Das Venus-Schnupftuch
[724] Das Venus-Schnupftuch. Die Schnupftücher, die man sich jetzt nur dutzendweise kauft, waren im 15. Jahrhundert noch so selten, daß man sie vergebens in den Besitzlisten jener Zeit sucht, in welchen alle möglichen Tücher: Kopftücher, Betttücher, Handtücher etc., aber keine Schnupftücher angeführt werden. In den Frankfurter Patrizierfamilien gab zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Braut dem Bräutigam ein reich gesticktes Taschentuch – das genügte damals. Im Laufe des genannten Jahrhunderts vermehrten sich die Schnupftücher sehr und gerne ließen sich vornehme Frauen mit einem Spitzentaschentuch in der Hand abkonterfeien. Aber noch im 17. Jahrhundert war man kein Freund vom Waschen der Schnupftücher, denn nur aus dieser Abneigung können wir uns die folgende Anweisung zur Herstellung der „Venus-Schnupftücher“, die sich in der „Schatzkammer Rarer und Neuer Curiositäten“ (Hamburg, 1683)[WS 1] befindet, erklären. Sie lautet: „Nehmet Kreiden von Brianzon oder Spanische Kreide ein halb vierthel, lasset dieselbige in einem Glaß-Ofen oder sonsten Calciniren, hernach vermischet sie mit guten Brandtewein oder Spiritu Vini, und lasset es sich vier und zwantzig Stunden lang wol mit ein ander vereinigen, hernach feuchtet euer Tücher damit an, und lasset sie im Schatten trocknen, ohne Staub, Sonnen, oder Feuer; es ist gut, daß man sie mit dieser Materie zu dreyenmahlen befeuchte, hernach behaltet sie trocken; diese Art ist die aller fürtrefflichste unter allen, so ich gesehen, und das Schnupff-Tuch wird fast niemahls unsauber.“ Daß der fortgesetzte Gebrauch dieser „niemals unsauber werdenden“ Schnupftücher aber recht appetitlich gewesen wäre, wird wohl niemand behaupten wollen. H. B.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Digitalisate: Ausgabe von 1686 (2. Druck) Google, Ausgabe von 1689 (3. Druck) UB Erlangen-Nürnberg, jeweils auf Seite 71