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David mit dem Haupte Goliath’s (Gemälde der Dresdener Gallerie)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: David mit dem Haupte Goliath’s
Untertitel: Gemalt von L’Orbetto (genannt Turchi.)
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
aktuelle Zuschreibung des Bildes: von Giovanni Biliverti
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[Ξ]

David
(with the head of Goliath.)     (mit dem Haupte Goliaths.)

[63]
David mit dem Haupte Goliath’s.
Gemalt von L’Orbetto (genannt Turchi.)

Das Buch der Bücher, die Bibel, war von jeher eine Fundgrube von Stoffen für die Künstler aller christlichen Völker. Man kann sie als eine unerschöpfliche bezeichnen. Während einer langen Periode entlehnte die im hehren Dienste des christlichen Cultus befindliche Kunst, namentlich die Malerei, aus dem heiligen Texte ihre erhabensten Gedanken. Die Vorlagen, welche die Bibel gab, durchdrang später der freie Gedanke poetischer Auffassung und Schönheit, durch das Studium der Antike geläutert. Es wurden Gemälde biblischen Stoffes, sowohl alten als neuen Testaments, geschaffen, es wurden die Personen, welche uns in der Schrift vorgeführt werden, durch die Kunst auf eine solche Weise dargestellt, daß man in unserer Zeit oft zu dem [64] Urtheile gekommen ist: die Bibel sei so ziemlich ausgebeutet; man könne nur noch Wiederholungen und zwar ungenügende liefern, zumal da die religiöse Bedeutung der Kunst vor der Bildung der modernen Gegenwart, ungeachtet der einseitigen Richtung einzelner bedeutender Künstler, verloren und der reine Glaube verschwunden sei, der zur Schöpfung eines biblischen Gemäldes reinsten und höchsten Styles als unerläßlich bezeichnet wird.

So viel steht fest, was ein Rafael, ein da Vinci, ein Michel Angelo, Tizian u. s. w. an biblischen Stoffen unter den Pinsel genommen und in unerreichbarer Weise auf die Leinwand oder die Fresco-Mauer fesselte, das ist gemalt.

Aber die Bibel besitzt einen unsäglichen Reichthum, wie bemerkt. Das alte Testament rollt in seiner erhabenen, monumentalen Sprache Hunderte und aber Hunderte von Jahren der Geschichte eines Volkes auf, um welche der ganze Glanz, die ganze Glut des fernen Orientes weht. Diese Zeilen sind eine wahre Kabbala, nur dem Dichter lösbar und verständlich, möge die Form des Ausdruckes seines Innern das Wort oder die in Lebensfrische und Farbe vor uns tretende Zeichnung sein.

Bendemann hat es neuerlich bewiesen, daß es nur der genialen Auffassung bedarf, um aus einer Zeile des heiligen Textes das längst erloschene damalige Leben in seiner ganzen inhaltreichen Breite uns vor Augen zu stellen. „An den Gewässern zu Babylon saßen wir und weinten; Unsere Harfen hingen wir auf an den Weiden“ u. s. w. Das klingt fast gewöhnlich. Aber die Geschichte, die furchtbaren Leiden eines als Sklaven gefesselten, stolzen, gotterwählten Volkes, aus grauestem mythenhaften Alterthume seinen Ursprung herleitend, diese Geschichte erscheint ernst und geheimnißvoll und hebt auf ihren Riesenschultern die einfachen Worte zu einer Höhe der Bedeutung, daß uns, während wir sie sprechen, ein heiliger Schauer durchläuft. So las sie Bendemann und seine „trauernden Juden von Babylon“ wurden geschaffen. Sein „Jeremias“ ist von noch intensiverer Wirkung; in dem Prophetenantlitze mußte man individuell verkörpert die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses ganzen Volkes erblicken und lesen. Das geöffnete, sehende Auge des Künstlers schlage die Seiten des ehrwürdigen Buches auf, und schwerlich wird er lange blättern, und eine inhaltreiche Composition wird vor ihm aufgehen.

Ein Lieblingsstoff für Bildhauer und Künstler war von je die Geschichte Davids, des Königs der Juden. Voller, lebendiger ist wohl selten, außer im Homer, ein Unsterblicher der ältesten Vorzeit geschildert worden, als dies in der Bibel beim David geschieht. Alle Fälle wechselnder Romantik im Leben eines an den Anfängen der Cultur stehenden, orientalischen Volkes ist glänzend auf seinem Haupte concentrirt. David ist nicht nur der wiedererstandene jüdische Herkules, der Samson mit seiner rohen Kraft; er ist zugleich Träger der Intelligenz einer zu staatlichem und Cultur-Leben erwachenden Nation. Dieser „Knabe“, dieser „Jüngling, bräunlich und schön“, läßt an unwiderstehlichem Reize, an wahrhafter Löwenkraft, an Ritterlichkeit, Tapferkeit und unergründlicher List, an Größe des Genies, als Dichter und Feldherr sich nur mit sich selbst vergleichen. Die Poesie, welche den späteren Psalmisten, den Meister auf der Harfe, durch alle Höhen des Himmels trug, zeigt sich, naturwüchsig und romantisch, mit kühnsten Zügen gezeichnet, in dem Jugendleben des siebenten Sohnes vom Isai. Ist es hiernach zu verwundern, daß das Mittelalter bis in’s achtzehnte Jahrhundert herab in Gemälden, in zahllosen steinernen Basreliefs und anderen Sculpturen, wie sie heute noch die aus jener Zeit stammenden [65] Gebäude zieren, die Thaten Davids und seine Geschichte darstellte, daß namentlich der Kampf dieses Lieblings der Künstler mit dem Coloß Goliath von Gath sehr selten in der Reihe biblischer Darstellungen fehlt?

L’Orbetto hat durch Pinsel und Farbenpracht den David nach diesem Zweikampf, einem der berühmtesten, den die Geschichte überhaupt aufweisen kann, in einer Weise uns vorgezaubert, daß man urtheilen darf: diese ganze gigantische Erzählung tritt lebend, verkörpert vor uns. Der Moment des Bildes faßt genial das Vorher und Nachher der Handlung höchst in die Augen springend zusammen. Auf dem reizenden, halb knabenhaften Antlitze Desjenigen, welcher mit nervigem Arme einen Löwen und einen Bären erschlagen konnte, malt sich die mehr geistige als körperliche Abspannung nach dem Kampfe. Er überwältigte das Ungeheuer, dessen Kopf als Trophäe in seiner Hand ruht, durch die Schleuder an seiner Hüfte; betrachten wir aber den Heldenkörper des jüdischen Kämpen: so sind wir mit einem Blicke überführt, daß David, mit nackter Brust sich dem Riesenschwerte entgegenwerfend, den Zweikampf Mann gegen Mann nicht zu scheuen gehabt hätte. Unwillkürlich vergleichen wir diesen David L’Orbetto’s mit demjenigen, welcher in unbestimmter Form in unserer Phantasie lebte. Wir finden, da die Schöpfung eines großen Talentes vor uns tritt, etwas Neues, Originales; aber nicht sobald vertiefen wir uns in den Anblick des Gemäldes, so empfinden wir auch seine Kraft: das Bild Davids steht jetzt nach des Malers Darstellung in uns fest, es ist ein Typus dieser Gestalt für uns geworden. Das Costüme, obwohl nur halb orientalisch, ist dennoch sehr glücklich gewählt; eben so charakteristisch als malerisch. Das ganze Bild des nur wenig bekannten Meisters wird stets in der Reihe der aus der Bibel entlehnten Kunstschöpfungen eine vorzügliche Stellung einnehmen.