Der Tod (Fünfte Sammlung)
Der Auszug der Theologie, der Inbegrif der Philosophie, der Rückhalt der Politik, des Menschengeschlechts unerklärbarer Wohlthäter, der Tod erschien.
Blaß war sein Angesicht, seine Beingestalt war fast allen schrecklich; aber er umwand sich mit den Sterbekleidern, die der Auferstandne im Grabe gelassen hatte; und so gieng er freundlich umher.
Liebreich redete er die Christen an, ohne logische Fallstricke; er berief sich blos auf jedes Menschen inneres Zeugniß: „wie? ist nicht Gott euer Vater? seyd ihr also nicht das edelste Geschlecht? unter Gottes Obhut sicher? durchs Band einer obern Liebe verbunden? Und ihr beflecket euer Geschlecht? werdet Thiere, und werft Gottes Gebot von euch? Warum gebt ihr eure Freiheit auf und löset das Band der Bruderliebe? Ihr haltet an dem vest, was euch nur geliehn ist, und schaudert, Unsterbliche, für dem Sterben?“
Er predigte Tauben; und nachdem jeder seinem Körper diente, nachdem vergaß er auch den Tod und setzte seinen Dienst fort.
Da Worte nicht halfen, griff der aufgebrachte Warner zu seinen Pfeilen. Hie und da lagen Leichen umher; er sah die traurige Niederlage und sprach: „Muß ich es ihnen also lehren? den Hohen demüthig seyn, den Sophisten schweigen, Neugierigen und Geizigen ihre Neugier und Habsucht begrenzen, Zornigen sich versöhnen, Wohllüstigen Schmerz fühlen, Wilden und Hartnäckigen nachlassen, nachgeben. Glücklich sind die Armen! sie werden reich; die Traurigen, sie werden getröstet; die Duldenden, sie werden gerächet; allen endlich, deren Leben Christus war, wird der Tod Gewinn.“