wenn die Todten in der Mitternacht
us ihre Gräbere giengen, und im Dorf
e wenig luegten, öb no alles isch
wie almig. ’s isch mer doch bis dato ken
und rüef de Todte, – nei, sell thueni nit!
Still willi uf de stille Gräbere goh!
Sie hen io d’Uhr im Thurn, und weiß i denn,
isch au scho ihre Mitternacht verbei?
und schwärzer uf sie abe, – d’Nacht isch lang.
’s cha sy, es zuckt e Streifli Morgeroth
scho an de Berge uf, – i weiß es nit.
Wie ischs so heimli do? Sie schlofe wohl,
sel läugni nit; doch isch nit Alles todt,
I hör io ’s Unrueih in der Chilche; ’s isch
der Puls der Zit in ihrem tiefe Schlof,
und d’Mitternacht schnuuft vo de Berge her.
dört mittem Tschäubbeli am grüene Nast,
und pfift dur d’Scheie her am Garte-Hag.
Sie chuuchet füecht an d’Chilche-Mur und chalt;
die lange Fenster schnattere dervo
en offe Grab! – Du gueten alte Franz,
se hen sie au di Bett scho gmacht im Grund,
und ’s Deckbett wartet uf di nebe dra,
und d’Liechtli us der Heimeth schine dri!
zwingt Jeden uffem Weg, und eb er gar
in d’Heimeth dure chunnt. Doch wer emol
si Bett im Chilchhof het, Gottlob er isch
zuem letzte mol do niden übernacht,
und chömmen use, hemmer nümme wit,
e Stündli öbben, oder nitemol. –
Se stolperi denn au no d’Stäpfli ab,
und bi so nüechter bliebe hinechtie.
D’Glocke het Zwölfi gschlage.
Und d’Sternli schine no so froh,
und us der Heimeth schimmerts so,
und ’s isch no umme chleini Zit.
Wo bini gsi? Wo bini echterst iez?
e Stäpfli uf, e Stäpfli wieder ab,
und witers nüt? Nei weger, witers nüt!
Isch nit ’s ganz Dörfli in der Mitternacht
wie dört, vom lange müede Wachen us,
vo Freud und Leid, und isch in Gottis Hand,
do unterm Strauh-Dach, dört im chüele Grund,
und warte, bis es taget um sie her?
au d’Nacht vom hoche Himmel abe hangt,
verschlofen isch der Tag deswegen nie;
und bis i wieder chumm, und no ne mol,
so gen mer d’Gühl scho Antwort, wenni rüef,
Der Tag verwacht im Tanne-Wald, er lüpft
alsgmach der Umhang obsi; ’s Morgeliecht,
es rieslet still in d’Nacht, und endli wahlt’s
in goldne Strömen über Berg und Thal.
e Lade do und dört e Husthür uf,
und ’s Lebe wandlet use frei und froh.
Du liebi Seel, was wirds e Firtig sy,
wenn mit der Zit die letzti Nacht versinkt,
und wenn der Mond und ’s Morgeroth und d’Sunn
in Himmels-Liecht verrinnen, und der Glast
bis in die tiefe Gräber abe dringt,
und d’Muetter rüeft de Chindlene: „’s isch Tag!“
ne Lade ufgoht, dört e schweri Thür!
Die Todte luegen use iung und schön.
’s het menge Schade guetet übernacht,
und menge tiefe Schnatte bis ins Herz
und tunke ’s Gsicht in Himmels-Luft. Sie stärkt
bis tief ins Herz – o wenns doch bald so chäm![a 1]
„Loset, was i euch will sage!
Und d’Liechtli brennen alli no;
der Tag will iemerst no nit cho.
Doch Gott im Himmel lebt und wacht,
er hört wohl, wenn es Vieri schlacht!“
Ausgabe I.
- ↑ bis tief ins Herz – Du alte Nar, was bringsch?