Der Gevatter Tod (1819)
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Es hatte ein armer Mann zwölf Kinder und mußte Tag und Nacht arbeiten, damit er ihnen nur Brot geben konnte. Als nun das dreizehnte zur Welt kam, wußte er sich in seiner Noth nicht zu helfen, lief hinaus und wollte den ersten, der ihm begegnete, zu Gevatter bitten. Der erste, der ihm begegnete, das war der liebe Gott, der wußte schon, was er auf dem Herzen hatte und sprach zu ihm: „armer Mann, du dauerst mich, ich will dein Kind aus der Taufe heben und will für es sorgen, daß es glücklich wird auf Erden.“ Der Mann sprach: „wer bist du?“ „Ich bin der liebe Gott.“ „So begehr ich dich nicht zum Gevatter, denn du gibst den Reichen und lässest die Armen hungern.“ So sprach der Mann, weil er nicht wußte, wie weislich Gott Reichthum und Armuth vertheilt; wendete sich ab von dem Herrn und ging weiter. Da trat der Teufel zu ihm und sprach: „was suchst du? ich bin der Pathe deines Kinds und will ihm Gold geben und alle Lust der Welt.“ Der Mann fragte: „wer bist du?“ „Ich bin der Teufel;“ „So begehr ich dich nicht zum Gevatter, du betrügst und verführst die Menschen,“ und ging weiter. Da kam der Tod auf ihn zu geschritten und sprach: [216] „nimm mich zum Gevatter.“ „Wer bist du?“ fragte der Mann. „Ich bin der Tod, der alles gleich macht.“ Da sprach der Mann: „du bist der rechte, du holst den Reichen und den Armen ohne Unterschied, du sollst mein Gevattersmann seyn.“ Der Tod antwortete: „ich will dein Kind reich und berühmt machen auf der Welt, denn wer mich zum Freund hat, dem kanns nicht fehlen.“ Sprach der Mann: „künftigen Sonntag ist die Taufe, da stell dich zu rechter Zeit ein.“ Der Tod erschien, wie er versprochen hatte, und hielt das Kind über die Taufe.
Als der Knabe nun zu Jahren gekommen war, trat zu einer Zeit der Pathe ein, nahm ihn mit sich hinaus in den Wald, und als sie ganz allein waren, sprach er: „jetzt sollst du dein Pathengeschenk haben. Ich mache dich zu einem berühmten Arzt. Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst, so will ich dir jedesmal erscheinen, stehe ich zu Füßen des Kranken, so sprich keck, ich will ihn wieder gesund machen, und gieb ihm nur von einem gewissen Kraut ein, das ich dir zeigen will, so wird er genesen; stehe ich aber zu Häupten[1] des Kranken, so ist er mein und dann sprich: „alle Hilfe ist umsonst, der muß sterben.“ Dann zeigte ihm der Tod das Kraut und sprach: „hüte dich, daß du es nicht gegen meinen Willen gebrauchst.“
Es dauerte nicht lange, so war der Arzt in der ganzen Welt berühmt. „Wenn der den Kranken nur ansieht, weiß er gleich, ob er wieder gesund wird oder ob er sterben muß,“ so hieß es von ihm und weit und breit kamen die Leute und holten ihn und gaben ihm Gold, so viel, als er verlangte, also daß er bald [217] große Reichthümer besaß. Nun trug es sich zu, daß der König auch krank ward, da wurde nach ihm geschickt, er sollte sagen, ob er sterben müßte. Wie der Arzt nun zu dem Bette trat, sah er den Tod zu Häupten[2] des Kranken stehen, und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen. Der Arzt aber dachte, vielleicht kannst du den Tod überlisten, weils dein Herr Pathe ist, wird er’s so übel nicht nehmen, packte den König an und legte ihn verkehrt, so daß der Tod an seine Füße zu stehen kam; darauf gab er ihm das Kraut ein und der König erholte sich und ward wieder gesund. Der Tod aber kam zu dem Arzt, machte ein böses, finsteres Gesicht und sprach: „diesmal soll dirs hingehen, weil ich dein Pathe bin, aber unterstehst du dich noch einmal mich zu betrügen, so geht dir’s selbst an den Hals.“ Bald darauf ward des Königs Tochter krank, und niemand konnte ihr helfen. Der alte König weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, endlich ließ er bekannt machen, wer sie vom Tod errette, der solle zum Lohn ihr Gemahl werden und die Krone erben. Nun kam der Arzt auch, aber der Tod stand zu Häupten[3], doch als er die Schönheit der Königstochter sah und an das Versprechen des Königs dachte, so vergaß er alle Warnungen, und ob ihn gleich der Tod ganz fürchterlich anschaute, so kehrte er doch die Kranke herum und gab ihr sein Kraut, so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfing.
Der Tod aber, als er sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah, trat zu dem Arzt
und sprach: „nun folge mir,“ packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand und führte ihn
[218] in eine unterirdische
Höhle, in der viel tausend und tausend Lichter in unübersehbaren Reihen brannten.
Etliche waren groß, etliche halb, etliche klein; jeden Augenblick verloschen einige und brannten
neue wieder auf, also daß Flämmchen hin und her zu hüpfen schienen. „Siehst du, sprach der
Tod, das sind die Lebenslichter der Menschen. Die großen gehören Kindern, die halben Eheleuten
in ihren guten Jahren, die kleinen gehören Greisen. Doch haben auch Kinder und junge
Menschen oft nur ein kleines Licht. Ist’s abgebrannt, so ist ihr Leben zu Ende und sie sind mein
Eigenthum.“ Der Arzt sprach: „zeige mir nun auch mein Licht.“ Da deutete der Tod auf ein ganz
kleines Endchen, das eben auszugehen drohte, und sagte: „siehst du!“ Da erschrak der Arzt und
sprach: „ach, lieber Pathe, zündet mir ein neues an, damit ich meines Lebens erst genießen kann,
König werde und Gemahl der schönen Königstochter.“ „Ich kann nicht, antwortete der Tod, erst
muß ein’s verlöschen, eh’ ein neues anbrennt.“ „So setzet das alte auf ein neues, das gleich fortbrennt, wenn jenes zu Ende ist;“ sprach der Arzt. Da stellte sich der Tod an, als wollte er seinen Wunsch erfüllen, langte ein frisches großes Licht herbei, aber beim Unterstecken versah er’s,
um sich zu rächen, absichtlich und das Stückchen fiel und verlosch. Da sank der Arzt mit um, und war nun selbst in die Hand des Todes gefallen.
Anmerkungen (Wikisource)