Der Staatshämorrhoidarius (Fliegende Blätter Nr. 33)
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In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli wird in der Vorstadt eingebrochen und es kommen bei dieser Gelegenheit abhanden: Ein wollener Kittel, ein Stiefelzieher, eine Putzscheere, ein Glas und ein lederner Geldbeutel mit 1 fl. 15 kr. 2 pf.
Anzeige durch den Gensdarme bei Gericht.
Der Staatshämorrhoidarius begibt sich in Begleitung eines Actuars und Gerichtsdieners schleunigst an Ort und Stelle, um zur Herstellung des Thatbestandes richterlichen Augenschein einzunehmen.
Ein verdächtiges Individuum wird durch den Gerichtsdiener arretiert.
Erstes summarisches Verhör:
Frage. „Ist Ihnen die Ursache Ihres Verhaftes nicht bekannt?“ Antw. „Nein.“
Fr. „Man hat aber guten Grund, zu glauben, daß Sie wohl wissen könnten, warum Sie verhaftet sind.“ Antw. „Nein.“
Fr. „Sie sollten doch die Gefälligkeit haben, gütigst zu sagen, ob Ihnen die Ursache nicht bekannt ist, weshalb Sie verhaftet wurden.“ Antw. „Nein.“
Inquisit beschwert sich über Suggestionen und verfängliche Fragen und verweist den Staatshämorrhoidarius auf Artikel 182 und 183 des Strafgesetzbuchs II. Theil.
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Zeugenvernehmung. Fünfzig Personen, die eigentlich von dem ganzen Vorfall nichts wissen, werden vorgerufen und auf das genaueste befragt.
Inzwischen entkömmt Inquisit aus dem Untersuchungs-Gefängnisse.
Der Staatshämorrhoidarius schließt die Acten und sendet sie zum Spruch ein. Die Untersuchung wird wegen Mangel an Beweis aufgehoben und Inquirent erhält einen Verweis quoad formalia
Durch die Anstrengungen bei dieser Untersuchung, welche 18 Monate gedauert, zieht sich der Staatshämorrhoidarius abermals ein gastrisches Fieber zu.