Das Waldshuter Männlein
Schon stand die Stadt mit Wall und Thürmen;
Auf dieser Seit’ mit Doppelgräben,
Auf jener von dem Rhein umgeben,
Schien sie vor jedem Feind zu schirmen.
War sie jedoch noch nicht benannt:
Man sagte zwar bald das, bald dies,
Doch Ein Wort war noch nicht gewiß.
Dem Uebelstande abzuhelfen
Und um Den würdig zu belohnen,
Dem unter diesen weisen Zwölfen
Der beste Nam’ der Stadt einfällt,
Lag schon ein schönes Sümmchen Geld
Nur schnell! Was ist das beste Wort?
Sie sitzen da mit tiefem Sinnen,
Und, trügen nicht der Stirne Falten,
So muß was Rechtes sich gestalten;
Ein Jeder stützt die Stirn’ und sinnt,
Daß er recht schnell das Geld gewinnt.
Doch wie er auch den Kopf zerbricht –
Ein passend Wörtchen find’t er nicht.
Ein fremdes Männlein von dem Berge,
An Größe glich es einem Zwerge;
Bis auf die Hälfte von dem Rocke
Floß ihm nach Patriarchen Art
Und seiner Haare Ringelgold
Kam unterm Hut ihm vorgerollt.
Er, von des Silbers Glanz geblendet,
Fragt, wer hier dieses Geld empfange?
Und also an den Rath sich wendet:
„Hört, hochachtbare Herren mein!
Das Geld könnt’ auch für mich gut seyn!
Drum streich’ ich es in meinen Hut,
Nun eilt damit der alte Kleine
Fort auf den wohlbekannten Wegen;
Und wunderschnelle zu bewegen
Wußt’ er die kurzen Zwergenbeine.
Ruft ihm der Rath entrüstet nach;
Doch war das Männlein nicht so dumm,
Und kehrte sich nicht wieder um.
Längst war er jedem Blick entschwunden,
Nun rathschlagt man, was denn derselbe
Wohl für ihr blankes Geld erfunden?
„Waldshut? – Ein schöner Doppelsinn
Steckt“ – sagt der Präsident, – „darin.
Die Hut des Volks, des Schwarzwalds Hut!
„Das Männlein, daß wir’s nie verlieren
Aus dankbarlichem Angedenken:
Wir wollen ihm die Ehre schenken
Und was er sprach, das ist gescheh’n.
Noch jetzt kann man das Männlein seh’n,
Fährt man zum Basler Thor herein;
Dort ist’s gemalt gar hübsch und fein.