Der Morgen
[41] Der Morgen.
Bey des Morgens erstem Stral,
Wenn nach meines Mädchens Garten
Ich mich unbelauschet stahl,
Fand ich schon sie meiner warten.
Sie so früh aus ihrem Bettchen?
O wie war sie ganz Natur!
O wie milchweiß ihr Jaketchen!
Kein Toupet, und kein Chignon
Von sich selbst geringelt schon
Flatterten die schwarzen Locken;
Bey verliebter Vögel Sang,
Bey des leisen Windes Wehen,
Arm in Arm durch die Alleen:
[42] Haschten Schmetterlinge viel
Auf dem breiten Blumenbette,
Hüpften, trieben unser Spiel
Bis uns Milch, so weiß als Schnee,
Körbchen, voll von Zuckernüssen,
Bis die Kanne, voll Kaffee,
Nach der Laub’ uns wandern hiessen.
Saß ich bey dem kleinen Mahle;
Hatte sie auf meinem Schooß,
Trank mit ihr aus Einer Schale.
Jeder Seufzer ward erhört,
Und, mir Kosendem, gewährt
Alle leisen Liebesbitten.
Dennoch zankten wir uns auch,
Und sie floh, um mich zu necken;
Half mir Sehnsucht sie entdecken.
[43] Nun das lose Mädchen sah,
Daß sie keine List befreyet,
Sprang sie her, stand lächelnd da,
Both mir ihren kleinen Mund,
Meine Lippe drauf zu schliessen,
O ich küßte sie nun wund,
Ohne je mich satt zu küssen.