Der Knote
Adrianus Romanus, ein Belge, flocht aus Stricken der Algebra einen Knoten, den er für verflochtner als jenen Gordischen hielt, und ihn daher mit großer Pralsucht der ganzen mathematischen Welt zur Auflösung vorlegte. Franz Vieta, der Gallier, sah und lösete ihn; er lachte über die Eitelkeit des Mannes.
Das brachte dem Vieta vielen Ruhm; man glaubte, einem solchen Kopf sei nichts unauflöslich.
Als unvermuthet ein andrer Knote vor ihn gebracht wurde, aus eisernen Dräten geflochten; es war Macchiavells Fürst.
Der Knote war voll Stacheln; nur mit Handschuhen konnte er berührt werden; ein inneres Feuer durchglühte ihn, und wie durch magische Kraft waren seine Fäden in einander verwebet. Dabei war er so schwer, daß die Hand vor ihm niedersank; so blitzend, daß das Auge über ihm stumpf ward. Vieta schwitzte, rief alle seine Kunst, die ganze Analyse zu Hülfe; umsonst! er verzweifelte an der Auflösung.
Da nahm er im Zorn den Hammer zu Hülfe; die Funken sprangen umher; er war in größester Gefahr und sah am Ende, daß ein Geflecht, in welches arme Unterthanen verstrickt sind, weder zu zerschlagen, noch aufzulösen sei. Es sei gar nicht zu behandeln.
Und sprach: „was durch Kunst zusammengesetzt ist, kann durch Kunst aufgelöset werden. Ein Gewirre aber, das Gewaltthätigkeit, Betrug, List und ihres gleichen in Eins schnüren: das wolle kein Mensch, das möge Gott auflösen!“