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Das Schloß in Oesterreich (Erk, Variante 1)

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Titel: Das Schloß in Oesterreich
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 12–14
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Commons
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[12]
6. Das Schloß in Oesterreich.


Mäßig langsam. Vielfach mündlich, aus verschiedenen Gegenden.
Noten
Noten


1.
Es liegt ein Schloß in Oesterreich,

das ist ganz wohl erbauet
von Silber und von rothem Gold,
mit Marmorstein gemauert.

2.
Darinnen liegt ein junger Knab

auf seinen Hals gefangen
wol vierzig Klafter tief unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen.

[13]
3.
Sein Vater kam von Rosenberg

wol vor den Thurm gegangen:
„Ach Sohne, liebster Sohne mein,
wie hart liegst du gefangen!“

4.
‚‚‚Ach Vater, liebster Vater mein!

so hart lieg ich gefangen,
wol vierzig Klafter tief unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen.‘‘‘

5.
Sein Vater zu den Herren gieng,

sprach: „Gebt mir los den Gfangnen!
dreihundert Gulden die will ich euch gebn
wol für des Knaben sein Leben.“

6.
„„Dreihundert Gulden die helfen euch nicht,

der Knabe der muß sterben:
er trägt von Gold eine Kett am Hals,
die bringt ihn um sein Leben.““

7.
„Trägt er von Gold eine Kett am Hals,

die hat er nicht gestohlen,
hats ihm ein zart Jungfräulein verehrt,
dabei sie ihn erzogen.“

8.
Man bracht den Knaben wol aus dem Thurm,

gab ihm die Sacramente:
‚‚‚Hilf, reicher Christ vom Himmel hoch!
es geht mir an mein Ende.‘‘‘

9.
Man bracht ihn zum Gericht hinaus,

die Leiter mußt er steigen:
‚‚‚Ach Meister, lieber Meister mein,
laß mir eine kleine Weile!‘‘‘

10.
„„Eine kleine Weile laß ich dir nicht,

du möchtst mir sonst entrinnen;
langt mir ein seiden Tüchlein her,
daß ich ihm seine Augen verbinde!““

[14]
11.
‚‚‚Ach, meine Augen verbinde mir nicht,

ich muß die Welt anschauen;
ich seh sie heut und nimmermehr
mit mein schwarzbraunen Augen.‘‘‘

12.
Sein Vater beim Gerichte stund,

sein Herz wollt ihm zerbrechen:
„Ach Sohne, liebster Sohne mein,
dein Tod will ich schon rächen!“

13.
‚‚‚Ach Vater, liebster Vater mein,

mein Tod sollt ihr nicht rächen!
bringt meiner Seelen ein schwere Pein;
um Unschuld will ich sterben.

14.
‚‚‚Es ist nicht um das Leben mein,

noch um mein stolzen Leibe;
es ist um meine Frau Mutter daheim,
die weinet also sehre.‘‘‘

15.
Es stund kaum an den dritten Tag,

ein Engel kam vom Himmel,
sprach: „Nehmt den Knabn vom Gerichte ab,
sonst wird die Stadt versinken!“

16.
Es stund kaum an ein halbes Jahr,

der Tod der ward gerochen:
es wurden an dreihundert Mann
ums Knaben willen erstochen. –

17.
Wer ist, der uns das Lied erdacht,

gesungen auch zugleiche?
Das haben gethan drei Jungfräulein
zu Wien in Oesterreiche.

3. Rosenberg, wahrscheinlich das in Böhmen an der Mulde unfern der österreichischen Gränze gelegene Städtchen dieses Namens. – 9. Gericht, Richtstätte.