Zum Inhalt springen

Der Galgenbaum bei Blankenhain

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Georg Theodor Grässe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Galgenbaum bei Blankenhain
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 13–14
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[13]
614) Der Galgenbaum bei Blankenhain.
Ziehnert Bd. III. S. 225.

Auf dem Rittergute Blankenhain im Amte Zwickau diente einst ein ehrlicher und braver Hirtenjunge, Namens Liebhold, dem aber die Knechte und Mägde gehässig waren, weil er, sobald er von denselben etwas sah, was wider den Willen seiner lieben Herrin, der Edelfrau war, ihr solches immer sogleich anzeigte. Als daher einmal der gnädigen Frau ein goldenes Kettchen weggekommen war, ergriff das gottlose Gesinde die günstige Gelegenheit, den armen Jungen [14] zu verderben, und der gewissenloseste unter den Knechten ging hin zur Herrin und zeigte Liebholden als den Dieb an, den er über der That betroffen habe. Die Edelfrau übergab den Angeklagten den Gerichten, welche ihn nach mehrfachem Verhöre, wie hoch er auch seine Unschuld betheuerte, auf den falschen Schwur seines Anklägers hin zum Strange verdammten.

Nach wenigen Tagen wurde das Urtheil vollzogen. Unter dem wimmernden Geläute der Sünderglocke führte man den armen Liebhold hinaus vor das Dorf, wo ein großer Balken mit einem Arme oben als Galgen aufgerichtet war. Noch einmal, ehe er in den Tod ging, betete er zu Gott, daß er seine Unschuld rechtfertigen möge, und dann zu den Umstehenden gewendet, rief er: „Der mich angeklagt hat, der hat einen falschen Eid geschworen. Denn so wahr ich unschuldig bin, so wahr wird dieser Balken, welcher mein Galgen sein soll, nach meinem Tode anfangen zu grünen und Zweige treiben, und Jahrhunderte hindurch als ein frischer Baum bewundert werden.“ Hierauf wendete er sich zum Henker und litt mit frommer Zuversicht auf jenseits den unverdienten schmachvollen Tod.

Und als das nächste Frühjahr kam, da gab Gott die Unschuld Liebhold’s an den Tag; denn der Balken des Galgens wurde grün und trieb Zweige, so wie es Liebhold gesagt hatte. Die Edelfrau ward darüber voll Unruhe und gebot den meineidigen Knecht zu verhaften. Aber ehe die Häscher denselben erreichten, hatte er sich im Koberbache ertränkt. Noch in demselben Jahre ward der wahre Dieb entdeckt, es wurden mehrere nahe am Rittergut stehende hohe Erlen umgeschlagen, und auf einer derselben fand man ein Dohlennest und darin das gestohlene goldene Kettchen der Edelfrau. Der Galgenbaum, jetzt ein starker und hoher Baum, ist heute noch bei Blankenhain zu sehen.