Das neue Männerasyl für Obdachlose in Berlin
[226] Das neue Männerasyl für Obdachlose in Berlin. (Zu dem Bilde
S. 227.) Vor fünfundzwanzig Jahren begann der „Berliner
Asylverein für Obdachlose“ seine segensreiche Thätigkeit in dem Hause
Büschingstraße 4. Im Laufe dieser Jahre wurde dort etwa drei Millionen
Menschen Obdach gewährt, aber bei dem steten Wachstum der
Großstadt erwies sich dieses Werk der Nächstenliebe unzureichend. Man
mußte neue Zufluchtstätten für die Armen und Elenden schaffen. Die
Stadt Berlin erbaute darum ein Asyl für obdachlose Familien, während
der Berliner Asylverein außer einem Asyl für obdachlose Frauen noch
ein neues Asyl für Männer in der Wiesenstraße 55/57 errichtete. –
Die Einrichtung des neuen Hauses, das 700 Personen Obdach gewähren
kann, muß als mustergültig bezeichnet werden. Der Eintretende findet
in der großen, in unserem Bilde wiedergegebenen Sammelhalle, die
400 Sitzplätze enthält, Aufnahme. Von hier gelangen die Aufgenommenen
in den Wasch- oder Baderaum. Der letztere enthält 20 Badewannen,
56 Brausebäder und Fußspülapparate; auch ist dafür Vorsorge
getroffen, daß die Kleidungsstücke der Badenden während der Badezeit
desinfiziert werden. Hierauf sammeln sich die Aufgenommenen in der
Speisehalle, woselbst jede Person abends einen Napf Suppe mit einem
großen Stück Schwarzbrot erhält. In 14 Schlafsälen mit je 50 Betten
ist für die Nachtruhe gesorgt, die um 10 Uhr eintritt. Des Morgens
vor der Entlassung werden die Obdachlosen noch mit Milchkaffee und
einer Schrippe (Weißbrot) bewirtet. Im Sommer ist der Aufenthalt
von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens, im Winter von 5 Uhr abends
bis 7 Uhr morgens gestattet. Um aber Mißbrauch zu verhüten und
[227] die Wohlthat möglichst vielen Bedürftigen zugänglich zu machen, darf jeder einzelne nur viermal in einem Monat das Gastrecht in Anspruch nehmen. – Möge die Privatwohlthätigkeit, die diese Anstalt geschaffen hat, nimmer erlahmen, und möge es dem Berliner Asylverein für Obdachlose vergönnt sein, seine menschenfreundlichen Bestrebungen immer weiter auszudehnen! F. L.