Der Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein (1819)
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Es waren drei Brüder von Haus sehr arm und als ihre Armuth so groß ward, daß sie nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten, verabredeten sie mit einander in die Welt zu gehen, vielleicht fänden sie irgendwo ihr Glück. Als sie nun schon weit und über viel Grashälmerchen gegangen waren, kamen sie in einen Wald, darin stand ein ganz silberner Berg. Der älteste machte sich bezahlt, nahm so viel, als er von dem Silber tragen konnte, und kehrte darnach heim; die beiden andern aber wollten ihr Glück noch besser versuchen, nahmen nichts und gingen weiter. Als sie wieder ein großes Stück fortgegangen waren, kamen sie zu einem Berg, der war ganz von Gold. Da sprach der zweite: „wie nun? soll ich mich reich davon machen, oder weiter gehen?“ stand eine Zeit lang und besann sich, endlich füllte er sich doch die Taschen, so viel hinein wollte, und ging auch nach Haus. Der dritte aber dachte: „Gold und Silber, das rührt mich nicht, ich will meinem Glück nicht absagen, vielleicht ist mir etwas besseres bescheert;“ ließ das Gold liegen und ging allein weiter. Als drei Tage herum waren, kam er in einen mächtigen Wald, der gar [275] kein Ende nehmen wollte, ging immer fort und da er nichts zu essen und zu trinken fand, war er nahe daran zu verschmachten. Da stieg er auf einen hohen Baum, ob er da oben Waldes Ende sehen mögte, aber er sah nichts, so weit sein Auge reichte, als lauter Baumspitzen. Da begab er sich von dem Baum wieder herunter zu steigen und dachte: wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte! und als er herab kam, war sein Wunsch erfüllt und stand da ein Tisch mit vielerlei Speisen reichlich besetzt, von denen ein lieblicher Geruch zu ihm aufstieg. Da sprach er: „das war ein Wunsch zu rechter Zeit!“ nahte sich dem Tisch mit Lust und aß sich herzlich satt. Als er gegessen hatte, nahm er das Tischtüchlein, legte es säuberlich zusammen und steckte es in seinen Ranzen. Darauf ging er weiter und Abends, als er wieder Hunger hatte, holte er sein Tischtuch hervor, breitete es aus und sprach: „so wünsche ich, daß du mit Speisen wohl besetzt wärest.“ Da standen auf einmal so viel Schüsseln mit Essen darauf als nur Platz hatten und er sah wohl, daß es ein Wunschtüchlein war. Da sprach er: „du bist mir lieber als Silber und Gold!“
Er wollte aber noch nicht zurück, sondern zog weiter in die Welt hinein und kam eines Abends zu einem Köhler, der brannte seine Kohlen und hatte Kartoffeln am Feuer stehen. Sie boten sich die Zeit und redeten sich an; da lud ihn der Köhler ein, mit ihm Kartoffeln zu essen. „Nein, sagte er, ich will dir deine Mahlzeit nicht wegnehmen, aber du sollst mein Gast seyn.“ „Wer soll dir anrichten? sprach der Köhler, ich sehe doch wohl, daß du [276] nichts bei dir hast.“ „Doch solls ein gutes Essen seyn, sprach er, dergleichen du keins hast,“ holte sein Tüchlein hervor, breitete es aus und wünschte, da stand alles schon fertig gekocht. Der Köhler machte große Augen, doch langte er zu und ließ sichs wohlschmecken. Als sie abgegessen hatten, sprach der Köhler: „dein Tüchlein gefällt mir, willst du mit mir tauschen, so geb ich dir einen alten Soldatenranzen dafür, der eine wunderliche Kraft hat und den ich doch nicht brauchen kann.“ – „Was hat er für Kraft?“ – „Wenn du mit der Hand darauf klopfst, so kommen jedesmal ein Gefreiter und sechs Gemeine heraus mit Ober- und Untergewehr und vollbringen, was du ihnen aufträgst.“ „Wenns nicht anders seyn kann, bin ichs zufrieden,“ sprach der andere, also daß der Tausch vor sich ging und der Mann den Ranzen mitnahm, der Köhler aber das Tüchlein behielt. Als nun jener ein Stück Wegs gegangen war, sprach er: „ich muß doch meinen Ranzen auch versuchen“ und klopfte daran. Alsbald traten die sieben Kriegshelden vor ihn und der Gefreite sprach: „was verlangt mein Herr?“ Er antwortete: „geht hin und holt mir beim Köhler mein Wunschtüchlein wieder.“ Sie machten linksum und nicht lange, so kamen sie und brachten das Verlangte und hatten es dem Köhler, ohne viel zu fragen, abgenommen. Nun hieß er sie wieder abgehen und zog weiter und dachte, das Glück scheint mir wohl noch besser. Bei Sonnenuntergang kam er zu einem zweiten Köhler, der da beim Feuer seine Abendmahlzeit bereitete. „Gott zum Gruß, sprach der Köhler, wollt ihr mit mir essen, Kartoffeln ohne Schmalz, so sollen sie euch gegönnt [277] seyn.“ „Nein, antwortete er, für diesmal sollst du mein Gast seyn,“ deckte sein Tüchlein auf und besetzte es mit guten Gerichten; da aßen sie und tranken zusammen und waren guter Dinge. Nach dem Essen sprach der Kohlenbrenner: „dein Tüchlein hätt ich um mein Leben gern, ich habe da ein unnützes Hütlein, wenn das einer aufsetzt und dreht es auf dem Kopf herum, so gehen die Feldschlangen, als wären zwölf beisammen aufgeführt und schießen alles nieder; das Hütlein will ich dir für dein Tischtuch geben.“ Er sprach ja dazu, nahm das Hütlein und ließ sein Tüchlein zurück; als er aber ein Stück Wegs gegangen war, klopfte er auf seinen Ranzen und sprach zu dem Gefreiten: „geh und hol mit deinen sechs Mann mir mein Wunschtüchlein wieder.“ Die brachten es auch zurück und er hatte nun das Hütlein noch obendrein gewonnen. Er wollte aber noch immer nicht nach Haus und dachte, noch ists nicht Zeit daß ich umkehre, ich muß noch weiter. Der Wald aber nahm kein Ende und er ging darin noch einen Tag fort. Abends kam er zu einem dritten Köhler, der ihn nicht anders als die vorigen zu ungeschmelzten Kartoffeln einlud. Er aber ließ ihn von seinem Wunschtüchlein mitessen, und das schmeckte dem Köhler so gut, daß er ihm zuletzt ein Hörnlein dafür bot, wenn man darauf blies, fielen alle Festungswerke, ja endlich alle Dörfer und Städte übern Haufen. Er gab ihm zwar das Tüchlein, ließ sichs aber, als er fort war, von seinen Kriegshelden wieder abfordern, so daß er endlich den Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein beisammen hatte. „Nun, sprach er, bin [278] ich ein gemachter Mann und jetzt ists Zeit, daß ich heimkehre und sehe, wies meinen Brüdern geht.“
Als er zu Haus anlangte, lebten seine Brüder von ihrem Reichthum gar herrlich, und wie sie ihn erblickten, in einem alten, zerrissenen Rock, wollten sie ihn nicht erkennen und wollten ihn fortjagen. Da ward er zornig und klopfte auf seinen Ranzen, so lange bis 150 Mann da standen, die hieß er seinen Brüdern die Hucke (Buckel) vollschlagen, bis sie wüßten, wer er wäre. Nun gabs gewaltigen Lärm und das ganze Dorf kam zu Hilfe, konnte aber gegen die Soldaten wenig ausrichten. Als es dem König gemeldet wurde, ließ er einen Hauptmann mit seinen Leuten gegen sie ausrücken; der Mann aber mit den Wunschdingen wie sie herbeikamen, klopfte auf seinen Ranzen und ließ Füßler und Reiter aufziehen, die schlugen den Hauptmann mit seinen Leuten zurück, daß sie mit blutigen Nasen heimgingen. Der König sprach: „der ist noch zu bändigen“ und schickte am andern Tag mehr Volk gegen ihn, aber er klopfte so lang auf seinen Ranzen, bis ein ganzes Heer in Reih und Glied stand und auf den Feind los ging. Dann drehte er sein Hütlein ein paarmal auf dem Kopf herum, da ging das schwere Geschütz und des Königs Leute wurden geschlagen und in die Flucht gejagt. „Jetzt mache ich nicht eher Frieden, sprach er, als bis mir die Königstochter zur Frau gegeben wird und ich im Namen des Königs das ganze Reich beherrsche.“ Der König sprach zu seiner Tochter: „Muß ist eine harte Nuß, will ich Frieden haben und die Krone auf meinem Kopf behalten, so muß ich dich hingeben.“
[279] Die Hochzeit ward gefeiert, aber der Königstochter lag es beständig im Sinn, daß sie einen so häßlichen Mann hatte nehmen müssen. Da dachte sie Tag und Nacht, wie sie ihn wieder könnte los werden und wünschte nichts sehnlicher. Sie forschte, in welchen Vortheilen doch seine Macht bestände und er entdeckte ihr, daß er einen wunderbaren Ranzen hätte. Nun schmeichelte sie ihm so lange bis er ihr seinen Ranzen gab und wie er endlich in ihrer Gewalt war, verstieß sie ihn und als er das Heer aufbot, da klopfte sie auf den Ranzen, bis noch einmal so viel gegen ihn standen. Da wär er verloren gewesen, wenn er nicht noch sein Hütlein gehabt hätte, das setzte er sich auf und schwenkte es ein paarmal, alsbald fing das Geschütz an zu spielen und schlug alles nieder, so daß die Königstochter selbst kommen und um Gnade bei ihm bitten mußte. Er ließ sich überreden und bewilligte den Frieden; nachdem sie eine Zeit lang wieder beisammen gelebt, fing sie von neuem an ihn auszuforschen und merkte, daß in einem Hütlein seine Macht lag, und schwatzte es ihm endlich ab. Als sie es aber hatte, verjagte sie ihn und gedachte ihn damit zu bezwingen, aber er griff nach seinem Hörnlein und blies hinein; da fiel alles zusammen, Mauern, Festungswerke, Dörfer und Städte und schlugen den König und die Königstochter todt, und wenn er nicht abgesetzt hätte und nur noch ein wenig fortgeblasen, wär alles übern Haufen gestürzt und kein Stein beim andern geblieben. Da war er noch allein übrig und setzte sich zum König über das ganze Reich.